Année politique Suisse 2009 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
Gesellschaftsrecht
Der Ständerat überwies im Einverständnis mit dem Bundesrat eine Motion Janiak (sp, BL) für eine Verlängerung der gegenwärtig recht kurzen
Verjährungsfristen für Wirtschaftsdelikte im Strafrecht. Begründet wurde der Vorstoss damit, dass in diesem Bereich die Ermittlungsverfahren vor allem bei Delikten im internationale Umfeld oft derart kompliziert sind, dass auf eine Klageeröffnung wegen Ablaufens der Frist verzichtet werden muss
[25].
Wie die jüngste Vergangenheit auch in der Schweiz (Swissair, UBS) drastisch vor Augen geführt hat, können
Managementfehler in privaten Unternehmen diese und manchmal auch die öffentliche Hand riesige Beträge kosten.
Strafrechtlich
verfolgt wird nach geltendem Recht nur die willentliche Schädigung eines Unternehmens, nicht aber fahrlässiges Verhalten oder Unterlassen. Mit einer parlamentarischen Initiative versuchte dies Nationalrat Jositsch (sp, ZH) zu ändern. Er schlug vor, dass auch grobfahrlässiges Fehlverhalten von Managern strafrechtlich verfolgt werden kann. Auf Antrag der Rechtskommission gab der Rat diesem nur von der SP, nicht aber von der GP unterstützten Vorstoss keine Folge
[26].
Der Nationalrat hält nichts von gesetzlichen Vorschriften zugunsten einer
besseren Vertretung der Frauen in der Leitung von Unternehmen der Privatwirtschaft. Er beschloss mit 107 zu 57 Stimmen, einer parlamentarischen Initiative Roth-Bernasconi (sp, GE) für eine minimale Geschlechterquote von 30% für Verwaltungsräte börsenkotierter Firmen keine Folge zu geben
[27].
Beide Ratskammern überwiesen gegen den Widerstand der SP und der GP eine Motion Luginbühl (bdp, BE) für eine
Steigerung der Attraktivität der Schweiz als Sitz von Stiftungen. Sowohl für gemeinnützige Stiftungen als auch für Stiftungen zur Verwaltung von Familienvermögen sollen die steuerlichen Rahmenbedingungen ebenso attraktiv ausgestaltet werden wie in den günstigsten ausländischen Standorten. Der Nationalrat überwies im Anschluss daran auch noch eine Motion seiner WAK für die Schaffung eines Stiftungsregisters und die Erhebung von statistischen Angaben zu den Stiftungen
[28].
Der Bundesrat gab im Januar 2009 einen Expertenvorentwurf für ein
neues Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz in die Vernehmlassung. Ein Hauptelement der neuen Konzeption ist, dass nach amerikanischem Vorbild die Sanierung und nicht die Liquidierung eines zahlungsunfähigen Unternehmens im Zentrum steht. Der Nationalrat überwies in der Herbstsession bei nur einer Gegenstimme eine Motion Bischof (cvp, SO), welche den Bundesrat auffordert, angesichts der Wirtschaftskrise diese Revision möglichst rasch vorzulegen. Der Ständerat überwies eine vom Nationalrat Ende 2008 gutgeheissene Motion der SVP-Fraktion für die Reduktion der Risiken, welche vom
Zusammenbruch von systemrelevanten Unternehmen (wie zum Beispiel Grossbanken) ausgehen können. Namentlich verlangt dieser Vorstoss vom Bundesrat die Einsetzung einer Expertenkommission, welche konkursrechtliche Reformen zur Vermeidung von Firmenzusammenbrüchen ausarbeitet
[29].
Der Ständerat befasste sich als erster mit der Teilrevision der Vorschriften im Obligationenrecht über die Rechnungslegung in Unternehmen und gleichzeitig auch mit der vom Kleinunternehmer Thomas Minder 2007 eingereichten so genannten „Abzockerinitiative“. Der Bundesrat hatte im Vorjahr die Teilrevision des OR um Bestimmungen über die Rechte der Aktionäre von börsenkotierten Aktiengesellschaften bei der Festlegung der Managementsentschädigungen ergänzt. Damit sollte sie einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative bilden. Um die parlamentarischen Beratungen zu beschleunigen und der Initiative fristgerecht einen Gegenvorschlag gegenüber zu stellen, beschloss der Ständerat, die Bestimmungen über die Rechnungslegung herauszulösen und später separat zu behandeln (siehe unten). In der Eintretensdebatte stellte sich nur Savary (sp, VD) eindeutig hinter die „Abzockerinitiative“. Andere Abgeordnete der SP (Fetz, BS und Leuenberger, SO) und der SVP (Reimann, AG und Jenny, GL) behielten sich vor, diese in der Volksabstimmung zu unterstützen, falls die Aktionärsstellung mit dem Gegenvorschlag nicht klar verbessert werde. Der Ständerat empfahl mit 26 zu 10 Stimmen die Abzockerinitiative zur Ablehnung.
