Année politique Suisse 1987 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Presse
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Sonntagszeitungen
Besonders hart umkämpft war im Jahr 1987 der Markt für Sonntagszeitungen. Seit Anfang Jahr erschien neu die "Sonntags-Zeitung" des Tages-Anzeiger-Verlags, der für dieses Produkt ein respektables Verteilnetz aufgebaut hatte. Gerade letzteres hatte dem in Reaktion auf den zu erwartenden Konkurrenzdruck übereilig lancierten "Neuen Sonntagsblatt", das einen Monat früher als Koproduktion mehrerer Verlage auf den Markt geworfen worden war, gefehlt. Nachdem die "Berner Zeitung" als einer dieser Verlage noch die Zusammenarbeit gekündigt hatte und zudem in der Redaktion schwere Spannungen das Klima beherrschten, wurde das Erscheinen des "Sonntagsblattes" im November ebenso überstürzt wieder eingestellt, wie es angefangen hatte. Derweilen gründete die Tages-Anzeiger AG mit der "Berner Zeitung" eine Aktiengesellschaft, die den gemeinsamen Vertrieb der "Sonntags-Zeitung" bezweckt, um deren Stellung gegenüber dem Konkurrenten "Sonntags-Blick" zu stärken [7].
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Pressekonzentration
Angst vor einer übermässigen Pressekonzentration löste der Verleger Jean Frey mit der Absicht aus, seine Verlags-Gruppe zu verkaufen, da sich dafür die beiden grössten schweizerischen Printmedien-Verlage, Ringier und Tages-Anzeiger, interessierten. Den Zuschlag erhielt schliesslich aber die Omni-Holding des Industriellen und Financiers W.K. Rey, der sich mit dem drittgrössten Verlagshaus ("Weltwoche", "Bilanz", "Sport", "Leader", Fachzeitschriften, Kinobetriebe und Druckereien) ein branchenfremdes Unternehmen aneignete. Befürchtungen, der Verlag sei zu einem Spekulationsobjekt geworden, versuchte Rey nach dem Kauf zu zerstreuen, indem er betonte, sein Engagement sei durchaus längerfristig gedacht. Trotzdem wurde mit diesem Handel das Bewusstsein darüber gestärkt, dass die Zeiten der idealistischen Verleger, die sich mit ihrem Produkt identifizieren, vorbei sind, und dass auch die Medien zu Gütern geworden sind, die primär dem Gesetz der Wirtschaftlichkeit zu folgen haben [8].
Am hartnäckigsten gegen dieses Gesetz wehrt sich noch die linke Parteipresse, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. So führten etwa die Veränderungen innerhalb der POCH, die sich vermehrt auf grünalternative Ziele ausrichten, zu einem Rückgang der Abonnenten und in der Folge zur Auflösung de "POCH-Zeitung". Nicht besser erging es den SP-Zeitungen "Schwyzer Demokrat" und "Freier Aargauer", die ihr Erscheinen ebenfalls einstellen mussten, letzere nach einem kurzen Versuch des Zusammengehens mit der "Solothurner AZ". Knapp an einem Einstellungsbeschluss kam die "Berner Tagwacht" vorbei, die nun von den Redaktoren übernommen wurde und neu als linke Forumszeitung erscheint. Die vier Ostschweizer Arbeiterzeitungen "Schafthauser AZ", "Winterthurer AZ", "Ostschweizer AZ" und "Volksrecht" entschieden sich derweilen, ab 1988 einen gemeinsamen Mantel mit dem In- und Auslandteil zu produzieren, um die einzelnen Redaktionen zu entlasten [9].
Weniger mit wirtschaftlichen, sondern mit inhaltlichen Problemen befassten sich die Träger der katholischen Blätter "Vaterland" und "Giornale del Popolo". Die Aktionäre des "Vaterland" verweigerten dem Verwaltungsrat die Déchargeerteilung wegen einer schlechten Geschäftsführung (nach einem "totalen Zerwürfnis" mit dem Verlagsdirektor hatte der Chefredaktor H. Schlapp gekündigt) und wünschten sich wieder eine nähere Bindung ihrer Zeitung an die CVP. Im Tessin kündigte Bischof E. Corecco dem Chefredaktor des "Giornale del Popolo", S. Toppi, um den Zeitungskurs vermehrt seinen integristischen kirchlichen Positionen angleichen zu können. Mit diesem zog dann aber die halbe Belegschaft aus der Redaktion aus, worauf er mit dem "Quotidiano" eine neue Zeitung gründete [10].
