Année politique Suisse 1983 : Economie / Politique économique générale
 
Strukturpolitik
Als Ergänzung zum Beschäftigungsprogramm ist ein vom Bunderat im Februar in die Vernehmlassung geschicktes zweites Massnahmenpaket gedacht, die «Massnahmen zur Stärkung der mittel- und langfristigen Anpassungsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft». Bereits im Juli lag die Botschaft an das Parlament vor [17]. Während das Beschäftigungsprogramm auf die Stützung der Nachfrage ausgerichtet ist, will die Landesregierung mit dieser zweiten Vorlage eine Verbesserung der Angebotsbedingungen erreichen. Mit staatlichen Vorkehren soll der Wirtschaft die Lösung der strukturellen Probleme erleichtert werden, die sich aus der internationalen Wirtschaftsentwicklung sowie dem beschleunigten technischen Fortschritt ergeben. Das geplante Anschlussprogramm gehört somit schwergewichtig in den Bereich der Strukturpolitik. Es gliedert sich in zwei Teile. Der eine betrifft den Ausbau des bestehenden regionalpolitischen Instrumentariums, der andere die Schaffung einer landesweiten Innovationsrisikogarantie für kleinere und mittlere Unternehmen. Die Verstärkung der Regionalmassnahmen besteht unter anderem in einer Revision des Bundesbeschlusses über Finanzierungsbeihilfen zugunsten wirtschaftlich bedrohter Regionen. Der Erlass soll — insbesondere durch die Entkoppelung der vorhandenen Arten von Finanzhilfen, d.h. der Zinskostenbeiträge einerseits und der Bürgschaften andererseits — flexibler gestaltet werden. Weitere Massnahmen befassen sich mit der Berggebietsförderung. Das Investitionshilfegesetz soll abgeändert: und der Hilfsfonds aufgestockt werden. Die regionalpolitischen Vorschläge waren in der Vernehmlassung auf breite Zustimmung gestossen [18].
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Innovationsrisikogarantie
Uneinigkeit herrschte dagegen hinsichtlich des Projektes einer staatlichen Innovationsrisikogarantie. Mit einigen Modifikationen fand es aber dennoch Aufnahme in die bundesrätliche Botschaft. Die Landesregierung geht davon aus, dass für kleinere und mittlere Unternehmen Engpässe bei der Beschaffung von Risikokapital bestehen. Die Innovationsrisikogarantie soll dazu beitragen, diese Lücke zu schliessen. Dadurch liesse sich die für die strukturelle Anpassung so wichtige Verwertung von technischen Neuerungen fördern. Wie die bereits realisierte Exportrisikogarantie hätte die Innovationsrisikogarantie Versicherungscharakter. Sie soll es kreditsuchenden Firmen ermöglichen, die zur Verwirklichung von hochtechnologischen Innovationsvorhaben beschafften Fremdmittel teilweise beim Bund zu versichern. Im Erfolgsfall müsste das innovierende Unternehmen dem Garanten, also dem Bund, eine Prämie entrichten. Bei einem Misserfolg hingegen übernähme der Staat die Rückzahlung des Kredits im garantierten Umfang. Versicherbar wären in der Regel 50% der fremdfinanzierten Kosten. Die Versicherung hätte Eigenwirtschaftlichkeit anzustreben. Die Begutachtung der Garantiegesuche soll durch eine vom Bundesrat bestellte Kommission erfolgen. Einem Gesuch könnte nur dann stattgegeben werden, wenn für das betreffende Projekt Marktchancen vorhanden sind. Aufgrund von Anregungen, die während des Vernehmlassungsverfahrens gemacht wurden, schlägt der Bundesrat vor, die Risikogarantie vorerst nur für zehn Jahre einzuführen.
Wegen ihrer ordnungspolitischen Bedeutung stellte die Innovationsrisikogarantie im Berichtsjahr ein zentrales wirtschaftspolitisches Thema dar. Insbesondere die FDP, der Zentralverband schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen und der Vorort lehnten die Einführung des Instruments vehement ab. Sie halten diese staatliche Risikogarantie für ein systemwidriges Mittel. Eine solche Intervention ins freie Spiel der Marktkräfte führe zu Struktur- und Wettbewerbsverzerrungen und verwässere die unternehmerische Eigenverantwortung. Anstatt durch eine staatliche Garantie solle die Bereitstellung von Risikokapital für Innovationen durch die Verbesserung der wirtschaftspolitischen und fiskalischen Rahmenbedingungen gefördert werden. Teilweise wurde auch das Bestehen einer Risikokapitallücke verneint. Demgegenüber stellten sich SGB und SPS hinter den Vorschlag des Bundesrates. Dieser liege im Interesse der Sicherung der Beschäftigung und der Wettbewerbsfähigkeit. Der SGB betrachtet die ordnungspolitischen Vorbehalte der Gegner als nicht stichhaltig. Befremdend sei es vor allem, wenn diese Kritik aus Kreisen stamme, die gegenüber der Exportrisikogarantie keine Bedenken hätten. Die Umstrittenheit der bundesrätlichen Vorlage manifestierte sich darin, dass es in der vorberatenden Kommission des Ständerates für den Eintretensbeschluss des Stichentscheides des Präsidenten bedurfte [19].
