Année politique Suisse 1997 : Partis, associations et groupes d'interêt / Associations et autres groupes d'interêt
Arbeitnehmer
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) gab zu Jahresbeginn bekannt, dass er die generelle Verkürzung der Arbeitszeit zu seiner Hauptforderung machen werde. Er sah darin insbesondere auch ein Mittel, um die Wirtschaftsrezession zu überwinden und die Zahl der Beschäftigten zu erhöhen. Die Arbeitszeitreduktion solle sowohl im Zentrum der Verhandlungen über neue Gesamtarbeitsverträge stehen als auch mit einer Volksinitiative erkämpft werden. Einen Vorentwurf für diese geplante Initiative gab der SGB in die verbandsinterne Konsultation. Das Projekt sieht vor, die gesetzliche Höchstarbeitszeit schrittweise auf 37 Wochenstunden zu beschränken. Der SMUV folgte der Empfehlung des SGB und erklärte zum Auftakt der Verhandlungen über den neuen Gesamtarbeitsvertrag in der Maschinenindustrie eine Arbeitszeitreduktion um 10% ohne Lohneinbusse zu seiner Hauptforderung. Als Gegenleistung offerierte er sein Einverständnis zu einer Flexibilisierung der Arbeitszeit, welche den Unternehmen innerhalb einer fixen Jahreshöchstarbeitszeit mehr Spielraum für unregelmässige Wochenarbeitszeiten lassen würde.
Der Präsident des
Christlichnationalen Gewerkschaftsbunds (CNG), Hugo Fasel (csp, FR), kündigte ebenfalls politische Vorstösse für eine Arbeitszeitreduktion an. Die vom SGB geplante Volksinitiative beurteilte er allerdings als zu starr; er forderte stattdessen, eine Arbeitszeitreduktion mit der Realisierung von neuen Arbeitszeitmodellen zu verknüpfen. Die Delegiertenversammlung der CNG unterstützte den Vorstand in seiner Absicht, sich nicht an der SGB-Initiative zu beteiligen, sondern einen eigenen Initiativtext auszuarbeiten
[7].
Nach dem Sieg von 1996 in der Volksabstimmung über das revidierte Arbeitsgesetz konnten die Gewerkschaften bereits wieder einen
Abstimmungserfolg verbuchen. Am 28. September lehnten die Stimmberechtigten mit knappem Mehr den Dringlichen Bundesbeschluss über die Leistungskürzungen bei der Arbeitslosenversicherung ab. Der SGB war bei der Kampagne zu dieser Abstimmung in der ersten Reihe gestanden, obwohl er das von einem lokalen Arbeitslosenkomitee aus La Chaux-de-Fonds (NE) lancierte Referendum, dem sich in der Folge auch die Gewerkschaftsbünde der Kantone Genf und Waadt sowie der VPOD angeschlossen hatten, nicht unterstützte. Der Grund für die anfängliche Passivität des SGB war seine Einschätzung gewesen, dass dieses Referendum in der Bevölkerung keine Unterstützung finden werde
[8].
Der Stimmfreigabe des SGB für die Volksabstimmung über die SP-Volksinitiative für ein
Verbot der Kriegsmaterialausfuhr stiess bei der SP auf Verständnis. Der Gewerkschaftsbund hatte die Initiative zwar ursprünglich unterstützt, die seit der Lancierung eingetretene Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt veranlasste ihn nun aber zu einer Distanzierung
[9].
Wie bereits im Jahr zuvor waren auch dieses Jahr die meist im VPOD organisierten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes beim
Kampf gegen eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen im Rahmen von kantonalen Sparprogrammen sehr aktiv. Mehrmals führten sie zur Unterstreichung ihrer Forderungen grosse Demonstrationen durch. Der Versuch der Gewerkschaften des SGB, die Bankangestellten zu Manifestationen gegen die Fusion von zwei Grossbanken und den damit verbundenen Arbeitsplatzabbau zu mobilisieren, scheiterte hingegen
[10].
