Année politique Suisse 2004 : Politique sociale
Population et travail
Le parlement a donné son aval à la nouvelle loi fédérale contre le travail au noir. – Les mouvements de grève ont connu une certaine croissance. – Les chambres ont adopté des mesures d’accompagnement dans le cadre de l’élargissement de l’UE. – Le Conseil fédéral veut abaisser à 18 ans l’âge de protection légal des jeunes travailleurs.
Bevölkerungsentwicklung
Ende 2004 umfasste die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz
7 418 400 Einwohnerinnen und Einwohner. Den provisorischen Angaben des Bundesamtes für Statistik (BFS) zufolge bedeutet dies einen Anstieg um rund 54 200 Personen oder
+0,7% gegenüber 2003. Diese Zunahme ist mit jener des Vorjahres fast identisch. In dieser Zahl sind die schweizerischen Staatsangehörigen, die Ausländerinnen und Ausländer mit einer Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung, die Inhaberinnen und Inhaber einer Kurzaufenthaltsbewilligung, die für einen Mindestaufenthalt in der Schweiz von 12 Monaten berechtigt, sowie die internationalen Funktionärinnen und Funktionäre enthalten. Ausgeklammert sind die Kurzaufenthalter mit einer Bewilligung für weniger als ein Jahr (Ende 2004: 59 400 Personen) sowie die Personen im Asylbereich (Ende 2004: 55'100 Personen). Die Zunahme der ständigen Wohnbevölkerung im Jahr 2004 ist auf einen Geburtenüberschuss (Geburten abzüglich Todesfälle) von 12 500 Personen sowie auf einen Einwanderungsüberschuss (Einwanderungen abzüglich Auswanderungen) von 41 700 Personen zurückzuführen
[1].
Die Zahl der Geburten stieg 2004 gegenüber dem Vorjahr leicht an, insgesamt wurden 73 100 Kinder geboren, 1200 mehr als im Jahr 2003. Gemäss BFS bleibt damit die gegenüber den 1990er Jahren massiv gesunkene Geburtenzahl seit vier Jahren weitgehend stabil. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau beträgt derzeit rund 1,4 wobei dieses Mittel für Ausländerinnen bei 1,9 Kindern liegt und für Schweizerinnen bei weniger als 1,3. Jedes siebte Kind wird dabei gemäss BFS ausserhalb der Ehe geboren. Ihr erstes Kind bekommen die Frauen in der Schweiz durchschnittlich mit 29,3 Jahren, womit der Trend, das Kinderkriegen wie auch das Heiraten zeitlich aufzuschieben, weiter anhält.
Zurückgegangen sind 2004 dagegen die Todesfälle, und zwar gegenüber dem Vorjahr um 2900 auf insgesamt 60 200. Das BFS begründet den Rückgang mit dem Ausbleiben einer Hitzewelle, wie sie 2003 vielen älteren Menschen zu schaffen gemacht hatte. Wiederum zugenommen hat dadurch auch die Lebenserwartung, für Männer und für Frauen um je etwa ein halbes Jahr. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag 2004 für einen neugeborenen Knaben bei 78,6 Jahren, für ein neugeborenes Mädchen bei 83,7 Jahren. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern verringert sich dabei leicht, aber stetig.
Insgesamt 39 500 Paare gaben sich im Jahr 2004 in der Schweiz das Ja-Wort. Das sind gemäss BFS etwas weniger als im Vorjahr (40 100). Umgekehrt stieg die
Scheidungsrate weiter an. So wurden 2004 insgesamt 17 900 Ehen geschieden, das sind 1100 Scheidungen mehr als im Vorjahr. Die Scheidungsrate erreichte neu die 44%-Marke
[2].
Arbeitswelt
In der Schweiz wird immer häufiger
Teilzeit gearbeitet. Eine auf den Daten der Volkszählung 2000 basierende Studie zeigte, dass jede vierte erwerbstätige Person eine Teilzeitstelle hat, wobei die entsprechende Quote bei den Frauen deutlich höher liegt als bei den Männern. 78% der Teilzeit jobbenden Frauen sind Mütter. Am stärksten verbreitet ist Teilzeitarbeit im Gesundheitswesen und in den Lehrberufen, wo die Frauen traditionell stark vertreten sind. In diesen Bereichen sind heute aber auch Männer öfter Teilzeit tätig
[3].
Die höhere Gangart in der Arbeitswelt hat eine
verstärkte psychische und psychosoziale Belastung der Erwerbstätigen zur Folge. 44% der im Rahmen der Gesundheitsbefragung 2002 des BFS befragten Personen gaben an, einen Arbeitsplatz mit zumeist sehr starker nervlicher Belastung zu haben. Ein weiterer psychischer Belastungsfaktor ist die Arbeitsplatzunsicherheit, die sich in der Furcht ausdrückt, die Stelle zu verlieren oder nur unter grossen Schwierigkeiten wieder eine gleichwertige Arbeit zu finden. Eine starke nervliche Belastung, welche 37% der Arbeitenden mit dem tiefsten sozio-professionellen Niveau und 61% der Erwerbstätigen mit dem höchsten Status empfanden, kann Ursache für körperliche Probleme wie Kopf- oder Rückenschmerzen, Schlafstörungen oder generelle psychische Beeinträchtigungen sein
[4].
