Année politique Suisse 1994 : Chronique générale / Finances publiques
 
Voranschlag 1995
Im Frühjahr hatte sich die Landesregierung für das Budget 1995 auf rigorose Vorgaben geeinigt: Nominell sollten die Ausgaben lediglich noch um 2% wachsen und bis zur Bereinigung des Budgets und des dritten Sanierungsprogrammes sollte ein Ausgabenmoratorium der Verwaltung gelten. Im August musste der Bundesrat dann aber doch ein Budgetdefizit von 7,4 Mia Fr. in die Vernehmlassung geben, was einem Ausgabenwachstum von 5,4% entspricht. Nach Rückweisungsdrohungen der drei bürgerlichen Regierungsparteien gelang es dem Bundesrat in einer Zusatzrunde, den Fehlbetrag um fast 900 Mio auf 6,5 Mia Fr. zu senken, wobei die Einsparungen in drei Fällen den Rückgriff auf Dringlichkeitsrecht bedingten. Am längsten umstritten war dabei in den Räten der befristete Erlass, der im Vorgriff auf die hängige ordentliche Gesetzesrevision den Beitrag an die Arbeitslosenversicherung per 1. Januar 1995 von zwei auf drei Lohnprozente erhöht und für Arbeitslose eine Wartefrist von fünf Tagen bis zum Bezug des ersten Taggeldes einführt (515 Mio Fr. Einsparungen). Der Ständerat lenkte erst im dritten Anlauf auf die vom Nationalrat geforderte soziale Abfederung ein, die Kleinstverdiener von der Karenzfrist ausnimmt. Die Grosse Kammer erklärte sich ihrerseits bereit, auf die Unterstützung regionaler Arbeitsvermittlungszentren zu verzichten. Die beiden andern dringlichen Bundesbeschlüsse konnten frühzeitig bereinigt werden. Mit dem einen werden Sparmassnahmen im Asyl- und Ausländerbereich vorgezogen (-73 Mio Fr.). Der andere Beschluss verlangt von Magistraten und hohen Bundesbeamten ein zwischen einem und drei Prozent abgestuftes Lohnopfer. Schwergewichtig im Verkehrs- und Energiebereich, in der Landesverteidigung und bei den Beziehungen zum Ausland beschloss der Bundesrat weitere knappe 200 Mio Fr. an Sparmassnahmen [29].
Die vorberatenden Finanzkommissionen des National- und Ständerates präsentierten weitere ähnlichlautende Kürzungsanträge in der Höhe von 850 resp. 752 Mio Fr. Drei Rückweisungsanträge des Budgets von seiten der LdU/EVP und der SD/Lega-Fraktion sowie der Freiheitspartei, die das Budget weiter kürzen wollten, kamen in der Wintersession nicht durch. Das Parlament folgte seinen Kommissionen in weiten Teilen und stimmte insgesamt Kürzungen von gut 400 Mio Fr. zu. Der Nationalrat verzichtete in der Differenzbereinigung zugunsten des Ständerats darauf, die gezielte Verbilligung der Krankenkassenprämien um 80 Mio Fr. zu kürzen. Dafür beharrte er darauf, nur 200 (plus 98 Hilfsstellen) statt der vom Ständerat beantragten 300 Etatstellen zu streichen. Um letzte Differenzen zu bereinigen, gab der Nationalrat Kürzungen von 20 Mio Fr. bei der Käseunion preis [30].
Am 14. Dezember verabschiedeten die eidgenössischen Räte das Budget 95. Der bereinigte Voranschlag 1995 schloss bei Ausgaben von gut 42,4 Mia Fr. und Einnahmen von knapp 36,4 Mia Fr. mit einem Ausgabenüberschuss von 6,08 Mia Fr. ab [31]. Das von den bürgerlichen Fraktionen und den Finanzkommissionen angepeilte Ziel eines Defizits unter sechs Mia Fr. wurde damit verfehlt. Gleichzeitig konnte mit der Senkung der Ausgaben unter das Budget des laufenden Jahres erstmals seit 1977 das Ausgabenwachstum gestoppt werden [32].
Eine Trendwende der Verschuldung ist nicht in Sicht. Allein das Defizit 1994 erzwingt zusätzliche Zinsausgaben von 250 bis 300 Mio Fr. pro Jahr. 1995 wird der Bund 3,3 Mia Fr. (7,7%) seiner Einnahmen für Zinszahlungen aufwenden müssen. Trotz Sanierungskonzept wird der Schuldenberg des Bundes laut Finanzplan von rund 70 Mia Fr. im Berichtsjahr auf 100 Milliarden bis zum Jahr 1998 anwachsen [33].
