Année politique Suisse 1994 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises
Kulturpolitik
Für die Kultur gab die öffentliche Hand 1990 insgesamt 1,85 Mia Fr. aus, das heisst 272 Fr. pro Kopf der Bevölkerung. Dies ging aus der jüngsten diesbezüglichen Untersuchung des Bundesamtes für Statistik hervor. Am meisten Mittel, nämlich 451 Mio Fr. oder 24% flossen den Theatern und dem Musikwesen zu. 320 Mio Fr. (17%) wurden für die Ausbildung an Musikschulen, Konservatorien, Kunstgewerbeschulen und dergleichen aufgewendet. Je rund 12% der Kulturausgaben gingen an die drei Bereiche Bibliotheken und Archive, Museen und Ausstellungen sowie Denkmalpflege und Heimatschutz.
Die
Hauptlast der öffentlichen Kulturförderung trugen mit 53% oder 3,9% ihrer Gesamtausgaben die
Gemeinden. Die Kantone steuerten 39% (2,4%) bei, der Bund lediglich 8% (0,5%). Bibliotheken und Archive, Museen und Ausstellungen, Theater und Musikwesen wurden standortbedingt vorab von den grossen Städten und deren Kantonen gefördert. Basel-Stadt, Bern, Genf, Waadt und Zürich übernahmen so über 65% der gesamten Kantons- und Gemeindeausgaben in diesen Bereichen. Der Bund beschränkte sich in erster Linie auf Aufgaben von gesamtschweizerischer Bedeutung. Dazu gehören die Landesbibliothek und das Landesmuseum, die der Bund in eigener Regie führt. Daneben machte mit 57 Mio Fr. bezw. 37% die Unterstützung der Kantone in Denkmalpflege und Heimatschutz den grössten Brocken im Kulturbudget des Bundes aus. Die Pro Helvetia erhielt 21 Mio Fr.für ihre in- und ausländischen Aktivitäten
[1].
Anlässlich der Exekutivratssitzung der
UNESCO im Frühjahr wurde die Schweiz wieder in den Exekutivrat dieser Organisation gewählt. Als Delegationschefin nahm alt-Nationalrätin Doris Morf (sp, ZH) Einsitz in diesem Gremium
[2].
Auch im zweiten Anlauf scheiterte der Kulturförderungsartikel in der Bundesverfassung (Art. 27septies) nicht am Willen einer Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, sondern an abstimmungstechnischen Modalitäten. 1986 hatten sich die Kulturinitiative, die unter anderem ein Prozent des jährlichen Gesamtbudgets für die Kultur forderte, und der unverbindlichere bundesrätliche Gegenvorschlag durch die damals noch geltende Unvereinbarkeit des doppelten Ja gegenseitig blockiert. Im Berichtsjahr erwies sich das für Verfassungsänderungen notwendige Ständemehr als Stolperstein für die Vorlage. 51% der Stimmberechtigten wollten dem Bund die Kompetenz erteilen, das Kulturschaffen subsidiär und im Interesse der Verständigung unter den vier Kulturregionen zu erhalten, zu fördern und zu vermitteln. Damit sollte dem Bund die verfassungsrechtliche Grundlage für die Übernahme von Aufgaben erteilt werden, die er aufgrund einer etwas grosszügigen Interpretation des Zweckartikels der Bundesverfassung (Art. 2) über die "Beförderung der gemeinsamen Wohlfahrt" faktisch seit dem letzten Jahrhundert wahrnimmt. Durch verschiedene Bundesbeschlüsse wurde dem Bund seither die Kompetenz erteilt, die Denkmalpflege zu unterstützen, die bildende und angewandte Kunst zu fördern sowie Museen und Archive von nationaler Bedeutung zu unterhalten. 1962 wurde der Heimatschutz (Art. 24sexies) in die Verfassung aufgenommen. Der einzige Bereich des eigentlichen Kunstschaffens, in welchem der Bund ausdrücklich durch die Verfassung zu einem Engagement berechtigt wurde, ist jener der Filmförderung, da Volk und Stände 1958 vorwiegend aus handelspolitischen Gründen einem "Filmartikel" in der Bundesverfassung (Art. 27ter) zustimmten. Andere Kunstgattungen, so etwa Literatur, Musik, Theater und Tanz konnten bisher nur indirekt über die Subventionen an die Schweizerische Volksbibliothek, die Jugendliteratur, die Erwachsenenbildung oder die Pro Helvetia unterstützt werden.
