Année politique Suisse 2000 : Economie / Politique économique générale
Strukturpolitik
Nachdem 1992 das Markenschutzgesetz revidiert worden war, beantragte der Bundesrat nun eine weitere Anpassung der rechtlichen Vorschriften, welche Produkte vor Nachahmungen schützen, an die Veränderungen der Wirtschaft. Da das Erscheinungsbild eines Produkts zu einem wichtigen Marketinginstrument geworden ist, legte er dem Parlament ein neues
Gesetz über den Schutz des Designs vor
[11].
Um die zunehmende Integration der schweizerischen KMU in die internationalen Märkte zu erleichtern, hatte das Parlament 1995 die Teilnahme der Schweiz an
internationalen Informationsprogrammen für KMU beschlossen. Das wichtigste Element davon bildet die Partizipation am Netz der „Euro Info Center“ der EU. Die Finanzierung dieser auf zehn Jahre beschlossenen Massnahmen wurde auf zwei Fünfjahresetappen verteilt. Der Bundesrat beantragte nun die Gewährung der zweiten Tranche des Rahmenkredits (10 Mio Fr.). Vorangehend hatte er die Arbeit des durch die Schweizerische Handelszentrale geführten „Euro Info Center Schweiz“ (EICS) evaluieren lassen. Die Beurteilung ergab zwar eine eher geringe Wirksamkeit des EICS, aber keine Gründe für einen Verzicht auf dessen Weiterführung. Im Nationalrat gab es einige Kritiken an der jetzigen Art der Informationsaufbereitung zuhanden der KMU, grundsätzlich wurde aber die Unterstützung der Informationsbeschaffung und -vermittlung nicht bestritten. In Abweichung zum Regierungsantrag beschloss der Rat, den Kredit nicht für fünf, sondern nur für drei Jahre zu gewähren und die Informationstätigkeit zukünftig in das Ressort der Export- und Standortpromotion beim seco zu integrieren
[12].
Neue
staatliche Vorschriften und Verfahren können die Administration von Kleinbetrieben übermässig belasten. Der Nationalrat überwies eine Motion Durrer (cvp, OW), welche verlangt, dass vor deren Einführung ein Vollzugstauglichkeitstest bei einer Anzahl von KMU durchgeführt werden muss. Bundesrat Couchepin gab dabei bekannt, dass mit derartigen Tests auf Versuchsbasis bereits Erfahrungen gesammelt werden. Eine von Speck (svp, AG) übernommene Motion Gusset (fp, TG), welche für bestimmte administrative Aufwendungen (z.B. Erhebung der MWSt) eine finanzielle Entschädigung für die Unternehmen forderte, fand hingegen keine Mehrheit
[13]. Der Ständerat überwies in Postulatsform eine Motion seiner WAK, welche eine Entlastung der Unternehmen bei den bundesrechtlichen Verfahren forderte. Insbesondere werden darin Rechenschaftsberichte und Statistiken über Bewilligungs- und andere Verwaltungsverfahren und die Einrichtung einer zentralen elektronischen Geschäftsstelle für den Verkehr mit der Bundesverwaltung verlangt. In seiner Antwort gab der Bundesrat bekannt, dass für einen guten Teil der Motionsforderungen entsprechende Massnahmen bereits eingeleitet resp. im Projekt e-Schweiz enthalten seien (z. B. Rechenschaftsberichte und Evaluation der Verfahren, elektronische Zentralstelle (guichet virtuel)). Das seco gab bekannt, dass es ein Internet-Portal für KMU plane, auf dem Informationen über Bewilligungsverfahren und die dazugehörenden Formulare zentralisiert angeboten werden könnten
[14].
