Année politique Suisse 1998 : Economie / Politique économique générale
 
Strukturpolitik
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KMU
Der Nationalrat überwies gegen den Widerstand von Moser (fp, AG) eine Motion seiner Aussenpolitischen Kommission, welche verlangt, dass die Erhaltung und Förderung der KMU zu einer der Aufgaben der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik gemacht wird. Als Massnahmen dazu gehören nach Ansicht der APK insbesondere der Abschluss von bilateralen Verträgen mit der EU, um deren Märkte für schweizerische KMU zu öffnen, sowie Bemühungen, ausländische KMU zu Betriebsgründungen in der Schweiz zu veranlassen. Der Ständerat unterstützte zwar die Ziele dieses Antrags ebenfalls, war aber der Überzeugung, dass entsprechende Massnahmen bereits ergriffen oder eingeleitet worden seien. Er beschloss deshalb, den Vorstoss lediglich als Postulat zu überweisen und gleichzeitig als erfüllt abzuschreiben [10].
Das Anliegen der im Vorjahr vom Nationalrat überwiesenen Motion Cavadini (fdp, TI), mit der Setzung von Fristen die Bewilligungsverfahren der Bundesverwaltung zu beschleunigen, fand auch in der kleinen Kammer Zustimmung. Aus formalen Gründen wurde die Motion aber abgelehnt und an ihrer Stelle eine gleichlautende Empfehlung überwiesen [11]. Aus der im Vorjahr vom Nationalrat überwiesenen Motion Widrig (cvp, SG) übernahm der Ständerat die beiden Punkte, welche verlangen, dass neue Bewilligungsverfahren nur auf dem Gesetzesweg eingeführt werden dürfen resp. der Instanzenweg abschliessend und mit klaren Fristsetzungen für die Behandlung zu regeln ist. Den Rest des Vorstosses überwies er als Postulat [12]. Der Bundesrat war inzwischen in der Frage der Konzentration und Beschleunigung des bundesrechtlichen Plangenehmigungsverfahrens bereits selber aktiv geworden. Im Februar unterbreitete er dem Parlament eine Botschaft mit einer Reihe von Gesetzesänderungen zu diesem Zweck. Im Herbst präsentierte er zudem diverse Studien zu administrativen Hindernissen für die Wirtschaft und beauftragte das EVD und das EFD, konkrete Verbesserungsmassnahmen, namentlich zur Verkürzung der Behandlungsfristen für Gesuche und Bewilligungen vorzuschlagen [13].
Der Ständerat befasste sich in der Dezembersession mit dem im Vorjahr vom Nationalrat verabschiedeten Bundesbeschluss zur Förderung von Risikokapitalanlagen. Gemäss dem Kommissionssprecher hatte sich in der Zwischenzeit die Situation grundlegend verändert. Da inzwischen von der Wirtschaft verschiedene Risikokapitalfonds und andere Beteiligungsgesellschaften geschaffen worden waren – unter anderem eine Tochterfirma der Bank UBS, welche sich am Kapital von innovativen KMU beteiligt –, dränge sich eine steuerliche Unterstützung der Kapitalgeber nicht mehr auf. Diese Steuererleichterungen würden zudem auch den Sparbeschlüssen des „Runden Tisches“ widersprechen. Die Kommission schlug deshalb vor, lediglich eine Minimalvorlage zu verabschieden, welche gewisse steuerlichen Anreize für Kapitalgesellschaften bringt, die einen bestimmten Teil ihrer Mittel in neue Unternehmungen investieren (z.B. Befreiung von der eidgenössischen Emissionsabgabe) [14]. Im Anschluss an diesen Entscheid überwies der Ständerat die Motion des Nationalrats für eine Lockerung der Anlagevorschriften für Pensionskassen zugunsten eines grösseren Engagements in Wagniskapitalanlagen in Postulatsform [15].
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Regionalpolitik
Zur Alpenkonvention siehe unten, Teil I, 6d (Protection des sites).
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Tourismus
Das neue Gesetz über das Glücksspiel und über die Spielbanken wurde in der Dezembersession vom Parlament verabschiedet. Der Nationalrat folgte bei seinen Beratungen in der Herbstsession weitgehend den Beschlüssen des Ständerates. Er reduzierte jedoch die Zahl der in Kursälen zugelassenen Tischspiele von drei auf zwei. Dieser von Vertretern der Tourismusregionen bekämpfte Entscheid soll die Attraktivität der Kursäle zugunsten der Grands Casinos, von denen der Hauptbeitrag der Gewinnablieferung an die AHV erwartet wird, verringern. Die vom Ständerat in Abweichung vom Mündigkeitsalter 18 festgelegte Alterslimite von 20 Jahren fand in der grossen Kammer keine Mehrheit. Ein vor allem von der Linken unterstützter Antrag, dass Kantone auf ihrem Gebiet das Aufstellen von Glücksspielautomaten verbieten können – wie dies 1991 die Zürcher beschlossen hatten –, unterlag mit 87 zu 71 Stimmen. Ein ebenfalls von der SP unterstützter Antrag für ein Verbot der Darlehensgewährung durch die Spielbanken setzte sich hingegen knapp durch. Bei der Bemessung des minimalen Abgabesatzes obsiegte die Version des Ständerates (40%) gegen Anträge der Linken für 60% und von bürgerlichen Abgeordneten für 20%. Eine weitere Niederlage erlitt die SP bei der Zweckbestimmung der Bundeseinnahmen. Unter Berufung auf die Erläuterungen des Bundesrates an die Stimmberechtigten anlässlich der Verfassungsabstimmung von 1993 im sogenannten Bundesbüchlein verlangte sie, dass die erwarteten rund 150 Mio Fr. zusätzlich zu den bestehenden Bundesbeiträgen in die AHV-Kasse fliessen. Die bürgerliche Mehrheit verwies auf den Wortlaut des damals angenommenen Verfassungsartikels, der nur von der Deckung des Bundesbeitrags und nicht von zusätzlichen Mitteln spricht. Nachdem sie mit allen ihren Anträgen unterlegen waren, sprachen sich die Sozialdemokraten und die Grünen in der Gesamtabstimmung gegen das neue Gesetz aus [16].
