Année politique Suisse 1984 : Economie / Politique économique générale
 
Wettbewerbspolitik
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Preisüberwachung für Märkte mit Kartellen
Das bedeutendste Ereignis auf der Ebene der Wettbewerbspolitik stellte die Veröffentlichung der Botschaft zu einem Preisüberwachungsgesetz für Märkte mit Kartellen und marktmächtigen Unternehmen dar. Es handelt sich dabei um die Ausführungsgesetzgebung zur 1982 vom Volk gegen den Willen der Regierung und des Parlamentes gutgeheissenen Initiative der Konsumentenschutzverbände. Der Geltungsbereich des neuen Gesetzes umfasst Preise für Waren, Dienstleistungen und Kredite auf Märkten mit Kartellen oder marktmächtigen Unternehmen auf der Anbieterseite. Besteht auf solchen Märkten allerdings trotzdem ein wirksamer Wettbewerb, so wird Preismissbrauch grundsätzlich ausgeschlossen. Als missbräuchlich befundene Preise im privaten Bereich können von der Kontrollbehörde mittels einer Verfügung korrigiert werden, bei sogenannt administrierten Preisen (z.B. Posttaxen oder Tarife öffentlicher Verkehrsunternehmungen) steht ihr hingegen bloss ein Empfehlungsrecht zu. In seiner Botschaft spricht sich der Bundesrat für ein eigenes Gesetz und gegen eine Integration in das Kartellgesetz aus. Mit der Überwachungsaufgabe soll eine in die Verwaltungshierarchie eingegliederte Einzelperson — mit zugehörigem Stab — betraut werden. Nachdem in diesen beiden Punkten den Wünschen der Initiantinnen Rechnung getragen wurde, berücksichtigt der Entwurf in anderen Bereichen auch anlässlich der Vernehmlassung von Arbeitgeberseite sowie von der Kartellkommission vorgebrachte Einwände. So bildet bei der Frage, wann ein Preismissbrauch vorliegt, das Kostenprinzip nur noch eine der verschiedenen zu berücksichtigenden Evaluationsmethoden. Aufgrund der Annahme, dass der Preisüberwacher ohnehin ausreichend mit Meldungen aus dem Publikum versorgt werden wird, verzichtet der Entwurf auf die beträchtlichen administrativen Aufwand verursachende Meldepflicht für Preiserhöhungen [27].
Der Gesetzesentwurf wurde sowohl von den Befürwortern als auch von den seinerzeitigen Gegnern der Volksinitiative als politisch gangbarer Kompromiss gewertet. Es wurde freilich ebenfalls darauf aufmerksam gemacht, dass sich in weiten Bevölkerungskreisen Enttäuschung verbreiten könnte, wenn diese konstatieren müssten, dass der von ihnen herbeigewünschte Preisüberwacher bei einer Vielzahl von Preiserhöhungen infolge der wettbewerbspolitischen Beschränkung seines Aktionsfeldes gar nicht eingreifen kann. Die namhafteste Opposition kam von den Banken, die sich gegen den Einbezug der Kredite und damit der Zinsen wandten. Da in diesem Bereich oft in sogenannten Konvenien lokale Absprachen vorgenommen werden, könnten gewisse Zinsen (z.B. für Hypotheken) von der Kontrolle erfasst werden. Vorgesehen ist allerdings, dass die geldpolitisch motivierten Massnahmen der Nationalbank damit nicht unterlaufen werden dürfen. Die vorberatende Kommission des Nationalrates stimmte mit knapper Mehrheit für die Unterstellung der Kredite unter das Preisüberwachungsgesetz und nahm auch sonst am Entwurf keine bedeutenden Anderungen vor [28].
