Année politique Suisse 1987 : Partis, associations et groupes d'interêt / Associations et autres groupes d'interêt
Unternehmer
Als die beiden grossen Herausforderungen der Gegenwart bezeichnete der Präsident des Vororts die Einbettung der schweizerischen Wirtschaft in den im Entstehen begriffenen europäischen Binnenmarkt sowie die Erhaltung der Umwelt. Dabei betonte er, dass die Lösung der Probleme im Umweltschutzbereich von einem weiteren Wirtschaftswachstum abhängig sei. Nur unter dieser Voraussetzung könne die Wirtschaft durch Forschung, Innovation und Technologiewandel die Entwicklung neuer, ressourcensparender und umweltschonender Herstellungsverfahren und Erzeugnisse vorantreiben.
In der Tagespolitik opponierte der Vorort gegen die von einzelnen Exponenten der Exportindustrie vorgebrachte Forderung nach einer Lockerung der Geldmengenpolitik der Nationalbank. In den Volksabstimmungen des Berichtsjahres stellte er sich beim Doppelten Ja und bei der Mutterschaftsversicherung gegen das Parlament; hingegen fand das Projekt "Bahn 2000" auch seine Unterstützung. Die Volksinitiative für ein Rüstungsreferendum wurde vom Vorort bekämpft. Bei der Volksinitiative für den Schutz der Moore (" Rothenthurm-Initiative ") verzichtete er auf die Parolenausgabe
[10].
Im personellen Bereich standen beim Vorort zwei Neubesetzungen von Führungspositionen im Vordergrund. Auf den 1. Mai trat Pierre Borgeaud die Nachfolge von Louis von Planta als Präsident an. Auf den 1. Oktober löste Kurt Moser den altershalber zurücktretenden
Gerhard Winterberger als Geschäftsführer ab, nachdem dieser während der letzten 27 Jahre zuerst als Sekretär und von 1970 an als operativer Leiter die Politik des Verbandes wesentlich geprägt hatte
[11].
Nachdem der Bundesrat seine Absicht bekräftigt hatte, in nächster Zeit auf eine Revision des Bankengesetzes zu verzichten, bestand für die Bankiervereinigung im Berichtsjahr kein Anlass zu besonderen politischen Aktivitäten. Bankenpolitischen Themen kamen keine zur Volksabstimmung und die Beschlüsse des Parlaments sowohl zur Denner-Konsumentenschutzinitiative als auch zur Bestrafung von Insider-Vergehen an der Börse deckten sich mit den Interessen der Banken
[12].
Mit der Ablehnung der Mutterschaftsversicherung in der Volksabstimmung konnte der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) 1987 einen
weiteren referendumspolitischen Erfolg erzielen. Es handelte sich dabei – nach dem Raumplanungsgesetz, dem Hochschulförderungsgesetz und der Innovationsrisikogarantie – um die vierte Vorlage, die seit 1976 vom SGV mit dem Referendum zu Fall gebracht worden war. Dass er damit einen von bürgerlichen Parlamentariern eingebrachten Lösungsvorschlag torpedierte, stellte ein Indiz für das teilweise recht spannungsreich gewordene Verhältnis zwischen dem SGV und den bürgerlichen Parteien dar. Weitere Anlässe für derartige Konflikte bestehen namentlich in der Umwelt- und in der Verkehrspolitik und dürften in Zukunft noch bedeutsamer werden. Dabei geht es nicht nur um die Ablehnung einzelner Massnahmen, sondern auch um grundsätzliche Fragen. So sagte der SGV der Einführung von umweltpolitischen Lenkungssteuern grundsätzliche Opposition an und stellte sich damit gegen die Freisinnigen, welche diesem Instrument im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung grosses Gewicht beimessen
[13].
Eine gewisse Unzufriedenheit des Gewerbes mit den bürgerlichen Parteien liess sich auch bei den eidgenössischen Wahlen vom Herbst nicht übersehen: Nachdem eine Konsultation unter den Mitgliedern des kantonalen Gewerbeverbandes ein Malaise über die Politik namentlich der SVP zutage gefördert hatte, wurde von unzufriedenen Berner Gewerblern zuerst die Gründung einer eigenen Partei in Erwägung gezogen. Gegen den Willen der kantonalen Verbandsleitung zogen die Dissidenten schliesslich mit einer eigenen Liste in den Wahlkampf, allerdings mit sehr bescheidenem Erfolg. Da gesamtschweizerisch die Exponenten des SGV auf den bürgerlichen Listen in der Regel gut abschnitten, kann das Gewerbe auch in der neuen Legislaturperiode sowohl im Parlament als auch in den Fraktionen der bürgerlichen Parteien seine Positionen geltend machen
[14].
Die Parolen des SGV zu den Volksabstimmungen deckten sich in fünf Fällen mit denjenigen des Parlaments (Zustimmung zur Asyl- bzw. Ausländergesetzrevision und zur "Bahn 2000", Ablehnung der Volksinitiativen für ein Rüstungsreferendum und zu Rothenthurm) und waren zweimal entgegengesetzt (Ablehnung des Doppelten Ja und der Mutterschaftsversicherung)
[15].
[10] SHIV (Vorort), Jahresbericht, 117/1986-87, S. 9 ff.; Presse vom 19.9.87; SAZ, 1.10.87. Zu den Stellungnahmen des Vororts siehe die entsprechenden Sachzusammenhänge oben, den Jahresbericht des Vororts sowie die Dokumentation zu den Parolen der Parteien und Verbände im FSP, Bern. Zur Politik des Zentralverbandes schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen (ZSAO) siehe ZSAO, Jahresbericht, 80/1987 und H. Allenspach, "Strategien und Stossrichtungen", in SAZ, 8.10.87.
[11] NZZ, 2.5., 19.9. und 30.9.87; TA, 19.9.87; SAZ, 24.9.87. Zur Wahl resp. Ernennung siehe SPJ, 1986, S. 261. Zum Einfluss des Vororts im allgemeinen und von dessen Geschäftsführer im besonderen siehe auch Bilanz, 1987, Nr. 9, S. 36 ff.
[12] Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 75/1986-87. Siehe auch oben, Teil I, 4a (Wettbewerb) und 4b (Banken, Börsen).
[13] Zur Mutterschaftsversicherung siehe oben, Teil I, 7c (Assurance-maladie et maternité) sowie SGZ, 2.7. und 26.11.87. Umweltpolitik: SGZ,.9.4.87; Gewerbliche Rundschau, 1987, Nr. I. Vgl. auch das Porträt des SGV in TAM, 28.11.87.
[14] BZ, 17.3., 24.6. und 26.9.87; TA, 5.8.87; SZ, 13.6.87; Bund, 20.10.87; SGZ, 8.10., 15.10. und 22.10.87.
[15] Vgl. die entsprechenden Sachzusammenhänge oben sowie die Dokumentation zu den Parolen der Parteien und Verbände im FSP, Bern.
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