Année politique Suisse 2001 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
Forschung
Gemäss einer Erhebung des Wirtschaftsverbands Economiesuisse und des Bundesamtes für Statistik
steckte die Schweizer Wirtschaft 12% mehr Geld in private Forschung und Entwicklung (
F+E) als noch im Jahre 1996. Im Jahre 2000 hatten alle Schweizer Privatunternehmen in ihrem Betrieb hierzulande (intramuros) 7,7 Mia Fr. für F+E aufgewendet; knapp 1,8 Milliarden waren in ausser Haus vergebene Forschungsaufträge investiert worden; etwas mehr als neun Milliarden wurden über Filialen im Ausland ausgegeben. Der prozentuale Anteil der gesamten Intramuros-Aufwendungen für F+E lag im Berichtsjahr bei 1,9% des Bruttoinlandprodukts, womit die Schweiz einen Spitzenplatz nach Schweden, Finnland, den USA und Japan einnahm. Angesichts der enormen Bedeutung von F+E für die schweizerische Wirtschaft forderte Economiesuisse im Hinblick auf die Erneuerung der Rahmenkredite für Bildung, Forschung und Technologie in den Jahren 2004 bis 2007 die Sicherung des schweizerischen Spitzenplatzes und formulierte als Ziele den Aufbau eines international wettbewerbsfähigen und dezentralen Hochschulsystems, den beschleunigten Aufbau der FHS sowie die Verbesserung der Berufsbildung. Damit verbunden war schliesslich die Forderung nach mehr staatlichen Mitteln für die Hochschulen
[69]. In einer von der Schweizerischen Akademie der technischen Wissenschaften (SATW) in Auftrag gegebenen Studie wurde für eigentliche
Forschungspartnerschaften zwischen Industrie und Hochschulen plädiert. Dabei seien blosse Aufträge oder einzelne gemeinsame Projekte angesichts des auf beiden Seiten gewachsenen Kooperationsinteresses nicht mehr genügend
[70].
Der Ständerat überwies eine in ein Postulat umgewandelte Motion Langenberger (fdp, VD) zur
Wissensgesellschaft Schweiz. Damit wurde der Bundesrat aufgefordert zu prüfen, inwieweit mehr Dynamik in die höhere Bildung und Forschung mittels der Entwicklung einer langfristigen Vision von einer Schweiz als „Wissensnation“ eingebracht werden könnte (1). Hierbei sollten die Formulierung von strategischen Zielen und Massnahmen zur Unterstützung dieser Vision (2) sowie die Anpassung von Rollen und Aufgaben der Organe, welche die Forschung unterstützen (SWTR, Akademien, Nationalfonds, KTI), zur Erreichung dieser Ziele ins Auge gefasst werden (3). Im weiteren wurde die Organisation und der Einsatz eines für Impulse in diesem Bereich nötigen Überwachungsorgans (4) sowie die Zusammenfassung der Aktivitäten im Bereich der höheren Bildung, die heute in den Kompetenzbereich des Bundesamts für Bildung und Wissenschaft (BBW) und des BBT fallen, in einem neu zu schaffenden Bundesamt angeregt (5)
[71]. Eine gleichlautende Motion der FDP-Fraktion wurde vom Nationalrat in den Punkten 1 bis 4 als Postulat überwiesen; Punkt 5 wurde abgelehnt
[72]. Demgegenüber hatte die grosse Kammer in ihrer Herbstsession eine Motion der liberalen Fraktion gutgeheissen, welche die
Konzentration der Zuständigkeiten in Bildung und Forschung auf ein Departement fordert
[73], sowie ein Postulat Riklin (cvp, ZH) einstimmig überwiesen, das die Prüfung einer Konzentration der Zuständigkeit für Universitäten und FHS in einem Bundesamt verlangt
[74].
Im Winter überwies die grosse Kammer ein Postulat Fetz (sp, BS), das angesichts der von unterschiedlichen Finanzierungs- und Steuerungsmethoden herrührenden Ineffizienz und Intransparenz einen Bericht vom Bundesrat verlangt, wie die
Planungs- und Steuerungssicherheit der Politik im Tertiärbereich der Bildung und im Forschungs- und Technologiebereich erhöht werden könnte
[75].
