Année politique Suisse 1992 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
 
Mietwesen
print
Mietkosten
Laut einer im Herbst 1991 durchgeführten Studie des Bundesamtes für Wohnungswesen lagen die Wohnkosten für rund einen Drittel aller Miet- und Eigentumshaushalte an der Grenze der finanziellen Tragbarkeit oder gar darüber. Innerhalb dieser Gruppe besonders betroffen waren gemäss der Studie Bezieher von Renten, denen zusätzlich auch kaum Alternativen offen ständen. Die durchschnittliche Brutto-Miete errechnete das Bundesamt für Oktober 1991 auf gut 1000 Fr. Rund ein Viertel der Haushalte hatten gemäss der Studie in den Jahren 1990 und 1991 keinen Mietaufschlag hinzunehmen, während sich bei drei von fünf Haushalten die Miete in diesem Zeitraum bis zu 10% verteuerte und ein weiteres knappes Viertel gar einen Aufschlag von 16% und mehr zu verkraften hatte [25].
Gemäss dem Bundesamt für Statistik erhöhten sich die Mietpreise in dem Zeitraum von November 1991 bis November 1992 um durchschnittlich 5,8%, wobei sich das Wachstum in der zweiten Halbjahresperiode gegenüber der ersten verlangsamte und sowohl bei alten und neuen (vor oder nach 1947 erstellten) Wohnungen in beiden Halbjahresperioden jeweils 2,6% betrug. Von den im November 1992 erfassten über 110 000 Mietpreisen blieben gut zwei Drittel stabil, ein Drittel stieg an und 1 % ging zurück [26].
Nachdem im Sommer schon von einer weiteren Erhöhung der Hypothekarzinsen gemunkelt worden war, gerieten die Zinssätze im Spätherbst ins Rutschen. Als erstes führendes Institut senkte der Schweizerische Bankverein anfangs Oktober die Zinsen für Neuhypotheken um ein Viertel Prozent auf 7,75%. Der Zinssatz für Althypotheken blieb vorläufig unverändert bei 7%. Gut eine Woche später doppelte die Bankgesellschaft, und in ihrer Folge die Zürcherische als erste grosse Kantonalbank, mit einer Reduktion der Zinsen für Neuhypotheken auf 7,5% nach. Ende Jahr überraschte die Berner Kantonalbank, indem sie einen einheitlichen Hypothekarzinssatz von Alt- und Neuhypotheken von 6,75% festlegte. Den gleichen Einheitssatz hatte zuvor bereits die Migros-Bank eingeführt [27].
Mit bösen Prognosen wartete der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband (SMV) im Falle einer europäischen Integration der Schweiz auf. Das Wegfallen des schweizerischen "Zinsbonus", d.h. die Angleichung an die in der Europäischen Gemeinschaft herrschenden Zinssätze, hätte im Extremfall eine Mietzinserhöhung von über einem Viertel zur Folge. Um der erwarteten Verschlechterung der Situation auf dem Wohnungsmarkt in den neunziger Jahren zu begegnen, schlug der SMV bei einem Anstieg des Hypothekarzinses auf über 7% einen kurzfristigen, vorübergehenden Überwälzungsstopp vor. Ebenso seien die Uberwälzungssätze nach unten zu korrigieren. Mittelfristig sollte der über fünf bis zehn Jahre geglättete Zinssatz für erste Hypotheken als Bemessungsgrundlage für zulässige Mietzinserhöhungen herbeigezogen, längerfristig Kapitalien der zweiten Säule in den Wohnungsbau gelenkt werden. Der Bund wurde aufgefordert, durch Förderungsmassnahmen den Mehrbedarf an Wohnungen decken zu helfen sowie durch Besteuerung baureifen Landes zum Verkehrswert der Baulandhortung entgegenzuwirken [28].
Im Oktober 1990 hatte Thür (gp, AG) eine Motion für eine Verstetigung der Hypothekarzinsen eingereicht. Der Bundesrat, welcher die Umwandlung der Motion in ein Postulat durchsetzte, konnte dem Motionär immerhin mitteilen, dass ein zu der betreffenden Problematik durchgeführtes Vernehmlassungsverfahren im Moment ausgewertet werde [29].
top
 