Der
Bankpersonalverband und der
Kaufmännische Verband, die in letzter Zeit bei Lohnverhandlungen eng kooperiert hatten, gaben bekannt, dass sie einen Zusammenschluss planen. Im Juni stimmten sowohl die Delegierten des rund 20 000 Mitglieder zählenden Bankpersonalverbands als auch diejenigen des Kaufmännischen Verbandes (70 000 Mitglieder) dem Prinzip eines Zusammenschlusses zu
[11]. Die Vorbereitungen für den auf Anfang 1999 geplanten Zusammenschluss der sechs im
Medienbereich tätigen Gewerkschaften wurden weiter vorangetrieben. Als erste stimmte die Gewerkschaft Druck und Papier (GDP) Strukturen und Leitbild der neuen Organisation, welche den Namen Comedia erhalten soll, zu. Opposition machte sich hingegen beim Verband der Journalisten und Journalistinnen (SVJ) bemerkbar. Mehrere Sektionen sprachen sich dafür aus, auch weiterhin eine nicht dem SGB angehörende Standesorganisation zu bleiben. Die Delegiertenversammlung beauftragte daraufhin den Vorstand, für den SVJ einen Sonderstatus innerhalb der Comedia auszuhandeln
[12]. Die 1996 dem SGB beigetretene Gewerkschaft der
Berufsfussballspieler (Profoot) löste sich - nach dem Rücktritt ihres Präsidenten André Egli - wegen Desinteresse der Beteiligten bereits wieder auf
[13].
Die
Mitgliederzahlen der Gewerkschaften gingen weiter zurück. In diesen Zahlen spiegelte sich zum Teil auch der anhaltende Abbau von Arbeitsplätzen im Industriesektor, dem traditionellen Tätigkeitsbereich der meisten der im SGB und im CNG zusammengeschlossenen Verbände wieder. Die Zahl der im SGB organisierten Arbeitnehmer unterschritt erstmals seit 1953 die Marke von 400 000; sie nahm bis zum Jahresende um 15 648 auf 395 424 ab. Auch der CNG hatte 1997 einen Mitgliederschwund in Kauf zu nehmen und umfasste am Jahresende noch 93 100 Personen. Insgesamt haben die vier wichtigsten Dachverbände der Arbeitnehmer (SGB, CNG, VSA und Föderativverband) seit 1990 mehr als 10% ihrer Mitglieder eingebüsst. Sie zählten zu Jahresende noch 772 500 Personen, wovon rund 144 000 Doppelmitglieder waren. Weitere 166 000 Personen waren in Arbeitnehmerorganisationen ausserhalb der vier erwähnten Dachverbände organisiert (Bankpersonal, Lehrer etc.)
[14].
[7]
Lib., 3.11.97 (Fasel);
NZZ, 8.11.97 (DV).7
[8]
WoZ, 14.2.97;
SZ, 3.4.97 (Unterstützung durch den SGB nach Zustandekommen des Referendums). Vgl. oben, Teil I, 7c (Arbeitslosenversicherung).8
[9]
SGT, 15.4.97. Vgl. oben, Teil I, 2 (Politique économique extérieure). Der SMUV gab die Stimme ebenfalls frei, die GBI unterstützte hingegen die Initiative (
TA, 7.6.97).9
[10] Der nicht dem SGB angehörende Bankpersonalverband hatte sich an diesen Demonstrationen nicht beteiligt. Vgl. oben, Teil I, 1b (Politische Manifestationen) und 4b (Banken).10
[11]
BaZ, 27.2.97;
JdG und
TA, 21.6.97.11
[12] GDP:
Bund, 16.6.97. SVJ:
TA, 4.11.97;
AZ und
NZZ, 26.11.97. Neben den erwähnten Verbänden GDP und SVJ sollen der neue Gewerkschaft auch der Lithografenbund (SLB), die Journalistenunion (SJU), das Syndikat Schweizerischer Medienschaffender (SSM) und der Angestelltenverband der BuchhändlerInnen (ASB) angehören. Vgl.
SPJ 1996, S. 372.12
[13]
Bund, 10.4.97. Siehe
SPJ 1996, S. 372.13
[14]
TA, 7.5.98 (SGB);
Bund, 15.7.98. Siehe auch
Lit. Bauer und SGB. Die im Vorjahr hier unter Berufung auf die Presse wiedergegebene Information, dass der CNG 1995 durch den Eintritt von Tessiner Organisationen massiv angewachsen sei, trifft offenbar nicht zu (vgl.
SPJ 1996, S. 372).14
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