Der Bundesrat veröffentlichte einen Bericht über die Erleichterung von
Unternehmensgründungen, wie er 1999 vom Parlament verlangt worden war. Dieser zählt die getroffenen und eingeleiteten Massnahmen auf (z.B. Steuererleichterungen, Aktiennennwertsenkung, Vereinfachung von Bewilligungsverfahren). Nach Ansicht der Regierung habe sich die Situation in den letzten Jahren zwar gebessert, aber die Schweiz befinde sich immer noch bloss im europäischen Mittelfeld. Allerdings gebe es im Ausland auch keine grundsätzlich andere Massnahmen als jene, die in der Schweiz ergriffen worden seien
[15]. Mit der Zustimmung des Ständerats zu einer Motion der WAK des Nationalrats beauftragte das Parlament den Bundesrat, dafür zu sorgen, dass die im Vorjahr beschlossenen Steuererleichterungen im Bereich
Risikokapital ohne Verzögerung auch von den Kantonen übernommen werden
[16].
Im Herbst schlug der Bundesrat eine Verlängerung und Modernisierung des Mitte 2001 auslaufenden Beschlusses zugunsten
wirtschaftlicher Erneuerungsgebiete (ehemaliger „Bonny-Beschluss“) vor. In einer Evaluation strich er den Wert dieser staatlichen Hilfe (Zinskostenbeiträge, Bürgschaften und Steuererleichterungen) für die Ansiedlung von namentlich ausländischen Betrieben in Randregionen heraus. Rund 100 Investitionsvorhaben seien auf diese Weise seit 1996 gefördert worden. Diese Massnahmen seien um so wichtiger, als die Deregulierung wichtiger Infrastrukturmärkte (Post, Telekommunikation, öffentlicher Verkehr) für die strukturschwachen Regionen zusätzliche Probleme bringen könnte (siehe dazu unten). Als neues Element soll die Förderung von überbetrieblichen und überregionalen Projekten und Institutionen aufgenommen werden. In der Vernehmlassung hatten sich die SVP sowie die Unternehmerverbände aus ordnungspolitischen Gründen gegen eine Verlängerung dieses Programms ausgesprochen. Die Westschweizer Kantone inkl. Bern und Solothurn hatten sich in einer gemeinsamen Eingabe für eine Weiterführung eingesetzt. Der Ständerat hiess das Geschäft einstimmig gut. Dabei nahm er die vom Bundesrat gestrichenen Zinskostenbeiträge wieder in den Beschluss auf. Während der Debatte gab der Bundesrat bekannt, dass in Zukunft weniger die aktuelle Arbeitslosenzahl als vielmehr die Unterversorgung einer Region mit modernen Infrastrukturen ein Kriterium für die Begünstigung sein werde
[17].
Die Liberalisierung der früheren Staatsmonopolbereiche Eisenbahnverkehr, Post und Telekommunikation und die damit verbundenen Anpassungen der dort tätigen staatlichen Betriebe an die verschärfte Wettbewerbssituation wirkt sich tendenziell negativ auf die Randgebiete aus. Vorläufig waren die Auswirkungen vor allem beim in diesen Regionen ohnehin prekären Arbeitsplatzangebot spürbar, später könnte es auch Nachteile bei der Einrichtung neuer
Infrastrukturen im Kommunikationsbereich und eine Differenzierung der Preisstruktur (sprich Verteuerung der Leistungen in peripheren oder dünn besiedelten Gebieten) geben. Von verschiedener Seite wurde deshalb die Idee eines sogenannten nationalen