Eine Motion Steinemann (fp, AG) von 1993, die den Bundesrat beauftragen wollte, nur noch Voranschläge mit einer stabilen oder rückläufigen Staatsquote zu unterbreiten, wurde von Bundesrat Stich als untaugliches Mittel zur Haushaltsanierung abgelehnt und vom Nationalrat verworfen. Der Ständerat überwies jedoch ein Postulat Cavelty (cvp, GR), welches den Bundesrat aufforderte, die Einsetzung eines Sparbeauftragten zu prüfen. Bundesrat Stich wehrte sich vergeblich gegen diesen seiner Ansicht nach unnötigen Vorstoss. Bürgerliche Parteien kündigten zudem an, dass sie Art. 42bis BV, der den Bund verpflichtet, Defizite abzutragen, verschärfen wollten. In einem ersten Schritt wurde eine parlamentarische Initiative Bührer (fdp, SH) eingereicht, die fordert, dass das Wachstum der Ausgaben das geschätzte mittelfristige Wachstum des Bruttoinlandprodukts nicht übersteigen dürfe. Ausnahmen sieht die Initiative nur im Fall eines real rückläufigen Bruttoinlandprodukts vor [34].
Von drei Motionen Graber (lp, NE), Columberg (cvp, GR) und der liberalen Fraktion, die den Bundesrat ersuchten, dem Parlament Vorschläge für einen Abbau der gesetzlichen Vorgaben und der Detailschriften zu unterbreiten, um so ebenfalls Ausgaben zu bremsen, wurden die beiden ersten im Berichtsjahr vom Nationalrat, diejenigen der liberalen Fraktion von beiden Kammern überwiesen [35].
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Sanierungsmassnahmen 1992 und 1993
Im Rahmen der Sanierungsmassnahmen 1993 (zweites Sanierungspaket) stimmte in der Herbstsession nach langer Diskussion auch der Ständerat der Einführung einer Ausgabenbremse zu, die bei Annahme durch das Stimmvolk ab dem Budget 1996 wirksam werden wird. Für Ausgaben von über 20 Mio Fr. und neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Mio Fr. wird neu die Zustimmung der Mehrheit aller Ratsmitglieder verlangt. Im Differenzbereinigungsverfahren lenkte der Ständerat auf den Antrag des Nationalrates ein, die Ausgabenbremse in der Verfassung zu verankern. Zuvor hatte seine Staatspolitische Kommission Bedenken gegen die Ausgabenbremse in bezug auf den Minderheitenschutz angemeldet und als Ersatz eine Änderung des Geschäftsverkehrsgesetzes vorgeschlagen, welche künftig auch ausgabenwirksame einfache Bundesbeschlüsse der Schlussabstimmung in beiden Räten unterstellt hätte. Ein Antrag Frick (cvp, SZ), die Ausgabenbremse auf zehn Jahre zu befristen, wurde abgelehnt [36].
In den anderen Punkten war der Ständerat bereits in der Frühjahrssession den Beschlüssen des Nationalrats gefolgt. Bei 19 vorgesehenen dauerhaften Abbaumassnahmen auf Verfassungs- und Gesetzesstufe wich er, wie der Erstrat, in drei Vorlagen ab: Der ersatzlose Verzicht auf die freiwillige AHV/IV für Auslandschweizer (40 Mio Fr.) wurde auf das dritte Sanierungsprogramm verschoben, und Beiträge der IV (20 Mio Fr.) an die Einrichtungen für Behinderte im Rentenalter sowie die Treibstoffzollbegünstigung an die Konzessionierten Transportunternehmen (50 Mio Fr.) sollen weiterhin gewährt werden. Insgesamt ergab sich für das zweite Sanierungspaket ein Sparvolumen von 475 Mio Fr. pro Jahr oder 110 Mio Fr. weniger, als der Bundesrat beantragt hatte [37].
