Année politique Suisse 2008 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
 
Familienpolitik
Bei der Beratung des Legislaturprogramms des Bundesrates für die Jahre 2007–2011 wollte der Ständerat ein klares Zeichen für eine kohärente Familienpolitik setzen. Insbesondere sollten die Voraussetzungen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für die Unterstützung einkommensschwacher Familien und für die wirtschaftliche Entlastung des Mittelstandes geschaffen werden [26]. Im Nationalrat beantragte die Kommission Zustimmung zum Ständerat, allerdings in einer etwas offeneren Form, wonach die wirtschaftliche Situation von Familien und generell des Mittelstandes verbessert werden soll; es gehe nicht nur um steuerliche Entlastungen, sondern auch um eine gezielte Förderung in den Bereichen Bildung und Forschung sowie um Massnahmen zur Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze, womit auch die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefördert werde. Die SVP wollte diesen Passus streichen, verlangte dafür aber einen Bericht über Massnahmen zur Stärkung der Ehe und Partnerschaft sowie der Familie. Mit 121 zu 36 Stimmen folgte die grosse Kammer deutlich ihrer Kommission [27].
Nationalrätin Meyer Kälin (cvp, FR) hatte im Vorjahr eine parlamentarische Initiative eingereicht mit dem Ziel, das auslaufende Programm des Bundes zur Anstossfinanzierung von Kinderkrippen durch eine steuerliche Begünstigung von Investitionen von Privaten (vor allem Arbeitgebern) zur Förderung der ausserhäuslichen Betreuung von Kindern abzulösen. Die Kommission war ebenfalls der Ansicht, dass bei den Betreuungsplätzen für Kinder nach wie vor ein Missverhältnis von Angebot und Nachfrage besteht, und es deshalb wichtig ist, ausserfamiliäre Einrichtungen für Kinder gerade auch im Vorschulalter zu schaffen. Sie stellte aber auch fest, dass das Initiativanliegen bereits erfüllt ist: Die Kosten eines Unternehmens, welches eine Krippe oder eine andere Betreuungsstätte für Kinder finanziert oder einrichtet, gelten bereits heute als geschäftsmässig begründeter Aufwand. Auch Privatpersonen können ihre Zuwendungen an gemeinnützige Kinderbetreuungseinrichtungen schon heute steuerlich zum Abzug bringen. Deshalb beantragte sie Ablehnung der Initiative. Mit 156 zu 31 Stimmen wurde der Vorstoss verworfen [28].
Ebenfalls mit einer parlamentarischen Initiative wollte Maury Pasquier (sp, GE) erreichen, dass Eltern, die ein Kind unter acht Jahren adoptieren, analog zum Mutterschaftsurlaub bei einer Geburt einen über die Erwerbsersatzordnung finanzierten Adoptionsurlaub beziehen können. Gerade die ersten Wochen nach erfolgter Adoption seien für beide Seiten kritisch und ausschlaggebend für den Erfolg. Insbesondere bei Adoptionen aus dem Ausland, die in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung zugenommen haben, habe das Kind meistens mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen, welche nur mit zeitlich intensiver Zuwendung überwunden werden könnten. Die Mehrheit der SGK-NR erachtete das Begehren als gerechtfertigt, eine Minderheit aus FDP und SVP beantragte hingegen, der Initiative keine Folge zu geben. Sie machte geltend, mehr noch als die natürliche Geburt sei eine Adoption ein freiwilliger Entscheid der Eltern, weshalb man erwarten könne, dass auch deren Folgen in Selbstverantwortung getragen werden. Nachdem die Schwesterkommission des Ständerates signalisiert hatte, dass sie die Initiative nicht unterstützen werde, wurde diese mit 70 zu 67 Stimmen abgelehnt [29].
Nachdem der Ständerat im Vorjahr eine vom Nationalrat knapp überwiesene Motion Nordmann (sp, VD) für einen bezahlten Vaterschaftsurlaub abgelehnt hatte, beriet die grosse Kammer nun eine parlamentarische Initiative Teuscher (gp, BE) zu diesem Thema. Sie machte in ihrem 2006 eingereichten Vorstoss die konkrete Vorgabe, die Erwerbsausfallentschädigung solle analog zum Mutterschaftsurlaub 80% des vorangehenden Lohnes betragen und während acht Wochen ausgerichtet werden. Mit dieser starren Formulierung hatte der Vorstoss keine Chance und wurde mit 111 zu 60 Stimmen deutlich abgelehnt. Einzig GP und SP sowie eine kleine Minderheit aus der CVP-Fraktion, in erster Linie Frauen, stimmten zu [30].
Für die Gleichstellung von Witwen und Witwern in der AHV siehe oben, Teil I, 7c (AHV).
top
 
print
Familienzulagen
Da er im Vorjahr einer analogen Motion Zeller (fdp, SG) bereits zugestimmt hatte, überwies der Nationalrat diskussionslos eine Motion Schiesser (fdp, GL) der kleinen Kammer für die rasche Schaffung eines zentralen Kinder- und Bezügerregisters. Damit soll verhindert werden, dass beide Elternteile, ob aus Nichtwissen oder aus missbräuchlicher Absicht, einen Antrag auf Kinderzulagen stellen können, wenn sie beispielsweise nicht den gleichen Familiennamen tragen oder in unterschiedlichen Kantonen erwerbstätig sind. Der Ständerat seinerseits überwies ebenso diskussionslos die Motion Zeller der grossen Kammer [31].
Das Bundesgesetz über die Familienzulagen (FamZG) tritt per 1. Januar 2009 in Kraft. Bis dahin mussten die Kantone ihre diesbezüglichen Gesetzgebungen an den vom FamZG vorgegebenen Rahmen anpassen. Alle Kantone haben diesen Prozess abgeschlossen und ihre Regelungen angepasst [32].
 
[26] AB SR, 2008, S. 259.
[27] AB NR, 2008, S. 706 ff.
[28] AB NR, 2008, S. 465. Nur die CVP stimmte mehrheitlich dafür.
[29] AB NR, 2008, S. 1153 f.
[30] AB NR, 2008, S. 1812 ff. Siehe SPJ 2007, S. 255.
[31] AB NR, 2008, S. 1165 f.; AB SR, 2008, S. 1045. Siehe SPJ 2007, S. 255.
[32] Presse vom 19.12.08. Siehe dazu auch unten, Teil II, 5e.