Kohäsionsfonds ins Spiel gebracht. Gemäss einer parlamentarischen Initiative Tschäppät (sp, BE) soll dieser Fonds aus den Dividenden des Bundes aus seinen Anteilen bei SBB, Swisscom und Post gespiesen werden und Konversions- und Innovationsprojekte im Infrastrukturbereich in den Randregionen finanzieren. Der Nationalrat lehnte diesen von der Linken und etwa der Hälfte der CVP-Fraktion unterstützten Vorschlag mit 88:84 Stimmen ab
[18]. Standesinitiativen mit ähnlichem Inhalt hatten auch die Kantone Graubünden, Schaffhausen, Tessin und Wallis eingereicht. Auf Antrag seiner Kommission gab ihnen der Ständerat keine Folge. Eine wichtige Begründung war die, dass ein solcher Fonds mit seiner Zweckbindung zu starr wäre. Da der Rat dem Anliegen der peripheren Kantone aber seine Berechtigung zuerkannte, überwies er eine Motion für die flächendeckende Versorgung des Landes mit öffentlichen Infrastrukturen (sogenannter Service public). Der Nationalrat hatte bereits vorher, im Rahmen der Debatte über die Legislaturplanung 1999-2003, eine ähnliche, auch vom Ständerat übernommene Kommissionsmotion gutgeheissen
[19]. Der Bundesrat reagierte im Sommer mit der Ankündigung, dass er dem Parlament einen
Kredit von 80 Mio Fr. für vier Jahre zugunsten von Regionen beantragen werde, welche durch die Privatisierung der öffentlichen Betriebe besonders stark von Arbeitsplatzabbau betroffen sind. Die Mittel sollen gezielt zur verbesserten Stellenvermittlung und Umschulung, zur Förderung von Unternehmensgründungen, zur Vermittlung von Gebäuden und zur Ankurbelung von innovativen Tourismusprojekten eingesetzt werden. Nach den Plänen der Regierung soll aber kein neues regionalpolitisches Instrumentarium geschaffen, sondern die Kassen der bestehenden (IHG, Nachfolge des Bonny-Beschlusses, Innovation im Tourismus) belastet werden. Der Nationalrat überwies nach dieser Ankündigung ein Postulat Robbiani (cvp, TI), welches den Bundesrat auffordert, eine Strategie zur Unterstützung dieser Regionen vorzulegen
[20].
Die 1999 im Anschluss an den Entscheid über die Finanzhilfe für die Tourismuswerbung vom Nationalrat gutgeheissene Motion des Nationalrats für einen Massnahmenplan zugunsten der
Verbesserung der Struktur und der Angebotsqualität im Tourismus fand auch in der kleinen Kammer Zustimmung. Im Rahmen der Beratung der Legislaturziele überwies der Ständerat zudem eine Kommissionsmotion für die Schaffung eines speziellen Tourismusgesetzes in Postulatsform
[21].
Auf den 1. April setzte der Bundesrat das
neue Gesetz über Spielbanken und Kursäle in Kraft. Insgesamt 56 bestehende und neue Casinos reichten bis Ende September ein Konzessionsgesuch ein; dazu machten weitere acht bestehende Kursäle von der ihnen eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, ihr Gesuch bloss anzukündigen. Von den eingereichten Gesuchen bewarben sich 16 um eine A-Konzession, 28 um eine B-Konzession und 12 um beide Bewilligungen. Damit überstieg die Zahl der Gesuche die vom Bundesrat im Vorjahr in seinen Leitlinien fixierten Vorstellungen über die wünschenswerte Anzahl zugelassener Betriebe (4-8 Spielbanken vom Typus A und 15-20 vom Typus B) deutlich
[22].