Im Mai fand unter dem Label „nationales Fest“ das
Festival „Science et Cité“ in zehn Schweizer Universitätsstädten statt. Die einwöchige Aktion mit zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen von Forschenden hatte zum Ziel, den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu ermöglichen, das gegenseitige Verständnis zu fördern sowie das Vertrauen der Bevölkerung in die Forschung zurückzugewinnen. Im weiteren ging es angesichts der wachsenden Spezialisierung in den einzelnen Forschungszweigen nicht zuletzt auch darum, den vernachlässigten Dialog zwischen den Forschenden selbst zu unterstützen. In einer Bilanzierung des Festivals erwiesen sich kritische Gespräche mit der Öffentlichkeit als schwierig, stellte dieses doch ein Balanceakt dar zwischen einem Scheindialog, welcher der Wissenschaft dazu dient, das steuerzahlende Publikum für sich zu gewinnen, und einem echten Bemühen um Verringerung der Kluft zwischen dem Allgemeinwissen einer breiten Öffentlichkeit und dem Fachwissen der Universitäten
[76].
Zur
Integration der Schweizer Forschung in das EU-Rahmenprogramm von 2003 bis 2006 sind 869 Mio Fr. notwendig. Der Bundesrat überwies im November einen entsprechenden Kredit an das Parlament, der eine Vollbeteiligung und damit auch die vollumfängliche Mitwirkung der Schweiz am sechsten EU-Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (einschliesslich EURATOM) in den Jahren 2003-2006 ermöglichen soll
[77].
Direkte Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU im Bereich Forschung und Entwicklung hatte die Verzögerung der
Ratifizierung der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU durch die EU-Mitgliedstaaten. Da die entsprechenden finanziellen Abkommen betreffend die Beteilung der Schweiz an den EU-Rahmenprogrammen frühestens auf Anfang 2003 in Kraft treten können, falls die Bilateralen wie erwartet im Verlauf des Jahres 2002 rechtsgültig werden, war eine Vollbeteiligung der Schweiz am auslaufenden fünften Rahmenprogramm nicht mehr möglich. Hingegen schien die Vollbeteiligung der Schweiz am sechsten Rahmenprogramm von Beginn dessen Laufzeit an gesichert zu sein – die Einhaltung des EU-Fahrplans vorausgesetzt. Eine Vollbeteiligung ist dahingehend von grossen Bedeutung, als dass sie hiesigen Forscherinnen und Forschern die Koordination von Projekten und Teilprogrammen selbst erlaubt
[78].
Eine vom BBW Ende des Berichtsjahres präsentierte Evaluation zeigte, dass die
Beteiligung der Schweizer Forschung am vierten gegenüber jener am dritten Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung der EU hatte gesteigert werden können. Die Zahl der schweizerischen Beteiligungen war von rund 500 auf 1300 – also um 160% – gestiegen. In den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien gingen 46% der Mittel, 16% in die Lebenswissenschaften. Der Kreis der Teilnehmenden hatte sich insbesondere zugunsten des Segments KMU verbreitert
[79].
Dank einem von beiden Räten in der Sommersession bewilligten Nachtragskredit in der Höhe von 35 Mio Fr. konnten die vier zurückgestellten
Nationalen Forschungsschwerpunkte (
NFS) doch noch lanciert werden. Nachdem im Jahr 2000 ein entsprechender Zusatzkredit im Ständerat gescheitert war, hatte der Bundesrat anfangs des Berichtsjahres beschlossen, National- und Ständerat im Rahmen der ersten Budgetnachträge eine Aufstockung des dreijährigen Zahlungsrahmens von bisher 126 um weitere 35 Mio Fr. zu beantragen. Mit den vier zusätzlich bewilligten Projekten können bis 2003 nun vierzehn statt nur zehn NFS mit einem Budget von insgesamt 161 Mio Fr. realisiert werden. Zwei Projekte beschäftigen sich mit Kommunikations- und Informationstechnologien. Bei den anderen geht es um interdisziplinäre Forschung mit starken sozialwissenschaftlichen Komponenten in den Bereichen Risikomanagement bzw. Nord-Süd-Partnerschaften
[80].
