Année politique Suisse 1988 : Economie / Crédit et monnaie
 
Geld- und Währungspolitik
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Geldmenge
In längerfristiger Perspektive erachtet die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine jährliche Zunahme der Geldmenge um 2% als optimal, um ein stetiges wirtschaftliches Wachstum ohne Inflationsgefahr zu gewährleisten. In Anbetracht des Börsenkrachs vom Herbst 1987 und den davon befürchteten negativen Folgen für die Konjunktur hatte sie sich im Einvernehmen mit dem Bundesrat allerdings für 1988 auf eine etwas expansivere Politik festgelegt. Als Richtgrösse wurde eine Zunahme der bereinigten Notenbankgeldmenge um 3% angepeilt. Die Entwicklung dieser als Massstab dienenden Grösse war allerdings schwer zu prognostizieren und zu steuern, da zu Jahresbeginn noch nicht abzusehen war, in welchem Ausmass die Einführung von neuen Liquiditätsvorschriften für die Banken und der weitere Ausbau des elektronischen Interbank-Zahlungsverkehrs die Nachfrage der Banken nach Notenbankgeld verringern würde.
Dieser Nachfragerückgang fiel in den ersten Monaten denn auch drastischer als erwartet aus. Die Nationalbank reagierte darauf nur zögernd mit einer schrittweisen Liquiditätsverknappung. Vom Juni an hatte sie sich dann weitgehend auf die neuen Verhältnisse eingestellt. Sie konnte ab Mitte Jahr den angestrebten geldpolitischen Kurs einhalten und im November die geldpolitischen Zügel etwas straffen. Trotzdem war die schweizerische Geldpolitik 1988 infolge der Anpassungsschwierigkeiten an das veränderte Verhalten der Banken und infolge der Unsicherheit über die Wirtschaftsentwicklung im ersten Halbjahr insgesamt etwas expansiver als ursprünglich geplant. Die Zahlen über die Entwicklung der Geldaggregate sind aus den dargelegten Gründen im Berichtsjahr wenig aussagekräftig. Der Vollständigkeit halber sei trotzdem erwähnt, dass die bereinigte Notenbankgeldmenge um 3,9% abnahm, und dass die Zuwachsrate bei der Geldmenge M1 mit 14,5% deutlich höher ausfiel als 1987, während sich das Wachstum von M2 und M3 mit 7,9% resp. 9,8% etwa im Rahmen des Vorjahres bewegte. Als Richtziel für 1989 legte die SNB im Einvernehmen mit dem Bundesrat ein Wachstum der bereinigten Notenbankgeldmenge von 2% fest [1].
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Währungspolitik
Der Wert des Schweizer Frankens entwickelte sich 1988 gegenüber den wichtigen Auslandwährungen uneinheitlich, aber insgesamt negativ. Der Dollar vermochte sich von seinem Ende 1987 erreichten absoluten Tief von Fr. 1.27 bis Mitte August auf Fr. 1.61 zu erholen und gab dann wieder leicht nach. Auch gegenüber den Währungen der übrigen wichtigen Industriestaaten verlor der Franken in der ersten Jahreshälfte etwas an Boden; er konnte sich aber im grossen und ganzen in der zweiten Jahreshälfte stabilisieren. Der Kurs der für den Aussenhandel besonders wichtigen D-Mark lag im Jahresmittel mit 83.27 geringfügig höher als im Vorjahr (82.89). Im Durchschnitt des Jahres 1988 lagen die Wechselkurse des Frankens gegenüber den Währungen Frankreichs, Italiens, der USA und Belgiens leicht über, gegenüber denjenigen der BRD, Osterreichs und der Niederlande leicht unter denjenigen des Vorjahres. Grössere Veränderungen ergaben sich lediglich gegenüber den Währungen Japans und Grossbritanniens, die im Jahresmittel gegenüber dem Franken um 9,7% resp. 6,3% höher bewertet wurden. Der mit den Ausfuhren in die 15 wichtigsten Handelspartnerländer gewichtete Wechselkursindex sank 1988 im Mittel um 1,0%; infolge der in der Schweiz tendenziell geringeren Teuerung reduzierte sich der reale Aussenhandelswert des Frankens gar um 1,9% [2].
