Année politique Suisse 2013 : Grundlagen der Staatsordnung / Föderativer Aufbau
 
Beziehungen zwischen Bund und Kantonen
Nachdem 2012 bereits die Kantone Genf, Jura, Wallis, Tessin, Bern und Basel-Stadt eine Stelle für ein Kantonslobbying geschaffen hatten, richtete im Berichtsjahr auch der Kanton Luzern einen entsprechenden, der kantonalen Verwaltung unterstellten Posten ein. Durch systematische Informationsbeschaffung, Identifikation von Schlüsselgeschäften für den Kanton, Aufbereitung dieser Informationen für die kantonalen Behörden sowie dem Aufbau und der Pflege von Netzwerken in Bundesbern erhoffte sich der Innerschweizer Kanton zusätzliche Kompetenzen und Einflussnahme [1].
Die Staatspolitische Kommission des Ständerats hatte noch Ende 2012 beschlossen, die Vorschläge eines Berichtes der „Arbeitsgruppe Bund-Kantone“ im Rahmen einer eigenen parlamentarischen Initiative ausarbeiten zu wollen, um die Mitwirkung der Kantone im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zu verbessern. Insbesondere hätte die Idee einer zwingenden Anhörung der Kantone in den jeweiligen Parlamentskommissionen bei Entscheidungen mit erheblichen Auswirkungen auf die Gliedstaaten geprüft werden sollen. Die nationalrätliche Schwesterkommission wollte jedoch mit 11 zu 6 Stimmen bei 5 Enthaltungen nicht auf die Initiative eingehen. Die Kantone hätten ohnehin bereits grossen Einfluss auf die Gesetzgebung und das anerkannte Problem der Vollzugstauglichkeit könne nicht mit neuen Regeln gelöst werden [2].
Nachdem im Vorjahr zwei parlamentarische Vorstösse mit der Idee, ein Mitspracherecht der Kantone bei der Frage nach der geologischen Tiefenlagerung wieder einzuführen, gescheitert waren, ereilte eine Standesinitiative des Kantons Nidwalden das gleiche Schicksal. Der Ständerat hatte in der Frühjahrssession den Nidwaldner Antrag mit 21:16 Stimmen knapp abgelehnt, die grosse Kammer hiess ihn hingegen gegen die Kommissionsmehrheit im Herbst mit 111: 68 Stimmen gut. In der Zwischenzeit hatte auch der Kanton Schaffhausen einen Vorstoss eingereicht, mit dem ebenfalls eine Änderung des Kernenergiegesetzes verlangt wird, damit einem Kanton oder einer Region nicht gegen ihren Willen ein Tiefenlager aufgezwungen werden kann. Der Ständerat hielt noch in der Wintersession 2013 an seinem abschlägigen Entscheid fest und erteilte gleichzeitig auch dem neuen Schaffhauser Anliegen eine Abfuhr – in beiden Fällen mit 23: 17 Stimmen [3].
In einem jährlichen Monitoring soll aufgezeigt werden, wie sich der Schweizer Föderalismus entwickelt. Der von den Kantonen finanzierte, von der CH-Stiftung verfasste und Mitte 2013 erschienene Bericht „Föderalismus 2012“ beurteilte die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen grundsätzlich positiv. Bemängelt wurde aber der bisweilen zu kurzfristige Einbezug in aussenpolitische Entscheide, etwa bei der Ventilklausel. Auch bei den Stromverhandlungen mit der EU seien die Kantone zu wenig gut in die Beratungen einbezogen worden. Zudem stellte der Bericht einen generell zunehmenden Zentralisierungsdruck fest, der sich in parlamentarischen Vorstössen, in der Medienberichterstattung aber auch in lancierten Volksinitiativen manifestiere. In einem gemeinsamen Positionspapier forderten Parlamentarier der IPK (Innerparlamentarische Konferenz der Nordwestschweiz aus den Kantonen BL, BS, BE, SO, AG) eine Grundsatzdiskussion über die ideale Aufgabenverteilung. Sie fürchteten eher zunehmende Lastenabwälzungen vom Bund auf die Kantone, die zu verhindern seien. Für eine weitere Aufgabenentflechtung im Sinne eines „NFA 2“ machte sich Mitte Mai Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf stark [4].
