Année politique Suisse 2004 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Strukturpolitik
Nachdem der Expertenentwurf für eine neue Regionalpolitik verwaltungsintern überarbeitet worden war, gab der Bundesrat die Vorlage im Mai in die Vernehmlassung. Wie aus dem Expertenentwurf bekannt, will der Bund nicht mehr den Bau von einzelnen Infrastrukturprojekten (z.B. Skilifte, Mehrzweckhallen) in den strukturschwachen Regionen mitfinanzieren, sondern Anschubfinanzierungen für Projekte leisten, welche die Unternehmen in den Regionen gemeinsam konkurrenzfähiger machen. Konkret würde beispielsweise der Aufbau von Vermarktungs- und Technologie- resp. Ausbildungszentren gestützt, von deren Leistungen die ansässigen Unternehmen profitieren könnten. Derartige Starthilfe soll nicht nur in Bergebieten, sondern auch in Agglomerationen und grenznahen Regionen ausgerichtet werden. Überhaupt keine Bundeshilfe mehr würden hingegen einzelne Bergtäler erhalten, deren Wirtschaft über kein Entwicklungspotential verfügt. Nicht mehr weitergeführt werden soll auch der sogenannte Bonny-Beschluss, der in strukturschwachen Regionen einzelnen Unternehmen mit Bundesmitteln unter die Arme greift. Für diese neue Regionalpolitik gedenkt der Bundesrat etwa gleich viel Geld einzusetzen wie bisher, d.h. rund 70 Mio Fr. pro Jahr. In der Vernehmlassung äusserten sich die Bergkantone, die meisten Kantone der Westschweiz und auch die SVP ablehnend; ihrer Meinung nach muss sich die Hilfe weiterhin ausschliesslich auf Berggebiete konzentrieren. Die geringe Unterstützung für die Vernehmlassungsvorlage veranlasste den Bundesrat, eine Arbeitsgruppe zur Überarbeitung des Projekts einzusetzen. In dieser sind die Kantone prominent vertreten [7].
Mit einem auf zehn Jahre befristeten Bundesbeschluss hatte das Parlament 1995 die rechtlichen Voraussetzungen für die finanzielle Unterstützung des Standortmarketings der Schweiz (durchgeführt durch die Organisation „Standort Schweiz“) geschaffen. Gemeinsam mit den Kantonen wirbt diese Organisation bei Investoren im Ausland für die Unternehmensansiedelung in der Schweiz. Um diese Arbeit fortführen zu können, beantragte der Bundesrat im Berichtsjahr, ein Bundesgesetz zur „Förderung der Information über den Unternehmensstandort Schweiz“ zu schaffen und für die Jahre 2006 und 2007 einen Rahmenkredit von maximal 9,8 Mio Fr. zu bewilligen. In der Vernehmlassung hatten sich Economiesuisse und die SVP gegen die Fortführung dieses Projekts ausgesprochen und eine bessere Koordination der Aktivitäten der übrigen sich mit der Imagepflege der Schweiz im Ausland betrauten Organisationen (Exportförderung, Pro Helvetia, Schweiz Tourismus) verlangt [8].
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Tourismus
Der Bundesrat beantragte dem Parlament einen Zahlungsrahmen von 200 Mio Fr. für die Periode 2005-2009 zugunsten der Organisation Schweiz Tourismus. Deren primäre Aufgabe ist die Werbung im Ausland für das schweizerische Fremdenverkehrsangebot, und sie wird zu mehr als zur Hälfte vom Bund finanziert. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen 200 Mio Fr. lagen zwar um 10 Mio höher als der letzte Rahmenkredit, aber bedeutend niedriger als die von Schweiz Tourismus gewünschten 277 Mio Fr., welche eine Steigerung um fast 40% bedeutet hätten. Die Marketingorganisation des Tourismus begründete ihre Forderung damit, dass es darum gehe, in den sich stark entwickelnden Kundenmärkten Russland und vor allem China vermehrt präsent zu sein. Dem Ständerat erschien der bundesrätliche Vorschlag allerdings zu knauserig. Mit knappem Mehr erhöhte er den Beitrag auf 230 Mio Fr. Der Nationalrat stimmte jedoch für die von der Regierung vorgeschlagenen 200 Mio für fünf Jahre. Angesichts der Tatsache, dass der Bund unter diversen Titeln pro Jahr rund 210 Mio Fr. direkte Subventionen an die Tourismusförderung bezahlt und der Branche zudem einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen gewährt, drängt sich nach Ansicht der Wirtschafts- und Abgabenkommissionen beider Räte eine Gesamtschau über die staatlichen Unterstützungsmassnahmen und ihre Wirkungen auf. Beide Ratskammern überwiesen ein Postulat, das den Bundesrat zur Vorlage eines entsprechenden Berichts auffordert. Um aufgrund der Resultate dieses Berichts rasch eventuelle Reformvorschläge umsetzen zu können, beschloss der Ständerat in der ersten Runde der Differenzbereinigung, die Laufzeit des Kreditrahmens für Schweiz Tourismus von fünf auf drei Jahre zu verkürzen. Am Kreditrahmen von 46 Mio Fr. pro Jahr (also 138 Mio für die Dreijahresperiode) hielt er jedoch fest. Danach schwenkte auch der Nationalrat auf diese Lösung ein; er tat dies gegen den Widerstand der Linken, welche den bundesrätlichen Vorschlag von 40 Mio Fr. pro Jahr bis zuletzt verteidigte [9].