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Kartellgesetz
Nachdem 1982 der Ständerat an der bundesrätlichen Vorlage für ein neues Kartellgesetz wesentliche Abstriche vorgenommen hatte, sprach sich nun die Kommission der Volkskammer mit allerdings zum Teil knappen Stimmenverhältnissen wieder für eine Verschärfung aus. So will sie Wettbewerbsbehinderungen nur dann tolerieren, wenn ihre Auswirkungen im Gesamtinteresse liegen und nicht bereits dann, wenn sie gegen dieses nicht verstossen. Für die Definition des Gesamtinteresses wurde zudem eine präzisere Formulierúng gefunden. Im weitern sollen, wie dies im Regierungsentwurf vorgesehen war, nicht nur Abreden und schriftliche Abmachungen, sondern bereits Empfehlungen dem Gesetz unterliegen. Als letzte wichtige Differenz zum Ständerat will die Kommission schliesslich neben andern Wirtschaftsorganisationen auch den Konsumentenverbänden ein Klagerecht einräumen [29].
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Detailhandel
Eine wesentlich härtere wettbewerbspolitische Gangart wird für gewisse Teilmärkte von der im Berichtsjahr eingereichten «Konsumentenschutz-Initiative» verlangt. Dieses im Alleingang vom Lebensmitteldiscountgeschäft Denner AG lancierte und innert Rekordzeit zustandegekommene Volksbegehren verlangt nichts weniger als ein Verbot sämtlicher kartellistischer Praktiken und gesetzlicher Mindestpreisvorschriften im Bereich des Handels mit Lebensmitteln und anderen Konsumgütern. Dass sich die kleingewerblichen Detaillisten von dieser Initiative des mit wesentlich günstigeren Kostenstrukturen arbeitenden Discounters bedroht fühlen, liegt auf der Hand. Aber auch die Konsumentenorganisationen konnten sich bisher für diesen radikalen Vorstoss nicht erwärmen [30].
Bei der Vorberatung des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) hat sich die Nationalratskommission weitgehend der bundesrätlichen Vorlage angeschlossen. In bezug auf die Lockvogelpreise wurde allerdings präzisiert, dass solche Angebote nur dann unzulässig seien, wenn sie unter dem Einstandspreis liegen und der Kunde damit über die Leistungsfähigkeit des Anbieters getäuscht werden soll. Mit dieser Formulierung entfernte sich die Kommission noch weiter von den Erwartungen des gewerblichen Detailhandels, welcher sich vom Verbot der Lockvogelpreise ein wirksames Mittel im Konkurrenzkampf gegen Grossfirmen erhofft [31].
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Konsumentenschutz
Gestützt auf den 1981 neu in die Verfassung aufgenommenen Artikel über den Konsumentenschutz gab der Bundesrat zwei Gesetzesentwürfe in die Vernehmlassung. Der eine betrifft den Ausbau der Konsumenteninformation und will die Voraussetzungen für eine einheitliche Deklaration von Waren und Dienstleistungen schaffen sowie den Konsumentenorganisation für ihre Aufklärungstätigkeit (Tests u.ä.) Bundesbeiträge ausrichten. Mit dem zweiten will die Regierung einige Bestimmungen auf dem Gebiet des Vertrags- und Wettbewerbsrechts zugunsten der Konsumenten abändern. So soll beispielsweise für ausserhalb von Geschäftslokalen abgeschlossene Kaufverträge ein während sieben Tagen geltendes Widerrufsrecht eingeführt werden. Von den angefragten Organisationen sprachen sich diejenigen der Konsumenten und der Arbeitnehmer durchwegs positiv aus. Gemischt fiel demgegenüber die Reaktion der Detaillisten und der Unternehmer aus. Während der Abschnitt über die Verbesserung der Konsumenteninformation nur Teilkritiken herausforderte — so etwa an der Unterstellung der Dienstleistungen unter die Deklarationspflicht — wurde gegen die vorgesehenen vertragsrechtlichen Neuerungen grundsätzliche Opposition angemeldet [32].