Arbeit auf Abruf, Temporäranstellung via Personalverleih, Heimarbeit ohne festgelegte Stundenzahl: Solche Arbeitsverhältnisse gelten gemäss einer vom Seco in Auftrag gegebenen Studie als „prekär“, allerdings nur dann, wenn die damit verbundenen Unsicherheiten finanziell nicht abgegolten werden, das heisst wenn der auf eine 100%-Stelle gerechnete Lohn unter 3500 Fr. liegt. Gemäss dieser Definition arbeiten in der Schweiz rund 150 000 Personen in
prekären Arbeitsverhältnissen, was 3,8% aller Erwerbstätigen entspricht. Der grösste Teil entfällt auf Arbeit auf Abruf (38%), danach folgen befristete Arbeitsverhältnisse (21%), Heimarbeit ohne festgelegte Stundenzahl (16%), Scheinselbständigkeit (13%), unerwünschte Teilzeitarbeit mit unregelmässigen Arbeitszeiten (8%) sowie Temporärarbeit (4%). Diese Arbeitsformen treten erwartungsgemäss vor allem bei Tätigkeiten in privaten Haushalten, im Gastgewerbe, in der Landwirtschaft sowie bei den persönlichen Dienstleistungen auf. Frauen, Personen unter 25 Jahren und solche ohne Lehrabschluss sind besonders betroffen. Ein Zusammenhang mit Nationalität und Sprachregion konnte nicht festgestellt werden, wohl aber mit der Entwicklung der Arbeitslosigkeit
[5].
Eine zweite vom Seco bestellte Studie betrachtete lediglich die
Arbeit auf Abruf und kam zu deutlich höheren Zahlen. Gemäss dieser Untersuchung arbeiten in der Schweiz knapp 200 000 Personen (5,4% aller Erwerbstätigen) in dieser prekären Arbeitsform. Der Unterschied zur ersten Studie liess sich durch den Umstand erklären, dass auch besser Verdienende mit einbezogen wurden. Die Autoren der Studie kamen zum Schluss, dass Erwerbslose dank Arbeit auf Abruf leichter eine neue Stelle finde, die „Sprungbrett“-Funktion also den „Klebe-Effekt“ dominiert. Zudem sei die Arbeitszufriedenheit bei Arbeit auf Abruf nicht geringer als bei einer normalen Anstellung
[6].
In der Sommersession behandelte der Nationalrat als erster das neue Bundesgesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. Das Gesetz baut auf vier Pfeilern auf: Die Kantone sollen durch Delegation an die Gewerbepolizei oder die tripartiten Kommissionen Kontrollstellen schaffen; weiter soll die Koordination zwischen den Behörden verbessert werden; ferner müssen ertappte Arbeitgeber mit Sanktionen rechnen; letztlich sollen Erleichterungen für die Abrechnung der Sozialabgaben bei geringfügiger Beschäftigung in kleinen Firmen und Privathaushalten die Anreize zur Schwarzarbeit senken. In der Eintretensdebatte waren sich alle Parteien mit dem Bundesrat einig, dass Schwarzarbeit kein Kavaliersdelikt ist. Sie entzieht der AHV und anderen Sozialversicherungen Mittel, sie benachteiligt die ehrlichen Unternehmer, und sie höhlt den Schutz der Arbeitnehmenden aus. Gegen das neue Gesetz wandte sich nur die äusserste Linke, die sich für eine vollständige Regularisierung aller bisher schwarz Arbeitenden, insbesondere der so genannten Sans-papiers, aussprach. Doch mit 124 zu 4 Stimmen hatte der entsprechende Nichteintretensantrag Zisyadis (pda, VD) keine Chance. Erfolglos waren in der Detailberatung auch weniger weit gehende Massnahmen, welche den schwarz Arbeitenden die Durchsetzung von Lohnansprüchen im nachhinein erleichtert hätten. An der bürgerlichen Mehrheit scheiterte auch der Vorschlag der SP, Papierlose nach einem Jahr illegaler Arbeit in der Schweiz von einer Amnestie profitieren zu lassen.
Unbestritten war, dass Schwarzarbeit im Wiederholungsfall happig bestraft werden soll. Den fehlbaren Arbeitgebern droht Busse bis zu einer Mio Fr. und Gefängnis bis zu fünf Jahren. Am meisten zu reden gaben die etwas indirekteren zusätzlichen
Sanktionen gegen fehlbare Arbeitgeber. Von den Vorschlägen des Bundesrates und der vorberatenden Kommission fand lediglich die Bestimmung bei der bürgerlichen Mehrheit Gnade, wonach Unternehmen, vor allem in der Baubranche, die „schwerwiegend“ gegen das Gesetz verstossen, während fünf Jahren von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden können. In anderen Punkten gelang den Bürgerlichen hingegen eine Entschärfung des Entwurfs. Erstens sollten die von Aufträgen ausgeschlossenen Firmen nicht öffentlich genannt werden. Vergeblich argumentierte die SP, dass dadurch die Transparenz verschlechtert werde. Zweitens sollten Bauern, die illegal Personal beschäftigen, auch künftig keine Kürzung ihrer Subventionen zu befürchten haben. Ein erfolgreicher Minderheitsantrag aus der FDP begründete die Schonung der fehlbaren Landwirte damit, dass der Entzug der Subventionen für viele Bauernbetriebe „existenzbedrohend“ wäre. Drittens sollten Firmen auch zukünftig kaum mit nachträglichen Lohnklagen illegal Beschäftigter rechnen müssen. Denn ein entsprechendes Klagerecht der Gewerkschaften, das die Kommission noch ins Gesetz eingefügt hatte, wurde im Plenum wieder gestrichen. Abgelehnt wurde aber auch der Antrag der SVP, dass die Steuer- und Sozialversicherungsbehörden schon bei einem blossen Verdacht auf illegalen Aufenthalt die Ausländerbehörde informieren müssen. Die Ratsmehrheit hielt dem erfolgreich entgegen, dass den Behörden damit Polizeiaufgaben aufgebürdet würden. Angesichts der mehrfach von Rechts und von Links geäusserten Unzufriedenheit wurde das Gesetz überraschend deutlich mit 128 zu 24 Stimmen verabschiedet
[7].
