Année politique Suisse 1981 : Infrastructure, aménagement, environnement / Energie
 
Energiepolitik
Die Veröffentlichung des Entwurfs für einen Energieartikel stellt einen wesentlichen Schritt zur Verwirklichung der Gesamtenergiekonzeption dar. Überraschungen beinhaltet der bundesrätliche Vorschlag kaum, war doch der Grundsatzentscheid zugunsten eines Verfassungsartikels, aber gegen eine Energiesteuer, bereits im Vorjahr angekündigt worden. Die Landesregierung begründet ihr Eintreten für ein grösseres Engagement in der Energiepolitik mit der in den letzten Jahren deutlich gewordenen Labilität des internationalen Energiemarktes, von welchem die Energieversorgung der Schweiz zu rund vier Fünfteln abhängt. Nach ihrer Ansicht kann sich der Bund nicht mehr auf die Regelung einzelner Sektoren der Energieerzeugung beschränken, sondern muss durch geeignete Massnahmen und Vorschriften eine sparsame und rationelle Energienutzung fördern. Ein Abrücken von der bestehenden marktwirtschaftlichen Ordnung — etwa durch Einschränkung der freien Wahl der Energieträger — ist aber nicht vorgesehen; ebensowenig die grundlegende Veränderung der bisherigen föderalistischen Struktur der schweizerischen Energiepolitik. Die mit der Schaffung eines Artikels 24octies BV angestrebten neuen Bundeskompetenzen sind deshalb nicht als Generalvollmacht, sondern als abschliessende Aufzählung formuliert. Überdies verpflichten sie den Bund nicht zu bestimmten Massnahmen; sie räumen ihm nur das Recht ein, diese zu ergreifen. Die dem Bund durch den Energieartikel zugewiesenen Kompetenzen lassen sich in drei Gruppen gliedern: 1. Die Vollmacht zur Aufstellung von Grundsätzen für die sparsame und rationelle Energieverwendung. Dabei ist in erster Linie an Rechtssetzungsaufträge an die Kantone und an den Erlass gewisser Minimalnormen (z.B. bezüglich der Wärmeisolation von Gebäuden) gedacht. Die substantielle Rechtssetzungskompetenz wie auch der Vollzug soll aber bei den Kantonen verbleiben. — 2. Das Recht zum Erlass von Vorschriften über den maximal zulässigen Energieverbrauch von Anlagen, Fahrzeugen und Geräten. Dieses Gebiet eignet sich schlecht für eine föderalistische Gesetzgebung, unter anderem deshalb, weil dabei auch aussenhandelspolitische Interessen zu berücksichtigen sind. — 3. Die Ermächtigung, die Entwicklung von sparsamen Energieverwendungsmethoden und von neuen Energieerzeugungstechniken zu fördern. Die praktische Anwendung dieser Technologien soll aber nicht von Bundesseite subventioniert werden. Auf die Erwähnung der Energieforschung konnte verzichtet werden, da deren Förderung durch den Bund bereits mit dem Forschungsartikel (27sexies BV) verfassungsmässig begründet ist.
Die im vorgeschlagenen Artikel weiter enthaltene Verpflichtung, dass der Bund «bei der Erfüllung seiner Aufgaben die Erfordernisse der sparsamen und rationellen Energieverwendung sowie einer breitgefächerten Energieversorgung» zu berücksichtigen hat, begründet zwar keine neuen Kompetenzen; sie wird aber die Beachtung von energiepolitisch relevanten Gesichtspunkten bei politischen Entscheiden auf Bundesebene (also z.B. in der Verkehrspolitik) erlauben.
Neben dem eigentlichen Energieartikel postuliert die Landesregierung die Änderung von zwei bereits bestehenden Verfassungsartikeln. Von einiger Bedeutung ist dabei der Antrag, die bisherige umfassende Bundeskompetenz im Bereich der Erdöl- und Gaspipelines auch auf Rohrleitungen zur Fernwärmeversorgung auszudehnen [1].
Der Vergleich des bundesrätlichen Entwurfs mit dem von der Mehrheit der Kommission für die Gesamtenergiekonzeption (GEK) vorgeschlagenen Verfassungsartikel ergibt einige Differenzen. Die wichtigsten bestehen im Verzicht einerseits auf die Erhebung einer zweckgebundenen Steuer auf Energieträgern und andererseits auf die finanzielle Förderung von Sparmassnahmen und Technologieanwendungen. Bei der Energiesteuer trug der Bundesrat also den Einwänden der Wirtschaft Rechnung; er glaubte dies umsomehr tun zu können, als er dem Parlament zuvor vorgeschlagen hatte, im Rahmen der Sanierung des allgemeinen Bundeshaushaltes die bisher für die Mehrzahl der Energieträger geltende Befreiung von der Warenumsatzsteuer (Wust) aufzuheben. Die daraus resultierenden jährlichen Mehreinnahmen von rund 300 Mio Fr. sollen zwar der allgemeinen Bundeskasse zugute kommen ; aber auch die aus dem Energieartikel entstehenden neuen Verpflichtungen von 40—150 Mio Fr. pro Jahr sollen aus allgemeinen Mitteln gedeckt werden [2].