Die Enttäuschung, welche der
Misserfolg der
Geistes- und Sozialwissenschaften (
GSW) im Wettbewerb um die NFS im Jahr 2000 provoziert hatte, führte im Berichtsjahr nicht nur zu massiver
Kritik an der Forschungspolitik des Bundes, sondern auch zur
Selbstkritik. Im Frühjahr verlangten namhafte Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft vom Bundesrat eine Erklärung für den ihres Erachtens nicht nachvollziehbaren Entscheid, kritisierten die Auswahlkriterien für die NFS scharf und forderten mehr Transparenz über ebendiese ein. Gegen Jahresende wurde dann unter anderem an einer Tagung der Schweizerischen Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) nebst dem Beklagen der finanziellen Benachteiligung der GSW auch auf das Potential ebendieser hingewiesen und nach Möglichkeiten gesucht, die Humanwissenschaften in einer fortschreitenden technischen Zivilisation und kulturellen Pluralisierung besser zur Geltung zu bringen. Im Hinblick auf die nächste Beitragsperiode richtete die SAGW in einer Resolution die Forderung an Bundesrat und Parlament, es sei ein Förderinstrument analog zu den NFS zu schaffen, das den spezifischen Bedürfnissen der GSW entspreche. So sollten zur transdisziplinären Forschung und Nachwuchsförderung unter anderem eigenständige, aber mit den Hochschulen verbundene kulturwissenschaftliche Institute dienen
[81].
Zur
Erforschung der Ursachen des Rechtsextremismus gab der Bundesrat ein mit vier Mio Fr. dotiertes Forschungsprojekt in Auftrag. Das Wiedererstarken einer militanten rechtsextremen Szene habe das Phänomen Rechtsextremismus seit Beginn der 90er Jahre in Öffentlichkeit und Politik auf die aktuelle Tagesordnung gebracht
[82].
Zum 17. Mal in Folge wies die
Tierversuchsstatistik für das Jahr 2000 mit 423 127 Versuchstieren eine Abnahme aus. Die Zahl der in bewilligungspflichtigen Versuchen eingesetzten Tiere war demnach im Vergleich zum Vorjahr um 5,1% und gegenüber dem Jahr 1983 um 79% gesunken. Auch im Jahr 2000 war es zu keinem Einsatz von Tieren für Kosmetika und Haushaltsstoffe gekommen
[83].
Im Sommer 2001 kam es zur
Beratung der Gen-Lex im Ständerat. Die von der WBK des Ständerates verabschiedete Vorlage für ein Bundesgesetz über die Gentechnik im Ausserhumanbereich (Gentechnikgesetz, GTG) sah anstelle der vom Bundesrat vorgeschlagenen Teilrevision des Umweltschutzgesetzes die Schaffung eines separaten Gesetzes vor, das die Anwendung der Gentechnologie bei Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren regelt. Statt eines Moratoriums für die kommerzielle Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in der Landwirtschaft wünschte die Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Bundesrat ein strenges Bewilligungsverfahren; lediglich für Nutztiere sollte ein zehnjähriges Moratorium eingeführt werden. Die Kommissionsminderheit forderte hingegen auch für die kommerzielle Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen und Mikroorganismen ein bis in das Jahr 2009 geltendes Moratorium. Zulässig bleiben sollten Freisetzungsversuche zu Forschungszwecken
[84]. Vor dem Hintergrund der Ablehnung der Genschutz-Initiative im Jahre 1998
[85], aber auch im Wissen um die in der Bevölkerung verbreitete Skepsis gegenüber GVO insbesondere im Lebensmittelbereich verzichtete die kleine Kammer auf eine emotionale Grundsatzdebatte und sprach sich grundsätzlich für die Gen-Lex aus. Sie stimmte einer Haftpflichtregelung mit einer Verjährungsfrist von 30 Jahren zu, fügte jedoch eine Ausnahmebestimmung für Medikamente mit GVO ein. Diese hebt die strengere Regelung auf, wenn Patientinnen und Patienten über die Risiken solcher Medikamente informiert wurden und dennoch in eine Behandlung einwilligten. Im weiteren überwies der Ständerat eine Empfehlung seiner WBK, welche den Bundesrat auffordert, den im Gentechnikgesetz eingeführten Begriff „bestimmungsgemässe Verwendung in der Umwelt“ auf Verordnungsstufe zu präzisieren. In der
umstrittenen Moratoriumsfrage, ob mit der Freisetzung von GVO allenfalls einige Jahre zugewartet werden sollte, bis die Risiken besser abschätzbar sind, lehnte der Ständerat ein Moratorium grundsätzlich ab, sei das Gesetz doch streng genug, um Risiken zu limitieren. Ein Antrag Bieri (cvp, ZG) auf ein Teilmoratorium, das nur für den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen, nicht aber für wissenschaftliche Feldversuche gelten soll, fand keine Zustimmung. Im Herbst nahm der Ständerat die Vorlage einstimmig an. Landwirtschaft-, Konsumenten- und Umweltschutzorganisationen kündigten an, sich weiterhin für ein Moratorium einzusetzen; die Grünen drohten mit dem Referendum
[86]. Zum Auftakt der Session hatten Umweltorganisationen dem Ständerat eine Petition mit 30 000 Protestkarten übergeben, womit ihre Forderung nach einem Moratorium für GVO, nach einem Schutz gentechfreier sowie einer vollständigen Deklaration von gentechnisch veränderten Produkten unterstrichen werden sollte
[87].