Der
Ständerat setzte dem Gesetz wieder einige der von der grossen Kammer gezogenen Zähne ein. Nach seiner Auffassung sollen die Namen jener Firmen, die wegen Schwarzarbeit vom öffentlichen Beschaffungswesen ausgeschlossen werden, publik gemacht werden. Auch sollen Subventionen vor allem in der Landwirtschaft gekürzt werden können. Schliesslich nahm der Ständerat auch das Klagerecht der Gewerkschaften wieder in das Gesetz auf. Dieses wurde in der Gesamtabstimmung mit 32 zu 1 Stimme gutgeheissen
[8].
Arbeitsmarkt
Nach einem leichten Einbruch 2003 (-01% gegenüber dem Vorjahr) nahm 2004 die
Zahl der Erwerbstätigen wieder um 0,2% zu, wobei die Frauen im Mittel und die Männer mit +0,3% leicht darüber lagen. Die Zahl der Schweizer Erwerbstätigen ging um -0,1% zurück, jene der Ausländer stieg um 1,3%, ebenfalls eine Umkehr der Vorjahreszahlen (0,0/-0,4%). Mit -7,9% verlor der 1. Sektor signifikant mehr Erwerbstätige als im Vorjahr, während sich der Rückgang im 2. Sektor abflachte (-0,6 gegenüber -4,0% 2003). Der 3. Sektor legte nach wie vor zu, mit +0,9% aber weniger deutlich als im Jahr zuvor (+1,4%)
[9].
Im 2. Quartal 2004 waren in der Schweiz 817 000
Personen ausländischer Nationalität erwerbstätig (ohne Grenzgänger, Kurzaufenthalter und Personen des Asylbereichs). Gegenüber dem Vorjahr stieg insbesondere die Zahl der erwerbstätigen deutschen Staatsangehörigen (+7,9%). Rückläufig war hingegen die Zahl der italienischen Erwerbstätigen (-3,0%). Erwerbspersonen aus Nord- und Westeuropa erwiesen sich als überwiegend gut ausgebildet. Allgemein zeigte sich, dass vor allem bei den Südeuropäern und den Erwerbspersonen aus den westlichen Balkanländern die zweite und dritte Ausländergeneration besser qualifiziert ist als die neu Zugewanderten. Die ausländischen Erwerbstätigen der zweiten und dritten Generation wiesen bei den ausgeübten Berufen insgesamt ein ähnliches Muster auf wie die Schweizer. Dies zeigten die Ergebnisse der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung des BFS
[10].
Die Zahl der erwerbstätigen
Grenzgängerinnen und Grenzgänger ausländischer Nationalität betrug gemäss der neuen Grenzgängerstatistik des BFS Ende 2004 insgesamt 174'700. Gegenüber dem Vorjahr ergab sich damit ein Zuwachs um 3,2%, während die Gesamtzahl der Erwerbstätigen im gleichen Zeitraum stabil blieb. Seit fünf Jahren hat die Zahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger in den Bereichen Erbringung von Dienstleistungen für Unternehmen sowie Gesundheits- und Sozialwesen am stärksten zugenommen
[11].
Im ersten Halbjahr 2004 war die Arbeitslosenzahl von einer deutlichen Abnahme geprägt und verminderte sich von 168 163 arbeitslos gemeldeten Personen im Januar auf 143 125 Ende Juli. Zwischen August und Oktober erhöhten sie sich moderat auf 147 911. Seit November stieg sie vorwiegend aus saisonalen Gründen wieder stärker an. Ende Dezember waren 158 416 Arbeitslose bei den RAV registriert. Dem Rückgang der Arbeitslosigkeit um rund 25 000 Personen in der ersten Jahreshälfte stand im zweiten Halbjahr eine Zunahme um rund 11 000 gegenüber. Zum ersten Mal seit dem Jahr 2000 kam damit der Jahresendwert wieder tiefer zu liegen als der Stand zu Jahresbeginn betragen hatte. Die Arbeitslosenquote bildete sich zwischen Januar und Juli kontinuierlich von 4,3% auf 3,6% zurück. Zwischen August und Oktober stabilisierte sie sich bei 3,7%. Im November und Dezember blieb die Quote mit 3,9 und 4,0% schliesslich knapp unter den Werten der entsprechenden Vorjahresmonate.