Dass aber in Bezug auf die Festlegung der Managerentschädigungen der Staat aktiv werden muss war unbestritten. Ein Nichteintretensantrag zur OR-Teilrevision wurde nicht gestellt. In der
Detailberatung hielt sich der Ständerat weitgehend an die Regierungsvorschläge. Die vom Bundesrat beantragte Abschaffung des Depotstimmrechts akzeptierte er zwar, führte aber mit dem „Nominee-Modell“ eine neue Stellvertretung für nicht ins Register eingetragene Aktionäre durch die Depot-Banken ein. Schweiger (fdp, ZG) begründete dieses Modell damit, dass es die Stimmbeteiligung erhöhe und damit den Einfluss von Minderheitsaktionären einschränke. Die vom Bundesrat vorgeschlagene einjährige Amtsdauer von Verwaltungsräten, wie sie auch die Volksinitiative vorsieht, lehnte der Ständerat ab, da eine jährliche Wiederwahl durch die Aktionärsversammlung die Ausrichtung an kurzfristigen Erfolgsstrategien fördern würde. Er legte sie deshalb auf drei Jahre fest. Er kam der Abzockerinitiative aber auch etwas entgegen, indem er börsenkotierten Gesellschaften vorschrieb, dass der Verwaltungsratspräsident zwingend durch die Aktionäre gewählt werden muss. Der Bundesrat hatte den Entscheid über das Wahlgremium wie bisher den einzelnen Gesellschaften überlassen wollen. Bei börsenkotierten Gesellschaften wird in Zukunft die Generalversammlung die Gesamthöhe der Entschädigungen für Verwaltungsräte genehmigen, und diese müssen einzeln ausgewiesen werden. Ein Antrag der Kommission, dass neben der Gesamtsumme der Entschädigung der Geschäftsleitung (Management) nicht nur der Betrag für den bestbezahlten, sondern für alle Manager individuell ausgewiesen werden muss, fand jedoch keine Mehrheit. Auch das von der Kommission beantragte und auch in der Volksinitiative enthaltene Verbot von Abgangsentschädigungen für Spitzenmanager lehnte er ab. Der Ständerat machte zusätzlich einige Änderungen zugunsten von KMU, indem er nicht börsenkotierte Aktiengesellschaften von einigen Transparenzvorschriften gegenüber Minderheitsaktionären befreite. Vor der Gesamtabstimmung, die mit 26 zu 8 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) ausging, erklärten sich Vertreter der SP, aber auch Stadler (cvp, UR), enttäuscht über diesen „zahnlosen“ und in ihren Augen absolut ungenügenden Gegenvorschlag zur „Abzockerinitiative“
[30].
Der Nationalrat hatte 2003 einer parlamentarischen Initiative der SVP für eine Neuregelung des
Depotstimmrechts der Banken bei börsenkotierten Unternehmen Folge gegeben. Da seiner Ansicht nach diese Forderung mit der vom Ständerat beschlossenen Teilrevision des Obligationenrechts (siehe oben) erfüllt war, schrieb sie der Rat nun ab
[31].
In der Wintersession befasste sich die kleine Kammer als Erstrat mit dem zurückgestellten Teil Rechnungslegung bei der Revision der
Vorschriften im Obligationenrecht über die Rechnungslegung in Unternehmen (siehe dazu oben). Eintreten war unbestritten und auch in der Detailberatung gab es wenig zu diskutieren. Der Ständerat nahm aber einige Veränderungen zugunsten der KMU vor, indem er zum Beispiel den Schwellenwert für die Pflicht einer vollständigen Rechnungsführung für Einzel- und Personengesellschaften von einem Jahresumsatz von 100 000 auf 250 000 Fr. erhöhte. In der Gesamtabstimmung verabschiedete der Rat die Vorlage einstimmig (bei sechs Enthaltungen)
[32].
[25]
AB SR, 2009, S. 182 f.
[26]
AB NR, 2009, S. 1749 ff.
[27]
AB NR, 2009, S. 1751 ff.
[28]
AB SR, 2009, S. 720 f.;
AB NR, 2009, S. 2286 ff. und 2288.
[29]
AB NR, 2009, S. 1554. Zum Vernehmlassungsentwurf siehe auch die Antwort des BR auf die Motion Bischof in
AB NR, 2009, Beilagen V, S. 798 f. Motion SVP:
AB SR, 2009, S. 359 f. und
SPJ 2008, S. 96. Siehe auch
SHZ, 3.6.09 sowie BR Merz in
AB NR, 2009, S. 1665 (Fragestunde).
[30]
AB SR, 2009, S. 601 ff., 643 ff., 699 ff. und 719 (Entscheid zur Volksinitiative); Presse vom 10.-12.6.09. Siehe
SPJ 2008, S. 103.
[31]
AB NR, 2009, S. 1798. Siehe
SPJ 2003, S. 108.
[32]
AB SR, 2009, S. 1187 ff.;
NZZ, 4.12.09. Siehe
SPJ 2007, S. 115.
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