In einem Rückblick auf bisherige Sanierungsanstrengungen zog der Bundesrat eine gemischte Bilanz. Er geht davon aus, dass die mit den Sanierungsmassnahmen 1992 (1. Sanierungspaket) angestrebte Haushaltsentlastung von rund 4 Mia Fr. erreicht wird. Die auf drei Jahre befristeten (1993-95) linearen Beitragskürzungen von 10% bringen jährliche Einsparungen von rund 800 Mio Fr. und zusammen mit gezielten Sparmassnahmen auf Gesetzes- und Verordnungsstufe, via Budget- und Finanzplanung sowie Einsparungen von Schuldzinsen infolge der dadurch verringerten Haushaltsdefizite wurden ausgabenseitige Entlastungen von rund 2 Mia Fr. erwartet. Auf den gleichen Betrag beziffern sich die mit den Sanierungsmassnahmen 1992 realisierten Mehreinnahmen. Bei den Mehreinnahmen leistet die Erhöhung des Treibstoffgrundzolls um 20 Rappen pro Liter den wichtigsten Beitrag. Aus der schrittweisen Erhöhung der Tabaksteuer sollen bis 1995 Mehreinnahmen von jährlich 350 Mio Fr. resultieren, aus der beschlossenen Verteilung des Nationalbankgewinns solche von 200 Mio (weitere 400 Mio Fr. gehen an die Kantone). Die Aufhebung des Spielbankenverbots dürfte ab 1997 erste Mehreinnahmen bringen.
Der einnahmenseitige und separat unterbreitete Teil der Sanierungsmassnahmen 1993, der Wechsel zur Mehrwertsteuer, wird auf 1,6 Mia Fr. geschätzt. Mit Gesetzes- und Bundesbeschlussänderungen sowie einer Verfassungsänderung sollten weitere rund 1,5 Mia Fr. gespart werden (siehe auch oben). Neben den Sanierungsprogrammen soll schliesslich auch die Heraufsetzung der Autobahn-Vignette von 30 auf 40 Fr. und die an die Teuerung angepasste pauschale Schwerkehrsabgabe dem Bund Mehreinnahmen in der Höhe von rund 500 Mio Fr. bringen, welche allerdings für Strassenzwecke gebunden sind. Insgesamt ermöglichen die beiden Sparprogramme 1992 und 1993, die Mehrwertsteuer und die Strassenverkehrsabgaben eine dauernde Verbesserung der Bundesrechnung um über 7 Mia Fr. pro Jahr. Der Bundesrat betonte jedoch, dass trotz der Sparmassnahmen das Ziel eines Haushaltgleichgewichts nach wie vor deutlich verfehlt werde [38].
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Sanierungsmassnahmen und Finanzplan 1996-98
Zu den Sanierungsvorschlägen der einzelnen Parteien siehe unten, Teil IIIa.
Angesichts der prekären Finanzsituation präsentierte der Bundesrat im Oktober gleichzeitig zum Budget 1995 ein drittes Sanierungspaket für die Jahre 1996 bis 1998. Ziel ist die weitestgehende Beseitigung der strukturellen Defizite von rund 4 Mia Fr. Dabei sieht das Sanierungspaket neben Einsparungen von 2,7 Mia Fr. trotz vorgängigem bürgerlichem Protest auch 1,3 Mia Fr. Mehreinnahmen vor. Der Schwerpunkt liegt auf den indirekten Steuern: Eine erneute Erhöhung des Benzinzolls um 15 Rappen pro Liter sowie höhere Abgaben auf Heizöl und Gas sollen rund eine Milliarde mehr einbringen. 75 Mio Fr. werden von einer Reform der Tabakbesteuerung erwartet. Auf die in einem ersten Anlauf vorgeschlagene Erhöhung der Mehrwertsteuer wurde hingegen verzichtet.
Ausgabenseitig will der Bundesrat die im Rahmen des ersten Sanierungspaketes beschlossenen linearen, zehnprozentigen Kürzungen um weitere zwei Jahre bis Ende 1997 verlängern [39]. Ausserdem sollen 21 Abbaumassnahmen durch Änderungen von Verfassung, Gesetzen und Bundesbeschlüssen dauerhafte Einsparungen bringen. Auf Verfassungsebene sind dies die Aufhebung der kantonalen Kompetenz zur Anschaffung und zum Unterhalt der persönlichen militärischen Ausrüstung, die Aufhebung der Ankaufspflicht für Brennereien und Brennapparaten, die Aufhebung der Übernahmepflicht für Branntwein, die Erweiterung der Zweckbindung der Treibstoffzölle und der Strassenbenützungsabgaben und die Aufhebung der Bundesbeiträge an Bahnhofparkanlagen. Auf Gesetzesebene verlangte der Bundesrat mit 16 Vorschlägen etwa beim Strassenunterhalt, aber auch im Sozialbereich hohe Sanierungsbeiträge. Die Kantone werden per saldo mit rund 120 Mio Fr. belastet, nachdem sie bei den beiden vorherigen Sanierungspaketen weitgehend verschont worden waren. Gemäss dem Finanzplan 1996-98 würde das Defizit bis zum Jahr 1998 auf 1,8 Mia Fr. gesenkt werden. Flankierende Massnahmen und Reformprojekte wie die Neuordnung des Finanzausgleichs, die Überprüfung von Bundessubventionen und eine Verwaltungsreform sollen den Haushalt längerfristig entlasten [40].