Obwohl sich die Arbeitslosigkeit im Jahresverlauf insgesamt zurückbildete, vermochten die Jahresdurchschnitte bei der Arbeitslosenzahl und der Quote die Vorjahreswerte nicht zu unterschreiten: Im Durchschnitt waren 153 091 Personen als arbeitslos registriert. Verglichen mit dem Vorjahr entsprach dies einer Zunahme um 7404 Personen resp. 5,1%.
Die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote betrug damit
3,9% (+0,2 Prozentpunkte gegenüber 2003). Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Gesamtzahl der Stellensuchenden (Summe von registrierten Arbeitslosen und registrierten nichtarbeitslosen Stellensuchenden). Einer Abnahme in der ersten Jahreshälfte folgte zwischen August und Oktober eine moderate Zunahme, die sich allerdings im November und Dezember saisonal bedingt noch verstärkte. Im Jahresdurchschnitt resultiert daraus eine Zahl von 220 508 registrierten Stellensuchenden (+14 017 Personen gegenüber dem Vorjahr)
[12].
Während sich die Differenz der Arbeitslosenquote zwischen der Deutschschweiz und der Westschweiz sowie dem Tessin in den letzten Jahren auf 1,2 Prozentpunkte eingependelt hatte, stieg sie im Berichtsjahr wieder auf 1,6 Punkte (3,4 vs. 5,0%). Mit 4,0% waren die Frauen etwas mehr betroffen als die Männer (3,8%); 2003 hatten sie mit je 3,7% noch gleichauf gelegen. Signifikant blieb die Differenz nach Nationalität, die sich sogar noch verstärkte: 2,9% arbeitslosen Schweizerinnen und Schweizern (2003 2,8%) standen 7,1% ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber (6,9%). Dramatisch hat sich in den letzten Jahren die Arbeitslosenquote der
Jugendlichen (15-24 Jahre) entwickelt: von 3,0% 2001 und 4,7% 2003 kletterte sie nun auf 5,1%. Die Unterschiede nach Wirtschaftszweigen blieben hingegen nahezu stabil. Stark nach unten verlief die Bewegung bei der
Kurzarbeit. Betroffen waren noch 366 Betriebe (2003: 747) mit 3490 Arbeitnehmenden (8934); insgesamt fielen 210 890 Arbeitsstunden (540 965) Arbeitsstunden aus
[13].
Gemäss den provisorischen Ergebnisse der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (
SAKE) des BFS wurden im 2. Quartal 2004 neben den Erwerbslosen 378'000 Teilzeiterwerbstätige gezählt, welche ihr Arbeitspensum erhöhen möchten. Der Anteil der Erwerbslosen und
Unterbeschäftigten am Total der Erwerbspersonen lag mit 13,4 Prozent leicht über dem Vorjahreswert von 13,1%. Das gewünschte zusätzliche Arbeitspensum von Erwerbslosen und Unterbeschäftigten belief sich auf insgesamt rund 255 000 Vollzeitstellen
[14].
Löhne
Laut den Berechnungen des Bundesamtes für Statistik (BFS) stieg der Nominallohnindex im Jahr 2004 um durchschnittlich 0,9% gegenüber 2003. Unter Einbezug der Inflationsrate von 0,8% ergab sich bei den Reallöhnen eine Steigerung um +0,1%. In dieser mässigen Steigerung bestätigt sich ein seit 2002 anhaltender Trend: Die Nominallöhne wachsen immer langsamer. Wurden 2001 noch aussergewöhnliche +2,5% notiert, waren es 2002 noch +1,8% und 2003 +1,4% Die Wachstumsverlangsamung im Jahr 2004 erklärt sich grösstenteils durch die schwache Konjunktur im Jahr 2003.
Die Nominallohnwachstumsraten der einzelnen
Wirtschaftssektoren
drifteten 2004
auseinander. Im sekundären Sektor wurden +0,6%, im tertiären Sektor hingegen +1,2% registriert. Mit +1,2% verzeichnete die chemische Industrie klar das höchste Nominallohnwachstum im sekundären Sektor. Da sich der Geschäftsgang im sekundären Sektor 2003 nur bescheiden entwickelte, verfolgten die Unternehmen 2004 eine zögerliche Lohnpolitik. Der tertiäre Sektor lag mit einer Nominallohnsteigerung von 1,2 Prozent leicht über der Lohnerhöhung der Gesamtwirtschaft. Die kräftigsten Wachstumsimpulse gingen hier von den Branchengruppen Immobilienwesen, Informatik; F+E; Dienstleistungen für Unternehmen (+1,8%), Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen (+1,9%) sowie von der Branche Nachrichtenübermittlung (+2,2%) aus. Demgegenüber kamen die auf Finanzdienstleistungen spezialisierten Unternehmen erneut unter dem Mittel des Sektors zu liegen. Diese Situation erklärt sich mit der allgemeinen Stagnation auf den Finanzmärkten sowie den 2003 unternommenen Restrukturierungen. Die geringste Nominallohnerhöhung verzeichnete die öffentliche Verwaltung mit +0,6%
[15].
