Année politique Suisse 1978 : Economie / Agriculture
Pflanzliche Produktion
Während in der tierischen Produktion immer wieder Milchschwemmen und Fleischberge zu bewältigen sind, müsste die pflanzliche Produktion aus versorgungspolitischen Gründen noch stärker gefördert werden als bisher, deckt doch die Schweiz ca. 40% ihres Brotgetreide- und 80% ihres Zuckerbedarfs mit Importen aus dem Ausland
[44]. Der Umstand, dass im Bereich des Ackerbaus praktisch nur die Erzeugung jener Pflanzen zunimmt, die wiederum als Rohstoffe für die tierische (Über-) Produktion Verwendung finden, deutet auf eine gestörte Preisparität zwischen pflanzlichen und tierischen Produkten hin
[45]. Allein, die Preise von Lebensmitteln massiv erhöhen, die im Ausland bedeutend billiger zu haben sind, hiesse den Widerstand provozieren gegen eine redistributive Agrarpolitik, da die Einkommensumverteilung von Konsumenten und Steuerzahlern auf die Landwirte allzu offensichtlich würde. Wollen die Behörden den Bauern auch nur kostendeckende Preise garantieren, so hat bereits dieses Bestreben die an sich paradoxe Erscheinung zur Folge, dass die Belastung des schweizerischen Finanzhaushalts oder des Konsums umso höher steigt, je tiefer die Welthandelspreise sinken, denn der Bund muss die nun grösser gewordene Differenz zwischen Welthandelspreisen und Gestehungskosten der Inlandprodukte begleichen, sofern es nicht gelingt, diese Mehrausgaben auf die Konsumenten abzuwälzen
[46].
Trotz Referendumshürde war es möglich, das Zolltarifgesetz im Interesse des Bundesbudgets und im Interesse der Landwirtschaft, die hier ausnahmsweise einmal identisch waren, zu revidieren, indem man die künstliche Verteuerung des Importgetreides als «Reduktion der Brotpreisverbilligung» deklarierte. Tatsächlich wurden jedoch die Mehrkosten aus der grösser gewordenen Differenz zwischen Import- und Inlandpreisen mittels einer 833%igen Zollerhöhung aufdie Konsumentenpreise geschlagen, was die Stimmbürger aber sanktionierten
[47].
Eine ähnliche Problematik manifestierte sich beim Zucker. Da auch hier die Preise auf dem Weltmarkt stark gefallen sind, die Zuckerrübenproduktion im Inland aber bessere Erträge lieferte, erhöhten sich für die schweizerische Zuckerwirtschaft die Verluste, (lie in diesem Fall jedoch der Bundeskasse belastet und dadurch indirekt den Steuerzahlern aufgebürdet wurden
[48]. Unter solch kostspieligen Bedingungen wird verständlich, weshalb nach der
neuen Zuckerordnung, die der Nationalrat im Dezember behandelte, die Anbauflächen für Zuckerrüben nicht in dem Masse ausgedehnt werden sollen, wie es eigentlich im Interesse der Landwirte, im Sinne ihrer Umstellung auf pflanzliche Produkte und damit im Hinblick auf eine bessere Selbstversorgung der Schweiz angezeigt wäre
[49].
Die Weinproduktion ist am Endrohertrag der schweizerischen Landwirtschaft mit 5% beteiligt, deckt aber nur ein Drittel des inländischen Konsums. Um den Rebbauern kostendeckende Preise zu garantieren und gleichzeitig den Absatz sicherzustellen, sind auch in diesem durch Zölle und Importbeschränkungen wohl am stärksten geschützten Zweig unseres Agrarsektors regulative Massnahmen zur Lenkung der Produktion nötig. Der Bundesrat schlug dem Parlament vor, das bereits bestehende Verbot der Schaffung neuer Rebberge weiterzuführen und die Qualitätskontrollen zu verschärfen
[50].
[44] Vgl. IBZ, 36, 31.8.78 ; NZZ, 213, 14.9.78. Vgl. auch TA, 9, 12.1.78.
[46] Vgl. zu diesem Problem Amtl. Bull. NR, 1978, S. 139 und Amtl. Bull. StR, 1978, S. 372 f. (Motion Augsburger, svp, BE).
[47] Vgl. die Presse vom Mai 1978 sowie Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 28.5.78. Abstimmungsresultat: 971 908 Ja : 801 167 Nein (vgl. BBI, 1978, II, S. 370). Vgl. auch SPJ, 1977, S. 21 f. und 81.
[48] NZZ, 26, 1.2.78; Presse vom 16.2.78.
[49] BBI, 1978, II, S. 1256 ff.; Amtl. Bull. NR. 1978, S. 1886 ff. Vgl. auch die Presse vom 14.9., 1.11. und 15.-16.12.78.
[50] BBI, 1978, II, S. 1677 ff. Vgl. auch die Presse vom 27.6. und 22.12.78 sowie NZZ, 235, 10.10.78.
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