Obwohl das Berichtsjahr ohne grössere währungspolitische Turbulenzen verlief, überwies der Nationalrat ein Postulat der CVP-Fraktion, das vom Bundesrat einen Bericht über einen allfälligen Beitritt der Schweiz zum europäischen Währungssystem (EWS) verlangt. Gemäss der CVP hat sich dieses System in den letzten Jahren so gut bewährt, dass ein Beitritt der Schweiz ernsthaft in Erwägung gezogen werden muss. Für Nationalbankpräsident Lusser besteht demgegenüber keine Notwendigkeit für einen solchen Schritt, da die Schweiz zwar ihre währungspolitischen Massnahmen mit denjenigen anderer europäischer Notenbanken koordiniere, es aber nicht in ihrem Interesse sei, die Autonomie in der Währungs- und Geldpolitik aufzugeben [3].
Das Parlament stimmte den Anträgen des Bundesrates bezüglich der Verlängerung der 1988 auslaufenden Beteiligung der Schweiz an den Allgemeinen Kreditvereinbarungen des Internationalen Währungsfonds (IMF) sowie des Darlehens zugunsten der sogenannten "Erweiterten Strukturanpassungsfazilität" derselben Institution zu. Aus währungspolitischer Sicht waren diese beiden Bundesbeschlüsse, welche der Schweiz unter anderem ein Mitspracherecht beim sogenannten Zehner-Club ermöglichen, unbestritten. Da der IMF seine Kreditzusagen jeweils an wirtschaftspolitische Auflagen mit teilweise unsozialen Konsequenzen für die Bevölkerung knüpft, erwuchs den Beschlüssen jedoch von seiten der Linksparteien und entwicklungspolitischer Organisationen Opposition [4].
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Nationalbank
Die Erfolgsrechnung der Nationalbank sah — vor allem dank dem Kursanstieg des US-Dollars — wieder bedeutend freundlicher aus als vor Jahresfrist und schloss mit einem Überschuss von 1,8 Mia Fr. ab. Dieser Ertrag wurde hauptsächlich auf Dollaranlagen erzielt und diente weitgehend dazu, das im letzten Jahr abgebaute Konto der Rückstellungen für Währungsrisiken wieder zu äufnen [5].
Auf den 1. Mai trat der bisherige Vizepräsident Markus Lusser die Nachfolge des altershalber zurücktretenden Pierre Languetin als Nationalbankpräsident an. Jean Zwahlen, bisher Chef der schweizerischen Delegation bei der OECD in Paris, nahm neu im Direktorium der SNB Platz [6].
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Geldmarkt
Die Zinssätze am Geldmarkt lagen Ende 1988 deutlich höher als zu Jahresbeginn. Der Satz für Dreimonatsgelder auf dem Eurofrankenmarkt stieg im Monatsmittel von 2,21% im Januar auf 4,92% im Dezember. Dabei waren die Sätze als Folge der oben beschriebenen Probleme der Nationalbank bei der Geldmengensteuerung in den ersten Monaten noch gesunken. Die Überwindung dieser Schwierigkeiten führte im Sommer zu einem Anstieg der Zinsen auf ein höheres Niveau; gegen Ende des Jahres legten sie infolge der restriktiveren Geldmengenpolitik der SNB nochmals um rund 1% zu. Im Rahmen dieser Politik erhöhte die Nationalbank auch ihre Leitzinsen: den Lombardsatz in drei Schritten am 1.7., 26.8. und 19.12. um jeweils 0,5% auf 5,5%; den Diskontsatz am 26.8. und am 19.12. ebenfalls um je 0,5% auf 3,5% [7].
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Kapitalmarkt
Die Entwicklung am Obligationenmarkt verlief ausgesprochen ruhig und bildete die Entwicklung auf dem Geldmarkt nur in sehr abgeschwächter Form ab. Die durchschnittliche Rendite für Anleihen der Eidgenossenschaft pendelte im ersten Halbjahr um 4,1% und im zweiten um 4,2%. Die Sätze für Kassenobligationen der Banken holten ihren in der ersten Jahreshälfte verzeichneten Rückgang um ca. 0,5% bis zum Jahresende wieder auf. Bei den Hypothekarsätzen wurde hingegen der Zinsabbau um durchschnittlich 0,23% bis zum Sommer in der zweiten Jahreshälfte noch nicht wieder nach oben korrigiert [8].