Mit dem vorliegenden Kulturförderungsartikel wollten Bundesrat und Parlament der Kulturpolitik des Bundes eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage schaffen und die Entwicklung dieser Politik langfristig sichern. Ausgehend von den Grundsätzen des Föderalismus, der Subsidiarität und des Ausgleichs sollte kulturelles Schaffen gefördert und der Zugang auch weniger begünstigter Gruppen oder Landesteile zur Kultur erleichtert werden. Besondere Bedeutung kam dem Austausch und damit der Verbesserung der Kommunikation zwischen den verschiedenen Sprachen und Kulturen der Schweiz zu. Lediglich 49% der Stimmberechtigten sprachen sich gegen dieses Ansinnen aus. Da sie jedoch in zehn Kantonen und vier Halbkantonen - namentlich allen rein deutschsprachigen Kantonen mit Ausnahme Zürichs und der beiden Basel - die Mehrheit bildeten, konnten sie sich gegen die zustimmenden zehn Kantone und zwei Halbkantone - neben den bereits genannten alle mehrsprachigen Kantone, das Tessin und die Romandie - durchsetzen und die Vorlage zu Fall bringen.
Kulturförderungsartikel (Art. 27septies
BV)
Abstimmung vom 12. Juni 1994
Beteiligung: 46,6%
Nein: 1 018 188 (49,0%) / 10 4/2 Stände
Ja: 1 114 158 (51,0%) / 10 2/2 Stände
Parolen:
- Nein: SVP (9*), LP (2*), FP, SD, Lega, EDU; SGV, Redressement national.
- Ja: FDP (4*), SP, CVP, GP, LdU, EVP, PdA; SGB, CNG.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Ablehnung des Kulturförderungsartikels kam umso überraschender, als sich bei der Beratung im Parlament kaum Opposition bemerkbar gemacht hatte. Im Vorfeld der Abstimmung sprachen sich alle grossen Parteien - mit Ausnahme der SVP, welche die Vorlage an ihrer Delegiertenversammlung mit einem Zufallsmehr verwarf - dafür aus. Von den Verbänden lehnten nur gerade der Gewerbeverband und das Redressement national den neuen Verfassungsartikel offen ab. Die grösste Gegnerin der Vorlage, nämlich die
Gleichgültigkeit, machte Bundesrätin Ruth Dreifuss bereits zu Beginn der Abstimmungskampagne aus. In der Folge gelang es weder ihr noch ihren Mitarbeitern im Bundesamt für Kultur (BAK), aber auch nicht dem Unterstützungskomitee, dem rund 140 eidgenössische Parlamentarierinnen und Parlamentarier angehörten, ebensowenig wie den Kulturschaffenden, die sich geschlossen hinter die Vorlage stellten, diese Gleichgültigkeit zu durchbrechen. Dazu trug auch bei, dass die Abstimmung vom 12. Juni von der äusserst kontroversen Blauhelm-Frage dominiert wurde
[4].
Die
Vox-Analyse dieses Urnengangs zeigte, dass für die Befürworter des Verfassungsartikels Kultur einen derart selbstverständlichen Stellenwert hat, dass sie die Wirkung der Argumente der Gegner unterschätzten. Diese malten in erster Linie das Schreckgespenst nicht abzusehender Kosten an die Wand, obgleich von den Befürwortern immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass der neue Kulturförderungsartikel ein Kann-Artikel sei, der es dem Parlament erlauben würde, die Kulturausgaben jährlich über das Budget zu steuern. Der wichtigste Beweggrund für die Ablehnung war denn auch die angespannte Finanzlage des Bundes, gefolgt von einer generellen Geringschätzung der Kultur sowie von föderalistischen Bedenken. Wesentlich mitgespielt hat auch der Bildungsstand sowie ein weitverbreitetes Misstrauen gegenüber der Landesregierung, den politischen Eliten und den Kulturschaffenden, denen immer noch der "Kulturboykott" der Jubiläumsfeierlichkeiten von 1991 angelastet wurde
[5].