Sehr harzig geht es mit der Erarbeitung eines neuen Gesetzes über das Konsum- und Kleinkreditwesen voran. Sechs Jahre nach der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs legte die Ständeratskommission ihrem Plenum einen Gegenentwurf vor. Dieser enthält gegenüber der 1982 vom Nationalrat verabschiedeten Fassung— und erst recht gegenüber dem ursprünglichen Projekt des Bundesrates — einige materielle Entschärfungen. Die wichtigste betrifft die Ausdehnung der höchstzulässigen Laufdauer von 24 auf 36 Monate. An einem Verbot der Kettenverschuldung (Aufnahme von Krediten zur Rückzahlung von früheren Darlehen) möchte hingegen die Kommission festhalten. Obwohl mit dieser auch stilistisch gestrafften Form die meisten Anliegen der Banken und des Gewerbes berücksichtigt waren, zeigte eine starke Minderheit der Standesvertreter gar keine Lust, überhaupt auf dieses Geschäft einzutreten. Sie begründeten ihre Haltung damit, dass sich dank der freiwilligen Regelungen der Banken das Problem entschärft habe. Nötig ist heute ihrer Meinung nach lediglich die Missbrauchsbekämpfung und nicht mehr allgemeine Vorschriften, die einen unverhältnismässigen Eingriff in die Vertragsfreiheit des Einzelnen darstellten. Trotz dieser Argumente entschied sich der Ständerat mit knappem Mehr für den Alternativvorschlag seiner Kommission [33].
 
[27] BBl, 1984, II, S. 755 ff. Vgl. ferner P. Rickli, «Zum Gesetzgebungsauftrag für die Preisüberwachung», in Zeitschrift für schweiz. Recht, 103/1984, I, S. 47 ff. Zur Vernehmlassung siehe auch SPJ, 1983, S. 71 f. sowie Veröffentlichungen der schweiz. Kartellkommission, 19/1984, S. 44 ff.
[28] Vat., 1.6.84; wf, Dok., 26.11.84. Vgl. auch Suisse, 11.6.84. Kredite: SBV, Der Monat, Dez. 1984. Noch vor der Veröffentlichung der Botschaft hatten der SGB, der Schweiz. Mieterverband und die Stiftung für Konsumentenschutz in einer gemeinsamen Eingabe die Unterstellung der Kredite unter das Gesetz verlangt (SGB, 12, 5.4.84 und 13, 12.4.84). Vgl. dazu auch NZZ, 14.2.84.
[29] NZZ, 22.2.84; 1.4.84; 27.4.84. Zur Behandlung durch den StR siehe SPJ, 1982, S. 56, zum Regierungsentwurf siehe SPJ, 1981, S. 60 f. Allgemein zum schweiz. Wettbewerbsrecht vgl. auch B. Schmidhauser, «Wettbewerbspolitik in den Klein- und Mittelbetrieben», in Politische Rundschau, 63/1984, Nr. 1, S. 8 ff
[30] BBl, 1984, I, S. 22 f. und II, S.1287 ff. Siehe auch Presse vom 24.1.84 ; TA, 3.2.84 ;17.2.84 ; 22.3.84 ; Schweiz. Detaillisten-Zeitung, 5, 24.5.84. Der Auslöser für diese Aktion war eingestandenermassen die Verärgerung von Denner über den Bundesgerichtsentscheid, die Preisbindung im Tabakwarenhandel als zulässig zu erklären (Veröffentlichungen der schweiz. Kartellkommission, 19/1984, S. 53 ff.; Blick, 26.1.84).
[31] NZZ, 18.1.84; 13.4.84; Schweiz. Detaillisten-Zeitung, 5, 24.5.84.
[32] Presse vom 1.6.84; SGB, 30, 18.10.84; NZZ, 9.11.84 (Konsumenten); wf, Dok., 19,1.84; 10.12.84; Schweiz. Detaillisten-Zeitung, 10, 22.10.84. Vgl. auch SPJ, 1981, S. 62. Die beiden wichtigsten Konsumentenorganisationen (Schweiz. Bund für Konsumentenschutz bzw. Stiftung für Konsumentenschutz) konnten im Berichtsjahr ihr zwanzigjähriges Bestehen feiern (NZZ, 3.4.84 und Presse vom 11.5.84).
[33] Amtl. Bull. StR, 1984, S. 171 ff. ; SPJ, 1978, S. 59 und 1982, S. 62. Vgl. auch Schweiz. Detaillisten-Zeitung, 6, 22.6.84 (contra) und P. Favre, De la nécessité d'une protection sociale en matière du crédit d la consommation, Lucerne 1984 (pro). Für die Banken ist auch eine Höchstlaufzeit von 36 Monaten zu kurz ; zur Zeit weisen 41 % der Kredite eine längere Dauer auf (Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht 72/1983-84, S. 66 ff.).