Année politique Suisse 1969 : Eléments du système politique / Elections
Kantonale Parlamentswahlen
In sechs Kantonen fand eine Neuwahl der Legislative statt. Während die Erneuerung der Parlamente zweier Gebirgskantone keine bedeutsameren Veränderungen ergab, standen die Wahlen in vier Industriekantonen stark im Zeichen der fortgesetzten Offensive des Landesrings. In den deutschsprachigen Kantonen Solothurn und Aargau schlug sich diese Offensive in beträchtlichen Mandatgewinnen nieder.
In Solothurn beteiligten sich die Unabhängigen seit mehr als zwei Jahrzehnten zum erstenmal wieder an der Kantonsratswahl; sie eroberten mit etwa 6% der Stimmen 6 von den 144 Sitzen, wobei alle drei historischen Parteien Verluste erlitten, am meisten die Sozialdemokraten
[1].
Im Aargau erfolgte der Vorstoss von einer bereits bestehenden Basis aus; mit der Verdoppelung der Sitzzahl von 6 auf 12 (von 200) erreichte der Landesring aber die stärkste je gewonnene Position; auch hier waren die Sozialdemokraten die Hauptverlierer. Nennenswerte Einbussen erlitten in den aargauischen Grossratswahlen ferner die Freisinnigen, wohl namentlich infolge des Auftretens der Gruppe Team 67, die 1967 bei der Neuwahl des Nationalrates erstmals in die Arena gestiegen war
[2].
Einem Einbruch des Landesrings in die Parlamente der welschen Industriekantone Genf und Neuenburg standen besondere Wahlgesetze im Wege, die eine Mandatzuteilung von einem bestimmten Wähleranteil (Quorum: 7% in Genf, 10% in den neuenburgischen Wahlbezirken) abhängig machen. Da die Unabhängigen in beiden Kantonen nur etwa 6% der Stimmen erhielten und auch keine Listenverbindungen vereinbarten, gingen sie leer aus; ihre Konkurrenz beeinflusste jedoch das Kräfteverhältnis zwischen den übrigen Parteien und trug wohl auch zur Erhöhung der Stimmbeteiligung bei. In Genf bewirkte dies das Absinken der 1965 aufgeschossenen Gruppe der Vigilants unter die Quorumsschwelle, woraus alle traditionellen Parteien Nutzen zogen, Radikale und Sozialisten freilich schwächer als Christlichsoziale, Liberale und Kommunisten. Die Stimmenzahl des Landesrings war aber weit grösser als der Stimmenverlust der Vigilants; dieser wurde auf eine wenig konstruktive Politik der jungen Gruppe zurückgeführt. Da der Erfolg der Vigilants von 1965 ganz auf Kosten der bürgerlichen Parteien gegangen war, standen nun die Linksparteien — mindestens mandatmässig — als die Gewinner der Entwicklung da
[3].
In Neuenburg hatte das Auftreten des Landesrings dagegen die Wirkung, dass der Stimmenanteil der Sozialisten deutlich abnahm, während derjenige der übrigen Parteien nur geringe Veränderungen erfuhr. Dadurch wurde die bürgerliche Parteiengruppe gegenüber der Linken gestärkt, was in der Sitzverteilung infolge von Listenverbindungen noch betont zum Ausdruck kam. Die bürgerliche Schlappe von 1965 war wettgemacht
[4].
Im Wallis blieben die Verhältnisse stabil; geringfügige Verluste der Konservativ-Christlichsozialen ergaben sich fast nur infolge des Auftretens einer dissidenten « Demokratischen Bewegung » in Sitten. Es wurde immerhin festgestellt, dass dadurch im französischen Kantonsteil die absolute Mehrheit der dominierenden Partei verloren gegangen sei; im deutschsprachigen Oberwallis dagegen, wo Konservative und Christlichsoziale getrennt vorzugehen pflegen, beherrschen sie zusammen das Feld weiterhin fast ausschliesslich
[5].
In Graubünden verloren die Konservativ-Christlichsozialen gleichfalls einige Mandate, doch ist dieses Ergebnis für die parteipolitische Entwicklung der Wählerschaft nicht signifikant, da die bündnerischen Grossratswahlen nach Majorz und vielfach noch in offener Kreisversammlung stattfinden, so dass persönliche und regionale Faktoren den Ausgang stark mitbestimmen
[6].
[1] Ergebnisse der solothurnischen Kantonsratswahlen vom 4.5.1969 (in Klammern Sitzverteilung von 1965): Freisinnige 66 (68), Konservativ-Christlichsoziale 36 (37), Sozialdemokraten 36 (39), Landesring 6 (0). Vgl. NZZ. 271, 5.5.69; 311, 23.5.69; 313, 27.5.69; ferner BN, 173, 28.4.69.
[2] Ergebnisse der aargauischen Grossratswahlen vom 9.3.1969: Konservativ-Christlichsoziale 47 (1965: 46), BGB 30 (30), Freisinnige 40 (43), Sozialdemokraten 57 (62), Landesring 12 (6), Team 67 3 (0), Evangelische Volkspartei 4 (5), Freie Stimmberechtigte (Stimmzwanggegner) 6 (5), Freie Wähler für Bildung und Fortschritt 1 (2). Vgl. NZZ, 151, 10.3.69; 161, 13.3.69; NZ, 114, 11.3.69; Vat., 59, 12.3.69; 60, 13.3.69; NZN, 60, 13.3.69; ferner BN, 91, 3.3.69; NZ, 109, 7.3.69; Tat, 57, 8.3.69.
[3] Wahlen vom 19.10.1969 (JdG, 244, 20.10.69; 245, 21.10.69; TdG, 246-248, 21.-23.10.69; NZZ, 532, 20.10.69; Tat, 249, 22.10.69; PS, 90, 23.4.69).
[4] Ergebnisse der neuenburgischen Grossratswahlen vom 20.4.1969; Liberale 22 (1965: 22; 1961: 24), Radikale 35 (30; 34), Nationalprogressisten 11 (11; 11), Christlichsoziale 1 (0; 0), Sozialisten 38 (42; 40), Parti ouvrier et populaire 8 (10; 6). Vgl. PS, 88, 21.4.69; 89, 22.4.69; TLM, 111, 21.4.69; 112, 22.4.69; TdG, 93, 22.4.69; Bund, 92, 22.4.69; ferner SPJ, 1965, in SJPW, 6/1966, S. 147 ff.
[5] Ergebnisse der Walliser Grossratswahlen vom 2.3.1969: Konservativ-Christlichsoziale 84 (1965: 87), davon Unterwalliser Konservativ-Christlichsoziale 44, Oberwalliser Konservative 21, Oberwalliser Christlichsoziale 19; Radikale 26 (25), Sozialisten 13 (13), Mouvement social-indépendant (Sozialbauern) 4 (4), Mouvement démocrate des Bezirks Sitten 2 (0), Oberwalliser Unabhängige 1 (1). Vgl. TdG, 53, 4.3.69; GdL, 51, 4.3.69; TLM, 65, 6.3.69; 68, 9.3.69.
[6] Ergebnisse der Bündner Grossratswahlen vom 4./18.5.1969: Konservativ-Christlichsoziale 36 (1967: 40), Freisinnige 32 (29), Demokraten 37 (38), Sozialdemokraten 8 (6). Vgl. NBüZ, 126, 5.5.69; 127, 6.5.69; 141, 19.5.69; 143, 21.5.69; NZZ. 271, 5.5.69.
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