Der Bundesrat möchte das Verfahren für die Bewilligung von Luftseilbahnen vereinheitlichen und vereinfachen. Diese Absicht wurde in der im Berichtsjahr durchgeführten Vernehmlassung begrüsst. Die Kantone wandten sich allerdings dagegen, dass damit der Bund auch die Zuständigkeit für Skilifte erhielte. In der kurz vor Jahresende zuhanden des Parlaments vorgelegten Botschaft blieben die Skilifte explizit im Kompetenzbereich der Kantone [10].
Im Mai beschloss der Bundesrat, die Weiterarbeit an der Revision des Lotteriegesetzes vorläufig einzustellen. Vorangegangen war diesem Entscheid die Vernehmlassung zu einem Expertenentwurf, welche vor allem bei den Kantonen sehr negative Reaktionen ausgelöst hatte, sowie der Beschluss der zuständigen kantonalen Fachdirektoren, ein Konkordat zur Regelung bestimmter bestehender Probleme namentlich beim Vollzug auszuarbeiten [11]. Die Rechtskommission des Nationalrats war allerdings der Ansicht, dass die Kantone die Bestimmungen über die Aufstellung von Glücksspielautomaten ausserhalb von konzessionierten Casinos zu wenig restriktiv handhaben. Konkret ging es zur Hauptsache um die bisher vor allem in Restaurants in der Westschweiz aufgestellten elektronischen Lotterie-Automaten (sog. Tactilo-Automaten). Nach Ansicht der Lotteriegesellschaften handelt es sich dabei um die elektronische Form der an Kiosken verkauften Rubel-Lose, nach Ansicht der Spielbankenbetreiber hingegen um Glücksspielautomaten. Die von der Rechtskommission eingereichte Motion für eine klare bundesgesetzliche Definition der Glücksspielautomaten unter Einbezug der Tactilo-Geräte wurde vom Bundesrat bekämpft und fand im Nationalrat keine Mehrheit. Der Bundesrat hatte argumentiert, dass er zuerst die Ergebnisse der oben erwähnten Bestrebungen der Kantone abwarten wolle, bevor er selber wieder aktiv werde [12].
 
[7] Presse vom 29.4.04; LT, 1.9.04; Lib. und LT, 11.12.04. Vgl. SPJ 2003, S. 105.
[8] BBl, 2004, S. 7235 ff.; TA, 18.8.04. Vgl. SPJ 1995, S. 109.
[9] BBl, 2004, S. 1585 ff.; AB SR, 2004, S. 305 ff., 594 f. und 646 f.; AB NR, 2004, S. 1457 ff. und 1678 ff.; BBl, 2004, S. 5517; AZ, 4.3.04 (Forderung Schweiz Tourismus); Presse vom 13.3.04. Postulat: AB SR, 2004, S. 313; AB NR, 2004, S. 1473.
[10] BBl, 2005, S. 895 ff.; NZZ, 7.4.04.
[11] AB NR, 2004, Beilagen IV, S. 212; TG, 8.4.04; TA, 8.5.04; SGT, 21.5.04. Vgl. dazu auch AB NR, 2004, S. 219 ff. Zur Vernehmlassung siehe SPJ 2003, S. 107.
[12] AB NR, 2004, S. 2161 ff. Zu den Tactilo-Automaten siehe NZZ, 7.4.04. Vgl. auch die Antwort des BR auf eine Anfrage Brändli (svp, GR) in AB SR, 2004, Beilagen IV, S. 42 f. Die Eidg. Spielbankenkommission hat im Berichtsjahr ein vorläufiges Moratorium für die Aufstellung von neuen Tactilo-Automaten erlassen, welches vom Bundesgericht bestätigt wurde (QJ, 6.12.04).