Année politique Suisse 1994 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires
 
Verwaltung
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Ombudsstelle
Obwohl Ende der siebziger Jahre eine Vernehmlassung positiv verlaufen war und das Parlament 1989 mit einer Motion einen entsprechenden Auftrag erneuert hatte, zeigte der Bundesrat bei der Vorlage eines Gesetzes über eine Bundesombudsstelle keine Eile. Das EJPD hatte zwar einen Vorentwurf ausgearbeitet, der Bundesrat beschloss aber, dieses seiner Ansicht nach nicht prioritäre Geschäft in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr in die Vernehmlassung zu geben. Der Nationalrat schloss sich jetzt dieser Einschätzung an. Nationalrat Borel (sp, NE) hatte 1993 eine parlamentarische Initiative eingereicht, welche dem Parlament erlauben sollte, angesichts der zögerlichen Haltung des Bundesrats die Neuerung in eigener Regie einzuführen. Obwohl die Kommission mit 16 zu 1 Stimmen für die Überweisung des Vorstosses plädierte, folgte der Rat einem Ablehnungsantrag Sandoz (lp, VD), der das Anliegen als überflüssig und angesichts der Lage der Bundesfinanzen als nicht opportun kritisierte [13].
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Personal
Der Nationalrat behandelte als Erstrat die im Vorjahr vom Bundesrat unterbreitete Teilrevision des Beamtengesetzes. Die darin vorgeschlagene Kompetenzübertragung an den Bundesrat für die Festlegung des Teuerungsausgleichs wurde gutgeheissen. Dabei legte der Rat auf Antrag Raggenbass (cvp, TG) detailliert fest, dass bei dessen Bemessung neben der Teuerung auch die Wirtschaftslage, der Zustand der Bundesfinanzen sowie soziale Aspekte zu berücksichtigen seien. Bei der angestrebten Flexibilisierung der Anstellungsverhältnisse für hohe Kaderstellen setzte sich gegen den Widerstand der SP und von Bundesrat Stich eine verschärfte Lösung durch: Sowohl die Weiterbeschäftigungsgarantie als auch die Ausbezahlung des bisherigen Lohns für zwei Jahre im Falle einer tieferen Einstufung wurden gestrichen [14]. Die Staatspolitische Kommission des Ständerates zeigte sich gegenüber der Beschränkung der Flexibilisierungsbestrebungen auf die höheren Funktionen wesentlich skeptischer. Ihrer Meinung nach sollte die Wahl auf eine vierjährige Amtsdauer nicht nur für hohe Kaderstellen, sondern - im Rahmen einer Totalrevision des Beamtengesetzes - für alle Bundesangestellten abgeschafft werden [15].
Die kleine Kammer behandelte eine Motion Salvioni (fdp, TI) für die Verbindlicherklärung der Weisungen des Bundesrats für die sprachproportionale Besetzung von Verwaltungsstellen. Da die Forderung in den Zuständigkeitsbereich des Bundesrates eingreift, überwies sie der Ständerat in der Form einer Empfehlung. Drei Monate später verabschiedete er dann auch noch eine analoge Motion Comby (fdp, VS), welche der Nationalrat im Vorjahr angenommen hatte [16].
Als Beitrag zur Verbesserung des Bundeshaushalts beantragte der Bundesrat dem Parlament, seinen eigenen Lohn und denjenigen von höheren Beamten der Bundesverwaltung, des Bundesgerichts, der eidgenössischen Hochschulen und der Regiebetriebe vorübergehend gestaffelt nach Lohnhöhe um 1%, 2% oder 3% zu kürzen. Mit diesem "Lohnopfer" können beim Bund 12 Mio Fr. und bei den PTT und SBB weitere 3 Mio Fr. eingespart werden. Das Parlament verabschiedete den dringlich auf Anfang 1995 in Kraft gesetzten und bis Ende 1997 gültigen Beschluss diskussionslos [17].
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Organisation
Nicht zuletzt die schlechte Lage der öffentlichen Finanzen hat dazu geführt, dass sich die Realisierungschancen für neue Modelle der Organisation der staatlichen Verwaltungstätigkeit verbessert haben. Im Vordergrund der Diskussionen stand dabei das in den USA entwickelte und in Europa zuerst in der niederländischen Stadt Tilburg erprobte sogenannte "New Public Management". Dieses setzt nicht auf die Privatisierung bisher vom Staat wahrgenommener Aufgaben und wird deshalb gerade von der politischen Linken und den Gewerkschaften positiv beurteilt. Sein Hauptelement besteht in der Aufteilung der Verwaltung in dezentrale Einheiten, welche sich als bürgernahe Dienstleistungszentren verstehen und im Rahmen von Leistungsverträgen und Globalbudgets eigenverantwortlich handeln. In der Schweiz beschloss die von einer rot-grünen Mehrheit regierte Stadt Bern als erste, ab Anfang 1995 während zwei Jahren in drei Verwaltungsbereichen (Jugendamt, Strassenbau und Feuerwehr) konkrete Erfahrungen mit diesem Modell zu sammeln. Kurz darauf entschied auch die Stadt Winterthur, ab 1996 in acht Verwaltungsabteilungen entsprechende Pilotprojekte zu starten [18].
Ähnliche Bestrebungen bestehen auch auf Bundesebene. Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Umwandlung des Bundesamtes für geistiges Eigentum in eine öffentlichrechtliche Anstalt mit dem Namen Eidgenössisches Institut für geistiges Eigentum (IGE). Dieses neue Institut soll besser in der Lage sein, sich auf die Bedürfnisse der Wirtschaft, insbesondere in bezug auf Informationen über Patente und technische Entwicklungen, einzustellen. Das IGE wird von den Staatsfinanzen unabhängig sein. Für die Patenterteilung und -verwaltung werden wie bisher Gebühren erhoben, für Dienstleistungen für den Bund wie z.B. die Vertretung auf internationalen Konferenzen oder die Mitarbeit bei der Gesetzgebung wird der Bund eine kostendeckende Entschädigung ausrichten. Bei der Informationstätigkeit für Private sollen marktgerechte Preise verrechnet werden [19].
 
[13] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1860 f.; Bund, 27.7.94; NZZ, 12.9.94 (Vernehmlassungsentwurf). Vgl. SPJ 1989, S. 31.13
[14] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 807 ff.; Presse vom 3.6.94. Vgl. SPJ 1993, S. 36 sowie NZZ, 10.6.94.14
[15] Bund, 7.9. und 14.9.94; NZZ, 25.11.94.15
[16] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 35 f. resp. 852 f. Vgl. SPJ 1993, S. 37. Siehe auch die Zahlen für das Total der Bundesangestellten, welche für die Italienischsprachigen eine leichte Übervertretung zulasten der Deutsch- und Welschschweizer ausweisen (BZ, 20.5.94).16
[17] BBl, 1994, V, S. 581 ff.; Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2006 ff. (v.a. 2043 f.); Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1211 ff. (v.a. 1220 f.); AS, 1994, S. 2884 ff.17
[18] LNN, 30.3.94; TW, 13.7.94 (SP und Gewerkschaften). Bern: Bund, 2.2., 24.8., 20.10. und 11.11.94. Winterthur: TA, 17.11.94. Vgl. auch Bund, 28.6.94; BaZ, 24.8.94.18
[19] BBl, 1994, III, S. 964 ff.; Bund, 1.3.94; NZZ, 31.5.94.19