Im Spätsommer des Vorjahres hatte der Bundesrat seine Vorschläge zur Unterbindung des Handels mit illegal erworbenen Kulturgütern in die Vernehmlassung geschickt. Er hatte dabei eine Ratifikation der entsprechenden UNO-Konvention von 1970 sowie einen Verfassungszusatz als Grundlage für eine Gesetzgebung zur Regelung der Ein- und Ausfuhr sowie zur Rückgabe von Kulturgütern vorgesehen. In der Zielsetzung waren sich die angefragten Parteien und Organisationen einig, in der Beurteilung der zu ergreifenden Massnahmen zeigten sich aber grosse Unterschiede. Vorort, Gewerbeverband, SVP sowie die Verbände der Kunsthändler, Antiquare und Kunstsammler lehnten das Rechtssetzungsprojekt ab, da es auch den legalen internationalen Kunsthandel beeinträchtige und im Widerspruch zur Handels- und Gewerbefreiheit stehe. Die meisten Missbräuche könnten zudem mit bestehenden Vorschriften zu Geldwäscherei und Rechtshilfe geahndet werden. Befürwortet wurde die Schaffung einer Bundeskompetenz hingegen von FDP, CVP und SP, der "Erklärung von Bern", den Dachverbänden der Museen der Schweiz sowie von einer Mehrheit der Kantone.
Der Beitritt zur UNO-Konvention wurde neben den Gegnern eines Verfassungsartikels
auch
von der FDP abgelehnt, da dies ihrer Ansicht nach zu einschneidenden Vorschriften und einem immensen Kontrollapparat führen würde. Die CVP befürwortete die Ratifikation, wollte sie aber mit Vorbehalten gegen allzu rigide Grenzkontrollen versehen. Auch die SP räumte gewisse Mängel der Konvention ein, unterstrich aber, mit dem Beitritt würde die Schweiz ein Zeichen der Solidarität mit den Herkunftsländern setzen und signalisieren, dass sie bereit sei, zu internationalen Standards in Handel und Umgangsformen zurückzukehren
[6].
Knapp acht Monate nach dem Grossbrand konnte Mitte April die
wiederaufgebaute Kapellbrücke in Luzern im Beisein von Bundesrat Cotti mit einem grossen Volksfest eingeweiht werden. Die seinerzeit im Dachstock der Brücke angebrachten, äusserst wertvollen Bildtafeln wurden vorderhand durch Faksimiles ersetzt, bis die Originalbilder restauriert oder kopiert sind und klar ist, welche Sicherungsmassnahmen vorgenommen werden können
[7].
Eine vom BAK, der Eidg. Kommission für Denkmalpflege und der Nationalen Informationsstelle für Kulturgütererhaltung (Nike) in Auftrag gegebene Studie stellte den Handlungsbedarf auf dem Gebiet der Denkmalpflege und der Kulturgütererhaltung dar und lieferte wichtiges Grundlagenmaterial, insbesondere zum
Spannungsverhältnis zwischen privatem Besitz und öffentlichem Interesse. Die Autoren schlugen unter anderem vor, inskünftig vermehrt mit steuerlichen Anreizen zu arbeiten, die dank ihrer sofortigen und kalkulierbaren Wirkung in stärkerem Mass Investitionen zur Erhaltung von Baudekmälern auszulösen vermöchten als Subventionen. Die Studie stellte zudem fest, die Tourismusbranche profitiere in beträchtlichem Ausmass von der historischen Bausubstanz, leiste aber selber keinen Beitrag an deren Unterhalt. Bei der Beschaffung der finanziellen Mittel müssten deshalb in Zukunft vermehrt auch die Hotellerie und die vom Tages-Tourismus profitierenden Betriebe nach dem Nutzniesser-Prinzip zur Kasse gebeten werden
[8].