In der Differenzbereinigung beschloss der Ständerat, den im Bundesbüchlein vom Bundesrat gemachten Versprechen höheres Gewicht zuzumessen als einer engen Auslegung des Verfassungstextes. Er hielt fest, dass die erwarteten Bundeseinnahmen zusätzlich zu den bisherigen Beiträgen in die AHV-Kasse fliessen sollen. Bei der Zahl der in Kursälen zugelassenen Tischspielen beharrte er auf seinem ursprünglichen Beschluss von drei. Der Nationalrat übernahm diese beiden Beschlüsse. Das Darlehensverbot für Spielkasinos lehnte der Ständerat zuerst ab, da dies die Schweizer Einrichtungen im Vergleich zu ihrer internationalen Konkurrenz benachteiligen würde. Nachdem aber der Nationalrat darauf bestanden hatte, gab die kleine Kammer in dieser Frage nach. Sie fügte sich ebenfalls dem Entscheid des Nationalrats, keine vom Mündigkeitsalter abweichende Alterslimite einzuführen. In der Schlussabstimmung passierte das neue Spielbankengesetz im Ständerat einstimmig, im Nationalrat bei 8 Gegenstimmen und 20 Enthaltungen, wobei die Gegnerschaft vorwiegend aus dem SP-Lager kam [17].
Da der Bundesrat eine Tendenz sah, dass einige Kantone sein 1996 erlassenes Verbot für die Bewilligung von neuen Boule-Spielbetrieben bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes mit der Zulassung von Geldspielautomaten unterlaufen würden, zog er die Notbremse. Er revidierte am 22. April die Verordnung über Geldspielautomaten. Indem er bisher als Geschicklichkeitsspiele bezeichnete sogenannte Automaten (Slotmachines, Jackpot etc.) zu Geldspielautomaten erklärte unterstellte er sie dem Moratorium aus dem Jahre 1996. Vor allem Kantone, wo derartige Geldspielautomatenkasinos unmittelbar vor der Eröffnung standen (Graubünden, Obwalden und Schwyz) reagierten auf das Verbot sehr unwirsch. In Sarnen (OW) eröffneten die Betreiber ihren Ende 1997 vom Kanton bewilligten Betrieb trotzdem; eine Woche später wurde er von der Bundespolizei wieder geschlossen und die Automaten versiegelt [18].
Die schlechte Ertragslage im Tourismusgewerbe und die verschärfte Kreditpolitik der Banken machen es den Hotelbetrieben zunehmend schwer, Finanzierungsmittel für notwendige Modernisierungen aufzubringen. Beide Parlamentskammern überwiesen Motionen, welche vom Bund Vorschläge zur Verbesserung dieser Situation fordern (beispielsweise über eine Revision des Bundesgesetzes über die Förderung des Hotel- und Kurortkredits oder durch die Begünstigung von in diesem Bereich tätigen Risikokapitalgesellschaften) in Postulatsform [19].
 
[10] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 494 f.; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1265 f.10
[11] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 357 f. Vgl. SPJ 1997, S. 112.11
[12] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1263 ff. Vgl. SPJ 1997, S. 112.12
[13] Plangenehmigung: siehe unten, Teil I, 6d (Législation). Studien: NZZ, 21.10.98; TA, 21.10. und 22.10.98. Das BAW publizierte eine weitere Studie zur Lage der KMU in der Schweiz (Presse vom 30.10.98).13
[14] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1355 ff.; TA, 26.8.98 (UBS). Vgl. SPJ 1997, S. 112 f.; BaZ, 16.12.98.14
[15] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1363. Vgl. SPJ 1997, S. 113.15
[16] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1883 ff. Vgl. SPJ 1997, S. 114 ff.16
[17] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1163 ff., 1341 und 1403; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2542 ff. und 2958; BBl, 1998, S. 5726 ff. Der gegenstandslos gewordenen Standesinitiative des Kantons Tessin für die Ausarbeitung eines Spielbankengesetzes wurde auch vom NR keine Folge gegeben (Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1949 f.).17
[18] NLZ, 23.4.98 (Verordnung); NZZ, 29.4. (Kantone), 10.6 und 18.6.98 (Sarnen). Vgl. auch die Erläuterungen des BR in Amtl. Bull. StR, 1998, S. 842 f.; BüZ, 30.4.98 sowie SPJ 1996, S. 112 (Moratorium).18
[19] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2823 f. (Motion Gadient, svp, GR); Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1264 f. (Motion Hess, fdp, OW).19