Année politique Suisse 2007 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
Hochschulen
Der Bundesrat schickte einen Vorentwurf für ein
Bundesgesetz über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich in die Vernehmlassung. Das Gesetz legt fest, dass die gemeinsame und einheitliche Steuerung durch Bund und Kantone neu den gesamten Hochschulbereich umfasst. Bund und Kantone verpflichten sich zur Durchführung einer strategischen Planung auf gesamtschweizerischer Ebene und zur optimalen Aufgabenteilung
[39].
Ein Postulat der WBK des Ständerates forderte den Bundesrat auf, zu prüfen, wie im Rahmen der
Umsetzung der Bologna-Deklaration die Übergänge von den alten zu den neuen Systemen organisiert werden. Im Besonderen sei zu prüfen, wie der Grundsatz der Durchlässigkeit und der Gleichbehandlung von Bachelordiplomen, die an anderen schweizerischen oder ausländischen Universitäten erworben wurden, von den verschiedenen Hochschulen umgesetzt wird. Der Ständerat nahm das Postulat an
[40].
Ein Postulat Hochreutener (cvp, BE) wollte den Bundesrat beauftragen, dem Parlament einen Bericht über Stand, Probleme und Perspektiven der
mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Bildung auf Fachhochschul- und Universitätsniveau in der Schweiz vorzulegen. Begründet wurde das Postulat damit, dass die Zukunft des Werkplatzes Schweiz, der durch die Herstellung von Produkten mit hoher Wertschöpfung charakterisiert ist, stark von der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte im mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Bereich abhängt. Sowohl Klagen von Unternehmen als auch die Besetzung solcher Stellen mit Migranten weisen auf einen Mangel entsprechend qualifizierter einheimischer Arbeitskräfte hin. Der Bundesrat wollte das Postulat zusammen mit dem Postulat Fetz (sp, BS), welches sich mit dem Aspekt der Frauenförderung in diesem Bereich auseinandersetzt, bearbeiten und beantragte daher dessen Annahme. Der Nationalrat stimmte diesem Antrag zu
[41]. Ebenfalls in den Bericht des Bundesrates aufgenommen werden soll das Anliegen des Postulats Recordon (gp, VD), dem Parlament einen Bericht über den Mangel an Fachleuten in wissenschaftlichen Berufen in der Schweiz vorzulegen und darin auszuführen, welche Massnahmen er treffen will, um dieses Problem zu lösen oder zumindest zu entschärfen. Der Nationalrat nahm auch dieses Postulat an
[42].
Ein vom Nationalrat angenommenes Postulat Markwalder Bär (fdp, BE) beauftragte den Bundesrat, die Vor- und Nachteile der Monopolstruktur im
Akkreditierungs- und Qualitätswesen der schweizerischen Universitäten darzulegen sowie Alternativen aufzuzeigen. Das Organ für Akkreditierung und Qualitätssicherung (OAQ) ist die einzige Stelle in der Schweiz, welche universitäre Institutionen oder Lehrgänge akkreditieren kann. Über das Verfahren, das die OAQ durchführt, entscheidet anschliessend die Schweizerische Universitätskonferenz (SUK). Da die Kantone Auftraggeber der SUK sind und gleichzeitig Träger der Universitäten, überprüft formell gesehen der Beauftragte (SUK) seinen Auftraggeber (Kanton), was, nach Ansicht der Postulantin, der Qualitätssicherung nicht dienlich ist
[43].
Der Unternehmer Adolphe Merkle stiftete der
Universität Freiburg 100 Mio Fr. Damit soll hauptsächlich ein Forschungsinstitut für Nanotechnologie betrieben werden. Der Pionier der Freiburger Hightech-Industrie will mit seiner Schenkung dem Pioniergeist in der universitären Forschung und der technologischen Entwicklung im Kanton Freiburg starken Schub geben. So viel Geld auf einmal hatte bisher noch keine Schweizer Universität von einer Privatperson erhalten
[44].
Die Wahl des neuen
ETH-Präsidenten sorgte für Unmut und Turbulenzen. Der Hirnforscher Martin Schwab, welcher als Kronfavorit für das Präsidium der ETH Zürich galt, zog seine Kandidatur im Frühjahr zurück
[45]. Ein Verteilungskampf zwischen Zürich und Lausanne überschattete die Wahl des neuen ETH-Präsidenten. Der Vorwurf der Willkür bei der Geldvergabe und beschönigte Budgetzahlen standen im Raum. Der Physiker Ralph Eichler, Direktor des Paul-Scherrer-Instituts, soll nun als neuer Präsident wieder Ruhe an der ETH Zürich herstellen
[46].Zur Freude zahlreicher Kritiker verliess auch der
ETH-Ratspräsident Alexander Zehnder den ETH-Rat per Ende 2007 aus "persönlichen Gründen"
[47]. Zu seinem Nachfolger wählte der Bundesrat den ehemaligen Glarner FDP-Ständerat Fritz Schiesser. Die Zukunft des Gremiums „ETH-Rat“ an sich bleibt weiterhin offen. Der neue ETH-Ratspräsident Schiesser steht vor vielfältigen Herausforderungen und muss primär den Ausgleich zwischen der ETH Zürich und derjenigen in Lausanne finden
[48]. Mit Heidi Wunderli-Allenspach wurde in der 152-jährigen Geschichte der ETH Zürich erstmals eine Frau zur Rektorin gewählt
[49].
