Année politique Suisse 2007 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
Natur- und Heimatschutz
Das Weinbaugebiet
Lavaux am Genfersee (VD) wurde in das Weltkulturerbe der Unesco aufgenommen. Die 898 ha grosse Fläche besteht aus teilweise sehr steilen Weinbergen. Zistensermönche begannen bereits im 12. Jahrhundert die Hänge für den Weinbau zu terrassieren, seither wurde das Gebiet nach und nach zu einer wunderschönen Kulturlandschaft geformt. Die Unesco hiess gleichzeitig auch die Ausweitung des 2001 aufgenommenen Gebiets
Aletsch-Jungfrau-Bietschhorn (BE, VS) um mehr als 50%, auf 539 Quadratkilometer gut
[54].
Im September besuchten zwei Experten die
Glarner Hauptüberschiebung, um die Kandidatur für das Unesco-Welterbe vor Ort zu beurteilen. Im Zentrum der Beurteilung dieses geologischen Phänomens im Grenzgebiet der Kantone St. Gallen, Glarus und Graubünden stehen die weltweite Einzigartigkeit sowie der Managementplan. Die Prüfung dauert bis im Frühjahr 2008 und die Glarner Hauptüberschiebung kann daher frühestens im Sommer 2008 in das Unesco-Welterbe aufgenommen werden
[55].
Im Berichtsjahr wurde zudem die
Kandidatur von La Chaux-de-Fonds und Le Locle (NE) für eine Aufnahme ins Weltkulturerbe der Unesco eingereicht. Gleichzeitig kündigte das Bundesamt für Kultur an, die Schweiz plane, 2009 für einen Sitz im Welterbekomitee zu kandidieren. Gegenwärtig verfügt sie lediglich über einen Beobachterstatus. Falls sie gewählt würde, könnte sie an den Welterbeversammlungen der Jahre 2010 bis 2014 als Komiteemitglied teilnehmen
[56].
Im Herbst 2006 hatte der Bundesrat bekannt gegeben, dass er die
Volksinitiative „Verbandsbeschwerderecht: Schluss mit den Verhinderungspolitik – Mehr Wachstum für die Schweiz“ ablehne. Er unterstützte damals die Gesetzesrevision, mit der das Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung gestrafft wurde, um möglichen Missbräuchen entgegenzuwirken. Die entsprechende Vorlage des Parlaments wurde mit geringfügigen Änderungen bereinigt. Gleichwohl stiess der Bundesrat im Berichtsjahr seinen Entscheid um, und empfahl die Initiative zur Annahme. Seinen Entscheid begründete er damit, dass ihm die beschlossene Gesetzesrevision zu wenig weit gehe. Umweltorganisationen sollten seiner Ansicht nach nicht berechtigt sein, durch Parlament und Volk legitimierte Projekte gerichtlich anzufechten. Diese Kehrtwende der Landesregierung wurde von den Umweltverbänden scharf kritisiert
[57].
Der
Ständerat beschloss in der Wintersession die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Er bemängelte insbesondere die unklare Formulierung des Initiativtextes und den Eingriff in kantonales Verfahrensrecht. Mit 23 zu 9 Stimmen verwarf die kleine Kammer einen Antrag von Frick (cvp, SZ), der die Vorlage an die Rechtskommission zurückweisen und diese mit der Prüfung eines indirekten Gegenvorschlags beauftragen wollte. Mit allfälligen Gesetzesänderungen sollte das Spannungsfeld zwischen demokratisch gefällten Entscheiden und Verbänden, die diese Entscheide in Frage stellten, geklärt werden. Fricks Antrag umfasste neben Verfahrensfragen auch materielle Änderungen des Umweltrechts, wie beispielsweise eine verbesserte Koordination von Raumplanungs- und Umweltschutzinteressen
[58].