Zu Jahresbeginn hatten die Eidgenössische Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich (EKAH) und die Kommission für Tierversuche (EKTV) eine sorgfältige Güterabwägung hinsichtlich des
Umgangs mit gentechnisch veränderten Tieren vorgeschlagen. Vom Verfassungsgrundsatz von 1992 ausgehend, wonach die Würde der Kreatur zu achten ist, hielten die Kommissionen fest, dass die Zucht von Tieren einzig im Interesse des Menschen würdeverletzend sei. Der Verfassungsgrundsatz sollte dahingehend ergänzt werden, dass Tiere auch vor ungerechtfertigten Eingriffen ins Erscheinungsbild, vor Erniedrigungen und einer übermässigen Instrumentalisierung – so bei der Weiterzucht, der Nutzung und Haltung – geschützt werden
[88].
Im November lehnte das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) das im Jahre 2000 eingereichte Gesuch des Instituts für Pflanzenwissenschaft der ETHZ für einen
Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen in Lindau (ZH) ab. Angesichts des heutigen Wissensstandes seien die mit dem Versuch verbundenen Gefahren für Mensch und Umwelt nicht abschätzbar. Die Sicherheitsanforderung an einen Freisetzungsversuch müssten sehr streng sein, erklärte Buwal-Direktor Philippe Roch. Im Gegensatz zur Beurteilung früherer Gesuche sei denn nun auch mit der Freisetzungsverordnung eine Vollzugsvorschrift vorhanden; im weiteren gingen die Gesetzgebungsarbeiten im Bereich der Gen-Lex in Richtung einer nochmaligen Verschärfung. Das Buwal habe demzufolge bei der Gesuchsbeurteilung folgendes zu berücksichtigen gehabt: den Kenntnissstand über die GVO, über die Folgen der Veränderung für die Organismen und deren Vernetzung mit der Umwelt sowie über die Auswirkung der gentechnischen Veränderungen auf Mensch und Umwelt. Diese Punkte seien beim ETH-Gesuch ungenügend abgeklärt gewesen
[89].
Der Buwal-Entscheid gegen den Gentech-Weizen sorgte in der Folge für ausserordentlichen Wirbel – in Medien, Forschungskreisen und parlamentarischen Debatten. In einem von nur gerade 17 Nationalräten unterschriebenen Brief an Bundespräsident Leuenberger forderte die Stiftung
Gen Suisse die Enthebung Rochs von seiner Funktion als oberster Gesuchprüfer für Freisetzungsversuche. Gen Suisse unterstellte Roch Voreingenommenheit, Unwissenschaftlichkeit und Abhängigkeit. Die Stiftung schlug die Schaffung eines Entscheidungsgremiums vor, dem auch Vertreter des Bundesamts für Landwirtschaft und des Bundesamts für Gesundheit angehören sollen; weiter forderte sie eine administrative Untersuchung zur Abklärung des Sachverhalts rund um den Buwal-Entscheid
[90]. Demgegenüber teilte die
Schweizerische Akademie für Naturwissenschaften (
SANW) als Dachverband aller Naturwissenschafterinnen und -wissenschafter die Meinung des Buwal, dass mit Blick auf die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen gravierende Wissensdefizite bestünden; die SANW forderte in diesem Sinne ein Nationales Forschungsprogramm zur Klärung der Risiken bei Freisetzungen
[91].