Ein vom Nationalrat überwiesenes Postulat Müller-Hemmi (sp, ZH) forderte den Bundesrat auf, die
Führungsstruktur des ETH-Bereichs zu überprüfen. Dazu wurde der Bundesrat ersucht, einen Bericht über die Organisation des ETH-Bereiches für die Sicherung der Qualität, der Führung und Steuerung des ETH-Bereichs vorzulegen und einen allfälligen Verbesserungsbedarf aufzuzeigen. Ausserdem sollte der Bericht darlegen, was für die Beibehaltung des ETH-Rates spricht, wie die Autonomie der Schulen gestärkt werden könnte und welche alternativen Steuerungsinstrumente es gäbe
[50].
In eine ähnliche Richtung zielte auch eine Motion Pfister (svp, SG), welche die
Krise der ETH als eine Chance nutzen wollte. Der Bundesrat sollte die Defizite bezüglich der Trennung von strategischer und operativer Führung im ETH-Bereich, welche in dieser Zeit aufgetaucht waren, beseitigen. Die Motion forderte eine klar geregelte Kompetenz- und Aufgabenverteilung zwischen dem ETH-Rat, den Schulen und den Forschungsanstalten. Eine Mehrheit im Ständerat war der Meinung, dass den geltenden gesetzlichen Regelungen, welche erst seit 2003 in Kraft sind, Zeit zur Bewährung gelassen werden müsse, bevor neuerliche Änderungen vorgenommen werden. Im Gegensatz zum Nationalrat, welcher die Motion angenommen hatte, lehnte der Ständerat die Motion ab
[51].
Eine Motion der WBK des Nationalrates wollte, dass der Bundesrat dem Parlament in Zukunft den
Leistungsauftrag für die ETH in einer separaten Botschaft und vor der Behandlung der BFI-Rahmenkreditanträge vorlegt. Der Bundesrat lehnte die Motion ab, weil ohnehin eine Revision des ETH-Gesetzes vorbereitet werde und das Anliegen im Rahmen der Revision geprüft würde. Trotz dieser Empfehlung des Bundesrates nahm der Nationalrat die Motion an. Der Ständerat lehnte die Motion ab, weil er der Auffassung war, dass eine zeitliche Trennung der Beratung des Leistungsauftrages und des Zahlungsrahmens für den ETH-Bereich nicht sinnvoll sei
[52].
Im Bereich der
Semesterdaten für die Hochschulen wurde die Schweiz im Herbst 2007 einheitlich und übernahm damit eine Vorreiterrolle in Europa. Von den Bezeichnungen Winter- und Sommersemester wurde Abschied genommen. Künftig heissen diese Herbst- und Frühlingssemester. Die Rekrutenschule ist jedoch weiterhin nicht koordiniert mit dem akademischen Kalender
[53].
Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bewilligte den Fachhochschulen 64 Gesuche für
Master-Studiengänge – über die Hälfte davon in den Bereichen Musik, Theater und Kunst. Für die übrigen 22 Gesuche müssen weitere Abklärungen erfolgen, die bis Ende Januar 2008 abgeschlossen sein werden. Im Gegensatz zu den Universitäten, die ihre Studiengänge selber festlegen dürfen, ist bei den Fachhochschulen der Bund federführend. Folgenden Fachhochschulen wurden die Masterstudiengänge bereits bewilligt: Die Berner Fachhochschule erhielt 14 Studiengänge, diejenige der Nordwestschweiz zehn, fünf Masterstudiengänge wurden an der FH Ostschweiz bewilligt, sieben an der FH Zentralschweiz, acht an der Haute Ecole spécialisée de Suisse occidentale, sieben an der Scuola Universitaria della Svizzera Italiana und 13 an der Zürcher Fachhochschule
[54].
Nach einem Streit zwischen den Kantonen Bern, Jura und Neuenburg um die Standorte der
Fachhochschule Jurabogen (HE-Arc) konnte ein Kompromiss erzielt werden. Der Streit um die Standorte war ausgebrochen, als die Neuenburger Kantonsregierung zwecks Abbau von Spannungen zwischen dem oberen und unteren Kantonsteil angekündigt hatte, dass La Chaux-de-Fonds Standort der Ingenieurausbildung werden soll. Bern und Jura fühlten sich übergangen, da sie im Rahmen der vom Fachhochschulverband der Westschweiz geforderten Standortkonzentration bereit waren, ihre Schulen in Saint-Imier und Delémont auf Aussenstellen herabzustufen. La Chaux-de-Fonds und Le Locle stimmten dem vorläufigen Wegzug ihrer Ingenieurausbildung nach Neuenburg schliesslich aber doch zu
[55].