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KMU
Die Kapitalbeschaffung stellt nur eines der Probleme dar, denen sich die Klein- und Mittelbetriebe gegenübersehen. Folge der mannigfaltigen Schwierigkeiten und veränderten Rahmenbedingungen sind gewisse Konzentrationstendenzen in der schweizerischen Wirtschaft. Trotz dieser Tendenzen leisten die kleineren Unternehmen aber nach wie vor einen wesentlichen Beitrag zu Produktion und Beschäftigung. Dies geht aus einem Bericht über Bedeutung und Lage der Klein- und Mittelbetriebe hervor, den der Bundesrat im Oktober veröffentlichte [20]. Die angesprochenen Konzentrationserscheinungen machen allerdings teilweise auch vor grösseren Unternehmen nicht halt. Beispiel hierfür war im Berichtsjahr die vielbeachtete Fusion der beiden Uhrenkonzerne ASUAG und SSIH. Die Fusion stand im Zusammenhang mit einer Unternehmenssanierung, zu der Gross- und Kantonalbanken massgeblich beitrugen [21]. Angesichts der für die Uhrenbranche wichtigen Fusion ersuchte der Bundesrat die eidgenössischen Räte um die Kompetenz zur Auflösung der Beteiligung des Bundes am Aktienkapital der ASUAG. Der Verzicht auf die Beteiligung bedeutet jedoch keineswegs eine Verringerung der Anstrengungen des Bundes zugunsten der von den strukturellen und konjunkturellen Problemen besonders betroffenen Uhrenregion. Diese Anstrengungen erfolgen aber über den bereits erwähnten Bundesbeschluss über Finanzierungsbeihilfen für wirtschaftlich bedrohte Regionen [22].
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Kantone und Gemeinden
Einige Kantone und Gemeinden unternahmen zusätzlich zu den Bemühungen des Bundes eigene Schritte im Hinblick auf eine Stärkung ihrer Wirtschaft [23]. Naturgemäss war dies insbesondere im Juraraum der Fall, der einseitig auf die Uhrenproduktion ausgerichtet ist. Im Kanton Neuenburg hiessen die Stimmbürger ein Gesetz über Krisenmassnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gut. Der Grosse Rat des Kantons Bern verabschiedete ein Investitionsprogramm zugunsten der Region Berner Jura–Biel–Seeland. Im Kanton Solothurn schickte das Volkswirtschaftsdepartement ein Strukturförderungsgesetz in die Vernehmlassung [24].
 
[17] Vernehmlassungsvorlage: siehe Presse vom 22.2.83. Botschaft: BBl, 1983, III, S. 481 ff. NZZ, 14.6.84.
[18] TA, 21.6.83; BBl, 1983, III, S. 491. Vgl. SPJ, 1974, S. 55 f.; 1975, S. 68; 1978, S. 57. Zu den strukturellen Problemen der Wirtschaft vgl. F. Kneschaurek / P. Meier, Der sektorale Strukturwandel in der Schweiz von 1960 bis 1980, Diessenhofen 1983. Zur Berggebietsförderung vgl. M. Gollmer / Th. Haldemann, Aspekte der Implementation des Bundesgesetzes über Investitionshilfe für Berggebiete, Zürich 1983.
[19] BBl, 1983, III, S. 553 ff.; Gesch.ber., 1983, S. 313; NZZ, 3.6.83; 23.6.83; TA, 21.6.83; SGT, 27.10.83; vgl. SP-Information, 134, 28.2.83; SAZ, 33, 18.8.83; 37, 15.9.83; 49, 8.12.83; SGB, 26, 15.9.83; vgl. ebenfalls das Communiqué des SGB vom 3.5.83 sowie wf, Kurzkommentare, 9, 28.2.83. Zum Eintretensbeschluss der Kommission vgl. NZZ, 25.10.83.
[20] wf, Dok., 47, 21.11.83; vgl. SAZ, 42, 20.10.83. Vgl. in diesem Zusammenhang auch A. Nydegger / H. Oberhänsli, Investitionen und Innovationen in kleineren Industriebetrieben, Diessenhofen 1983.
[21] BaZ, 13.5.83; 30.6.83; Bund, 13.5.83; 24 Heures, 13.5.83; 9.12.83; CdT, 27.5.83; NZZ, 9.12.83; Suisse, 9.12.83.
[22] BBl, 1983, III, S. 945 ff.; NZZ, 15.9.83; Suisse, 15.9.83. (Die Beteiligung des Bundes mit 6 Mio Fr. am, Aktienkapital der ASUAG war 1931 als Hilfsmassnahme für die Uhrenindustrie beschlossen worden.) Im Januar verabschiedete ein Koordinationsorgan «BIGA/Uhrenkantone/Uhrenstädte» einen Bericht, der sich mit den Problemen des Juraraumes befasst und Hilfsmassnahmen vorschlägt: Bund, 23.2.83; NZZ, 23.2.83.
[23] Zur Beeinflussung der wirtschaftlichen Entwicklung durch die Kantone vgl. R. Meier, Bedeutung und Ausrichtung kantonaler Wirtschaftspolitik, Bern 1983. Eine an der Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren erzielte Übereinkunft soll eine Rivalität der einzelnen Kantone in ihren Bemühungen um die Wirtschaftsförderung verhindern (Bund, 14.1.83; 24 Heures, 14.1.83).
[24] Neuenburg: Suisse, 28.2.83; vgl. VO, 24.2.83. Bern: Bund, 11.5.83; TW, 11.5.83; vgl. Suisse, 8.4.84. Solothurn: TA, 25.5.83; NZZ, 26.5.83; vgl. SZ, 27.4.83.