Année politique Suisse 1993 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Presse
Die Verhandlungen über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag zwischen Verlegern und den Medienverbänden in der Deutschschweiz und im Tessin blieben im Berichtsjahr trotz Eingeständnissen bezüglich der Lohnforderungen, des Teuerungsausgleichs sowie der Wochenarbeitszeit seitens des Schweizerischen Verbandes der Journalistinnen und Journalisten (SVJ) blockiert. Der noch bestehende Kollektivvertrag in der Westschweiz lief auf Ende 1993 ebenfalls aus. Um doch noch eine einvernehmliche Lösung zu finden, gelangten die welsche Fédération suisse des journalistes (diese ist Teil des SVJ) für die Romandie sowie die SJU und SVJ zusammen für die Deutschschweiz an das Eidgenössische Einigungsamt [11].
Die PTT stellte im Berichtsjahr die bestehende Presseförderung in Form der Transporttarifvergünstigungen, welche das Regieunternehmen pro Jahr 280-300 Mio Fr. kostet, grundsätzlich in Frage. Gemäss den Verantwortlichen der PTT könne die Presseförderung nicht alleinige Aufgabe der Post sein, weshalb die Kosten gemäss einem Drittelsmodell auf die PTT, die Verleger und die öffentliche Hand aufgeteilt werden müssten. Bis zum Ende des Berichtsjahres lief die Vernehmlassung für eine entsprechende Änderung des Postverkehrsgesetzes. Verleger von kleineren Regional- und Lokalblättern kritisierten vor allem die bisher praktizierte und weiterhin vorgesehene Subventionierung nach dem Giesskannenprinzip [12]. Im Zusammenhang mit der Presseförderung lehnte das Parlament eine aus dem Jahr 1991 stammende Motion Spielmann (pda, GE) zur Erhaltung der Meinungspresse ab. Der Motionär hatte vom Bundesrat Massnahmen verlangt, welche die PTT zum Verzicht auf die Tariferhöhungen und die restriktiveren Bestimmungen über jene Zeitungen, die von einem Sondertarif profitieren, bewegen sollten [13].
Gemäss einer Untersuchung der eidgenössischen Kartellkommission ist die Anzahl der Titel 1992 um 8% zurückgegangen. Während die grossen Verlagshäuser ihren Marktanteil ausbauen konnten, schieden verschiedene lokale und regionale Publikationen aus dem Rennen. Die Kommission schlug unter anderem die Schaffung einer Fusionskontrolle vor, was seitens der Verleger abgelehnt wurde [14].
Die anhaltende Rezession, welche einen Rückgang des Inseratevolumens in den Printmedien zur Folge hatte, führte auch vermehrt zu Druckversuchen und Boykottdrohungen von Inserenten gegenüber den Printmedien. Der Schweizerische Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger (SZV) hat deshalb eine Stelle eingerichtet, bei welcher betroffene Medienschaffende und Verlage Meldung erstatten können. Die Denner AG zog beispielsweise Inserateaufträge für Ringier Presseprodukte in der Höhe von rund vier Mio Fr. zurück, weil das Wirtschaftsmagazin "Cash" einen kritischen Artikel zur Denner-Geschäftsleitung publiziert hatte [15].
Aus wirtschaftlich-strategischen Gründen rückten das "Aargauer Tagblatt", das "Zofinger Tagblatt" sowie das "Oltner Tagblatt" näher zusammen und beschlossen, auf Anfang 1994 als "Mittelland-Zeitung" im überregionalen Bereich und im Inseratesektor eng zusammenzuarbeiten. Innerhalb der Dreier-Gruppe erhält das Aargauer Tagblatt die stärkste Stellung, da es in Zukunft den Mantel resp. den überregionalen Teil mit den Rubriken Inland, Ausland, Wirtschaft und Sport produzieren wird. Die Synergieeffekte sollen den drei Tageszeitungen, welche in Zukunft immer noch unter dem eigenen Namen auftreten, zusammen aber eine Auflage von rund 100 000 Exemplaren erreichen wollen, dazu verhelfen, langfristig die Eigenständigkeit zu sichern [16].
Unter argen Druck geriet erneut die rot-grüne Presse; die zürcherische "DAZ" und die "Berner Tagwacht" konnten zwar genügend Neuabonnenten finden, um das Uberleben zu sichern. Die "Solothurner AZ", welche schon 1991 vom bürgerlichen Verlagshaus Dietschi übernommen worden war, überlebte jedoch nicht. Die im Mai lancierte sozialdemokratische Wochenzeitung der Romandie, "Jet d'Encre", musste schon im Dezember aus finanziellen Gründen wieder eingestellt werden [17].