Die totalrevidierte Verfassung des Kantons Schwyz bzw. die darin enthaltene Wahlrechtsreform hatte bereits 2012 zu einigen Diskussionen bei der sonst in der Regel in den Räten kaum debattierten Gewährleistung kantonaler Verfassungen geführt. Der Bundesrat hatte, gestützt auf einen Bundesgerichtsentscheid, der das neue Wahlrecht des Kantons Schwyz als verfassungswidrig beurteilte, beantragt, das neue Proporzwahlverfahren aufgrund des hohen natürlichen Quorums in den Einerwahlkreisen nicht zu gewährleisten. Der Ständerat widersetzte sich Ende 2012 dieser Empfehlung und stimmte knapp einem Minderheitsantrag auf vollständige Gewährleistung der neuen Verfassung des Kantons Schwyz zu. Das Geschäft kam in der Frühjahrssession in den Nationalrat. Auch dort kam es zu einer ausführlichen Debatte, in der sich wie im Ständerat zwei Argumentationsmuster gegenüberstanden: Eine vorwiegend bürgerliche Seite setzte sich für eine direktdemokratisch legitimierte Kantonsautonomie ein. Die andere Seite – die geschlossenen SP, GP und GLP-Fraktionen, die Hälfte der FDP Liberale Fraktion, einige Abweichler von CVP und FDP sowie Heinz Brand (GR) als einziger Abweichler der SVP – betonte, dass der Nationalrat einen Verfassungsauftrag habe und quasi eine justiziale Verantwortung übernehmen müsse, wenn eine kantonale Verfassung nicht bundesrechtkonform sei. Weil die Stimme eines Wahlberechtigten im Kanton Schwyz nicht überall ein ähnliches Gewicht habe, verletze die neue Schwyzer Verfassung Bundesrecht. Mit 94 zu 92 Stimmen bei drei Enthaltungen folgte die grosse Kammer äusserst knapp dem Vorschlag des Bundesrates und gewährleistete die Verfassung des Kantons Schwyz mit Ausnahme des neuen Wahlrechts (Paragraf 48, Absatz 3). Im Ständerat wurde anschliessend und ebenfalls noch in der Frühjahrssession nur noch über den umstrittenen Paragrafen debattiert. Die kleine Kammer beharrte mit 24 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung auf ihrem positiven Entscheid, mit dem auch das neue Wahlrecht gewährleistet werden sollte. In der Debatte wurde auch darauf verwiesen, dass man die Nationalratswahlen, die ja ebenfalls in Einerwahlkreisen mit Quasi-Majorz durchgeführt würden, auch nicht moniere, und dass dies eine über hundertjährige Praxis darstelle. Weil allerdings auch der Nationalrat, diesmal mit 100 zu 91 Stimmen, erneut auf seinem wenige Tage zuvor gefällten Entscheid beharrte, wurde Paragraf 48 Absatz 3 der neuen Schwyzer Kantonsverfassung nicht gewährleistet. Konkret bedeutete dies, dass der Kanton Schwyz ein neues Wahlgesetz ausarbeiten muss. Bis Ende Jahr lagen hierfür nicht weniger als zehn verschiedene Vorschläge vor. Der abschlägige Entscheid des Nationalrats verhinderte zwar einen Konflikt zwischen nationaler Legislative und Judikative, löste aber in der Innerschweiz grosse Empörung aus. In den Kantonen Zug, in dem ebenfalls eine Reform des Wahlrechts anstand, und Graubünden, wo das in juristischen Kreisen ebenfalls umstrittene, reine Majorzverfahren gilt, wurde sogar laut über eine Standesinitiative nachgedacht, die eine Änderung der Bundesverfassung fordert, damit sich der Bund und das Bundesgericht nicht mehr in kantonale Angelegenheiten einmischen können. Allerdings nahm die Zuger Bevölkerung entgegen der Empfehlung der bürgerlichen Parteien Ende September das bundesrechtskonforme Doppelproporzverfahren an (so genannter doppelter Pukelsheim). Dieselbe Entscheidung fiel auch im Kanton Nidwalden. Die bisher als Formsache geltende Gewährleistung kantonaler Verfassungsänderungen dürfte auch in Zukunft zu reden geben, da im Berichtsjahr in einzelnen Kantonen verfassungsrechtlich heikle Initiativen angenommen wurden – so etwa das Burkaverbot im Kanton Tessin oder die Einbürgerungsinitiative im Kanton Bern (vgl. dazu auch Kapitel 1c) [5].