Für die
Lohnrunde 2005 verlangten die Gewerkschaften den Teuerungsausgleich von 1% und Reallohnerhöhungen von bis zu 2% für kleine und mittlere Einkommen. Sie begründeten ihre Forderung mit der Erholung der Schweizer Wirtschaft. Gemäss den Ergebnissen der von der Bank UBS jeweils im Herbst durchgeführten Umfragen konnten die Gewerkschaften jedoch im Mittel lediglich um 1,4% höhere Nominallöhne aushandeln, was bei einer Jahresteuerung von 0,9% eine Reallohnerhöhung um 0,5% bedeutet
[16].
Insgesamt haben sich in der Schweiz die Bruttoeinkommen in den Jahren 1990 bis 2001 um durchschnittlich 0,6% pro Jahr erhöht. Dies ergab eine Wohlstandsstudie der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Je nach Alter, Lebensstandard und regionaler Herkunft der einzelnen Personen zeigte sich jedoch ein deutlich weniger einheitliches Bild. Überdurchschnittliche Einkommen wurden vor allem im Raum Zürich sowie in der Nordwestschweiz, in der Genferseeregion und in touristischen Hochburgen erzielt. In Gebieten mit eher ländlichem Charakter lag die Höhe der Einkommen im Schnitt um 20% unter dem Niveau der städtischen Gebiete. Wegen kontinuierlich angestiegener Zwangsabgaben war in den letzten Jahren der untere und obere
Mittelstand der eigentliche
Verlierer. Er verzeichnete zwischen 1990 und 2001 lediglich ein Einkommenswachstum von 0,5%, während die ärmeren und wohlhabenden Haushalte eine Zunahme von mindestens 1,0% erzielten. In den Jahren 1996 bis 2000 stiegen zudem vor allem die hohen Löhne überdurchschnittlich an, so dass sich die Lohnschere weiter öffnete
[17].
Die Exzesse bei den Managerlöhnen der letzten Jahre waren zunehmend zu einem Politikum geworden, was auch zur Einreichung mehrerer parlamentarischer Vorstösse geführt hatte. Der Bundesrat legte nun eine Botschaft zu einer diesbezüglichen Revision des Obligationenrechts vor, welche die Transparenz verbessern soll. Bis anhin gab es keine rechtlichen Vorschriften für börsenkotierte Unternehmen punkto Offenlegung der Löhne ihrer
Verwaltungsräte und
Geschäftsleitungen, sondern lediglich die Transparenzvorschriften der Schweizer Börse SWX. Neu sollen die Bezüge der einzelnen Verwaltungsräte und die Gesamtsumme der Geschäftsleitung (inklusive Tantiemen, Pensionskassenzuschüssen, Optionsrechten usw.) publiziert werden müssen. Ebenfalls offen zu legen ist das höchste Salär in der Geschäftsleitung
[18].
Arbeitszeit
Aus den neusten Ergebnissen der Statistiken zur Arbeitszeit des BFS ging hervor, dass 2003 die Gesamtzahl der tatsächlich
geleisteten Arbeitsstunden in der Schweiz gegenüber dem Vorjahr
um 0,4% höher lag als im Vorjahr. Dieses Ergebnis war in erster Linie auf eine deutliche Abnahme des jährlichen Absenzvolumens um 7,5% und eine Zunahme des jährlichen Überzeitvolumens um 2,8% zurückzuführen. Für den grössten Teil der Absenzen wurden gesundheitliche Gründe geltend gemacht. Die Überzeiten variierten stark je nach Wirtschaftszweig. Innerhalb von fünf Jahren hat sich die effektive wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitarbeitnehmenden um acht Minuten verringert
[19].
Gemäss der neuesten Erhebung des BFS wurden 2000 in der Schweiz rund 8 Mia Stunden unbezahlte und 6,7 Mia Stunden bezahlte Arbeit geleistet. Der Wert der
unbezahlten Arbeit wurde auf 250 Mia Fr. geschätzt. Die Hausarbeit machte rund drei Viertel der nicht entlöhnten Arbeit aus und wurde v.a. von Frauen im eigenen Haushalt erbracht. Am grössten war der Arbeitaufwand in Familienhaushalten mit Kindern unter 15 Jahren. Das BFS veranschlagte die unbezahlt geleistete Arbeit auf gut 70% der von der schweizerischen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfassten Bruttowertschöpfung (BIP)
[20].
Kollektive Arbeitsbeziehungen
In Sitten wurde Ende Jahr der erste Gesamtarbeitsvertrag (GAV) in der Schweizer
Landwirtschaft unterzeichnet. Er regelt minimale soziale Standards für 8000 Beschäftigte in 5000 Walliser Bauernbetrieben. Der mit den christlichen Gewerkschaften vereinbarte GAV tritt am 1. Januar 2005 in Kraft. Für die Gewerkschaften fixiert der GAV ein "akzeptables" soziales Minimum. Für unqualifizierte Hilfskräfte werden Stundenlöhne von 10,85 bis 13,50 Fr., für Berufsleute 17 bis 20 Fr. und für Kaderleute 20,50 bis 24 Fr. bezahlt. Gegenüber heute steigen die Löhne - je nach Funktion - um 1,4 bis 8%. Der Vertrag regelt neben den Minimallöhnen auch die wöchentliche Arbeitszeit von 48 bis 55 Stunden sowie die Beteiligung an den Krankenkassenprämien. Der GAV soll dazu beitragen, Schwarzarbeit zu verhindern. Er gilt für eine Dauer von drei Jahren. Im Wallis ist vor allem zur Erntezeit der Bedarf an Hilfskräften gross, da die Gemüse-, Wein- und Obstproduktion 75% des landwirtschaftlichen Einkommens ausmacht
[21].