Ständerat Hofmann (svp, ZH) zog in der Sommersession eine Motion zurück, durch welche der Bundesrat aufgefordert werden sollte, die Verordnung über die
Umweltverträglichkeitsprüfung den im Dezember 2006 beschlossenen
Änderungen des Umweltschutzgesetzes (USG) anzupassen, und die beiden geänderten Erlasse gleichzeitig in Kraft zu setzen. Dies, weil die Landesregierung beabsichtigte, die Änderungen des USG im Juli 2007 in Kraft zu setzen und es nicht möglich war, die Verordnungen bis zu diesem Zeitpunkt auszuarbeiten. Gleichzeitig reichte er eine neue, abgeänderte Motion ein, die die Regierung verpflichtet die Umweltverträglichkeitsprüfung möglichst rasch anzupassen und schrittweise bis spätestens im Juni 2008 in Kraft zu setzen
[59].
Im Dezember eröffnete das Uvek die Anhörung zu den entsprechenden Anpassungen der
Verordnungen zu Verbandsbeschwerderecht und Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Schwelle für die Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht soll bei Parkieranlagen von 300 auf 500 Parkplätze heraufgesetzt und bei Einkaufszentren und Fachmärkten von 4000 auf 7500 Quadratmeter Verkaufsfläche erhöht werden. Völlig überarbeitet wurde der Bereich Abfallanlagen. Hier sollen die Schwellenwerte entsprechend den unterschiedlichen Behandlungsarten differenziert und deutlich angehoben werden. Änderungen sind ferner bei der Verordnung über die Bezeichnung der im Bereich des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes beschwerdeberechtigten Organisationen geplant. Im Zentrum steht dabei die Konkretisierung der unter den neuen gesetzlichen Vorgaben noch zulässigen wirtschaftlichen Tätigkeiten der Umweltorganisationen. Der Verordnungsentwurf will beschwerdeberechtigte Organisationen zudem verpflichten, die Öffentlichkeit jährlich über ihre Einsprache- und Beschwerdetätigkeit zu informieren
[60].
Das Uvek hat im Frühjahr eine
Verordnung zum besseren Schutz von Trockenwiesen in die Vernehmlassung geschickt. Diese Flächen sind in der Schweiz zunehmend gefährdet, seit dem 2. Weltkrieg sind 90% der Trockenwiesen verschwunden. Dadurch sind viele der dort festgestellten Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Ein gesamtschweizerisches Inventar listet nun insgesamt 3128 Objekte von nationaler Bedeutung auf. Die neue Bestimmung verpflichtet die Kantone insbesondere den genauen Grenzverlauf der Objekte zu bestimmen und rechtzeitig die zweckmässigen Schutz- und Unterhaltsmassnahmen zu treffen
[61].
Im Misox (GR) wurde im Oktober das grösste
Naturwaldreservoir ausserhalb des Nationalparks geschaffen. Die Standortgemeinden, Pro Natura und der Kanton Graubünden unterzeichneten gemeinsam einen Schutzvertrag. In diesem Gebiet von 1500 Hektaren Wald wird nun während 50 Jahren auf Holzschlag und Beweidung verzichtet. Erlaubt bleiben das Wandern, die Jagd sowie das Sammeln von Pilzen und Beeren. Für den Verzicht auf die Bewirtschaftung werden die Standortgemeinden von Pro Natura und dem Kanton Graubünden mit insgesamt 470 000 Fr. entschädigt
[62].
Im Berichtsjahr wurden die Ergebnisse des
Nationalen Forschungsprogramms „Landschaften und Lebensräume der Alpen“ veröffentlicht. Während 8 Jahren hatten sich zahlreiche Forscher im Rahmen von 35 Einzelprojekten mit diesem Thema befasst. Die Forscher gelangten unter anderem zum Fazit, dass heute im selben Landschaftsraum kaum alle denkbaren Nutzungen verwirklicht werden können. Sie empfahlen daher den Entscheidungsträgern, unter Berücksichtigung der Eigenschaft einer Landschaft zu bestimmen, wie sie sich künftig entwickeln soll und wie sie sie gestalten möchten. Entsprechend solle ein Leistungsauftrag formuliert werden, der Transferleistungen der öffentlichen Hand mit genau definierten Landschaftsleistungen verknüpft
[63].