Mit dem Familienartikel kollidierte zum neunten Mal bei einer eidgenössischen Abstimmung das Volksmehr mit dem Ständemehr, d.h. obwohl die Mehrheit der Stimmenden die Verfassungsänderung gutgeheissen hätte, kam sie aufgrund einer Mehrheit von ablehnenden Kantonen nicht zustande (zum Inhalt der Vorlage vgl. Kapitel 7d). Zu den Verlierern zählten dabei zum wiederholten Male die französischsprachigen und bevölkerungsstarken Kantone (ZH, BE, BL, GE, VD). Die anschliessend einsetzenden Diskussionen über mögliche Reformen des Ständemehrs brachten keine neuen Ideen. Vorschläge für neue Mehrheitsregeln, die proportionale Verteilungen der Standesstimmen, vorgebracht von Nationalrat Roger Nordmann (sp, VD) und der vom Berner Stadtpräsidenten, Alexander Tschäppät (sp), und dem ehemaligen Stadtpräsidenten von Zürich, Elmar Ledergerber (sp), ins Spiel gebrachte Vorschlag spezieller Gewichtungen und Einbezug von urbanen Zentren, wurden schon seit einigen Jahren breit diskutiert. Bereits im Februar hatten die Vorsteher der Städte Zürich und Basel – Corine Mauch (sp) und Guy Morin (gp) – einen Ständeratssitz für die Städte gefordert. Die Diskussionen verstummten zwar relativ rasch wieder, im Parlament wurde aber eine Ende Berichtsjahr noch hängige parlamentarische Initiative Nordmann (sp, VD) eingereicht, die eine bessere Ausbalancierung des Ständemehrs fordert [6].
Der Walliser Regierungsrat Jean-Michel Cina (VS, cvp) wurde an der Plenumsveranstaltung der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) zu deren Präsident gewählt. Das Amt wird jeweils für vier Jahre vergeben. Cina löst per 1. Januar 2014 Pascal Broulis (VD, fdp) ab. Am 8. Oktober feierte die 1993 gegründete KdK ihr 20-jähriges Bestehen. Sie dient als wichtiges Koordinationsgremium der Kantone, mit dem kantonale Interessen auf Bundesebene vereint vertreten werden sollen. Einer der Hauptgründe ihrer Schaffung war das EWR-Nein, das auch deutlich machte, wie stark die nationale Europa-Politik die Kompetenz der Kantone beeinflusst. Die KdK dient seither den kantonalen Regierungen als Plattform für Meinungsaustausch und Interessenbündelung, um in Verhandlungen mit dem Bund mit einer Stimme sprechen zu können. Die Konferenz gilt mittlerweile als wichtige Akteurin, wobei umstritten ist, wie stark der Einfluss der Kantone auf Bundesebene tatsächlich ist. Die kontinuierlich zunehmende Zahl an interkantonalen Konkordaten könne zwar Doppelspurigkeiten verhindern und sei ein Zeichen von Professionalisierung der kantonalen Politik. Gleichzeitig werden dieser zusätzlichen Staatssphäre allerdings auch mangelnde Transparenz und fehlende demokratische Legitimation vorgeworfen. Die drohende Nationalisierung der kantonalen Gesetzgebung bedrohe zudem letztlich auch den Föderalismus in Form von kantonaler Autonomie und lebendiger Differenz [7].