Die Beanspruchung des schweizerischen Kapitalmarktes durch Emissionen nahm von 52,9 auf 56,2 Mia Fr. zu; für dieses Wachstum waren ausschliesslich die ausländischen Schuldner verantwortlich. Die nach dem Börsenkrach vom Herbst 1987 gesunkenen Aktienkurse hatten zum Attraktivitätsverlust dieser Finanzierungsform geführt. Die Aktienemissionen durch schweizerische Unternehmen gingen deshalb stark zurück. Gemessen an der Nettobeanspruchung des Kapitalmarktes dürfte die Verlagerung zu den ausländischen Schuldnern noch ausgeprägter gewesen sein, da viele inländische Schuldner ihre Verpflichtungen abbauten. So nutzte unter anderem die Eidgenossenschaft ihre gute Finanzlage und bezahlte mehr Gelder zurück, als sie auf dem Kapitalmarkt aufnahm [9].
Der bewilligungspflichtige Kapitalexport hatte zuerst im Anschluss an den Börsenkrach einen Einbruch erlitten. Die anhaltend gute Weltwirtschaftskonjunktur und das zeitweilige Absinken der schweizerischen Zinssätze führten jedoch zu einer raschen Erholung. Insgesamt nahm der bewilligungspflichtige Kapitalexport 1988 um 7,6% auf 50,9 Mio Fr. zu. Die Internationalen Organisationen traten wieder vermehrt als Schuldner auf und beanspruchten einen Anteil von 6,0% (1987: 2,2%). Der Hauptanteil der Kapitalausfuhren ging aber auch in diesem Jahr an die Industrieländer (85,5%); der Anteil der Entwicklungsländer blieb mit 4,9% nahezu unverändert [10].
Der Bundesrat befasste sich mit der 2. Preisüberwachungsinitiative der Konsumentinnenorganisationen. Diese verlangt, dass auf Märkten, die von Kartellen oder kartellartigen Organisationen beherrscht werden, auch die Kreditzinsen der Kontrolle unterstellt werden. Die Regierung beschloss, diese Volksinitiative zur Ablehnung zu empfehlen. Sie kündigte aber an, dass sie ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberstellen wolle, welcher deren Hauptanliegen über die Revision des Preisüberwachungsgesetzes verwirklichen soll [11].
 
[1] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 8 ff. und 28 ff.; SNB, Quartalsheft, 6/1988, Nr. 4, S. 265 f.; Presse vom 17.12.87. Siehe auch Lit. Béguelin und Birchler.
[2] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 33 f.; SNB, Monatsbericht, 1988, Nr. 6, S. 33 ff.
[3] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1480 f.; BaZ, 17.11.88; NZZ, 6.12.88; vgl. auch Amtl. Bull. StR, 1988, S. 685 ff.; Bilanz, 1988, Nr. 9, S. 81 ff. und Lit. Cottier. Zur internationalen Währungspolitik siehe die Artikelserie in NZZ, 6.8., 9.8., 16.8., 23.8., 30.8., 6.9., 13.9., 20.9., 27.9., 4.10., 11.10. und 15.10.88.
[4] BBl, 1988, I, S. 617 ff. und II, S. 1453 ff.; Amtl. Bull. NR, 1988, S. 321 ff. und 998 ff.; Amtl. Bull. StR, 1988, S. 210 ff. und 801 ff. ; AS, 1988, S. 1140 und 1989, S. 244 ff. Zu den Details dieser Kontroverse siehe oben, Teil I, 2 (Institutions mondiales).
[5] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 58 ff.
[6] NZZ, 29.4.88; Presse vom 30.4.88. Siehe auch SPJ 1987, S. 103. Zur Person von M. Lusser siehe Bilanz, 1988, Nr. 5, S. 108 ff.
[7] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 31 ff.; SNB, Monatsbericht, 1989, Nr. 1, S. 38 f. Zu den Leitzinsänderungen siehe auch Presse vom 26.8. und 17.12.88.
[8] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 34 f.; SNB, Monatsbericht, 1989, Nr. 1, S. 40. Zu den Hypothekarzinsen siehe auch unten, Teil I, 6c (Mietwesen).
[9] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 34 f.; SNB, Monatsbericht, 1989, Nr. 6, S. 56 ff.
[10] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 36 f.; SNB, Monatsbericht, 1989, Nr. 6, S. 56 ff.
[11] Presse vom 25.8.88 sowie oben, Teil I, 4a (Wettbewerb).