Année politique Suisse 2006 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
Strassenbau
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Infrastrukturfonds
Das Parlament billigte die im Vorjahr vom Bundesrat vorgeschlagene Errichtung eines Infrastrukturfonds von 20,8 Mia Fr. zur Fertigstellung des Nationalstrassennetzes, zur Beseitigung von Engpässen auf Autobahnen und zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Städten und Agglomerationen; mit diesem Fonds sollen nach dem Scheitern des Gegenvorschlags zur Avanti-Initiative 2004 die dringlichsten Verkehrsprobleme gelöst werden. Der Ständerat lobte die Vorlage als ausgewogenen und tragfähigen Kompromiss. Dass die Strassenverkehrsverbände mit dem Referendum drohten, sei schwer verständlich, da die Strassen nicht zu kurz kämen. Die kleine Kammer nahm auf Vorschlag ihrer Kommission nur wenige Änderungen am bundesrätlichen Gesetzesentwurf vor. So ergänzte sie beim Agglomerationsverkehr, dass auch der Langsamverkehr mit Beiträgen zu fördern sei. Fondsgelder sollten nur dann für Eisenbahninfrastrukturen eingesetzt werden, wenn die Projekte zu einem Mehrwert für eine Stadt oder Agglomeration führten und die Strasse unmittelbar entlasteten; grundsätzlich sollten die Investitionen in Eisenbahninfrastrukturen für den Agglomerationsverkehr über die Finanzierungsinstrumente gemäss Eisenbahngesetz erfolgen. Um die Akzeptanz der Vorlage zu verbessern, wollte der Ständerat auch die Berggebiete und Randregionen unterstützen, indem er ihnen für die Substanzerhaltung ihrer Hauptstrassen während 20 Jahren insgesamt 800 Mio Fr. zusprach. Der Infrastrukturfonds und der entsprechende Gesamtkredit passierten die Gesamtabstimmung einstimmig [15].
Der Nationalrat lehnte einen Rückweisungsantrag Wäfler (edu, ZH) ab, welcher die dringlichen Projekte im Rahmen der bestehenden, ordentlichen Bewilligungs- und Finanzierungsverfahren durchführen wollte. In der Detailberatung folgte der Rat weitgehend der kleinen Kammer. Er lehnte sowohl eine von der SVP verlangte Aufstockung von rund 7 Mia Fr. als auch eine von der Kommissionsmehrheit gewünschte Erhöhung von 3 Mia Fr. für die Beseitigung von Engpässen im Nationalstrassenbau ab, aber auch eine von den Grünen beantragte Kreditaufstockung von 1 Mia Fr. zugunsten des Agglomerationsverkehrs. Damit beliess der Nationalrat den Gesamtkredit für den Infrastrukturfonds bei 20,8 Mia Fr. Eine ausführlichere Diskussion löste die von bürgerlicher Seite aufgeworfene Frage aus, ob ein allfälliges Nettovermögen des Infrastrukturfonds wie beim FinöV-Fonds zu verzinsen sei. Bundesrat Leuenberger erklärte, eine Verzinsung des Nettovermögens belaste die Finanzrechnung mit jährlich zusätzlich 60-150 Mio Fr.; der Vergleich mit dem FinöV-Fonds hinke, da dieser auf einem anderen Konzept beruhe und nie ein Nettovermögen aufweisen werde. Nach der Detailberatung zeigte sich ein Teil der Ratsrechten vom Resultat enttäuscht. Der Nationalrat billigte die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 125:39 Stimmen [16].
Bei den noch offenen Differenzen schloss sich der Ständerat der grossen Kammer an. Das Geschäft passierte die Schlussabstimmung im Ständerat mit 44:0 Stimmen und im Nationalrat mit 154:33 Stimmen bei einer Enthaltung; die ablehnenden Stimmen stammten von der SVP [17].
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Nationalstrassen
Basierend auf der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) übernimmt der Bund 2008 die alleinige Verantwortung für die Nationalstrassen. Dazu gehört neben der Finanzierung des Baus und des Unterhalts auch das Verkehrsmanagement. Für den Standort der nationalen Zentrale bewarben sich die Kantone Aargau, Uri, Waadt, Zürich und Luzern. Den Zuschlag erhielt Emmen (LU) [18].
Der Ständerat lehnte eine im Vorjahr vom Nationalrat gebilligte Motion Kohler (cvp, JU) ab, welche die Fertigstellung des Nationalstrassennetzes bis 2012 verlangt hatte [19]. Gutgeheissen wurde eine von der grossen Kammer im Vorjahr gebilligte Motion der nationalrätlichen Spezialkommission, welche die Einnahmen aus der zweckgebundenen Mineralölsteuer ausschliesslich für den Bau und den Unterhalt des Strassennetzes verwenden will [20].