Der GAV der
grafischen Industrie lief nach zehn Jahren Ende April aus. Die Gewerkschaft Comedia drohte bereits zu Jahresbeginn mit Streikbewegungen, falls der neue GAV nicht deutliche Verbesserungen bringe. Die Comedia forderte für den neuen Vertrag unter anderem den automatischen Teuerungsausgleich und eine Reallohnerhöhung von 200 Fr. für alle, da die Löhne in den letzten zehn Jahren stagniert hätten, während die Produktivität um 30 Prozent zugenommen habe. Das Ansinnen der Arbeitnehmer, die Arbeitsbedingungen nur noch zum Teil im GAV zu regeln und mehrheitlich in den Betrieben auszuhandeln, lehnte die Gewerkschaft ab. Zudem verlangte sie, dass der GAV von den Behörden als allgemeinverbindlich zu erklären sei. Bisher galt er nur für 12 000 der gut 30 000 Beschäftigten. Abseits standen insbesondere der Westschweizer Verlagskonzern Edipresse, die Zürichsee Druckereien und der Verlag „Südostschweiz“. Bei einer ersten Verhandlungsrunde Anfang Jahr beharrten beide Sozialpartner auf ihren Positionen. Für die Arbeitgeber war die absolute Friedenspflicht Bedingung für Verhandlungen; die Gewerkschaften Comedia und Syna wandten sich kategorisch gegen diese Forderung und wollten lieber über inhaltliche Fragen des GAV diskutieren. Die im Schweizerischen Verband für visuelle Kommunikation (Viscom) zusammengeschlossenen Arbeitgeber schlugen eine Verlängerung des bisherigen GAV um fünf Jahre vor, was wiederum von den Gewerkschaften abgelehnt wurde. Im September erfolgte dann der Durchbruch: der neue, auf vier Jahre abgeschlossene GAV sieht eine Erhöhung der Mindestlöhne um 300 Fr. für Ungelernte und von 150 bis 200 Fr. für Gelernte vor. Nicht durchsetzen konnten sich die Gewerkschaften mit ihrem Wunsch nach einer generellen Lohnerhöhung und bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung des GAV
[22].
Da sich die Arbeitgeber gegen die Forderung einer Frühpensionierung mit 62 Jahren stellten, kündigten die
Maler und Gipser den GAV per Ende März und drohten mit Streiks. Nachdem mehrere Verhandlungsrunden erfolglos gescheitert waren, kam es Ende April zu einer Arbeitsniederlegung in der Deutschschweiz, im Tessin und im Kanton Jura. Der Vorstand des Unternehmerverbands stimmte den Frühpensionierungen zu, doch lehnte die Delegierten diese ab, worauf es Ende Mai zu weiteren punktuellen Streiks kam. Weil weiterhin keine Einigung in Sicht war, schloss die Gewerkschaft GBI mit den Stadtzürcher Gipsermeistern einen Separatvertrag ab, der den 500 Beschäftigten der rund 20 Gipserunternehmen auf dem Platz die Frühpensionierung zusichert
[23].
Mitte November trat die Belegschaft des Buntmetallverarbeiters Swissmetal Boilat im bernjurassischen
Reconvilliers in einen unbefristeten Streik. Die fristlose Entlassung des Werkleiters, die mit Meinungsverschiedenheiten über die künftige Geschäftsstrategie begründet wurde, brachte einen seit längerem schwelenden Konflikt zum Eskalieren. Für Zorn auf die Geschäftsleitung sorgten auch tiefe Löhne, steigender Druck auf die Belegschaft und die Befürchtung, die Produktion solle nach Asien ausgelagert werden, eine Behauptung, welche die Firmenleitung vehement bestritt. Obgleich sich die Unternehmensspitze und die Gewerkschaft Unia einigten, wurde der Streik fortgesetzt. Nachdem die Berner Volkswirtschaftdirektorin eine Vermittlerrolle eingenommen hatte, konnte der Arbeitskonflikt nach neun Tagen beigelegt werden. Die Geschäftsleitung versprach, den Standort Reconvilliers (wie auch jenen in Dornach, SO) zu stärken und Investitionen zu tätigen. Ebenfalls zugesagt wurden Lohnverhandlungen und eine Intensivierung des Dialogs mit den Mitarbeitenden; von Strafmassnahmen gegenüber den Streikenden wurde abgesehen. Im Gegenzug verzichtete die Belegschaft auf eine Ablösung des Konzernleiters
[24].
