Année politique Suisse 1986 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
 
Abfälle
Die Verordnung über Schadstoffe im Boden (VSBo), die am 1. September in Kraft trat, schafft die Voraussetzungen für einen umfassenden Bodenschutz und legt erstmals Richtwerte für zulässige Schadstoffkonzentrationen fest. Vorerst wurden damit elf Schwermetalle erfasst. Um die Einhaltung dieser Immissionsrichtwerte zu kontrollieren, muss der Schadstoffgehalt der Böden dauernd überwacht werden. Die VSBo regelt daher für Bund und Kantone die Beobachtung und Beurteilung der Bodenbelastung und bestimmt das Vorgehen, wenn die Richtwerte überschritten werden. Ferner schafft sie die rechtliche Grundlage für das nationale Bodenbeobachtungsnetz NABO. Die konkreten Massnahmen zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit sind hingegen in den Vorschriften zu den Bereichen Luftreinhaltung, umweltgefährdende Stoffe und Abfälle enthalten. So soll beispielsweise die Cadmiumbelastung des Bodens durch verschiedene Vorschriften der Stoff- sowie der Luftreinhalteverordnung mittelfristig um mindestens 50% gesenkt werden [21].
Grundsätze für einen künftig ökologisch ausgerichteten Umgang mit Abfällen präsentierte die Eidgenössische Kommission für Abfallwirtschaft in einem Leitbild. Danach sollen Abfälle so behandelt werden, dass sie langfristig nur noch eine unwesentliche, für Mensch und Umwelt tolerierbare Belastung darstellen. Vorgeschlagen werden Vorschriften betreffend besserer Kanalisierung, Sortierung, Beseitigung und Kontrolle des anfallenden Mülls. Wiederverwertbare, aber auch besonders problematische Anteile sollen — etwa durch getrenntes Einsammeln — aus dem Siedlungsabfall ausgeschieden und den geeigneten Behandlungsverfahren zugeführt werden. Weiter seien Mindestanforderungen an Bau und Betrieb von Entsorgungsanlagen und Deponien aufzustellen sowie deren Einhaltung zu kontrollieren. Die Gebühren für die Abfallbehandlung bis zum Endlager müssen gemäss dem Leitbild kosten- und risikogerecht nach dem Verursacherprinzip angesetzt werden. Vor allem aber ist die Entstehung von Abfällen einzudämmen. In diesem Zusammenhang regte die Kommission die Prüfung von Lenkungsabgaben an, mit denen im Konsumbereich notwendige Verhaltensänderungen herbeigeführt werden sollen. Als Ergänzung oder Vorstufe zu Lenkungsabgaben sprach sie sich ferner für Pfandsysteme oder vorgezogene, bereits im Kaufpreis eingebaute Entsorgungsgebühren aus [22]. In die gleiche Richtung zielten auch mehrere parlamentarische Vorstösse. So forderten zwei vom Nationalrat überwiesene Postulate die Erhebung eines Pfandes auf schadstoffreichen Batterien, um der in der Stoffverordnung verankerten Rückgabepflicht für die Verbraucher mehr Nachdruck zu verleihen [23]. Auch zur Eindämmung der ständig wachsenden Zahl von Einwegverpackungen, insbesondere von Getränken in Dosen, wurden entsprechende 'Massnahmen verlangt. Der Bundesrat beauftragte das BUS, Verhandlungen mit Vertretern von Handel, Industrie und Umweltschutzorganisationen zu führen und dabei auch die Frage einer Pfandlösung oder eines Verbots abzuklären [24].
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Sondermüll
Immer dringlicher wird das Problem der Entsorgung von Sondermüll. Zurzeit fehlen in der Schweiz sowohl leistungsfähige Verbrennungsanlagen als auch Deponiemöglichkeiten. Der Abfallexport ist jedoch langfristig keine Lösung. Um der ausserdem befürchteten illegalen Beseitigung von gefährlichen Abfällen entgegenzuwirken, forderte eine vom Nationalrat in Postulatsform überwiesene Motion Künzi (fdp, ZH) die Regierung auf, den Standort für eine Sonderabfallverbrennungsanlage verbindlich festzulegen. In seiner Antwort erklärte der Bundesrat, dass er mehr denn je von der Notwendigkeit neuer Verbrennungsanlagen für Sondermüll überzeugt sei, vorläufig aber auf die Privatwirtschaft zähle. Gestützt auf die im Leitbild für die schweizerische Abfallwirtschaft aufgestellten Grundsätze will er dem Parlament so rasch als möglich Vorschläge unterbreiten, mit denen die Rahmenbedingungen für eine leistungsfähige Sonderabfallentsorgung auf privatwirtschaftlicher Basis verbessert werden [25].
Um die — nach der Schliessung der Deponie Kölliken (AG) dringlich gewordene — kontrollierte Endlagerung von Sondermüll zu gewährleisten, schlug der Bund in Zusammenarbeit mit den Industriekantonen des Mittellandes fünf mögliche Deponiestandorte vor. Die betroffenen Gemeinden lehnten die Errichtung von Sonderabfalldeponien auf ihrem Gebiet jedoch entschieden ab. In seiner Stellungnahme zu einer Motion Spoerry (fdp, ZH) bekräftigte der Bundesrat, dass er nötigenfalls von seiner Kompetenz, selber solche Standorte zu bestimmen, Gebrauch machen werde [26].