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Aufgabenverteilung und Finanzausgleich (NFA)
Der neue Nationale Finanzausgleich (NFA), in Kraft seit 2007, gilt als wichtiges Instrument für einen funktionierenden Föderalismus. Er setzt sich zusammen aus dem Ressourcenausgleich, dem Lastenausgleich und dem Härteausgleich. Die Anfang Juli präsentierten provisorischen Zahlen für 2014, die Ende Oktober offizialisiert wurden, zeigten keine Veränderungen hinsichtlich der Namen der Geber- und Nehmerkantone. Wie schon im Berichtjahr werden die Kantone Zürich, Zug, Genf, Schwyz, Basel-Stadt, Waadt, Nidwalden, Basel-Landschaft und Schaffhausen mehr in den Finanzausgleich einzahlen, als dass sie daraus erhalten. Der Kanton Zürich wird mit CHF 367 Mio. rund 16 Mio. weniger bezahlen müssen als 2013. Pro Kopf bezahlt allerdings der Kanton Zug mit CHF 2 500 auch 2014 wieder am meisten. Die 17 restlichen Kantone wurden erneut als Nettoempfänger ausgewiesen, wobei der Kanton Bern mit CHF 1,23 Mrd. den höchsten Beitrag erhalten wird, rund CHF 68 Mio. mehr als 2013. Relativ zur Bevölkerungszahl erhalten 2014 allerdings die Kantone Uri, Jura, Glarus, Wallis und Freiburg noch mehr Geld als der Kanton Bern. Weil sich die Unterschiede zwischen den Nettozahlern und den Nettoempfängern in den letzten Jahren leicht akzentuiert hatten, monierten die Geberkantone auch 2013 das System. Die schwierige budgetäre Situation – praktisch alle Kantone mussten Defizite von insgesamt rund CHF 765 Mio. budgetieren – befeuerte die Debatte zusätzlich. Neu war, dass sich die Geberkantone unter der Führung der Zürcher Finanzdirektorin Ursula Gut (fdp) in ihrem Protest zu koordinieren begannen. Sie kritisierten die Nehmerkantone teilweise harsch, betonten, dass sie mit ihrer Solidarität langsam am Ende seien, reichten ein Manifest mit sechs zentralen Forderungen für nötige Reformen ein und schalteten eine Webseite unter dem Titel „fairer NFA“ auf. Verlangt wurde unter anderem die Abschaffung der Solidarhaftung oder die Einrichtung einer neutralen Zone bzw. die Hilfe für lediglich sehr schwache Kantone. Zusätzlichen Zündstoff erhielt die Diskussion durch die Debatte über die falsch bezahlten Krankenkassenprämien (vgl. Kapitel 7c). So drohte etwa der Kanton Genf – Nettozahler und Kanton mit zu viel bezahlten Krankenkassenprämien – offen mit einem Boykott des NFA, falls die Prämien nicht zurückerstattet würden. Vor der Diskussion um die Transferzahlungen trat jedoch häufig in den Hintergrund, dass der Hauptzahler im Finanzausgleich der Bund selber ist. Mit CHF 3,2 Mrd. kommt er für rund zwei Drittel der Zahlungen auf. Am Horizont zeichnete sich zudem die aufgrund des Drucks aus der EU mutmassliche Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien für Spezialgesellschaften ab, was voraussichtlich zu neuen Kompensationen im Finanzausgleich führen wird (vgl. auch die Diskussion zur Unternehmenssteuerreform III im Kapitel 5) [8].
