Année politique Suisse 1987 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
 
Raumplanung
Bereits als im Jahre 1969 die Verfassung mit dem Raumplanungsartikel in Verbindung mit einer ausdrücklichen Eigentumsgarantie (Art. 22ter und 22quater) ergänzt wurde, nahmen Beobachter an, dass wegen der fehlenden Bundeskompetenzen die Probleme nur vertagt worden seien. Achtzehn Jahre danach präsentierte der Bundesrat nun seinen "Raumplanungsbericht 1987", und das Bundesamt für Raumplanung (BRP) machte eine Rückschau auf "15 Jahre Raumplanung auf Bundesebene" (1972 war ein dringender Bundesbeschluss in Kraft gesetzt worden, der 1980 vom Raumplanungsgesetz abgelöst wurde). In den Berichten wird nüchtern festgehalten, dass die zu bekämpfenden Entwicklungen – Zersiedelung der Landschaft, Kulturlandverlust, steigende Bodenpreise, Entmischung von periferen Wohn- und zentralen Arbeitszonen und in der Folge belastende Verkehrszunahmen – noch kaum gebremst werden konnten. Im Bundesamt für Räumplanung wehrte man sich gegen den Vorwurf einer allzu largen Handhabung des Gesetzes mit dem Hinweis auf dessen föderalistische Ausgestaltung, die den Vollzug behindere. In der Tat konnte das BRP trotz der von ihm in den letzten Jahren verstärkten Informations- und "Public-Relations"-Kampagne noch wenig konkrete Resultate vorweisen und musste in seinem Rückblick vor allem auf angeblich stattfindende "Umdenkprozesse" verweisen. Eine von ihm angestrengte Bevölkerungsumfrage ergab jedoch, dass noch immer rund ein Viertel der Schweizerinnen und Schweizer die Raumplanung nicht mit der Aufgabe in Verbindung bringen, den Boden zweckmässig zu nutzen und die Besiedlung zu ordnen. Auch sind entsprechende Verlautbarungen von Hauseigentümer- oder Bauwirtschaftsverbänden nicht von einem Umdenken hinsichtlich des Erhalts von Umwelt und Landschaft, sondern von der Sorge um die Freiheit des Eigentums geprägt [1].
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"Raumplanungsbericht 1987"
Der Entwurf zum heute gültigen Raumplanungsgesetz hatte noch einen periodisch zu erstellenden Raumplanungsbericht vorgesehen, den die Räte dann aber im Gesetzgebungsprozess fallen gelassen hatten. Sie waren der Ansicht, die Regierung solle nur informieren, wenn dies nötig sei. Diese Notwendigkeit war nun für den Bundesrat eingetreten, und er publizierte Ende 1987 den bereits in den Regierungsrichtlinien 1983-87 angekündigten "Raumplanungsbericht 1987". Ausführlich werden darin zunächst die raumwirksamen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte dargestellt und anschliessend die sich in der Raumplanung ergebenden Vollzugsprobleme. Offen legt der Bundesrat darin dar, dass die wesentlichen Ziele der Raumplanung, also die haushälterische Nutzung des Bodens und die erwünschte Ordnung der Besiedlung, nicht erreicht worden seien. Neben Terminproblemen bei der Einreichung der Richt- und Nutzungspläne ergab sich insbesondere auch, dass die Gemeinden einerseits die zeitgerechte Erschliessung der Bauzonen vernachlässigen, und dass andererseits erschlossenes, baureifes Land gehortet und nicht überbaut wird. Beides führt zu einer Verknappung des Bodenangebotes für Bauwillige und in der Folge zu den beklagten hohen Bodenpreisen.
Der Raumplanungsbericht mündet in eine Reihe von Leitsätzen, welche die Ziele der künftigen Regierungspolitik umschreiben. Mit einer breiteren Problemsicht, also mit dem Einbezug von fiskalischen bis zu verkehrspolitischen Gesichtspunkten, soll die Raumplanung fortan als Umweltvorsorge aufgefasst werden. Als Schwerpunkte der künftigen Politik ergeben sich dabei der Wille, eine Trendwende im Bodenverbrauch herbeizuführen, eine natürliche Umwelt zu erhalten, die Siedlungen von innen zu erneuern und auszugestalten, die Städte funktionsfähig zu erhalten und die verschiedenen Sachbereiche aufeinander abzustimmen. An konkreten Massnahmen steht vorerst aber eine Revision des RPG an, mit der unter anderem die Frage der kantonalen Baubewilligungen im Nichtbaugebiet aufgegriffen wird. Nach Bundesrätin Kopp verletzen nämlich nicht wenige dieser Bewilligungen Bundesrecht; auch werde die Publikationspflicht von vielen Kantonen missachtet. Geprüft wird deshalb ein Beschwerderecht des Bundes und die Einrichtung von unabhängigen kantonalen Überwachungsstellen. Die 1986 eingesetzte Expertenkommission für die Revision des RPG konnte ihre Vorarbeiten 1987 noch nicht abschliessen [2].
