Année politique Suisse 1976 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
Strafrecht
Unter dem Eindruck der Gewaltverbrechen im In- und Ausland wurde erneut der
Ruf nach einer Verschärfung des Strafrechts laut. Bundesrat Furgler verwies bei der Beantwortung eines entsprechenden Vorstosses auf den Fortgang der Revision des Strafgesetzbuches, zugleich aber auch auf die gesellschaftlichen Voraussetzungen der angewachsenen Kriminalität
[30]. Diese Voraussetzungen und vor allem die Art und Weise, wie der Strafvollzug ihnen Rechnung trägt, bildeten Gegenstand einer Reihe von juristischen Dissertationen, deren Verfasser je ein Jahr in einer Strafanstalt gearbeitet hatten
[31]. Auch der Bundesrat verwandte sich für einen humanen Strafvollzug. So rief er den Anstaltsdirektoren das bereits vom Bundesgericht bejahte Petitionsrecht der Gefangenen in Erinnerung, weil Klage erhoben wurde, die Sammlung von Unterschriften für einen einheitlichen Mindestlohn sei behindert worden. Ausserdem stimmte er der Beteiligung des Bundes an einem Ausbildungszentrum für das Strafvollzugspersonal zu
[32]. Strafreformkreise setzten sich auch für eine Humanisierung der Untersuchungshaft ein, wobei sie auf verschiedene Selbstmorde von Einzelhäftlingen hinwiesen. Auf eine Beschwerde hob das Bundesgericht besonders drückende Bestimmungen der zürcherischen Verordnung über die Polizeigefängnisse auf
[33].
Nachdem im Vorjahr der Rechtshilfevertrag mit den USA die parlamentarische Genehmigung erhalten hatte, legte der Bundesrat nunmehr den Entwurf für ein
allgemeines Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vor. Dieses trägt der Internationalisierung von Wirtschaft und Verkehr Rechnung und enthält nicht nur Grundsätze für die Auslieferung, sondern auch für andere Rechtshilfeformen, worin es auf der ganzen Welt kein Beispiel hat. Um eine einheitliche Beurteilung komplexer Straftatbestände zu erleichtern, kann die Schweiz nach dem Entwurf künftig eigene Staatsangehörige, falls sie zustimmen, ausliefern oder auch stellvertretend die Verfolgung von im Ausland begangenen Delikten übernehmen, ja ausländische Urteile vollziehen. Von der Rechtshilfe ausgenommen bleiben politische und mit Rücksicht auf die « Einstellung der schweizerischen Öffentlichkeit » auch Steuervergehen ; der Bundesrat betont immerhin, dass eine zu starre Haltung in bezug auf letztere für unser Land eines Tages nachteilig werden könnte. Der Ausschluss fiskalischer Delikte ist deshalb wie im Vertrag mit den USA nicht absolut : er gilt nicht, wenn « wesentliche Interessen der Schweiz » auf dem Spiele stehen
[34].
[30] Vgl. Motion K. Meier (fdp, LU) (Amtl. Bull. NR, 1976, S. 112 ff.; Amtl. Bull. StR, 1976, S. 280 ff.). Frühere Vorstösse : vgl. SPJ, 1970, S. 115, 1974, S. 16. Eine Meinungsumfrage ergab eine knappe Mehrheit für die Wiedereinführung der Todesstrafe für besonders schwere Verbrechen (Tat, ddp, 114, 16.5.76).
[31] Reihe Der schweizerische Strafvollzug, Aarau-Frankfurt a. M. 1976 ff. (Erste Bände von A. Hämmerle, C. F. Janiak und P. Joset). Vgl. Presse vom 26.10.76.
[32] Petitionsrecht : Amt!. Bull. NR, 1976, S. 1711 (Einfache Anfrage Grobet, sp, GE). Die von der Aktion Strafvollzug eingereichte Petition wurde von beiden Räten mit einem Postulat an den BR überwiesen (Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1615 f. ; Amtl. Bull. StR, 1976, S. 718, 721). Ausbildungszentrum : NZZ (sda), 261, 6.11.76. Vgl. auch eine Tagung im Gottlieb-Duttweiler-Institut in Rüschlikon (LNN, 56, 8.3.76 ; 67, 20.3.76 ; Bund, 69, 23.3.76).
[33] Vgl. Komitee gegen Isolationshaft, Todesstrafe auf Raten, Isolationshaft in der Schweiz, Zürich 1976 ; R. Binswanger / W. Brandenburger, « Zum Problem langdauernder Untersuchungshaft », in Schweiz. Zeitschrift für Strafrecht, 91/1975, S. 406 ff. ; TA, 114, 18.5.76. Bundesgericht : NZZ, 248, 22.10.76 ; TA, 247, 22.10.76.
[34] BBl, 1976, I, S. 444 ff. Vgl. dazu Presse vom 5.5.76, ferner SPJ, 1973, S. 17 ; 1974, S. 16 f. ; 1975, S. 16.
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