Der Bundesrat präsentierte seine Botschaft zu einer Änderung des Schwerverkehrsabgabegesetzes, welche administrative Abläufe effizienter gestalten will und Massnahmen gegen säumige Zahler vorsieht [21].
Im Rahmen des Aktionsplans Feinstaub gab der Bundesrat bekannt, er wolle bei der nächsten Erhöhung der LSVA im Jahr 2008 mit der EU über die Möglichkeit verhandeln, für Lastwagen mit Filtern eine weniger hohe Schwerverkehrsabgabe zu erheben. Die Transporteure wollen die geplante Erhöhung der LSVA bis 2011 hinauszögern; der Bund mache durch die höhere Belastung gewisser Lastwagen teure Investitionen zunichte [22].
Diskussionslos überwies das Parlament eine Motion Giezendanner (svp, AG), welche Treibstofftransporte des Bundes an privatwirtschaftliche Betriebe mit der LSVA belasten will [23].
Der deutsche Verkehrsminister Tiefensee, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Oettinger, Bundespräsident Leuenberger und der Aargauer Baudirektor Beyeler eröffneten eine Autobahn-Rheinbrücke mit Zollanlage in Rheinfelden. Das Teilstück verbindet die schweizerische A3 mit der deutschen A98 und entlastet die beiden Rheinfelden (AG und D) [24].
Am 31. Mai kam es in Gurtnellen (UR) zu einem Felssturz, bei dem ein deutsches Ehepaar ums Leben kam und der die Nationalstrasse verschüttete. In der Folge blieb die Gotthard-Autobahn im Kanton Uri wegen Felssturz-Gefahr den ganzen Juni gesperrt, weil die bedrohlichen Felsmassen im Abrissgelände gesprengt werden mussten. Die Schweiz bemühte sich mit ihren Nachbarstaaten und der EU um eine koordinierte Lenkung des Schwerverkehrs durch den gesamten Alpenbogen. SBB und BLS boten zusätzliche Verlademöglichkeiten an [25].
 
[15] AB SR, 2006, S. 217 ff.; Presse vom 4.2. (Kommission) und 22.3.06; vgl. SPJ 2005, S. 144 f. Die Strasse H2 zwischen Pratteln und Liestal (BL) fand zusätzlich Aufnahme in die Liste der dringenden und baureifen Agglomerationsprojekte.
[16] AB NR, 2006, S. 1314 ff., 1317 ff. und 1414 ff.; Presse vom 23.8. (Kommission) und 26.-27.9.06. Die SP-Fraktion zog ihre parlamentarische Initiative zur Finanzierung des öffentlichen Agglomerations- und des Langsamverkehrs zurück (AB NR, 2006, S. 475).
[17] AB SR, 2006, S. 862 f. und 924; AB NR, 2006, S. 1604; BBl, 2006, S. 8433 ff.
[18] Presse vom 20.7.06. Im Rahmen der Ausführungsgesetzgebung zur NFA schloss das Parlament die Kantone von den grossen Unterhaltsarbeiten bei den Nationalstrassen aus. Details zur NFA siehe oben, Teil I, 5 (Finanzausgleich).
[19] AB SR, 2006, S. 237 f.; vgl. SPJ 2005, S. 146. Der NR schrieb eine in die gleiche Richtung zielende Motion Schmied (svp, BE) ab (AB NR, 2006, S. 1598 und Beilagen IV, S. 141 f.).
[20] AB NR, 2005, S. 602 ff.; AB SR, 2006, S. 532 und Beilagen III, S. 64.
[21] BBl, 2006, S. 9539 ff. Giezendanner (svp, AG) zog seine Motion betreffend Änderung der LSVA-Verordnung (Erhebung der LSVA aufgrund der Stammnummer in Kombination mit dem Kontrollschild) zurück, da sein Anliegen erfüllt war (AB NR, 2006, S. 603 und Beilagen II, S. 49 f.).
[22] Presse vom 17.6.06; TA, 21.6.06; zur geplanten Erhöhung der LSVA und deren Folgen für die Berggebiete und Randregionen siehe die Antwort des BR auf eine Interpellation Hutter (fdp, ZH) in AB NR, 2006, S. 596 f.; siehe auch unten, Teil I, 6d (Luftreinhaltung).
[23] AB NR, 2006, S. 1113 und Beilagen III, S. 369 f.; AB SR, 2006, S. 767 und Beilagen IV, S. 75 f.
[24] BaZ, 4.3.06; TA, 7.3.06; AZ, 8.3.06.
[25] Presse vom 1.6., 6.-7.6., 24.6., 27.6. und 1.7.06; siehe auch die Antworten des BR auf eine Frage Robbiani (cvp, TI) und die Interpellationen Hutter (svp, SG) und Germanier (fdp, VS) in AB NR, 2006, Beilagen III, S. 770, Beilagen IV, S. 407 f. und Beilagen V, S. 194 ff.