Ende März eröffnete die Pro Helvetia in Zusammenarbeit mit dem EDA ein Kulturzentrum in der polnischen Königs- und Universitätsstadt
Krakau. Damit entstand nach Budapest (1992), Prag und Bratislava (1993) die vierte kulturelle "Antenne" der Schweiz in Ostmitteleuropa
[9].
Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit hatte Bundesrätin Dreifuss ein Weissbuch zur eidgenössischen Filmförderung in Auftrag gegeben, um damit Entscheidungsgrundlagen für eine revidierte Filmpolitik zu erhalten. Wegen des Zeitdrucks und aufgrund unterschiedlicher Auffassungen innerhalb der Branche wurde es nicht in der geplanten Form einer umfassenden Bestandesaufnahme, sondern als
"Weiss-Schachtel" mit einem Bündel von über 20 Papieren abgeliefert. Die wichtigsten Vorschläge, die Ende Juni an einer Tagung "Assises du cinéma" in Locarno mit allen involvierten Kreisen diskutiert wurden, betrafen die Einrichtung eines
Garantiefonds zur Verbilligung von Bankkrediten, die Schaffung eines
Schweizerischen Filminstituts, welches die heute vom BAK, der Pro Helvetia und dem Schweizerischen Filmzentrum getrennt wahrgenommenen Aufgaben bündeln soll, sowie eine vom Kinoerfolg abhängige automatische Filmförderung (
"Financière du cinéma") als zweite Säule neben der heute schon bestehenden qualitativ ausgerichteten Herstellungsförderung. Dabei würde ein Schweizer Kinofilm für jeden Eintritt rückwirkend vom Bund einen bestimmten Betrag erhalten, mit welchem einerseits Verleiher und Kinos und andererseits Produzenten und selbständig produzierende Regisseure unterstützt würden. Verleiher und Kinos sollten damit ermutigt werden, vermehrt Schweizer Filme zu zeigen, den Produzenten und Autorenproduzenten würde das Geld zur Anfangsfinanzierung ihres nächsten Kinofilms dienen. Diese Massnahme nach französischem und deutschem Vorbild war allerdings ziemlich umstritten. Kritisiert wurde insbesondere, die auf Publikumserfolg konzentrierte Förderung könne zu einer Schmälerung der filmkulturellen Kreativität in der Schweiz führen, die sich im Ausland mit meist eigenwilligen, aber nicht unbedingt kommerziellen Filmen einen guten Ruf geschaffen habe
[10].
Bundesrätin
Dreifuss, welche sich im Rahmen des Filmfestivals von Locarno zu diesen Vorschlägen und Anregungen äusserte, zeigte sich
ziemlich zurückhaltend. Sie gab ihrer Überzeugung Ausdruck, dass die bestehenden Instrumente zur Förderung des Schweizer Films effizienter eingesetzt werden könnten. Die Einführung einer erfolgsorientierte Filmförderung verlangt ihrer Ansicht nach vermehrte Vorarbeiten und eine vertieftere Analyse. Diplomatisch äusserte sich Dreifuss auch zur Idee eines Schweizer Filminstituts. Mehr als auf eine dirigistische Intervention von oben möchte sie hier auf ein harmonisches Zusammenwachsen der bereits vorhandenen Strukturen setzen. Einzig den Vorschlag für die Einführung eines Garantiefonds versprach sie möglichst rasch zu realisieren
[11].