Auch 2013 gab es wie bereits in den Vorjahren einige Vorstösse, die auf eine Änderung der Organisation des Finanzausgleichs zielten. Die im Vorjahr vom Ständerat abgelehnte Schwyzer Standesinitiative wurde 2013 vom Nationalrat sistiert, bis der für Frühling 2014 erwartete zweite Wirksamkeitsbericht zum NFA vorliegt. Der Schwyzer Vorschlag sieht eine neutrale Zone vor: Ressourcenschwache, aber über genügend Eigenmittel verfügende Kantone, sollten keine Gelder erhalten. Für die Interessen der Geberkantone und vor allem für eine verbesserte Wirksamkeit des NFA will sich auch eine Ende 2013 eingereichte Standesinitiative des Kantons Nidwalden einsetzen. Eine noch nicht behandelte Motion Pezzatti (fdp, ZG) verlangt Mindestanforderungen für den Erhalt von NFA-Geldern und den Zwang der Empfängerkantone zu einem rigideren Finanzhaushalt. Der Bundesrat empfiehlt die Motion zur Ablehnung. Der NFA könne nur funktionieren, wenn die Mittel ohne Zweckbindung ausgerichtet würden. Die kantonale Finanzpolitik müsse autonom bleiben. Zwei bereits 2011 eingereichte Motionen Carobbio (sp, TI) und Fluri (fdp, SO) wurden im Berichtsjahr abgeschrieben. Erstere hätte eine progressive Gestaltung der Ausgleichsbeiträge der ressourcenstarken Kantone verlangt während zweitere die Städte in die Evaluation des NFA einbeziehen wollte. Zwei Ende 2012 bzw. im März 2013 eingereichte Motionen Gössi (fdp, SZ) und Aeschi (svp, ZG), die unter anderem eine Neuberechnung des Ressourcenindex unter Berücksichtigung der tatsächlichen Ressourcenstärke (z.B. unter Berücksichtigung von Einnahmequellen, Bundessubventionen und Lebenskosten) verlangen, wurden 2013 hingegen noch nicht behandelt. Ende Jahr räumte der Bund Fehlanreize beim NFA ein, die mit dem neuen Wirksamkeitsbericht im Frühjahr 2014 erörtert werden würden. Geprüft werde insbesondere die Solidarhaftung [9].
Mitte Mai wurde der Zuger Finanzdirektor Peter Hegglin (cvp) als Nachfolger von Christian Wanner (SO, fdp) zum Präsidenten der Finanzdirektorenkonferenz (FDK) gewählt. Mit Hegglin steht neu ein Vertreter eines reichen NFA-Geberkantons an der Spitze des Gremiums. Er wolle sich für einen fairen Finanzausgleich einsetzen, gab Hegglin zu Protokoll. Der Zuger Magistrat war 2012 als starker Kritiker des grössten Empfängerkantons Bern aufgefallen: Die Angestellten gingen im Hauptstadtkanton mit 63 in Pension, was die anderen Kantone berappen müssten. Der vielfach kritisierte Kanton Bern selber verwies auf den Umstand, dass er zwar in absoluten Zahlen am meisten vom NFA profitiere, pro Kopf aber nur an sechster Stelle liege (siehe oben). Zudem lud die Finanzdirektorin des Kantons Bern, Beatrice Simon (bdp), die Finanzdirektoren zweier potenter Geberkantone – Peter Hegglin (ZG) und Kaspar Michel (SZ) – nach Bern ein, um sie für die Strukturprobleme des Hauptstadtkantons zu sensibilisieren [10].
Die eidgenössische Finanzverwaltung erstellte auf Anfrage der NZZ am Sonntag eine Liste, die Aufschluss über die von den Kantonen erhaltenen Subventionen gab und eine interessante Ergänzung zur Diskussion rund um den Finanzausgleich bot. Rund CHF 35 Mrd. schüttete die öffentliche Hand im Jahr 2012 an die Kantone aus, etwa für Strassen, Universitäten, Landwirtschaftsbetriebe oder Lawinenverbauungen. Als grösster Nutzniesser zeigte sich dabei der Kanton Graubünden, in den im Jahr 2011 pro Kopf CHF 3 183 flossen. Auf den Plätzen zwei und drei folgten die Kantone Uri (CHF 2 659 pro Kopf) und Jura (CHF 2 562 pro Kopf). Relativ gesehen am wenigsten Subventionen erhielten die Kantone Aargau (CHF 817 pro Kopf) und Basel-Landschaft (CHF 908 pro Kopf) [11].