Wenige Tage später traten die 150 Angestellten des Zigaretten-Filter-Herstellers Filtrona in
Crissier (VD) in einen unbefristeten Streik, da sie eine Schliessung des Werks befürchteten, das ein Jahr zuvor von einer grossen britischen Firma aufgekauft worden war. Zwei Woche nach Streikbeginn einigten sich Personal und Firmenleitung unter Mithilfe der Waadtländer Schiedsstelle auf Verhandlungen über einen Kollektivvertrag und einen Sozialplan im Fall einer Schliessung des Werks; zudem wurde der Mietvertrag für das Firmengebäude um zwei Jahre verlängert. Die Arbeit wurde provisorisch aufgenommen, nach 24 Stunden aber schon wieder niedergelegt. Belegschaft und Gewerkschaften beschuldigten die Firmenleitung, leere Versprechungen abgegeben zu haben und auf Repressalien gegen die Streikenden offenbar nicht verzichten zu wollen. Nach knapp drei Wochen Arbeitskonflikt betrachtete auch die Schiedsstelle auf Grund von Informationen aus London ihre Vermittlungsbemühungen als gescheitert. Ende Jahr wurden die Verhandlungen über den Umfang eines allfälligen Sozialplans ebenso wie die Produktion zwar wieder aufgenommen, eine definitive Einigung konnte im Berichtsjahr aber nicht mehr erreicht werden
[25].
Auf den 1. Juni traten die Übergangsbestimmungen zum
Personenfreizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU in die
zweite Phase. Schweizerinnen und Schweizer haben ab diesem Zeitpunkt freien Zugang zum Arbeitsmarkt der bisherigen 15 EU-Länder. Umgekehrt bleiben die Kontingente für EU-Angehörige bis 2007 bestehen, wobei allerdings der Vorrang inländischer Arbeitskräfte und die systematische Kontrolle aller neuen Arbeitsverträge bezüglich Lohn- und Arbeitsbedingungen entfallen. Dafür greifen die 1999 beschlossenen flankierenden Massnahmen, die ein Lohn- und Sozialdumping verhindern sollen
[26].
Als flankierende Massnahmen zur
Erweiterung des
Personenfreizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Staaten, die den Schweizer Arbeitsmarkt vor Lohndrückerei und schlechteren Arbeitsbedingungen schützen sollen, schlug der Bundesrat vor, die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen zu erleichtern und eine Verstärkung der Kontrollen vorzusehen. Rund 150 Inspektoren sollen darüber wachen, dass die üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen von den zugewanderten Arbeitskräften nicht unterschritten werden, wobei der Bund die Hälfte der Lohnkosten dieser Inspektoren übernimmt; sie sollen jene Kontrollen und Untersuchungen durchführen, die den 2003 eingeführten tripartiten Kommissionen als Grundlage ihrer Beschlüsse dienen
[27].
Im
Ständerat war das Eintreten auf das Zusatzprotokoll und die flankierenden Massnahmen unbestritten. In der Detailberatung beantragte eine Minderheit Schmid (cvp, AI), für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Gesamtarbeitsvertrages das bisherige Quorum von 30% der Arbeitgeber und 30% der Arbeitnehmer zu belassen, dies wurde vor allem mit den Interessen der KMU begründet. Die Mehrheit der Kommission beantragte, dem Bundesrat zu folgen, wonach das Quorum der Arbeitgeber aufgehoben und dasjenige der Arbeitnehmer auf 50% erhöht wird. Mit 24 zu 13 Stimmen folgte der Rat der Mehrheit der Kommission. Mit 27 zu 6 wurde ein weiterer Antrag Schmid abgelehnt, die flankierenden Massnahmen erst nach Aufhebung der arbeitsmarktlichen Beschränkungen (2011) in Kraft zu setzen und auf sieben Jahre zu beschränken
[28].
Im
Nationalrat stellte Gutzwiller (fdp, ZH) den Ordnungsantrag, das
Zusatzprotokoll und die
flankierenden Massnahmen in einem Genehmigungsbeschluss
zusammenzufassen. Der Stimmbürger könne doch nicht über die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Staaten entscheiden, ohne zu wissen, mit welchen Massnahmen Lohndumping bekämpft werde. Mit 120 zu 46 Stimmen stimmte der Rat diesem Antrag zu. In der Detailberatung übernahm der Rat mehrheitlich die Beschlüsse des Ständerates. Mit 75 zu 57 Stimmen folgte der Nationalrat insbesondere einem Antrag Bührer (fdp, SH) und damit Bundes- und Ständerat und beschränkte die Meldepflichten für die Arbeitgeber gegenüber den zuständigen Kontrollbehörden auf die Identität, die Tätigkeit und den Arbeitsort der in die Schweiz entsandten Arbeitnehmer. Die Kommission hatte auch die Löhne und die Arbeitszeiten in die Meldepflicht einbeziehen wollen. Eine Minderheit Kaufmann (svp, ZH) beantragte, auf die Anstellung von Inspektoren zu verzichten, die rund 20 Mio Fr. pro Jahr kosten; es sei an den in den tripartiten Kommissionen vertretenen Sozialpartnern, diese Kontrollen zu übernehmen. Bundespräsident Deiss konterte, wenn man Kontrollen wolle, so müsse man auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Der Antrag Kaufmann wurde mit 124 zu 47 Stimmen abgelehnt. Gegen einen Antrag Germann (svp, ZH), der Festhalten an den getrennten Vorlagen beantragte, da sonst die Möglichkeit entfalle, frei entscheiden zu können zwischen Ausdehnung der Personenfreizügigkeit mit oder ohne flankierende Massnahmen, stimmte der Ständerat in der Differenzbereinigung der Zusammenfügung mit 27 zu 7 Stimmen zu, worauf die Vorlage von beiden Kammern definitiv verabschiedet werden konnte
[29].