Als Antwort auf die Mehrheitsbeteiligung Ringiers beim Berner "Bund" und die dadurch entstandene Konkurrenzsituation unter Publicitaspartnern auf dem Inseratemarkt Bern ergaben sich bei den Inseratekombis diverse Verschiebungen [18]. Der bisherige Inseratepool "Swiss Combi" (TA, BZ, LNN, La Suisse) wurde durch den neuen Inserateverbund "Swiss Pool" (BaZ, LZ, SGT, 24 Heures, TG, TA, BZ) ersetzt, welcher Anzeigen in einer Gesamtauflage von 820 000 Exemplaren ermöglicht und eine Leserschaft von über 2 Mio erreicht. Zusätzlich entstand im westlichen Mittelland ein Kleinverbund zwischen "Berner Zeitung", "Solothurner Zeitung" und "Bieler Tagblatt" namens "Presse 99", der an den "Swiss Pool" angedockt werden kann. Ringier kündigte daraufhin als Gegenmassnahme für 1994 einen eigenen Inserateverbund unter dem Namen "Ringier Media Tools" an. Ebenso antworteten diverse Tageszeitungen der Romandie (L'Express, L'Impartial, Le Nouvelliste, La Liberté, Le Quotidien jurassien, Le Journal du Jura) mit der Gründung des "Romandie Combi" auf die neue Herausforderung [19].
Bei der 1992 neu gegründeten, aus der Fusion des "Eco di Locarno" und "Il Dovere" entstandenen Tageszeitung "La Regione" hatte die Berichterstattung über den Mailänder Schmiergeldskandal sowie eine Stellungnahme Ständerat Salvionis (fdp, TI) zur Stempelsteuer direkte Drohungen aus Bankenkreisen zur Folge; der verantwortliche Redaktor wurde fristlos entlassen. Schon ein Jahr nach der Fusion "Politica nuova-Libera Stampa" musste die einzige linke Tessiner Tageszeitung "Nuova libera Stampa" ihr Erscheinen aus wirtschaftlichen Gründen wieder einstellen. Eine neue Konkurrenz erhielten die bestehenden Tessiner Presseerzeugnisse durch die von Lega-Nationalrat Maspoli lancierte Tageszeitung "L'altra notizia", die in einer Auflage von 35 000 Exemplaren gedruckt wird [20].
Die Curti Medien AG haben sich mit der National-Zeitung und Basler Nachrichten AG — Herausgeberin der Basler Zeitung — zur drittgrössten Mediengruppe der Schweiz zusammengeschlossen [21]. Das Projekt für eine zweite Tageszeitung der Region Basel mit dem Titel "Neue Zeitung (NeZ)" — geplant war die Herausgabe der neuen Zeitung ab April in einer Auflage von 15 000 — kam mangels ausreichenden Kapitals nicht zustande [22].
Auf dem hart umkämpften Pressemarkt Genf musste das Journal de Genève im technischen Bereich Entlassungen vornehmen, um gegen seine Konkurrenten weiter bestehen zu können. Mit ernsthaften Schwierigkeiten sah sich auch die "La Suisse" konfrontiert. Bis Ende des Berichtsjahres konnte noch keine Lösung zur langfristigen Sanierung der Gesellschaft gefunden werden [23].
Wie in der Innerschweiz ein Jahr zuvor, haben auch im Kanton Jura die zwei parteipolitisch gefärbten Regionalblätter, der seit 116 Jahren erscheinende freisinnige "Démocrate" und das 120 Jahre alte christlichdemokratische "Le Pays", fusioniert, um ab Juni des Berichtsjahres in neuer Aufmachung als "Quotidien jurassien" in einer Anfangsauflage von 35 000 (spätere Normalauflage soll ca. 26 000 sein) zu erscheinen [24].
Die Ausarbeitung und Lancierung des Projekts einer rätoromanischen Tageszeitung namens "La Quotidiana" wurde dem unter alt-Nationalrat Toni Cantieni (cvp) als Präsident amtierenden neu gegründeten Verein "Pro Svizra Rumantscha" (PSR) übertragen. Ziel des Vereins ist es, die Herausgabe der Quotidiana im Umfang von acht Seiten und in einer Anfangsauflage von 5000 Exemplaren bis im Herbst 1994 zu realisieren, wobei eine Stiftung die Finanzierung des Projekts sichern soll. Gemäss den Vorstellungen der PSR soll die Quotidiana eine Forumszeitung werden und konfessionell sowie politisch unabhängig sein. Geplant ist, die Regionalteile in den jeweiligen romanischen Idiomen erscheinen zu lassen, während für die überregionalen, nationalen und internationalen Rubriken die Einheitsschriftsprache Rumantsch Grischun verwendet werden soll. Erneut stellte sich jedoch die Vereinigung der Bündner Zeitungsverleger aus Angst vor einem Verdrängungskampf gegen das Projekt und schlug vor, zur Spracherhaltung ein vierseitiges, täglich erscheinendes Gratis-"Leseblatt" für alle rätoromanischen Haushaltungen zu lancieren [25]. Im Nationalrat äusserte sich bei der Beratung des Sprachenartikels Bundesrätin Dreifuss positiv zur Unterstützung einer rätoromanischen Tageszeitung, ohne jedoch den Namen der Quotidiana zu erwähnen. Gestützt auf den geplanten Sprachenartikel in der Bundesverfassung sieht das EDI die Ausarbeitung eines Bundesgesetzes zur Förderung der rätoromanischen Kultur vor, in dessen Rahmen unter anderem Bundesgelder auch einer Tageszeitung zugute kommen könnten. Die Bündner Regierung gab bekannt, sie halte eine finanzielle Unterstützung unter Umständen für möglich, wenn beispielsweise die bestehenden Titel in das Projekt miteinbezogen würden. Darauf wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in welcher sowohl Vertreter der Zeitungsverleger als auch der sprachkulturellen Organisationen Einsitz nahmen [26].