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Städte, Regionen, Gemeinden
Mit der seit 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung war auch ein Städte- und Gemeindeartikel eingeführt worden. In Artikel 50 BV wurde nicht nur die Gemeindeautonomie verankert, sondern der Bund wird verpflichtet, bei seinem Handeln Auswirkungen auf die Gemeinden zu beachten und Rücksicht auf die besondere Situation der Städte, Agglomerationen und Berggebiete zu nehmen. Zwei identische, vom Bundesrat zur Annahme beantragte Postulate Germann (svp, SH) und Fluri (fdp, SO) verlangen eine Evaluation zur Wirkung dieses Artikels. Die Vorstösse wurden in der Wintersession 2013 von der betreffenden Kammer überwiesen [12].
Der Trend zu immer weniger Gemeinden hielt auch 2013 weiter an. Im Berichtjahr verringerte sich die Anzahl Gemeinden vor allem durch Gemeindefusionen von 2408 auf 2352. Die Zahl von 56 Gemeinden, die damit von der Landkarte verschwanden, war leicht höher als der seit dem Jahr 2000 (2899 Gemeinden) verzeichnete Schnitt von minus 40 Gemeinden pro Jahr. In diesen dreizehn Jahren hat sich der Bestand der Gemeinden also um 19% verringert. Der Trend zu Gemeindefusionen hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich verstärkt. 1860 wies die Schweiz noch 3146 Gemeinden auf. Die Tendenz dürfte auch in Zukunft anhalten: Eine von der Gewerkschaft VPOD lancierte Volksinitiative im Kanton Tessin fordert etwa die Reduktion der Anzahl Gemeinden im Südkanton von 135 auf 11. Eine Reformkommission im Kanton Wallis, die die kantonale Verfassung revidieren soll, schlug die Halbierung der Gemeindezahl von 135 auf 40 bis 60 Gemeinden vor. Im Kanton Graubünden wurde eine von einer Allianz aus linken Parteien, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden lancierte Initiative zurückgezogen, die eine Reduktion der mehr als 150 Gemeinden auf 50 gefordert hätte. Grund für den Rückzug seien die zahlreichen im Kanton bereits angestossenen Reformen, die in die erwünschte Richtung gingen. Das im Nationalrat schon 2012 eingereichte Postulat Lehmann (cvp, BS), welches einen Bericht über mögliche Gemeindefusionen über Kantonsgrenzen hinweg fordert, ist noch hängig. Der Bundesrat, der das Postulat zur Ablehnung empfiehlt, machte geltend, dass eine entsprechende nationale Regelung einen Eingriff in die Kantonsautonomie darstellen würde und die wichtigsten Hindernisse für Gemeindezusammenschlüsse zudem nicht rechtlicher Natur seien, sondern emotionale und politische Elemente beträfen, wie etwa Heimatgefühl oder Steuerhoheit. In der öffentlichen Debatte wurden Gemeindefusionen als mögliche Lösung für die mit zunehmendem Desinteresse an lokaler Politik einhergehende, wachsende Schwierigkeit, Gemeindeämter zu besetzen, vorgeschlagen [13].
Der Städteverband, der die Interessen der Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern verbandlich organisiert, wählte Ende August mit Nationalrat Kurt Fluri (fdp, SO) einen neuen Präsidenten. Fluri ist Stadtpräsident von Solothurn und löste den bisherigen Marcel Guignard (fdp), den scheidenden Stadtpräsidenten von Aarau ab, welcher den Verband während acht Jahren präsidiert hatte. Die Wahl Fluris versprach nicht nur eine bessere Vernetzung auf Bundesebene, sondern der Verband erhoffte sich auch, dass die Anliegen der Städte in der nationalen Politik stärker vertreten werden [14].