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Presseförderung
Nachdem der Nationalrat 1986 einen Presseförderungsartikel in der Bundesverfassung abgelehnt hatte, versucht nun S. Stappung (sp, ZH) mit einer parlamentarischen Initiative eine Ergänzung des Postverkehrsgesetzes zu erwirken. Der vorgeschlagene Zusatz sieht eine Herabsetzung der Tarife für die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften vor, wobei bei sogenannt eiligen Zeitungen die Gewährung von Vorzugstarifen an bestimmte Auflagen geknüpft werden soll. Zu diesen Auflagen gehörten unter anderem die Veröffentlichung von Gewinn- und Verlustrechnung, Informationen über die am Verlag beteiligten Kapitalgeber, die Bedingung, mit den Mitarbeitern einen Gesamtarbeitsvertrag abzuschliessen sowie die Garantie der Unabhängigkeit der Redaktion. Die zuständige Nationalratskommission stellte sich auf den Standpunkt, für eine Presseförderung in dieser Form fehle die verfassungsrechtliche Grundlage. Zudem gingen ihr die von Stappung formulierten Auflagen zu weit. Sie will jedoch das Anliegen aufnehmen und dem Rat eine Motion unterbreiten, welche vom Bundesrat verlangt, die Kriterien für Leistungen und Tarife der PTT zur Förderung einer vielfältigen Presse im Postverkehrsgesetz zu regeln. Ferner soll der Bundesrat mit einem Postulat aufgefordert werden, zu prüfen, ob der Bund oder die PTT die Kosten für den Transport von maximal je 10 000 Exemplaren der abonnierten Zeitungen übernehmen könne [11].
 
[7] SoZ, 10.1.87; NZZ, Suisse und TA, 12.1.87; BZ und TA, 24.12.87; TW, 28.12.87; Klartext, 7/1987, Nr. 6. ("Sonntags-Zeitung" und "Berner Zeitung"); Presse vom 12.11.87 ("Neues Sonntagsblatt").
[8] L'Hebdo, 23.7.87; Klartext, 7/1987, Nr. 4; Presse vom 20.8.87; Ww, 27.8.87. Eine Interpellation Schüle (fdp, SH) bezüglich einer Verletzung des Kartellrechts wurde nach dem Verkauf an Rey wieder zurückgezogen (BaZ, 20.6.87; TA, 1.7.87; NZZ, 4.7.87; Verhandl. B.vers., 1987, 111, S. 97 f.). Die Nobel-Zeitschrift "Leader" wurde von Rey mangels Rentabilität im Erscheinen eingestellt (Ww, 26.11.87).
[9] POCH-Zeitung: NZZ und Vr, 30.10.87. Freier Aargauer: NZZ, 9.4., 11.4. und 18.12.87; Vr, 10.4., 15.4., 30.4. und 17.12.87; Schwyzer Demokrat: LNN und Vat., 20.11. und 21.11.87; Vr, 17.12.87. Berner Tagwacht: TW, 27.3.87; BZ und Bund, 28.3.87; Presse vom 12.9.87; TW, 18.12.87. Ostschweizer AZ: SN, 5.11.87. Als Ersatz für den "Schwyzer Demokrat" planen Linkskreise ein Monatsmagazin; in Nidwalden musste derweilen aber auch das linksalternative "Bockshorn" das Erscheinen einstellen (vgl. LNN und Vat., 4.12.87).
[10] Vaterland: LNN, NZZ und TA, 2.2.87; BZ, NZZ, TA und Vat., 15.5.87; Ww, 21.5.87; BaZ und Vat., 23.5.87. Giornale del Popolo und Quotidiano: Presse vom 13.3., 27.5. und 19.11.87; Ww, 26.3.87; TA, 12.6.87. Allgemein zur Identitätssuche der "C-Presse" vgl. TA, 14.5.87 und Ww, 21.5.87.
[11] Verhandl. B.vers., 1987, IV, S. 18; NZZ, 4.3. und 23.6.87. Vgl. auch SPJ, 1986, S. 198.