Anlässlich ihres Besuches bei der Europäischen Union in Brüssel plädierte Bundesrätin Dreifuss für eine Wiederaufnahme der Schweiz in
"Media". Die Schweiz war 1992 als erstes Land ausserhalb der EG zu diesem grossangelegten Programm zur Förderung der audiovisuellen Produktion zugelassen, dann aber nach dem EWR-Nein wieder davon ausgeschlossen worden. Die Schweizer Filmbranche erachtet die Teilnahme an "Media" als äusserst wichtig, da sie den Zugang zum europäischen Markt sicherstellt. Der Bundesrat hat denn auch dem BAK schon sehr früh ein Verhandlungsmandat mit der EU erteilt, doch wurden die offiziellen Unterhandlungen bis zum Ende des Berichtsjahres nicht aufgenommen. Solange kein neues Abkommen abgeschlossen ist, verwendet das BAK die Gelder, die für die Teilnahme an "Media" bestimmt waren, für die direkte Förderung von inländischen Film- und Fernsehproduktionen
[12].
An ihrem ersten gemeinsamen Kongress sprachen sich die Dachverbände der Bibliothekare, Dokumentalisten und Archivare für eine Professionalisierung ihrer Ausbildung auf Stufe Fachhochschule aus. Sie machten an der Tagung auch darauf aufmerksam, dass Papiere des 19. und 20. Jahrhunderts, welche den grössten Bestand in schweizerischen Bibliotheken und Archiven ausmachen, wegen ihres hohen Säuregehalts vom Zerfall bedroht sind. Neben der Restaurierung wertvoller Einzelstücke müssten daher vermehrt
Präventionsmassnahmen getroffen werden, die im Rahmen von umfassenden, international vernetzten Bestandeserhaltungskonzepten auch bundespolitisch getragen sein sollten. Bundesrätin Ruth Dreifuss unterstützte in ihrer Ansprache vor dem Kongress dieses Postulat ebenso wie die Aufwertung der Ausbildung in diesen Berufsgattungen. Sie erklärte, sie wolle der Erhaltung der Bücher und anderer Informationsträger höchste Priorität einräumen und habe deshalb eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Konzeptes beauftragt. Die im Vorjahr angeregte Schaffung einer gesamtschweizerischen Mediathek wurde allerdings angesichts der Finanzlage des Bundes zugunsten einer Vernetzung der mit audiovisuellem Kulturgut befassten nationalen Institutionen zurückgestellt
[13].
Als letzte der grossen Schweizer Bibliotheken stellte die
Schweizerische Landesbibliothek (SLB) ihren Katalog auf elektronische Datenverarbeitung um. Der neue Katalog "Helveticat" enthält vorderhand sämtliche Titel, die seit 1951 publiziert wurden. Als nächstes werden die Bestände der SLB aus den Jahren 1848-1900 erfasst. Bis Ende 1995 soll auch die dritte Etappe, die Aufnahme der Titel zwischen 1901 und 1950 abgeschlossen sein
[14].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament, der
Schweizerischen Volksbibliothek (SVB) in Weiterführung der seit 1920 gewährten Finanzhilfe für die Periode 1996-1999 einen jährlichen Bundesbeitrag von 1,8 Mio Fr. auszurichten. Die SVB konnte zu Beginn des Jahres in Solothurn ihr neues Bibliocenter für die deutsche und die romanische Schweiz eröffnen. Von dieser Zentrale aus werden Gemeinden und Schulen, Firmen und Heime sowie die Armee mit austauschbaren Bücherkollektionen versorgt
[15].
Das in Schwyz als Aussenstelle des Landesmuseums geplante
"Forum der Schweizer Geschichte" kam auch im Berichtsjahr nicht aus den Turbulenzen. Nach zwei vom Bundesgericht abgewiesenen staatsrechtlichen Beschwerden gegen die Baubewilligung kämpfte das Museumsprojekt nun mit Schwierigkeiten im Management. Die auf Frühsommer des Berichtsjahres in Aussicht genommene Eröffnung konnte deshalb nicht stattfinden. Sie wurde unter neuer Leitung und nach Genehmigung eines neuen Ausstellungskonzeptes auf Juni 1995 verschoben
[16].