Das Sanierungskonzept des Bundesrates wurde heftig kritisiert. Die bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbände lehnten eine Erhöhung des Benzin- und Heizölpreises kategorisch ab und sprachen sich grundsätzlich gegen neue Steuern aus. Linke Parteien wehrten sich vehement gegen eine Reihe sozialer Abstriche, wobei insbesondere die vorgeschlagene Lockerung des AHV/IV-Mischindexes und die Abschaffung der IV-Viertelrente hart kritisiert wurden. Die vorberatende Finanzkommission des Nationalrates beschloss im November Nichteintreten auf eine Erhöhung des Treibstoff-Grundzolls sowie der Einfuhrzölle auf Heizöl und Gas. Sie lehnte auch die Aufhebung des AHV-Mischindexes, der neben der Preis- auch die Lohnentwicklung berücksichtigt, bei der Teuerungsanpassung ab. Die Behandlung des Sanierungsprogrammes wurde von den Räten auf die Januar-Sondersession 1995 verschoben.
 
[29] BBl, V, 1994, S. 581 ff.; NZZ, 7.9.94; Presse vom 15.12.94. Zu den dringlichen Bundesbeschlüssen siehe Teil I, 1c (Verwaltung), 7c (Arbeitslosenversicherung) und 7d (Flüchtlinge).29
[30] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2006 ff., 2262 ff., 2308 ff., 2396 und 2542 f.; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1184 ff., 1291 ff., 1320 ff., 1340 f. und 1360; Presse vom 12.10. und 29.11.94; Bund, 1.12, 2.12., 8.12. und 13.12.94; Presse vom 15.12.94.30
[31] Inkl. Einnahmenüberschuss der Eidg. Versicherungskasse.31
[32] Presse vom 15.12.94. Eine Motion des StR, welche die Ausgaben je Departement und Amt im Voranschlag 95 auf höchstens den Stand des Voranschlags 94 begrenzen wollte, wurde vom NR überwiesen und abgeschrieben (Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2094 f.).32
[33] Documenta, 1995, Nr. 1, S. 7 ff.; Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 3, S. 46 ff.33
[34] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 58 f. (Steinemann); Amtl. Bull. StR, 1994, S. 857 ff. (Cavelty); Verhandl. B.vers., 1994, III, S. 38 (Bührer); BaZ, 11.10.94. Eine ähnliche Motion war 1990 vom NR abgelehnt worden (SPJ 1990, S. 133).34
[35] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 591 (LP), 2466 (Graber) und 2465 (Columberg); Amtl. Bull. StR, 1994, S. 854 (LP).35
[36] BBl, 1994, III, S. 1803; Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1311 ff. und 1967; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 876 ff. und 1075; TA, 3.3.94; NZZ, 21.5.94; Presse vom 27.9.94. Vgl. SPJ 1993, S. 138 f.36
[37] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 356 ff., 667 und 1311 ff.; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 39 ff., 78 ff., 375, 388 ff. und 876; Presse vom 3.3. und 4.3.94. Vgl. SPJ 1993, S. 139 f.37
[38] BBl, 1995, I, S. 97 ff. Siehe auch SPJ 1992, S. 141 f. (1. Sparpaket) und 1993, S. 138 f. (2. Sparpaket).38
[39] In einer neuen Verordnung legte der BR die Ausnahmen von den linearen Kürzungen vor: Insbesondere sind dies Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Ergänzungsleistungen zu AHV/IV, Familienzulagen in der Landwirtschaft, Butter- und Käseverwertung, Ökodirektzahlungen, Ausschaffungsgefängnisse und Verbilligung der Zeitungstransporttaxen (NZZ, 23.12.94).39
[40] BBl, 1995, I, S. 99 ff. In den Prognosen des Finanzplans 1996-98 sind die Aufwendungen für die Sanierung des SBB nicht eingeschlossen.40