Mit dem Inkrafttreten des neuen Spielbankengesetzes mussten die
Casinos
Herisau (AR) und
Mendrisio (TI) ihre Tore schliessen. Da sie beim Erlass des Moratoriums 1996 noch nicht im Besitz einer vom Bund genehmigten kantonalen Bewilligung gewesen waren, konnten sie nicht von der Übergangsregelung für den Erhalt einer provisorischen B-Konzession profitieren. Dies wurde besonders im Fall Mendrisio nicht nur von den Direktinteressierten, sondern auch von vielen nationalen Parlamentariern als ungerecht empfunden, da dieses Gesuch mehrere Monate vor dem Moratorium beim Bund eingereicht, aber – im Gegensatz zu gleichzeitig eingereichten anderen Gesuchen – nicht entschieden worden war. Nachdem der Bundesrat einem Ersuchen der GPK des Nationalrats nicht entsprochen hatte, wegen dieser von der GPK der Bundesverwaltung angelasteten Verzögerung auch Mendrisio eine provisorische Konzession zu erteilen, reichte Nationalrat Stamm (fdp, AG) eine von 100 Abgeordneten unterzeichnete parlamentarische Initiative ein. Diese wollte Mendrisio und Herisau mit einer Teilrevision des Spielbankengesetzes zu einer Gleichbehandlung mit den anderen provisorisch konzessionierten Casinos verhelfen. Eine derartige auf den Vollzug eines Einzelfalls beschränkte Gesetzesrevision ging der Rechtskommission des Nationalrats jedoch zu weit. Ihr Antrag, der Initiative keine Folge zu geben, setzte sich knapp durch. Mehr Glück hatte eine analoge parlamentarische Initiative Lombardi (cvp, TI) in der kleinen Kammer. Namentlich mit dem Argument, damit einen Grund für eine vertiefte Abklärung des kritisierten Verwaltungshandelns zu haben, beantragte die Rechtskommission erfolgreich, der Initiative Folge zu geben
[23].
[11]
BBl, 2000, S. 2729 ff.11
[12]
BBl, 2000, S. 5199 ff.;
AB NR, 2000, S. 1491 ff. und 1592 ff. Siehe auch
Die Volkswirtschaft, 2000, Nr. 7, S. 26-30. Vgl.
SPJ 1995, S. 109 f.12
[13]
AB NR, 2000, S. 694 f. (Durrer) resp. 695 f. (Speck). Siehe auch
Lit. Brunetti.13
[14]
AB SR, 2000, S. 925 f.;
SHZ, 19.1.00 und
LT, 12.10.00 (seco). Siehe auch Martin Siegrist, „Ein Internet-Portal für KMU“, in
Die Volkswirtschaft, 2000, Nr. 7, S. 6-9. Zum Projekt e-Schweiz siehe oben, Teil I, 1c (Verwaltung).14
[15]
BBl, 2000, S. 5547 ff. Vgl.
SPJ 1999, S. 127. Zum Aktiennennwert siehe unten (Gesellschaftsrecht).15
[16]
AB SR, 2000, S. 460 f. Vgl.
SPJ 1999, S. 126 f.16
[17]
BBl, 2000, S. 5655 ff.;
AB SR, 2000, S. 859 ff.;
SGT, 26.5.00 (Westschweiz);
NZZ, 6.6.00 (Beginn Vernehmlassung). Siehe auch
SPJ 1995, S. 110.17
[18]
AB NR, 2000, S. 440 ff.18
[19]
AB SR, 2000, S. 711 ff. und 653 f. (Motion NR);
AB NR, 2000, S. 768. Vgl. dazu auch die Interpellation Maissen (cvp, GR) zur zukünftigen Ausrichtung der Regionalpolitik in
AB SR, 2000, S. 266 ff.19
[20] Kredit: Presse vom 24.8.00. Postulat:
AB NR, 2000, S. 1603.20
[21]
AB SR, 2000, S. 260 (NR-Motion) und 376. Vgl.
SPJ 1999, S. 128.21
[22] Presse vom 24.2. und 10.10.00. Publikation der Liste in
BBl, 2000, S. 5355 ff. Zu den Übergangsbestimmungen für bestehende Casinos siehe auch die abgeschriebene Empfehlung Brändli (svp, GR) in
AB SR, 2000, S. 50 ff. Zu den vom Gesetz vorgesehenen Massnahmen zur Bekämpfung und Prävention der Spielsucht siehe die Ausführungen des BR in
AB NR, 2000, III, Beilagen, S. 265 ff.22
[23]
AB NR, 2000, S. 1084 f.;
AB SR, 2000, S. 917 ff.;
TA, 28.1. und 3.4.00.23
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