Im Wintersemester 2006/07 waren an den Schweizer Hochschulen über 172 000 Studierende immatrikuliert, darunter 49,7% Frauen und 23,6% ausländische Staatsangehörige. Die Zahl der Studierenden an den 13 universitären Hochschulen nahm auf 114 961 zu (+2,3%). Den grössten Zuwachs verzeichnete wie bereits im Vorjahr die Universität Luzern (+15,9%), welche dicht gefolgt wird von der Universität St. Gallen, welche eine Zunahme von 15,7% aufwies. Dies ist auf eine interne Änderung im Studienreglement zurückzuführen. An den übrigen Universitäten schwankte die Veränderung zwischen Zunahmen an der Universität der italienischen Schweiz (+7,6%) und in Basel (+6,7%) und einer Abnahme von 4,7% an der Universität Genf. Im Wintersemester 2006/07 wurde die neue Rubrik „andere universitäre Institutionen“ eingeführt. Dazu gehören die Pädagogische Hochschule St. Gallen sowie die Universitären Fernstudien Schweiz in Brig. Die Einführung des Bologna-Prozesses hat sich auch in der Entwicklung der Studierendenzahlen niedergeschlagen. 2006/07 waren an den universitären Hochschulen 90% der Studienanfänger/innen in einem Bachelor-Studiengang eingeschrieben. Mit drei Mal mehr Eintritten als im Vorjahr auf der Bachelor-Stufe war die Universität Zürich die letzte Hochschule, die diese Studiengänge umgesetzt hat. Im Wintersemester 2006/07 absolvierten über 45 000 Personen (+26%) einen Bachelor-Studiengang, während in den Master-Studiengängen knapp 11 000 oder 61% mehr Studierende als im vorangehenden Semester eingeschrieben waren.
Die
Fachhochschulen (FH) zählten im Wintersemester insgesamt 57 181 Studierende, was einer Zunahme von 5,6% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Einen grossen Zuwachs (40% und mehr) gab es in den Bereichen angewandte Linguistik und Gesundheit, wobei sich der letztgenannte Bereich im Vorjahr noch in einer Übergangssituation befand. An den FH war die Bologna-Reform im Wintersemester 2005/06 eingeführt worden und ging schneller vonstatten als bei den Universitäten, denn nach nur zwei Jahren begannen 2006/07 bereits 88% der Studienanfänger/innen einen Bachelor-Studiengang
[56].
Der Verband Schweizerischer Studentenschaften (VSS) hat einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, der zur materiellen
Angleichung der kantonalen Studienbeiträge für die Tertiärstufe führen würde. Die Stipendien sollen zusammen mit allfälligen Beiträgen der Eltern die Studien- und Lebenskosten der Studierenden abdecken. Aufgrund des neuen Bildungsartikels kann der Bund „die interkantonale Harmonisierung der Ausbildungsbeiträge fördern und Grundsätze für die Ausrichtung von Ausbildungsbeiträgen festlegen“. Der VSS interpretierte dies extensiv, indem er ein Gesetz mit 37 Artikeln entwarf, das auch die Höhe der Beiträge weitgehend einheitlich festlegen würde
[57]. Mit der Stipendienfrage befasste sich auch die EDK. Bereits seit Jahrzehnten versucht diese, die unterschiedlichen Stipendiengesetze zu harmonisieren. Nun startete sie einen erneuten Harmonisierungsversuch und schickte eine interkantonale Vereinbarung „zur Harmonisierung von Ausbildungsbeiträgen“ bei den Kantonsregierungen in die Vernehmlassung
[58].
[40]
AB SR, 2007, S. 586 und Beilagen II, S. 138.
[41]
AB NR, 2007, S. 1714. Vgl.
SPJ 2005, S. 226.
[42]
AB NR, 2007, S. 2062.
[43]
AB NR, 2007, S. 1714.
[44]
BZ, 29.11.07;
,
Cash Daily29.12.07.
[45]
TA, 26.5.07
, 24h, 29.5.07.
[46]
TA, 31.5.07;
AZ, 31.5.07.
[50]
AB NR, 2007, S. 1713.
[51]
AB NR, 2007, S. 1710;
AB SR, 2007, S. 1039 ff.
[52]
AB NR, 2007, S. 1283;
AB SR, 2007, S. 1039.
[53]
AZ, 10.4.07;
24h, 18.9.07. Vgl.
SPJ 2005, S. 225.
[54]
TA, 21.12.07
; NZZ, 21.12.07.
[56]
Statistisches Lexikon 2007; Medienmitteilung des BfS vom 17.12.07.
Copyright 2014 by Année politique suisse