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Vollzugsprobleme
Die offenbar bereits im Raumplanungsgesetz angelegten Vollzugsprobleme nahmen auch 1987 ihren Fortgang. Ein Jahr nach dem definitiven Ablauf der Frist, innert welcher die Kantone dem Bund ihre Richtpläne für eine zweckmässige Nutzung des Bodens hätten abliefern sollen, waren erst deren vierzehn genehmigt, die restlichen zehn standen Ende 1987 noch aus. Bei den Kantonen Genf, Glarus, Jura, St. Gallen und Tessin war dabei der Zeitpunkt der Einreichung noch offen, die Richtpläne der Kantone Basel-Landschaft, Freiburg, Waadt, Wallis und Zug wurden für das Jahr 1988 erwartet. Inzwischen hat sich jedoch ergeben, dass die bereits eingereichten Richtpläne vom Bund recht grosszügig genehmigt wurden, so dass keiner dem anderen gleicht und eine sinnvolle Koordination mit dem Bund und mit den jeweiligen Nachbarkantonen kaum möglich ist. In seinem "Raumplanungsbericht 1987" stellte der Bundesrat auch fest, dass die Siedlungsplanung, ein Kernbereich der Raumplanung, oft unbefriedigend behandelt sei, und dass eine integrierte Betrachtung von Verkehr und Siedlung selten vorkomme.
Bis Ende 1987 hätten die Kantone auch das Inventar der vom Bund insgesamt vorgesehenen 450 000 ha kulturfähigen Ackerlandes erstellen sollen. Diese Zahl war 1986 als Richtgrösse für die von den Kantonen zu erhaltende Fruchtfolgefläche in die Verordnung aufgenommen worden. Nur die beiden Appenzell, Basel-Stadt, Neuenburg, Schaffhausen, Solothurn und Thurgau, also sieben Kantone, sind bis Ende Jahr der Aufforderung des Bundes nachgekommen. Der auf Grund der Inventare zu erstellende verbindliche Sachplan soll nun deshalb erst im Jahr 1989 abgefasst werden. Ebenfalls bis Ende 1987 hätten auch die Nutzungspläne der Gemeinden bundesrechtskonform eingereicht sein sollen. Auch dieses Ziel wurde jedoch nur von rund 40% der Gemeinden erreicht.
Diese Verzögerung wurde teilweise auf die Verspätung der Kantone bei der Erstellung der Richtpläne zurückgeführt. Andererseits haben in den sechziger Jahren viele Gemeinden zu grosse Bauzonen ausgeschieden, die nun zurückgestuft werden müssen. Oft wagen sie dies jedoch nicht, da sie hohe Entschädigungssummen befürchten. Das Bundesgericht sieht hier aber eine sehr restriktive Praxis vor, so dass diese Furcht, nach Aussagen des BRP, nicht begründet ist. Beim Bund wurden Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Kantonen erwogen, indem angedeutet wurde, dass den säumigen Ständen die Subventionen entzogen werden könnten. Gegenüber den Gemeinden fehlen direkte Sanktionsmöglichkeiten, doch kommt da, wo keine bundesrechtskonformen Bauzonen bestehen und wo das kantonale Recht nichts anderes vorsieht, die Bestimmung im RPG zum Tragen, wonach nur weitgehend überbautes Gebiet als vorläufige Bauzone gilt. Im BRP ist man jedoch der Meinung, dass eine gute Informationspolitik und Hilfestellungen langfristig zu besseren Resultaten führen als Sanktionen [3].