Für das hochverschuldete
Volkstumsmuseum Kornhaus in Burgdorf (BE) zeigte sich nach langen Jahren der Ungewissheit eine Lösung auf. Nachdem die Burgdorfer Stimmberechtigten 1993 einen Nachtragskredit von 1,5 Mio Fr. abgelehnt und damit die Zukunft des Museums in Frage gestellt hatten, stimmten sie nun einem Projekt zu, in welchem die Stadt zwar nach wie vor die Mehrheit an der noch nicht beglichenen Bausumme, der Kanton aber den Hauptanteil am Betriebsdefizit übernimmt
[17].
Im Streit zwischen Urheberrechtsgesellschaften und Nutzern über die Höhe der
Leerkassettengebühr auf unbespielten Ton- und Bildträgern entschied die Eidg. Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten, den Tarif pro Stunde für Tonträger auf 38 Rappen und für Bildträger auf 53 Rappen festzusetzen. Beide Parteien reichten darauf beim Bundesgericht Beschwerde ein. Zusätzlich beantragten die Nutzer die Gewährung der aufschiebenden Wirkung. Dieses Gesuch wurde vom Bundesgericht abgelehnt, weshalb zumindest vorübergehend der von der Schiedskommission festgelegte Tarif zum Tragen kommt
[18].
In einem Postulat bat Ständerat Petitpierre (fdp, GE) den Bundesrat zu prüfen, inwiefern eine Erhebung von Urheberrechtsgebühren für die Aufführung von Werken, die Allgemeingut geworden sind, unter der Bedingung ins Auge gefasst werden könnte, dass die resultierende Entschädigung karitativen Zwecken zugute kommt. Konkret ging es um den 1991 vom weltberühmten Geiger Lord Yehudi Menuhin ins Leben gerufenen "Fonds Mozart" zur Finanzierung von Aktivitäten, die dazu bestimmt sind, das Leiden in der Welt zu mindern und zu verhindern. In seiner Antwort verwies Bundesrat Koller darauf, dass auch in anderen europäischen Ländern die Möglichkeit der Einführung eines
"domaine public payant" zugunsten der Allgemeinheit diskutiert werde. Er war bereit, das Postulat entgegenzunehmen, worauf es diskussionslos überwiesen wurde
[19].
Nachdem der Einbau eines Kulturförderungsartikels in die Bundesverfassung am Ständemehr gescheitert war (s. oben), empfahl die Konferenz der Schweizer Städte für Kulturfragen ihren 16 Mitgliedstädten einstimmig, ihre Kräfte nun darauf zu konzentrieren, die Kulturpolitik als verpflichtende Aufgabe in die Reglemente ihrer Gemeinwesen aufzunehmen. Als erste legte daraufhin
die Stadt Bern ihr
Projekt für eine Kulturpolitik bis ins Jahr 2008 vor. Mit ihrem Konzept will die Berner Exekutive die Kulturpolitik zu einem festen Bestandteil ihrer Politik und der Entwicklung der Stadt machen sowie Verhältnisse mitgestalten, in denen die Kultur als Schlüssel für notwendige Veränderungen wirken kann. Unter dieser Zielsetzung nahm sie sich vor, für die nächsten zwölf Jahre ein systematisches Handeln einzuleiten, das ein Setzen von Prioritäten erlauben und gleichzeitig Beliebigkeit und Zufälligkeit in der Kulturförderung verhindern soll. Partnerschaft mit Bevölkerung und Kulturschaffenden wurde dabei ebenso zur Bedingung gemacht wie das Verständnis für fremde Kulturen
[20].
In
Zürich konnte die
Entflechtung der kulturellen Aufgaben zwischen Stadt und Kanton erfolgreich abgeschlossen werden. Im September nahmen die Stimmbürger des Kantons mit rund 75% Ja-Stimmen zwei Vorlagen an, die den Kauf des Opernhauses und die alleinige Finanzierung dieser Institution durch den Kanton ermöglichen. Im Gegenzug wird die Stadt den Betriebskredit der drei anderen grossen Kulturinstitute (Schauspielhaus, Tonhalle und Kunsthaus) ohne Kantonssubventionen berappen. Erhalten bleiben der Stadt aber die Beiträge der Gemeinden aus dem Steuerkraftausgleich
[21].