Bauern und Konsumentinnen reagierten gemeinsam auf die „Hetzkampagne gegen Roch“, unterstützten dessen Entscheid und argumentierten grundsätzlich gegen die Gen-Weizen-Versuche an der ETH: Forschung und Industrie wollten mit Gen-Food etwas verkaufen, das Bauern nichts bringe und Konsumentinnen gar nicht wollten. Der Bauernverband wiederholte seine Forderung nach einem Freisetzungsmoratorium bis 2010; die Stiftung für Konsumentenschutz bekräftigte ihre Allianz mit den Bauern in dieser Frage
[92]. Das Buwal-Nein führte auch zu zahlreichen parlamentarischen Vorstössen, die in der Wintersession vom Nationalrat in seiner Fragestunde behandelt wurden. Der Bundesrat betonte, er sähe die Pflanzenforschung durch die Ablehnung dieses Freisetzungsversuchs nicht gefährdet. Dennoch werde der
von der ETHZ angekündigte Rekurs gegen den Buwal-Entscheid vom Departement Leuenberger umfassend beurteilt sowie über eine Neuregelung der Bewilligungskompetenz für Freisetzungsversuche eingehend beraten werden. Der lautstarke Protest gegen die Ablehnung des ETH-Gesuchs war auf Initiative Pascal Couchepins hin Gegenstand einer Bundesratssitzung gewesen. Couchepin hatte sich insbesondere an der Tatsache gestossen, dass Buwal-Chef Roch die Ablehnung beschlossen hatte, obschon sowohl von Seiten der eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit als auch von Seiten der Ethikkommission und der Bundesämter für Veterinärwesen und Landwirtschaft gegenteilige Empfehlungen abgegeben worden waren
[93].
Vor dem Hintergrund der Debatte um den durch das Buwal abgelehnten Freisetzungsversuch, den Beratungen der Gen-Lex im Ständerat sowie der bevorstehenden Debatte zum Gesetz im der grossen Kammer bekräftigten Ende des Berichtsjahres zehn, der Gentechnologie kritisch und ablehnend gegenüberstehende Organisationen – darunter die SP, die Grünen, der WWF und die Vereinigung zum Schutz der kleinen und mittleren Bauern – ihre
Bereitschaft zum Dialog und zur Mitarbeit an einem tragfähigen Gentechnik-Gesetz. Die Organisationen wiederholten ihre Forderung nach einem Schutz der gentechfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, nach einer Übernahme der anfallenden Kosten durch die Verursacherinnen und Verursacher und nach einer vollständigen Deklaration von Lebens- und Futtermitteln sowie von Saatgut
[94]. Eine im September vorgestellte, vom WWF in Auftrag gegebene Studie hatte aufgezeigt, dass die Zulassung gentechnisch veränderter Produkte den Marktanteil traditioneller gentechnikfreier Erzeugnisse reduzieren würde. Hingegen würde im Sinne einer „
Marktpolarisierung“
zwischen Gentech- und Bioprodukten die Nachfrage nach gentechnisch veränderten wie auch nach biologischen Produkten steigen
[95].
Der Ständerat verabschiedete einstimmig das
Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit im Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Die internationale Vereinbarung regelt den Umgang mit der modernen Biotechnologie und enthält allgemeine Vorschriften über den Umgang mit lebenden GVO – so auch jenen in Lebensmitteln und Tierfutter. In erster Linie betrifft sie jedoch das Saatgut. Das Protokoll soll verhindern, dass – so vor allem in Entwicklungsländern – genveränderte Pflanzen eingeführt und angebaut werden, ohne dass die nationalen Behörden davon Kenntnis haben. Die Behörden sollen damit die Möglichkeit erhalten, Nutzen und Risiken von GVO abschätzen zu können. Laut Bundesrat hat die Ratifikation des Cartagena-Protokolls keine gesetzgeberischen Folgen, verfüge die Schweiz doch bereits über umfassende Gesetze für den Gentechnik-Bereich
[96].
Der Bundesrat schickte einen
Revisionsentwurf des Patentgesetzes in die Vernehmlassung, der eine grundsätzliche Bewilligung des Patentierens von GVO vorsieht, davon aber Patente auf unzulässige Verfahren wie das menschliche Klonen oder die Veränderung des menschlichen Erbguts ausnimmt. Ziel der Teilrevision ist es, das Patentgesetz an die EU-Richtlinien anzugleichen und einheitliche Grundsätze für den Schutz biotechnologischer Erfindungen zu schaffen
[97].