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Reformvorschläge
Eine grundsätzlichere Neuordnung streben die Initianten der "Stadt-Land-Initiative gegen die Bodenspekulation" mit einer Änderung der oben erwähnten Verfassungsartikel aus dem Jahre 1969 an. Die Initiative verlangt, dass Grundstücke nur noch zum Eigengebrauch oder zur Bereitstellung günstiger Wohnungen erworben werden dürfen und sieht eine Preiskontrolle für landwirtschaftlichen Boden vor. Ausserdem soll, zur Unterstützung der Raumplanung, nicht erschlossenes Land automatisch der Landwirtschaftszone zugerechnet werden. Nachdem die Initiative 1985 bereits vom Bundesrat und 1986 vom Nationalrat zur Ablehnung empfohlen worden war, wandte sich 1987 auch der Ständerat gegen das von ihm als zu radikal eingestufte Begehren. Neben der Radikalität wurde in der kleinen Kammer auch bemängelt, dass der Initiativtext die juristischen Personen unerwähnt lasse und diese damit gegenüber den natürlichen bevorzuge, da ersteren keine Einschränkungen auferlegt würden. Bundesrätin Kopp machte in der Diskussion zudem auf die Gefahr eines erhöhten Bodenverschleisses ' aufmerksam, da nach der Annahme der Initiative Einfamilienhäuser rechtlich einfacher zu bauen wären als raumsparende Siedlungen. Mit dem Hinweis auf das sich in Revision befindende bäuerliche Bodenrecht versagte darauf der Ständerat der Initiative mit 31:4 Stimmen die Unterstützung. Nicht besser ging es auch dem von Esther Bührer (sp, SH) eingebrachten Gegenvorschlag, der im Vorjahr bereits im Nationalrat keinen Erfolg gehabt hatte. Verschiedene Zeitungskommentatoren zweifelten nach dem negativen Entscheid des Ständerates an dessen politischem Willen, an den auch von ihm beklagten Auswirkungen der Bodenspekulation etwas zu ändern [4].
 
[1] Zur Geschichte des RPG vgl. SPJ, 1965, S. 186 ff.; 1969, S. 106 ff.; 1972, S. 100 ff.; 1979, S. 118 f. und 1980, S. 107 ff. Stellungnahmen des BRP: Bundesamt für Raumplanung, Raumplanung, Informationshefte, 1987, Nr. 1/2 (Sondernummer "15 Jahre Raumplanung im Bund"), Nr. 3, S. 5 f. und Nr. 4, S. 3 (M. Baschung, Direktor BRP) sowie Vat., 1.7.87.
[2] Einreichung der Richtpläne: NZZ, 16.1. und 19.11.87; Presse vom 2.5.87 (Erwägung von Sanktionen); "Raumplanungsbericht 1987", in BBl, 1988, I, S. 1000. Nutzungspläne: Presse vom 2.5.87; Suisse, und BaZ, 25.7.87; TA, 27.7.87. Fruchtfolgeflächen: Ww, 24.12.87. Zum Raumplanungsbericht vgl. BBl, 1988, I, S. 871 ff. und dazu Presse vom 15.12.87. Revision des RPG: Bund, 12.6. und 21.7.87; vgl. auch SPJ, 1986, S. 132 f. Eine Motion Eisenring (cvp, ZH) verlangt zudem Sonderbestimmungen über die Einrichtung von Schrebergärten, was vom BR aber abgelehnt wird. Die Motion wurde vom NR als Postulat überwiesen (Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1444; Vat., 7.9.87). Die Motion Ruffy (sp, VD), die eine Verbesserung der Bodenstatistik verlangt, wurde dagegen von beiden Räten überwiesen (Amtl. Bull. NR, 1987, S. 508 f.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 682 f.) Vgl. auch SPJ, 1986, S. 134. Zu den kantonalen Gesetzes- und Verordnungsrevisionen vgl. auch unten, Teil II, 4d.
[3] "Raumplanungsbericht 1987", BBl, 1988, I, S. 920 ff., 951 f. und 1000; Raumplanung, Informationshefte, 1987, Nr. 4, S. 3.
[4] Amtl. Bull. StR, 1987, S. 8 ff. und 169; BBl, 1987, I, S. 982; NZZ, 27.1.87 (Stellungnahme StR-Kommission); Presse vom 4.3.87 (StR); TW, 7.3.87; Vr, 10.3.87. Zum Gegenvorschlag Bundi/Bührer vgl. SPJ, 1986, S. 134 f.