Der Entwurf der Landesregierung fand keine ungeteilte Zustimmung [3]. Für massgebliche Wirtschaftsverbände geht der Artikel zu weit und beinhaltet die Gefahr von Markteingriffen. Nach ihrer Ansicht kann auf zusätzliche Bundeskompetenzen verzichtet werden, da die energiepolitisch notwendigen Umstrukturierungen durch den Druck der Marktkräfte (d.h. vor allem über Preisveränderungen) ausreichend induziert werden [4]. Auf der andern Seite zeigten sich Umweltschutzorganisationen, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Linksparteien und der Landesring, die den Mehrheitsvorschlag der GEK-Kommission bereits als Kompromiss gewertet hatten, von der Abschwächung dieses Entwurfs durch den Bundesrat enttäuscht. Die SPS und die Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz (SGU) beschlossen als Konsequenz die Unterstützung der wesentlich schärferen Volksinitiative für einen Energieartikel [5]. Dieses Volksbegehren, dessen Inhalt wir anlässlich seiner Lancierung im Vorjahr dargestellt haben, konnte im Dezember eingereicht werden [6].
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Energiepolitische Aktivitäten der Kantone
Grosse Bedeutung kommt schon heute — und im Fall der Realisierung des vom Bundesrat vorgezeichneten Weges erst recht in der Zukunft — den energiepolitischen Aktivitäten der Kantone zu. Neu haben sich im Berichtsjahr Graubünden und Bern Energiegesetze gegeben. Bedeutende Energieeinsparungen werden allerdings die neuen Bestimmungen kaum auslösen können. In Graubünden soll der Kanton sich zur Hauptsache auf die Herausgabe von Empfehlungen und Informationen beschränken, der Erlass von zwingenden Vorschriften aber eine Domäne der Gemeinden bleiben. Im Kanton Bern wurden diverse Verschärfungsanträge — u.a. das Obligatorium für die individuelle Heizkostenabrechnung bei Mehrfamilienhäusern — von der bürgerlichen Ratsmehrheit abgelehnt. Die Sozialdemokraten beschlossen deshalb die Ausarbeitung einer Volksinitiative für ein neues Energiegesetz, über deren Lancierung allerdings erst 1982 entschieden werden soll [7].
Dass den Kantonen bei der Gestaltung ihrer Energiepolitik ohnehin gewisse Grenzen gesetzt sind, zeigte sich in der Waadt, wo auf Anordnung des Bundesgerichts der 1981 mit dem Energiegesetz eingeführte Bedarfsnachweis für Elektroheizungen wieder gestrichen werden musste. Nach Ansicht des Gerichts kann kein übergeordnetes Interesse geltend gemacht werden, welches ein Abweichen von der Handels- und Gewerbefreiheit bei der Wahl des Heizungssystems rechtfertigen würde [8]. Im Kanton Solothurn hatte die Regierung ein dem bernischen ähnliches Gesetz vorgelegt. Trotz heftiger Opposition der CVP, die das Gesetz als überflüssig betrachtet, beschloss das Parlament Eintreten, wies den Entwurf jedoch einer Kommission zur weiteren Bearbeitung zu. Auch in den Kantonen Aargau und Zürich präsentierten die Regierungen Gesetzesprojekte; deren parlamentarische Behandlung ist aber noch nicht aufgenommen worden. Im Wallis versprachen die Behörden die Vorlage eines Gesetzestextes in spätestens zwei Jahren; als Übergangslösung hiess der Grosse Rat ein Energiedekret gut, welches die sofortige Durchführung bestimmter Massnahmen erlaubt [9]. In den Kantonen Luzern und Uri reichten Atomkraftwerkgegner Volksinitiativen für Energiegesetze ein. In Basel-Stadt wurden von gleicher Seite gleich zwei entsprechende Volksbegehren lanciert, wobei hier die Hauptabsicht darin bestehen dürfte, die in naher Zukunft zu erwartenden Beratungen über den von der Regierung ausgearbeiteten Entwurf im Sinne einer Verschärfung zu beeinflussen [10].