[69] Presse vom 21.12.01.69
[71]
AB SR, 2001, S. 815 ff.;
NZZ, 30.11.01.71
[72]
AB NR, 2001, S. 1989.72
[73]
AB NR, 2001, S. 1377 f.73
[74]
AB NR, 2001, S. 378.74
[75]
AB NR, 2001, S. 1993. Vgl. hierzu auch die bundesrätliche Antwort auf die Interpellation Scheurer (lp, NE) betreffend die Entwicklung der Bundesmittel für wissenschaftliche Forschung im Verhältnis zur Gesamtheit der Bundesausgaben und im Vergleich zu den entsprechenden Ausgaben anderer Staaten sowie hinsichtlich der Aufteilung dieser Mittel zwischen orientierter und freien Forschung bzw. angewandter und Grundlagenforschung (
AB NR, 2001, S. 940).75
[76] Presse vom 24.4., 25.4., 4.5., 5.5., 7.5., 9.5. und 12.5.01;
SGT, 8.5.01;
NZZ, 14.5.01. Siehe in diesem Zusammenhang auch die Antwort des BR auf die Interpellation Gutzwiller (fdp, ZH) betreffend die Einrichtung von ständigen „Häuser der Wissenschaft“ in allen drei Landesteilen auf Grundlage bestehender Konzepte und Institutionen (
AB NR, 2001, S. 1999).76
[77]
BBl, 2002, S. 1077 ff.; Presse vom 1.11.01;
BaZ, 10.12.01.77
[78]
Vision, 4/2001, S. 45; Presse vom 31.3.01. Vgl.
SPJ 2000, S. 278.78
[79]
News BBW, 4/2001;
Vision, 4/2001, S. 35;
NZZ, 9.11.01;
BaZ, 10.11.01.79
[80]
BBl, 2001, S. 2947 f. (BB Nachtrag I zum Voranschlag 2001);
AB SR, 2001, S. 220 ff. ;
AB NR, 2001, S. 703 ff.;
Vision, 3/2001, S. 45;
NZZ, 22.2.01;
Bund, 14.6.01; Presse vom 26.6.01. Vgl.
SPJ 2000, S. 277 f.80
[81]
Vision, 1/2001, S. 11-13 und 3/2001, S. 6-16;
TA, 2.2., 15.5. und 9.11.01;
NZZ, 26.3., 19.5., 16.11. und 19.11.01;
Bund, 27.3.01;
Ww, 14.6.01;
BaZ, 17.11.01. Zur Situation der GSW in der Schweiz siehe auch die Antworten des BR auf die Interpellationen Beerli (fdp, BE) (
AB SR, 2001, S. 216), Kofmel (fdp, SO) (
AB NR, 2001, S. 1443) und Scheurer (lp, NE) (
AB NR, 2001, S. 1447). Zu einem offenen Brief der Kantonsvertreter des Universitätsnetzes BeNeFri an BR Dreifuss, in welchem der BR der Unterschätzung der GSW bezichtigt und Massnahmen zur Aufwertung derselben gefordert wurden, sowie zur Absicht von BR Dreifuss, die Eignung der NFS als Förderinstrument für die GSW zu prüfen, siehe
TA, 7.2.01;
BaZ, 17.3.01.81
[83]
NZZ, 14.7.01;
BaZ, 16.7.01. Zur Fachtagung des Schweizer Tierschutzes unter dem Titel „Tabuthema Tierversuche“ siehe
NZZ, 22.9.01.83
[84] Presse vom 24.1. und 1.5.01.84
[85] Vgl.
SPJ 1998, S. 315 ff.85
[86]
AB SR, 2001, S. 299 ff., 327 ff., 358 und 579 f.;
NZZ, 9.6.01;
AZ, 12.6.01;
BaZ, 13.6.01; Presse vom 14.6., 15.6., 28.8. (GVO-Medikamente) und 27.9.01.86
[87] Presse vom 31.3. und 6.6.01.87
[88] Presse vom 22.2.01.88
[89]
BBl, 2001, S. 388 (Gesuch ETHZ) und 6294 ff. (Verfügung Buwal); Presse vom 21.11.01.89
[90]
NZZ, 26.11.01;
TA, 5.12.01.90
[91] Presse vom 28.11.01. Zur Forderung der SANW zu vermehrter Risiko- und Sicherheitsforschung im Zusammenhang mit GVO vgl.
SPJ 2000, S. 279 f.91
[93]
AB NR, 2001, 1631 f., 1635 ff. und 1779;
Bund, 22.11.01; Presse vom 25.11., 29.11. und 4.12.01.93
[95] Presse vom 19.9.01.95
[96]
BBl, 2001, S. 4079 ff.;
AB SR, 2001, S. 956;
NZZ, 5.12.01.96
[97]
BBl, 2001, S. 6370; Presse vom 8.12.01. Zur Haltung der Eidg. Ethikkommission zur im Zusammenhang mit der anstehenden Revision des Patentgesetzes geäusserten Kritik an der Gleichbehandlung von belebter und unbelebter Materie sowie an den problematischen Konsequenzen für Entwicklungsländer und für die Forschung siehe
NZZ, 28.8.01.97
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