Année politique Suisse 2006 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
 
Hochschulen
Die Schweizerische Universitätskonferenz publizierte erstmals Kostenberechnungen für die einzelnen Studienrichtungen und -orte. Gesamtschweizerisch betrugen die durchschnittlichen Kosten pro Studierende/Jahr in den Naturwissenschaften 68 000 Fr., den exakten Wissenschaften 65 000 Fr., der Theologie 37 000 Fr., den Sprach- und Literaturwissenschaften 20 000 Fr., den Geschichts- und Kulturwissenschaften 16 000 Fr., den Wirtschaftswissenschaften 15 000 Fr., den Sozialwissenschaften 14 000 Fr. und den Rechtswissenschaften 13 000 Fr. Am besten war das Betreuungsverhältnis bei den Theologen (13 Studierende pro Professor), gefolgt von den exakten Wissenschaften (15), den Naturwissenschaften (18), den Sprach- und Literaturwissenschaften (40), den Geschichts- und Kulturwissenschaften (49), den Wirtschaftswissenschaften (52), den Rechtswissenschaften (59) und den Sozialwissenschaften (82). Nicht aufgeführt wurde die Medizin, da die in den Universitätsspitälern anfallenden Kosten nur mit grossem Aufwand auf Ausbildung und klinische Dienstleistungen aufteilbar sind. 2004 kosteten die Fachhochschulen 1,357 Mia Fr., d.h. zwischen 17 651 und 45 595 Fr. pro Studierende [24].
Diskussionslos überwies der Nationalrat eine Motion Hutter (fdp, ZH), welche verhindern will, dass mit der Erhöhung des Kredits für Bildung, Forschung und Innovation (BFI) ineffiziente Strukturen weiterfinanziert werden. Die Vergabe der Gelder sei an folgende Prinzipien zu knüpfen: Bereinigung des Angebots innerhalb eines Hochschultyps und zwischen den einzelnen Hochschultypen, Zusammenlegung wenig nachgefragter Studiengänge, differenzierte Vorgaben z.B. für Betreuungsverhältnisse, Konzentration auf weniger Standorte bei der Berufsbildung, Vermeidung von Doppelspurigkeiten zwischen internationaler und nationaler Forschung. Gegen den Antrag des Bundesrates gutgeheissen wurde eine Motion Pfister (svp, SG) für eine Überprüfung der nationalen und internationalen Forschungsvorhaben, um eine effizientere Allokation der Bundesmittel sicherzustellen. Der Ständerat lehnte das Begehren ab, da das Anliegen grösstenteils erfüllt sei [25].
Die grosse Kammer billigte ein Postulat Markwalder (fdp, BE), welches das Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement von Universitäten, Fachhochschulen und Berufsschulen im Rahmen der Akkreditierungs- und Qualitätssicherungsverfahren fördern will [26].
In seiner Antwort auf eine Interpellation Müller-Hemmi (sp, ZH) erklärte der Bundesrat, eine Vereinbarung betreffend die Zulassung zu Bachelor- und insbesondere zu Master-Studiengängen aufgrund von Bachelor-Diplomen anderer Hochschultypen („Passerellen-Vereinbarung“) sei in Vorbereitung. Attraktive Passerellen sollen einen direkten Zugang zu Master-Studiengängen, wenn auch mit begründeten fachlichen Auflagen auch für Inhaberinnen und Inhaber eines Bachelor-Diploms eines anderen Hochschultyps, ermöglichen und damit die hohe Durchlässigkeit des Bildungsraums Schweiz gewährleisten [27].