Die Idee, wonach die Kantone energiepolitisch aktiver werden müssen, vermag aber nicht überall durchzudringen. So lehnte die Schaffhauser Legislative eine von der Regierung nicht bestrittene Motion der SP für die Schaffung eines Energiegesetzes ab. Die Regierung Obwaldens legte den Gesetzesentwurf, den sie als Gegenvorschlag zu einer Einzelinitiative ausgearbeitet hatte, dem Kantonsrat gar nicht erst vor, da in der Vernehmlassung von massgebenden Kreisen namentlich die vorgesehenen Isolationsvorschriften als unerwünscht bezeichnet worden waren [11].
Sollte es in Zukunft zu ernsthaften Mangellagen auf dem Elektrizitätsmarkt kommen, möchte der Bundesrat eine Kontingentierung der Zuteilung an die Verbraucher verfügen können. Durch Zustimmung zu einem entsprechenden Bundesbeschluss sprach ihm das Parlament diese Kompetenz, welche er bereits seit 1974 besessen hatte, für weitere vier Jahre zu. Dieser Beschluss würde allerdings beim Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Landesversorgung — der Entwurf wurde im Berichtsjahr veröffentlicht — überflüssig und könnte deshalb aufgehoben werden [12]. Der Kanton Aargau möchte sich bei allfälligen Stromversorgungsengpässen eine Vorzugsstellung einräumen lassen. Das Parlament des für seine kernenergiefreundliche Haltung bekannten Standes forderte seine Regierung mit einem Postulat auf, ihren Einfluss bei den Nordostschweizerischen Kraftwerken in diesem Sinne geltend zu machen [13].
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Förderung alternativer Energien
Die politische Diskussion über die finanzielle Förderung der Anwendung sogenannt alternativer Energien findet zu einem grossen Teil auf kantonaler und kommunaler Ebene statt. So bewilligte der Waadtländer Grosse Rat einen Kredit für die Erstellung von drei Anlagen zur Gewinnung und Nutzung von Biogas in kantonalen landwirtschaftlichen Gebäuden. Die bernische Regierung erliess ein auf das neue Energiegesetz abgestütztes Dekret, das die Subventionierung von Pilotanlagen im Bereich der Nutzung erneuerbarer Energiequellen ermöglicht [14]. Seit drei Jahren beschäftigen sich die eidgenössischen Räte mit dem auf eine Motion von Nationalrat Pedrazzini (cvp, TI) zurückgehenden Plan zur Errichtung eines Versuchssonnenkraftwerks durch den Bund. Der Nationalrat kam nun zum Schluss, das Projekt nicht weiter zu verfolgen, da einerseits die Erforschung der Sonnenenergie bereits vom Bund unterstützt werde und anderseits deren Nutzung in der Schweiz aus klimatologischen und landschaftsschützerischen Gründen eher zur Warmwassergewinnung als zur Stromgewinnung lohnend erscheine [15].
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Energieverbrauch
Der schweizerische Gesamtenergieverbrauch nahm 1981 um 1,0% (1980: +3,5%) ab. Der Erdölkonsum war mit einer Veränderungsrate von — 4,5% (1980: +1,2%) stark rückläufig. Auffallend ist der Mehrverbrauch beim Superbenzin (+ 5,6 %), der allerdings zum Teil mit den infolge der Preisdifferenzen angestiegenen Benzinverkäufen an Ausländer erklärt werden kann. Die Kohle konnte mit einem Zuwachs von 47,5% ihre Rekordmarke aus dem Vorjahr (+44,4%) übertreffen; ihr Anteil am Energiekonsum erhöhte sich auf 3%. Von Substitutionsmassnahmen — v.a. im Bereich der Heizung — profitierten weiterhin die Energieträger Elektrizität und Gas mit Steigerungsraten von 2,7%, resp. 9,9% (1980: 3,4%, resp. 13,3%). Der Anteil der Erdölprodukte am Gesamtenergieverbrauch belief sich im Berichtsjahr auf 68,8% (1980: 71,4%) ; 1973 hatte er noch 80,3% betragen [16].
 
[1] BBl, 1981, II, S. 318 ff.; siehe auch SPJ, 1980, S. 90 f. Allgemein zu den Problemen der Energiepolitik vgl. ebenfalls Bundesamt für Energiewirtschaft, «Die Kernenergie in der Energiepolitik», in Die Volkswirtschaft, 54/1981, S. 418 ff. Speziell zum Thema der staatlichen Unterstützung der Energieforschung siehe Schweiz. Energieforum (Hrsg.), Energieforschung ein Politikum?, Bern 1981.
[2] Die heute bereits mit der Wust belasteten flüssigen Treibstoffe würden von dieser Verteuerung nicht betroffen, was einen energiepolitisch unerwünschten Nebeneffekt darstellt. Die vorberatende NR-Kommission beschloss Eintreten auf die Wust-Vorlage, nachdem sie die Beratungen bis zur Veröffentlichung der Botschaft zum Energieartikel suspendiert hatte (24 Heures, 209, 9.9.81; vgl. auch oben Teil I, 5 (Nouvelles ressources) und SPJ, 1980, S. 90 f.).