Gleichentags wie auf Bundesebene der Kulturförderungsartikel abgelehnt wurde, genehmigten rund zwei Drittel der Stimmbürger der Stadt
Luzern den für den Bau des neuen
Kultur- und Kongresszentrums notwendigen Kredit von 94 Mio Fr. Im Vorfeld der Abstimmung gab es kaum Opposition gegen das Projekt. Selbst die SP und die Grünen, welche in früheren Jahren gewisse Bedenken gegen das Mammutprojekt geäussert hatten, zeigten sich nun überzeugt, dass am Europaplatz für gesamthaft 194 Mio Fr. ein "Jahrhundertbau" entstehen werde. Einzig die Unabhängige Frauenliste sprach sich nach wie vor offen dagegen aus
[22].
Der Regierungsrat des Kantons
Basel-Stadt beantragte dem Grossen Rat
massive Einsparungen im Kulturbereich. Die Subventionen an die Theatergenossenschaft sollen bis zur Spielzeit 2000/2001 um 30%, jene an die beiden Orchester um 22% zurückgestuft werden. Der Grosse Rat stimmte grundsätzlich zu, will aber die Details der Kürzungen im Theaterbereich von einer parlamentarischen Kommission festlegen lassen. Andererseits beschlossen Regierung und Grosser Rat einen Investitionskredit von 10 Mio Fr. für den Umbau einer der Muba-Hallen in eine permanente Musical-Bühne. Dank den Einnahmen aus der Billetsteuer soll dieser Betrag innert zwei Jahren wieder in die Staatskasse zurückfliessen
[23].
Seit drei Jahren leistete sich die
Stadt Zug einen
Stadtbeobachter, eine Schriftstellerin oder einen Schriftsteller, die auf Kosten des Gemeinwesens dort lebten, arbeiteten und am kulturellen Leben teilnahmen. Vor allem auf Betreiben der SVP verweigerten die Zuger Stimmberechtigten nun eine Weiterführung des dafür notwendigen Kredits von 90 000 Fr. pro Jahr. Die Gegner dieser in der Schweiz einmaligen Form der Literaturförderung argumentierten, die Institution müsse auf private Basis gestellt werden, da die öffentliche Hand im Augenblick die Aufgabe habe, bei allen unnötigen Ausgaben zu sparen
[24].
[1] Presse vom 7.5.94. Für eine Untersuchung, die am Beispiel der Kulturinstitute der Stadt Bern belegte, dass pro Subventionsfranken durchschnittlich drei Franken an den Staat und die Wirtschaft zurückfliessen, siehe
Bund, 25.5.94. Zur Bedeutung des privaten Sponsorings vgl.
SGT, 22.7.94 und
BZ, 23.8.94.1
[2]
Gesch.ber., 1994, II, S. 202
[4] Presse vom 22.3.-11.6.94.4
[5] P. Sciarini / J. Barranco,
Analyse der eidg. Abstimmungen vom 12. Juni 1994, Vox Nr. 53, Adliswil/Bern 1994. Siehe auch
SPJ 1991, S. 17 f.5
[6]
NZZ, 14.1.94;
TA, 23.2.94;
BZ, 22.10.94. Siehe
SPJ 1993, S. 256 f.6
[7] Presse vom 19.2., 3.3.und 15.4.94;
LZ, 13.3. (Beilage), 1.7. und 24.12.94;
NZZ, 22.7.94;
LNN, 10.9.94. Vgl.