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Universitäten und ETH
Im Zusammenhang mit der Gründung des neuen Kompetenzzentrums für internationale Studien in Genf wiesen die EDK und die Schweizerische Universitätskonferenz darauf hin, dass der Bund und die Kantone ihre Hochschulpolitik gemäss der neuen Bildungsverfassung zu koordinieren haben. Indem der Bund mit dem Kanton Genf bilateral eine neue Hochschulinstitution aufbaue und deren Subventionierung stark erhöhe, unterlaufe er diese Koordinationspflicht. Er schaffe einen zweiten Kreis von Hochschulen ausserhalb des ersten Kreises (ETH, kantonale Hochschulen und Fachhochschulen). In seiner Antwort auf eine Interpellation Bürgi (svp, TG) rechtfertigte der Bundesrat das Vorgehen mit der hohen Dichte internationaler Organisationen in Genf, deren Know-how sowie dem grossen vorhandenen Potenzial im Studienbereich „Internationale Beziehungen“. Dies hätte die Behörden des Kantons Genf und des Bundes veranlasst, die drei bestehenden Einrichtungen Institut universitaire de hautes études internationales (HEI), Institut universitaire d’études du développement (IUED) und Réseau universitaire international de Genève (RUIG) zu einem einzigen Institut zusammenzulegen. Dieses werde in die Form einer privatrechtlichen Stiftung gekleidet und auf dem heute geltenden kantonalen und Bundesrecht basieren. Es gehe nicht darum, einen neuen Hochschultypus zu schaffen [28].
Im Herbst scheiterte der neue ETH-Präsident Ernst Hafen mit seiner Führungsreform am Widerstand der Professoren und musste zurücktreten; die interimistische Leitung übernahm Rektor Osterwalder. Anstelle der bisherigen 15 Departementschefs hatte Hafen 6-8 vollamtliche Abteilungsleiter einsetzen wollen. Die Stelle des Rektors, der von der Professorenschaft gewählt wird, wollte er abschaffen [29].
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Kooperation unter den Hochschulen
Die Universitäten Bern, Genf und Neuenburg, die Universität der italienischen Schweiz sowie das Hochschulinstitut für öffentliche Verwaltung in Lausanne (IDHEAP) bieten neuerdings gemeinsam eine Ausbildung im Bereich öffentliche Verwaltung an. Ziel des interdisziplinären Studiums ist ein Master-Abschluss in Politik und öffentlicher Verwaltung (nach zwei Jahren) oder ein Doktorat  NZZ, 31.3.06; LT, 24.4.06..
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Fachhochschulen
Anstelle des bisherigen Titels können Inhaberinnen und Inhaber eines Lizentiats oder Diploms einer Universität den Mastertitel führen. Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen dürften als Zusatz nur den Titel Bachelor führen, was zu einer Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt führe, monierten Randegger (fdp, BS), Bezzola (fdp, GR) und Pfister (svp, SG). In seiner Antwort auf ihre diesbezüglichen Fragen erklärte der Bundesrat, die bisherigen FH-Abschlüsse korrespondierten nicht mit den Anforderungen eines Master. Das BBT kläre ab, ob zusätzliche Studien oder Berufspraxis allenfalls im Rahmen eines Master anerkannt werden könnten [31].
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Studierende
Im Wintersemester 2005/06 waren an den Schweizer Hochschulen über 166 000 Studierende immatrikuliert, darunter 48% Frauen und 20% ausländische Staatsangehörige. Die Zahl der Studierenden an den 13 universitären Hochschulen nahm auf 112 309 zu (+1,1%). Den grössten Zuwachs verzeichnete die Universität Luzern (+18%), deren 2001 gegründete Rechtsfakultät noch im Aufbau begriffen ist. An den übrigen Universitäten schwankte die Studierendenzahl zwischen Zunahmen in Neuenburg, an der Universität der italienischen Schweiz (je +9%) und in Basel (+8%) und einer Abnahme um 8% an der Universität Bern, welche auf die Überführung der Lehrkräfteausbildung an die neue Pädagogische Hochschule (PH) Bern zurückzuführen ist. Gemäss BFS besuchten drei Viertel der Studienanfänger/innen einen Bachelorstudiengang; ein Jahr zuvor betrug dieser Anteil erst einen Viertel. Zurzeit streben an den Universitäten rund 36 000 Personen einen Bachelor, rund 6700 einen Master und 46 400 ein herkömmliches Lizenziat oder ein Diplom an.