Zur Überwachung des Verkehrs mit Sonderabfällen, einschliesslich der Ein-, Aus- und Durchfuhr, setzte der Bundesrat eine entsprechende Verordnung (VVS) auf den 1. April 1987 in Kraft. Die VVS ermöglicht die Kontrolle von Sondermüll vom Ort seiner Entstehung bis zur endgültigen Entsorgung, indem sie eine genaue Deklaration der abgegebenen Abfälle vorschreibt und von Betrieben, die Sondermüll zur Behandlung annehmen, eine kantonale Bewilligung verlangt. Damit will die VVS die Entsorgungswege von teilweise hochtoxischen Abfällen transparent machen und Gewähr für eine fachlich qualifizierte Entsorgung bieten [27].
 
[21] VSBo: AS, 1986, S. 1147; Presse vom 10.6.86; TA, 30.8.86; Umweltschutz in der Schweiz, 1986, Nt. 3, S. 27 ff. NABO: BaZ, 26.8.86; SGT, 28.8.86; Umweltschutz in der Schweiz, 1986, Nr. 4, S. 18 ff. Siehe auch Vat., 30.5.86; Bund, 15.8.86; BZ, 4.10.86; SGU-Bulletin, 1986, Nr. 4, S. 6 ff.; W. Brückmann u.a., Theoretische Aspekte des Bodenschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung, Bern 1986. Vgl. ferner SPJ, 1985, S. 130 f.
[22] Presse vom 24.6.86; Vr, 30.7.86; SHZ, 31, 31.7.86; Umweltschutz in der Schweiz, 1986, Nr. 3, S. 20 ff.; BUS, Leitbild für die schweizerische Abfallwirtschaft, Bern 1986. Den ersten kantonalen Abfallbericht sowie ein Massnahmenpaket für eine ökologische Abfallwirtschaft präsentierte die Aargauer Regierung (AT und TA, 30.10.86). Bereits über 40 Gemeinden der Schweiz verrechnen die Kosten für die Kehrichtbeseitigung nach dem Verursacherprinzip (Sackgebühr); dadurch konnten die Resultate der Separatsammlungen für wiederverwertbare Stoffe verbessert und gleichzeitig die Menge des Haushaltmülls um bis zu 50% gesenkt werden (BZ, 20.11.86). Siehe auch SPJ, 1985. S. 131.
[23] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1482 und 2027. Entsprechende Forderungen stellten namentlich auch der Schweiz. Konsumentenbund sowie die Umweltschutzorganisationen (NZZ, 28.8.86; TA, 26.11.86; SGU-Bulletin, 1986, Nr. 4, S. 18). Das BUS will ausserdem eine Entsorgungsgebühr einführen, mit der zunächst der Export, später das Battiere-Recycling in der Schweiz finanziert werden soll (NZZ, 14.4.86; Presse vom 10.6.86; BaZ, 29.8.86). Siehe auch Umweltschutz in der Schweiz, 1986, Nr. 4, S. 23 ff.
[24] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 249, 1025 ff., 1046, 1316 f., 1481 f. und 2095. Siehe auch TW, 13.2.86; TA, 16.10.86; TAM, 48, 29.11.86; SHZ, 52, 23.12.86; Umweltschutz in der Schweiz, 1986, Nr. 4, S. 20 ff.; BUS, Massnahmen zur Eindämmung des Einsatzes von Getränkedosen, Bern 1986. Die von Industrie, Konsumenten und Entsorgern getragene, neugegründete Schweiz. Interessengemeinschaft für Abfallverminderung (SIGA) konnte mit Absprachen bezüglich des Ersatzes von PVC-haltigen Verpackungen einen ersten Erfolg verzeichnen (Presse vom 31.1.86).
[25] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1469 f. (Motion Künzi) und S. 1505 f. Siehe auch BZ, 23.1.86; BaZ, 15.2.86; WoZ, 17, 25.4.86; NZZ, 7.11.86. Zum Skandal um die illegale Lagerung von Giftmüll in Würenlingen (AG) siehe Presse vom 10.9.86; AT, 22.10.86; 28.10.86; Ww, 43, 23.10.86. Zum Problem der Entsorgung von Sonderabfällen, die im Haushalt anfallen siehe TA, 13.11.86; BaZ, 14.11.86.
[26] Im Rahmen der Präsentation der Vorstellungen des Bundesrates zur künftigen Sondermüllentsorgung wurden die Gemeinden Pieterlen (BE), Pfaffnau (LU), Hägendorf (SO), Ormalingen (BL) und Dietgen (BL) als mögliche Standorte für Sonderabfalldeponien bezeichnet (Presse vom 11.4.86). Reaktionen: NZZ, 12.4.86; 29.4.86 ; WoZ, 19, 17.5.86 ; BaZ, 7.7.86 ; Ww, 41, 9.10.86 ; Bund, 22.12.86 ; siehe auch SPJ, 1985, S. 131. Eine Denkpause bei der Suche nach neuen Deponien forderten namentlich auch Umweltschutzkreise; sie kritisierten das bundesrätliche Sonderabfallentsorgungskonzept, da es statt bei der Abfallverminderung erst bei der Entsorgung einsetze, und verlangten vom Bund Vorschläge, wie die Sondermüllmenge bis zum Jahr 2000 um die Hälfte reduziert werden könne (BaZ, 16.4.86 ; 28.6.86). Motion Spoerry: Verhandl. B.vers., 1985, V, S. 80; NZZ, 4.3.86 (Stellungnahme BR).
[27] AS, 1987, S. 55 ff.; Presse vom 13.11.86 ; siehe auch SPJ, 1985, S. 131, Anm. 20. Irrfahrten wie im Fall der Seveso-Dioxinfässer sollten künftig nicht mehr möglich sein. Zur internationalen Koordination bezüglich des Verkehrs mit Sonderabfällen siehe Gesch.ber., 1986, S. 104.