SPJ 1993, S. 256.7
[8]
Bund, 16.11.94. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR in
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 642 f.8
[10]
Baz, 18.1.94;
Ww, 3.2.94; Presse vom 29.6.94.10
[11] Presse vom 8.8.94;
TA, 13.8.94. Die Chefin der Sektion Film im BAK, Yvonne Lenzlinger, gab anfangs November überraschend ihren Rücktritt bekannt. Lenzlinger, die erst seit August 1993 im Amt war, begründete ihren Schritt mit dem Fehlen der grossen Linien und dem mangelnden Mut, neue Ideen umzusetzen (Presse vom 11.11.94;
TA, 12.11.94).11
[12]
BaZ, 10.2.94;
NQ, 12.10.94 und 10.2.95. Vgl.
SPJ 1993, S. 257.12
[13]
Gesch.ber., 1994, II, S. 39;
NZZ, 5.9.94. Siehe auch
SPJ 1993, S. 257.13
[14]
BaZ, 19.10.94. Für die Unvereinbarkeit der Datenverarbeitung der SLB mit jener anderer gesamtschweizerisch wichtiger Bibliotheken siehe
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1228 f. und
SPJ 1993, S. 258.14
[15]
BBl, 1994, V, S. 189 ff.;
TA, 22.1.94. Siehe auch
SPJ 1991, S. 275.15
[16]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 612 f.;
SoZ, 2.1.94;
LNN, 26.1., 12.7., 22.11. und 16.12.94;
SGT, 11.3.94. Siehe auch
SPJ 1992, S. 275.16
[17]
Bund, 1.2., 16.7., 21.9., 27.9., 9.11., 5.12. und 6.12.94;
TA, 29.8.94;
BaZ, 2.9.94. Im Vorfeld der Abstimmung gab der Nidwaldner CVP-Nationalrat Iten überraschend seinen Rücktritt als Stiftungspräsident bekannt (
Bund, 25.8.94). Siehe auch
SPJ 1991, S. 274.17
[18]
NZZ, 10.1., 2.3., 8.4. und 30.7.94;
Bund, 7.7.94;
LNN, 29.7.94. Vgl.
SPJ 1993, S. 259.18
[19]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1157 f.19
[20]
Bund, 15.6., 17.9. und 5.11.94. Anlass für die Ausarbeitung des Berner Kulturkonzeptes war auch eine im Vorjahr von über 60 000 Personen unterzeichnete Petition, welche die Stadtexekutive ersucht hatte, die Sparmassnahmen in einem für die kulturellen Institutionen tragbaren Rahmen zu halten (
SPJ 1993, S. 259). Zu den Kulturaufgaben der Städte siehe
BaZ, 16.2., 19.2., 24.2., 1.3., 9.3., 12.3., 16.3., 22.3., 29.3., 7.4., 9.4., 16.4. und 23.4.94.20
[21]
TA, 11.2., 29.3., 19.5. und 15.9.;
LNN, 30.8., 3.9. und 13.9.94; Presse vom 26.9.94. Auch die Stadt Bern soll durch eine Revision des kantonalen Kulturförderungsgesetzes von ihrer Zentrumsfunktion entlastet werden. Der Regierungsrat unterbreitete dem Grossen Rat entsprechende Änderungsanträge, durch die insbesondere die Agglomerationsgemeinden stärker eingebunden würden (
Bund, 9.3., 17.6., 23.9. und 26.10.94).21
[22] Presse vom 13.6.94. Siehe
SPJ 1993, S. 259 f. Nach der Bereinigung verschiedener Einsprachen konnte in Luzern auch mit dem Ausbau des alternativen Kulturzentrums Boa begonnen werden (
LNN und
LZ, 14.6.94. Vgl.
SPJ 1991, S. 276).22
[23] Einsparungen:
BaZ, 13.1., 10.2., 16.2., 8.3., 23.3., 3.6., 8.6., 10.6., 30.6., 18.8. und 8.9.94. Musical-Theater:
BaZ, 17.3., 30.3., 14.4., 16.4., 28.4., 28.6. und 29.10.94.23
[24]
TA, 10.2.94;
LNN und
LZ, 21.2., 25.2. und 2.3.94.24
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