Die Fachhochschulen (FH) zählten im Wintersemester insgesamt 54 100 Studierende, was einer Zunahme um 10% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Allerdings entfällt ein Grossteil dieser zusätzlichen 5000 Personen auf die Lehrkräfteausbildung, wo der Transfer von der Sekundarstufe II an die PH weiter anhält. Der Anstieg der Studierendenzahlen von 18% im Bereich Soziale Arbeit ist hauptsächlich der kürzlichen Einführung dieser Studienangebote an der HES-SO zuzuschreiben. Sieht man von diesem Sonderfall und der Lehrkräfteausbildung ab, hat sich die Zahl der Studierenden an den FH gegenüber dem Vorjahr um 3,7% erhöht. Die Fachhochschulen sind ebenfalls ins Bologna-Zeitalter eingetreten: Zwei Drittel der 15 400 Studienanfänger/innen schrieben sich in einem Bachelorstudiengang ein. Die Mehrzahl der acht FH hat die Reform auf das Wintersemester 2005/06 hin in praktisch allen angebotenen Studiengängen umgesetzt [32].
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Stipendien
Im Rahmen der Ausführungsgesetzgebung zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) verabschiedete das Parlament ein total revidiertes Stipendiengesetz; Stipendien und Studiendarlehen wurden dabei als Verbundaufgabe von Bund und Kantonen ausgestaltet. Neu basieren die Bundeskredite zugunsten der Kantone nicht mehr auf dem Durchschnittswert der Aufwendungen der letzten Jahre, sondern auf der Bevölkerungszahl der Kantone. Eine materielle Harmonisierung der Stipendien und Darlehen lehnten die Räte im Rahmen der NFA ab [33].
Der Nationalrat überwies eine Motion seiner WBK und ein Postulat Randegger (fdp, BS), welche eine Harmonisierung der Ausbildungsbeihilfen im Hochschulbereich verlangen, die weiter geht als die NFA-Regelung. Der Ständerat billigte ein in die gleiche Richtung zielendes Postulat Leumann (fdp, LU). Ebenfalls gutgeheissen wurde ein Postulat von Jacqueline Fehr (sp, ZH) für einen Bericht zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie resp. Familiengründung und Ausbildung/Studium [34].
 
[24] Presse vom 19.4. (FH) und 21.4.06.
[25] AB NR, 2006, S. 774 f. (Pfister) und 2026 sowie Beilagen V, S. 321 f.; AB SR, 2006, S. 1118 f. Zum BFI-Kredit siehe unten (Forschung).
[26] AB NR, 2006, S. 2030 und Beilagen V, S. 343; zur Qualitätssicherung siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Randegger (fdp, BS) in AB NR, 2006, Beilagen V, S. 295 f.
[27] AB NR, 2006, Beilagen V, S. 269 ff.
[28] AB SR, 2006, S. 696 f.; TG, 11.3. und 19.4.06; LT, 13.3. und 19.5.06; Presse vom 3.6.06; vgl. SPJ 2005, S. 226.
[29] TA, 26.10., 31.10.-4.11. und 6.12.06; Presse vom 2.11.06.
[31] AB NR, 2006, S. 307 f. und Beilagen I, S. 676; siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Burkhalter (fdp, NE) in AB NR, 2006, Beilagen IV, S. 398 f.
[32] Medienmitteilung des BFS vom 5.5.06; Statistisches Lexikon 2006.
[33] AB SR, 2006, S. 125 ff., 137 ff., 206 ff., 732 ff., 852 f., 885 und 923; AB NR, 2006, S. 1196 ff., 1224 ff., 1393 ff., 1537 und 1602 f.; BBl, 2006, S. 8341 ff.; Presse vom 16.3. und 20.-21.9.06; vgl. SPJ 2005, S. 132 und 229. Zur NFA siehe oben, Teil I, 5 (Finanzausgleich).
[34] AB NR, 2006, S. 1571 (Mo) und 1575 sowie Beilagen IV, S. 350, 465 f. und 486 f.; AB SR, 2006, S. 695 f.