Année politique Suisse 2008 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
Bodenrecht
Der Nationalrat befasste sich als erster mit dem Vorschlag des Bundesrats, die Beschränkung des Grundstückerwerbs durch nicht in der Schweiz wohnende Personen (Lex Koller) aufzuheben und im Gegenzug flankierende Massnahmen dazu zu erlassen. Grundsätzlich hatte die vorberatende Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) nichts gegen die Aufhebung der Lex Koller einzuwenden. Auf diese könne verzichtet werden, da das ursprüngliche Gesetz mit vier Teilrevisionen schon stark durchlöchert worden sei. Heute ist lediglich noch der Erwerb von Ferienwohnungen und von nicht selbst genutztem Wohneigentum durch Personen mit Wohnsitz im Ausland bewilligungspflichtig. Dabei werden mit Ausnahme des Kantons Wallis die zur Verfügung stehenden Kontingente in der Regel nicht ausgeschöpft. Eintreten auf das Geschäft war deshalb nicht umstritten. Die Mehrheit der UREK beantragte aber die Rückweisung an den Bundesrat mit der Auflage, die Begleitmassnahmen viel strenger und verpflichtender auszugestalten. Damit soll insbesondere erreicht werden, dass der Schweizer Boden nicht uneingeschränkt zu einem Spekulationsobjekt ausländischer Immobiliengesellschaften wird. Daneben sollen auch Vorkehrungen getroffen werden zur Einschränkung des Baus von Ferienwohnungen in Tourismusorten, die nur wenige Wochen im Jahr genutzt werden (so genannte kalte Betten; vgl. dazu auch unten). Schliesslich soll sich der Bundesrat überlegen, ob für den bewilligungsfreien Grundstückerwerb nicht eine Mindestwohnsitzdauer in der Schweiz verlangt werden soll (dies käme sogar einer Verschärfung der bisherigen Regelung gleich).
Im Nationalrat sprachen sich die SP, die GP und die SVP für die Rückweisung aus. Dabei deckten sich ihre Motive nicht ganz. Für die SP galt es primär, den Marktzutritt für international tätige, im Ausland ansässige Immobilienhändler zu verhindern, da sie davon eine Steigerung der Preise für Liegenschaften und vor allem der Mietzinse befürchtet. Die SVP und die GP stellten in ihrer Argumentation das Problem der schlecht genutzten Zweitwohnungen in den Tourismusregionen in den Vordergrund. Bei der Aufhebung der Lex Koller hatten die FDP und die CVP, welche gegen eine Rückweisung waren, gegen diese Allianz keine Chance. Der Nationalrat wies die Vorlage mit 115 zu 67 Stimmen an den Bundesrat zurück. Bei den flankierenden Massnahmen im Raumplanungsgesetz sprach sich hingegen eine knappe Mehrheit von 93 zu 92 gegen die Rückweisung aus. Ausschlaggebend war die SVP, bei der sich nur eine Minderheit an den entsprechenden Fraktionsbeschluss hielt. Damit gingen die vom Bundesrat vorgeschlagenen flankierenden Massnahmen an die Kommission zur Detailberatung zurück.
Im
Ständerat, wo die CVP und die FDP über eine klare Mehrheit verfügen, war das weitere Vorgehen sehr umstritten. Das von der Kommissionsmehrheit beantragte Eintreten und Verzicht auf die Rückweisung hätte eine Verzögerung zur Folge gehabt, da damit das Geschäft wieder an den Nationalrat zurück gegangen wäre. Um dies zu vermeiden schloss sich die kleine Kammer mit Stichentscheid des Präsidenten dem Rückweisungsbeschluss des Nationalrats an
[6].
Der Bundesrat empfahl die Ende 2007 von der Stiftung Helvetia Nostra eingereichte
Volksinitiative für die Einschränkung des Baus von Ferien- und anderen Zweitwohnungen („
Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!“) zur Ablehnung. Die Forderung, dass in keiner Gemeinde der Anteil von Ferienwohnungen mehr als 20% der Gesamtfläche des Wohnungsbestandes betragen darf, sei für die Tourismusregionen viel zu restriktiv. Sie würde für einen Grossteil der auf den Fremdenverkehr ausgerichteten Gemeinden praktisch einem Baustopp gleichkommen und damit die Bauwirtschaft ruinieren. Heute fällt die Kompetenz zur Regulierung des Ferienwohnungsbestandes in die Kompetenz der Gemeinden. Einige Kantone ermächtigen ihre Gemeinden ausdrücklich, im Sinne des haushälterischen Umgangs mit dem Boden entsprechende Vorschriften zu erlassen. Gemäss der eidgenössischen Volkszählung von 2000 betrug der Anteil der Zweit- oder Ferienwohnungen 11,8% des schweizerischen Wohnungsbestandes. Dieser Wert variiert jedoch regional sehr stark und liegt in den Tourismuskantonen Graubünden und Wallis bei 35%. In knapp einem Viertel aller schweizerischen Gemeinden (rund 650) übertrifft er die 20%-Marke; diese befinden sich vorwiegend in den touristisch geprägten Gebieten der Kantone Graubünden, Wallis, Tessin, Bern und Waadt. Der Bundesrat anerkennt in seiner Stellungnahme zur Initiative zwar, dass es raumplanerische Probleme im Zusammenhang mit dem kaum eingeschränkten Bau von Zweitwohnungen gibt. Konkrete Massnahmen möchte er aber wie bisher den Kantonen überlassen, welche besser in der Lage seien, den lokalen Verhältnissen angepasste Lösungen zu finden. Der Bund soll diese lediglich dazu verpflichten, sich der Problematik anzunehmen und in ihren Richtplänen diejenigen Gebiete zu bezeichnen, in denen besondere Massnahmen notwendig sind, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Erst- und Zweitwohnungen sicherzustellen. Eine entsprechende Teilrevision des Raumplanungsgesetzes hatte er als flankierende Massnahme zur Aufhebung der „Lex Koller“ vorgeschlagen (siehe dazu oben)
[7].
Vor dem ungebremsten Bau von Zweitwohnungen in den Berggebieten warnten auch Vertreter der
Tourismusbranche. Die intakte und möglichst wenig überbaute Natur sei ein wesentlicher Faktor für die Attraktivität einer Ferienregion. Der Direktor des Interessenverbandes Schweiz Tourismus, Jürg Schmid, forderte die Kantone deshalb zum Handeln auf, da die Gemeinden nicht in der Lage seien, das Problem selbst zu lösen
[8].
[6]
AB NR, 2008, S. 249 ff.;
AB SR, 2008, S. 421 f. und 507 ff.;
Bund, 13.3.08;
NZZ, 12.6.08. Eine vom Bund in Auftrag gegebene Studie kam zum Schluss, dass die Aufhebung der Lex Koller den Immobilienmarkt kaum beeinflussen würde (
TA, 17.4.08). Siehe
SPJ 2007, S. 188.
[7]
BBl, 2008, S. 8757 ff.;
SGT, 30.10.08. Vgl. auch
Die Volkswirtschaft, Nr, 5, 2008, S. 51-58. Siehe
SPJ 2007, S. 188. Zur gleichzeitig von Helvetia Nostra eingereichten Volksinitiative gegen den Bau von umweltbelastenden Anlagen siehe unten, Teil I, 6d (Protection des sites et de la nature).
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