[3] Vgl. dazu die Presse vom 26.3.81, sowie das Interview mit dem Präsidenten der Kommission für die GEK, M. Kohn, in BaZ, 83, 8.4.81.
[4] Vorort: NZZ, 72, 27.3.81. Erdölvereinigung: BaZ, 117, 21.5.81. Vgl. auch wf, Dok., 13, 30.3.81; 46, 16.11.81.
[5] Vr, 61, 27.3.81 (LdU); SGB, 13, 2.4.81; NZZ, 160, 13.7.81 (Schweiz. Bund für Naturschutz); SGU-Bulletin, Nr. 4, 1981, S. 3; Rote Revue, 60/1981, Nr. 3, S. 23.
[6] BBl, 1982, I, S. 213 ff.; 24 Heures, 289, 12.12.81; SPJ, 1980, S. 91. NR Jaeger (Idu, SG) hatte 1979 mit einer Motion einen ähnlich wie die Initiative formulierten dringlichen Bundesbeschluss verlangt. Infolge von Terminschwierigkeiten nahm der NR erst 1981 — praktisch gleichzeitig mit der Publikation des bundesrätlichen Vorschlags — dazu Stellung; er lehnte das Begehren gegen den Widerstand der SP ab (Amtl. Bull. NR, 1981, S. 526 ff.).
[7] Graubünden: NZZ, 163, 17.7.81; SGT, 180, 15.8.81; 228, 2.10.81. Bern: Bund, 39-42, 17.-20.2.81; 111, 14.5.81; 112, 15.5.81; TW, 142, 22.6.81. Zur bisher nicht überaus aktiven Rolle der Gemeinden in der Energiepolitik siehe Bund, 159, 11.7.81.
[8] 24 Heures, 29, 5.2.81; 247, 24.10.81; NZZ, 247, 24.10.81; vgl. auch SPJ, 1980, S. 92.
[9] Solothurn : SZ, 143, 23.6.81; 145, 26.6.81; 150, 1.7.81; 151, 2.7.81; vgl. auch SPJ, 1980, S. 92. Aargau : AT, 147, 27.6.81. Zürich: NZZ, 185, 13.8.81; TA, 202, 2.9.81. Wallis: NZZ, 24, 30.1.81.
[10] Uri : LNN, 66, 20.3.81; SPJ, 1980, S. 93. Luzern : Vat., 13, 17.1.81. Basel-Stadt: Zusätzlich zur Initiative für ein Energiegesetz verlangt eine zweite Initiative die Verankerung des Prinzips der sparsamen Energieverwendung in der Kantonsverfassung (BaZ, 276, 25.11.81).
[11] Schaffhausen: TA, 207, 8.9.81. Obwalden: LNN, 35, 12.2.81; 104, 6.5.81; Vat., 39, 17.2.81; 294, 19.12.81.
[12] BBl, 1981, I, S. 223 ff.; II, S. 606 f. ; Amtl. BuII. NR, 1981, S. 361 ff.; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 269 ff. ; AS, 1981, S. 1801 ff.; vgl. auch SPJ, 1974, S. 87. Zum Gesetz über die Landesversorgung siehe oben, Teil I, 3 (Approvisionnement économique) und BBl, 1981, III, S. 405 ff.
[13] Die Parlamentsdebatte zeigte, dass der Vorstoss recht unverhohlen gegen BS und BL, die dem in Kaiseraugst geplanten Kernkraftwerk opponieren, gerichtet war (BaZ, 220, 21.9.81; 264, 11.11.81).
[14] Waadt: TLM, 139, 19.5.81. Bern: BaZ, 247, 22.10.81.
[15] Amtl. Bull. NR, 1981, S. 738 ff. Vgl. auch SPJ, 1980, S. 92 und 1978, S. 92. Auch ohne Mitwirkung des Bundes beabsichtigt die Privatindustrie die Errichtung eines Sonnenkraftwerkes in der Schweiz (NZZ, 125, 2.6.81). Zum Stand der Nutzung der Sonnenenergie siehe Bund, 27, 3.2.81.
[16] NZZ, 78, 3.4.82; SPJ, 1980, S. 93 und 1974, S. 88. Die angestiegene Bedeutung der Kohle veranlasste den BR, die Wiedereinführung der Pflichtlagerhaltung zu verordnen (AS, 1981, S. 1942 ff.). Zur Rolle der Kohle siehe auch Energieforum Schweiz (Hrsg.), Kohle für die Welt! Kohle für die Schweiz? Bem 1981.