2007 wurde die erste
Erfolgskontrolle zu den inventarisierten Mooren und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung veröffentlicht. Gemäss den Erhebungen war der Moorschutz vor allem in quantitativer Hinsicht erfolgreich. Die Fläche der Hoch- und Flachmoore hat seit 2002 nur um 1% abgenommen. Wesentlich verschlechtert hat sich dagegen die Qualität der geschützten Moore: Über ein Viertel sind trockener geworden, in einem Viertel hat die Nährstoffversorgung zugenommen und fast ein Drittel ist von Verbuschung und Einwaldung betroffen, weil die Biotope nicht mehr genutzt werden oder austrocknen. Um die Situation zu verbessern, will das Bundesamt für Umwelt Massnahmen zur Regeneration der Moore und zur Verringerung des Nährstoffeintags ergreifen. Dabei ist die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft zentral, weil der Nährstoffeintrag nur durch ausreichend breite Pufferzonen wirksam verhindert werden kann
[64].
Im Dezember setzte der Bundesrat die vom Parlament 2006 verabschiedete Änderung des Natur- und Heimatschutzgesetzes sowie die dazugehörige
Pärkeverordnung in Kraft. Die beiden Erlasse legen die Rahmenbedingungen für Nationalpärke, Regionale Naturpärke und Naturerlebnispärke von nationaler Bedeutung fest. Mittelfristig wird der Bund die Förderung von Pärken mit jährlich 10 Mio Fr. unterstützen. Die Regionen in der Schweiz, die Pärke von nationaler Bedeutung errichten wollen, können künftig beim Bundesamt für Umwelt um ein Parklabel sowie um Finanzhilfen ersuchen
[65].
Gegen den Antrag seiner Kommission hiess der Nationalrat eine Motion der Umwelt-, Raumplanungs- und Energiekommission des Ständerates gut. Mit diesem Vorstoss wird der Bundesrat beauftragt, dem Parlament eine
Sonderbotschaft über die Leistungen des Bundes an die Kosten der Kantone im Zusammenhang mit den Unwetterschäden vom August 2005 zu unterbreiten. Der Ständerat hatte der Motion im Vorjahr zugestimmt
[66].
Der Bundesrat verabschiedete im Berichtsjahr ein Massnahmenpaket, um die
Alarmierung bei Naturgefahren zu verbessern und Schäden zu vermindern. Dabei stehen die personelle Verstärkung bei betroffenen Fachstellen sowie Verbesserungen bei den Vorhersagemodellen und der Information der Bevölkerung im Vordergrund. Die Nationale Alarmzentrale wird zu einem gesamtschweizerischen Melde- und Lagebeurteilungszentrum ausgebaut. Sie soll bei Umweltereignissen die Gesamtlage erfassen, alle Partner vernetzen, Warnungen rasch und sicher verbreiten und Schwergewichtsbildungen bei der Hilfe ermöglichen
[67].
Die Schweiz wurde im August von den
heftigsten Unwettern seit 2 Jahren heimgesucht. Besonders betroffen waren die Kantone Aargau, Jura und Waadt, aber auch die Kantone Bern, Baselland, Zürich sowie die Zentral- und Ostschweiz litten unter dem Hochwasser. Dabei wurden mindestens 8 Menschen verletzt und mehrere hundert Personen mussten evakuiert werden
[68].
Nach den Überschwemmungen warf der Aargau dem Kanton Bern vor, das Berner Wasserwirtschaftsamt habe mehr Wasser aus dem Bielersee in die Aare abfliessen lassen, als dies gemäss der interkantonalen Vereinbarung zulässig gewesen wäre. Die Berner wehrten sich gegen die Vorwürfe und begründeten die zu hohen Wassermengen mit den unpräzisen Abflussprognosen des Bundes
[69].