 
[1] NLZ, 8.6.13; NZZ, 4.10.13.
[2] Pa.Iv. 12.486; Medienmitteilung SPK-N vom 22.2.13; vgl. Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe Bund-Kantone zuhanden des Föderalistischen Dialogs vom 16.3.2012; NZZ, 25.2.13.
[3] St.Iv. 12.319 (Nidwalden): AB SR, 2013, S. 257 ff., 1054 ff.; AB NR, 2013, 1403 ff.; NWZ, 28.2.13; St.Iv. 13.302 (Schaffhausen): AB SR, 2013, S. 1054 ff.
[4] BaZ, 26.1.13; NZZ, 17.5.13; Bericht: NZZ, 21.7.13; BaZ und NZZ, 30.7.13; BLZ und BZ, 26.10.13; Bund, 28.10.13.
[5] BRG 12.070: AB NR, 2013, S. 187 ff. und 342 ff.; AB SR, 2013, S. 176 ff.; BBl. 2013, S. 3621; weitere, im Berichtsjahr nicht umstrittene Gewährleistungen: BRG 12.077 (GL, AI, AG, TG, VD, NE, GE); BGR 12.094 (SO, BL, AI, GR, AG); BRG 13.047 (UR, SO, BL, GR, AG, NE, GE); BRG 13.089 (GE); NZZ, 11.3., 12.3., 15.3., 16.3., 19.3., 30.3., 6.4., 3.5., 4.9., 23.9., 14.10. und 30.11.13.
[6] Pa.Iv. 13.417: SO, 10.2.13; BaZ, NLZ, NZZ, 6.3.13; WW, 7.3.13; NZZ, 10.3.13; BaZ, 18.3.13; Exp, 16.5.13; zur 2012 von Pfister (cvp, ZG) geäusserten Idee einer fallweisen Ausserkraftsetzung des Ständemehrs vgl. SPJ 2010, S. 75.
[7] Medienmitteilung KdK vom 13.12.13; BZ, NZZ und TG, 4.10.13; NZZ, 6.10. und 16.12.13.
[8] NZZ, 17.1. und 18.1.13; NLZ, 26.1.13; Presse vom 3.7.13; LT, 2.9.13; NZZ, 9.10.13; Presse vom 31.10.13; NZZ, 14.11.13; SGT, 20.12.13.
[9] St.Iv. 11.320 (Schwyz): AB NR, 2013, S. 1740; Mo 13.3170 (Pezzatti); Mo. 11.3262 (Carobbio); Mo. 11.3504 (Fluri); Mo.12.3890 (Gössi); Mo. 13.3095 (Aeschi ); vgl. SPJ 2012, S. 74; SGT, 23.3.13; NZZ, 23.4.13; NLZ, 15.5.13; NZZ, 17.5.13; NLZ, 25.5.13; NZZ, 19.12.13; LZ, 27.12.13; SGT und LZ, 28.12.13.
[10] TA, 23.3.13; NLZ, 15.5.13; NZZ, 17.5.13; Presse vom 25.5.13; NZZ, 4.7.13; AZ, 5.7.13.
[11] NZZS, 1.12.13; Presse vom 2.12.13; BaZ, 3.12.13; SN, 19.12.13.
[12] Po. 13.3835 (Germann): AB SR, 2013, S. 1143 f.; Po. 13.3820 (Fluri): AB NR, 2013, S. 2208.
[13] Po. 12.3203; NZZ, 5.6.13 (TI); NZZ, 3.9.13 (VS); NZZ, 24.4. und 22.5.13 (GR); SGT, 18.3.13; BZ, 13.4. und 22.4.13; AZ, 30.10.13; NZZ, 12.12.13; vgl. SPJ 2012, S. 74 f.
[14] NZZ, 30.8.13; vgl. SPJ 2012, S. 75.