print
Legislative Massnahmen
Auf Beschluss des Bundesamtes für Wohnungswesen und angesichts der immer noch prekären Lage auf dem Wohnungsmarkt wurde der Anfangssatz für Grundverbilligungen von Mietzinsen von 5,6% auf 6,1% erhöht. Damit sollen durch rückzahlbare Vorschüsse die Mietzinsen oder Eigentümerlasten in den ersten Jahren unter das kostendeckende Niveau gesenkt werden. Die Massnahme wurde auf den 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt [30].
Im Oktober 1990 hatte Ständerat Cottier (cvp, FR) eine parlamentarische Initiative hinsichtlich des Bundesbeschlusses über die Förderung der kantonalen Miet- und Hypothekarzinszuschüsse eingebracht, welche von der zuständigen Kommission genehmigt worden war. Gut ein Jahr später, nach Abschluss des Vernehmlassungsverfahrens, legte die Kommission sie dem Plenum sowie dem Bundesrat vor. In seiner Stellungnahme vom 26. Februar wies letzterer die Initiative zurück, da seiner Ansicht nach die darin geforderten Einzelmassnahmen, deren Auswirkungen zudem nicht immer absehbar seien, hinter einer globaleren und koordinierteren Lösung, wie sie vom Bundesrat im Rahmen des Geschäfts "Weiterentwicklung im Bodenrecht" in die Wege geleitet worden sei, zurückzutreten hätten [31].
Diese Erläuterungen sowie die negativen Reaktionen während der Vernehmlassung überzeugten die Ständeratskommission, so dass sie in der Frühjahrssession dem Plenum den Rückzug der Initiative bekanntgab. Freilich wurde der Bundesrat in einer als Ersatz dazu eingereichten Kornmissionsmotion aufgefordert, gestützt auf die Abklärungen der im September 1991 eingesetzten Studienkommission "bis Ende 1993 geeignete Massnahmen vorzuschlagen, die im Sinne einer subsidiären und zeitlich befristeten Bundeshilfe eine Subjekthilfe im Wohnungswesen ermöglichen" [32].
Anfang Jahr hiess die Nationalratskommission die 1991 vom Aargauer Grossen Rat überwiesene Standesinitiative hinsichtlich der Bemessung des Eigenmietwerts gut [33].
Eine letztes Jahr von Paul Rechsteiner (sp, SG) eingereichte parlamentarische Initiative für ein gesetzliches Vorkaufsrecht für Mieterinnen und Mieter wurde von der zuständigen Nationalratskommission im Februar mit zwölf zu zehn Stimmen angenommen [34].
Eine Motion des Genfer Sozialdemokraten de Dardel für einen grösseren Kündigungsschutz der Mieter bei Zahlungsverzug wurde von Leuba (lp, VD) und Hegetschweiler (fdp, ZH) bekämpft und damit der Diskussion vorläufig entzogen [35]. Ebenso erging es einer Motion V. Spoerrys (fdp, ZH) für eine bedingte Erhöhung der Mietzinsen von Altwohnungen zur Verbilligung der Mieten von Neubauwohnungen [36].
 
[25] Presse vom 25.11.92.
[26] Die Volkswirtschaft, 66/1993, Nr. 2, S. 49 f.; vgl. auch NZZ, 6.2.93.
[27] Presse vom 7.10, 16.10 und 19.12.92. ZKB: NZZ, 23.10.92. Vgl. auch oben, Teil I, 4b (Geld- und Kapitalmarkt).
[28] Presse vom 24.6.92.
[29] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 434 f.
[30] Presse vom 23.9.92.
[31] BBl, 1992, II, S. 993 und 1004 f.; vgl. SPJ 1991, S. 183.
[32] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 175 ff. und 353 ff.; Verhandl. B. vers., 1992, I/II, S. 35 f.
[33] Verhandl. B.vers., 1992, IV/V, S. 18; SGT, 10.1.92; vgl. SPJ 1991, S. 183.
[34] Verhandl. B.vers., 1992, III, S. 24 f.; NZZ, 8.2.92.
[35] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2166 f.
[36] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1205 f.; vgl. auch TA, 6.10.92.