Aufgrund dieser Auseinandersetzungen trafen sich die Kantone Aargau, Bern, Solothurn, Freiburg, Waadt und Neuenburg, das Bundesamt für Umwelt und das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie zu einer Aussprache. Dabei beschlossen sie, das
Krisenmanagement zu verbessern und in kritischen Situationen künftig
institutionalisierte Konferenzgespräche durchzuführen. Ausserdem soll die Regulierung des Hochwasserabflusses der Aare unter Federführung des Bundesamtes für Umwelt analysiert und optimiert werden
[70].
Seit Juni bietet
Meteo Schweiz im Internet eine zusätzliche Entscheidungshilfe für Bund, Kantone und Einsatzkräfte. Im Rahmen eines internationalen meteorologischen Forschungsprojekts analysierten Wissenschafter während den letzten 12 Jahren Prozesse, die zu extremen Wettersituationen führen. Die Ergebnisse wurden nun auf eine Internetplattform übertragen, die von Warndiensten, Gemeindestäben und Feuerwehren zur Ausgabe von Hochwasseralarm genutzt werden kann. Die Plattform wird gegenwärtig von gut zwei Duzend Endnutzern erprobt. Falls diese Testphase zufrieden stellend verläuft, wird sie später weiteren Fachinteressenten geöffnet, nicht aber dem breiten Publikum
[71].
Weil infolge der Klimaerwärmung mit mehr Unwettern und Extremereignissen gerechnet werden muss, erhöhte der Bundesrat die im Rahmen des Neuen Finanzausgleichs (NFA) für die
Naturgefahrenprävention vorgesehenen
Bundesmittel. In der NFA-Periode 2008 bis 2011 sollen die Mittel für den Hochwasserschutz um 156 Mio auf 400 Mio Fr. und diejenigen für Schutzbauten gegen Lawinen und Rutschungen um 24 Mio auf 160 Mio Fr. erhöht werden. 240 Mio Fr., 32 Mio Fr. mehr als in der bisherigen Finanzplanung vorgesehen, wurden für die Schutzwaldpflege reserviert. Ferner will der Bundesrat eine alternative Finanzierung für die Naturgefahrenvorsorge prüfen, die spätestens ab der NFA-Verpflichtungsperiode 2011 bis 2015 den ordentlichen Bundeshaushalt weitgehend entlasten soll
[72].
[54]
AZ,
Lib. und
24h, 29.6.07. Vgl.
SPJ 2001, S. 163.
[55]
SGT, 5.9.07. Vgl.
SPJ 2006, S. 173.
[56]
NZZ, 18.12. und 22.12.07;
LT und
24h, 18.12.07.
[57]
BBl, 2007, S. 4347 ff.;
NZZ, 3.5. und 9.6.07;
BaZ und
BZ, 9.6.07. Vgl.
SPJ 2006, S. 173 f.
[58]
AB SR, 2007, S. 1197 ff.
[59]
AB SR, 2007, S. 614 f.; Mo 07.3418 (neu eingereichte Motion). Vgl.
SPJ 2006, S. 174.
[60]
BaZ und
TA, 29.12.07.
[62]
BaZ,
SGT und
TA, 19.10.07.
[63]
BZ, 30.5.07;
NZZ, 5.9.07.
[64]
Bund und
NZZ, 23.11.07.
[65]
AZ, 8.11.07. Vgl.
SPJ 2006, S. 174 f.
[66]
AB NR, 2007, S. 1003 f. Vgl.
SPJ 2006, S. 176.
[68]
NZZ und
TA, 10.8.07.
[69]
BZ, 11.8.07;
Bund, 13.8.07.
[70]
Bund,
BZ und
NZZ, 18.8.07.
[71]
Bund, 30.8.07;
NZZ, 7.7. und 30.8.07.
[72]
Bund,
SGT und
TG, 29.9.07.
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