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Agenturen
Die Gesellschaft zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft (wf) gab bekannt, ihre Sponsorengelder an die Schweizerische Politische Korrespondenz (SPK) in der Höhe von rund fünf Mio Fr. pro Jahr nur noch bis Ende 1994 auszurichten. Schon im September kündigte die SPK nach 76jähriger Tätigkeit ihre Schliessung auf Ende des Berichtsjahres an. Die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) wird somit nur noch durch die weniger verankerte Associated Press (AP) konkurrenziert [27].
Die unabhängige welsche Agentur "Bureau de reportage et de recherche d'informations (BRRI)" in Rossens (FR) unter Leitung von Roger de Diesbach musste nach acht Jahren den Betrieb einstellen [28].
 
[11] Klartext, 1993, Nr. 4, S. 19 und Nr. 6, S. 17; Telex, 1993, Nr. 4, S. 28 ff. und Nr. 6, S. 45; DP, 8.7.93. Vgl. dazu auch die Haltung des BR in Amtl. Bull. NR, 1993, S. 621 f.
[12] BZ, 13.2. und 2.7.93; NQ, 30.8.93; Presse vom 4.11.93; TA, 6.12.93 (Kritik).
[13] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 68 ff.
[14] Presse vom 23.10.93; Klartext, 1993, Nr. 3, S. 19; Telex, 1993, Nr. 6, S. 10 ff.
[15] Bund, NQ und TA, 27.2.93; TA, 13.3.93. Denner: NZZ, 19.8.93; TA und NZZ, 20.8.93; DP, 26.8.93.
[16] Presse vom 3.6.93.
[17] DAZ: DAZ, 14.5.93; siehe dazu auch SPJ 1992, S. 289. TW: TW und Bund, 17.6.93; TW, 1.7. und 28.8.93; Klartext, 1993, Nr. 3, S. 21. Zum Jet d'Encre und zur Solothurner AZ vgl. auch unten, Teil IIIa (SP).
[18] NZZ, 18.1.93; Presse vom 26.6.93; BZ, 12.7.93; Bund, 31.7.93. Ringier hatte schon 1992 41% des "Bund"-Aktienkapitals übernommen und erwarb im Berichtsjahr weitere 10%. Zur Geschichte des "Bund" siehe auch TA, 19.7.93.
[19] NZZ und TA, 15.1.93; Presse vom 22.4.93; WoZ, 23.4.93 (Swiss Combi, Swiss Pool); Presse vom 27.7.93 (Presse 99); BaZ, 6.9.93; Klartext, 1993, Nr. 5, S. 27 f. (Ringier Media Tool); Express, 30.9.93 (Romandie Combi).
[20] CdT, 1.7.93; BZ, 5.7.93 (Regione); NZZ, 29.10.93 (Nuova libera Stampa); NZZ und NQ, 3.11.93; WoZ, 5.11.93 (altra notizia).
[21] Presse vom 26.5.93; Klartext, 1993, Nr. 3, S. 18.
[22] BaZ und NZZ, 18.3.93; WoZ, 19.3.93; BaZ, 29.4.93. Siehe auch Sonderseite "Letzte Ausgabe der 'NeZ'" in BaZ, 30.4.93. Vgl. auch SPJ 1992, S. 287 f.
[23] JdG: NQ, 27.5.93. La Suisse: L'Hebdo, 10.9. und 21.10.93; NF, 3.11.93; JdG, 17.12.93; NQ, 21.12.93.
[24] JdG, 7.4.93; QJ, 1.6.93; Presse vom 2.6.93. Siehe auch TA, 20.9.93.
[25] Presse vom 19.3.93; BüZ, 26.3., 19.4., 16.6. und 22.12.93. Vgl. auch SFJ 1990, S. 269, 1991, S. 279 f. und 1992, S. 281 und 289 sowie oben, Teil I, 8b (Verhältnis zwischen den Sprachregionen).
[26] Dreifuss: Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1557 f. Graubünden: BüZ, 2.10., 3.12. und 22.12.93; SGT, 23.10.93.
[27] Presse vom 12.6. und 17.9.93; Klartext, 1993, Nr. 5, S. 19; Express und LZ, 29.12.93. Vgl. auch SPJ 1991, S. 286 und 1992, S. 289.
[28] NQ, 24.12.93.