Schutz der Arbeitnehmenden
Nach Ansicht des Bundesrates, der bürgerlichen Parteien, der Arbeitgeber in Industrie und Gewerbe und der meisten Kantone soll der
Sonderschutz für Jugendliche am Arbeitsplatz auf 18 Jahre gesenkt werden. Das Schutzalter ist heute im Arbeitsgesetz für jugendliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf 19 Jahre und für Lehrlinge auf 20 Jahre festgelegt. Bis zu diesem Alter haben sie Anspruch auf längere Ruhezeiten und dürfen nicht für Nacht- und Sonntagsarbeit eingesetzt werden. Die Befürworter argumentierten, die Herabsetzung des Schutzalters auf 18 Jahre bringe mehrere Vorteile mit sich: Erstens stimme es mit der zivilrechtlichen Volljährigkeit überein und entspreche dem Schutzalter im europäischen und internationalen Recht. Ausserdem würde ein auf 18 Jahre festgelegtes Schutzalter erlauben, die Schutzmassnahmen für jugendliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezielter und strenger zu gestalten, da diese Massnahmen auf einen engeren Personenkreis anwendbar wären. Schliesslich könnten junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie Erwachsene eingesetzt werden, was ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhe. Linke Parteien, Gewerkschaften, Jugendverbände und die Kirchen lehnten die Gesetzesänderung kategorisch ab. Sie argumentierten, die Schweiz könne wegen ihres dualen Bildungssystems, welches die praktische Ausbildung am Arbeitsplatz mit dem Besuch der Berufsschule verbindet, nicht mit anderen Ländern verglichen werden. SGB-Präsident und Nationalrat Rechsteiner (sp, SG) stellte die Vorlage in den Zusammenhang mit der angestrebten Lockerung des Sonntagarbeitsverbots im Detailhandel und drohte mit dem Referendum
[30].
Nach Ansicht des Nationalrats ist der Arbeitnehmerschutz im Bereich der Kündigungen genügend ausgebaut. Mit jeweils rund 100 gegen etwas mehr als 60 Stimmen verweigerte er drei parlamentarischen Initiativen Maillard (sp, VD) die Gefolgschaft. Mit seinem ersten Vorstoss wollte Maillard
Massenentlassungen dann als missbräuchlich deklarieren, wenn die vorgeschriebene Konsultation der Belegschaft wirkungslos ist, weil der Arbeitgeber bereits unwiderrufliche Verpflichtungen gegenüber Dritten eingegangen ist. Mit einer zweiten Initiative sollte die Dauer der Anhörung bei Massenentlassungen auf mindestens drei Wochen angehoben werden. Der Sprecher der vorberatenden Kommission begründete die Ablehnung damit, dass die Massnahme zu starr und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu wenig angepasst wären. Das heutige Recht, das auf die Treuepflicht zwischen den Sozialpartnern und auf die Rechtsprechung im Einzelfall abstellt, garantiere den Arbeitnehmenden einen angemessenen Schutz. Erfolgreich widersetzte sich die Kommission auch dem dritten Vorschlag Maillards, bei
missbräuchlicher Kündigung neben der heute vorgesehenen Entschädigung die Möglichkeit der Nichtigkeit im Gesetz zu verankern. Das Plenum folgte der Argumentation der Kommission, wonach im Falle einer Kündigung die Verhältnisse oft derart zerrüttet sind, dass eine weitere Zusammenarbeit beiden Parteien nicht zugemutet werden könne
[31].
Weiterführende Literatur
Ältere Menschen im Unternehmen. Chancen, Risiken, Modelle, Bern 2004.
Ecoplan, Prekäre Arbeitsverhältnisse in der Schweiz. Theoretisches Konzept und empirische Analyse der Entwicklungen von 1992 bis 2002, Bern (Seco) 2003.
Hennenberger, Fred / Sousa-Posa, Alfonso, Eine empirische Analyse der Arbeit auf Abruf in der Schweiz. Determinanten und ökonomische Bewertung dieser Beschäftigungsform, Bern (Seco) 2004. (Zusammenfassung in Die Volkswirtschaft, 2004, Nr. 2, S. 47-50).
Marti, Michael / Osterwald, Stephan, „Prekäre Arbeitsverhältnisse in der Schweiz“, in Die Volkswirtschaft, 2004, Nr. 2, S. 43-46.
Weber, Bernhard / Birchmeier, Urs, „Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitskräfte – eine ökonomische Betrachtung“, in Die Volkswirtschaft, 2004, Nr. 12, S. 43-46.
Baur, Rita, „Erschwerte soziale und berufliche Integration: Hintergründe und Massnahmen“, in CHSS, 2004, S. 176-179.
Gärtner, Ludwig, „Integration in den Arbeitsmarkt: Ein schwieriges Unterfangen“, in CHSS, 2004, S. 311-315 (Zusammenfassung der Ergebnisse des NFP 45 „Probleme des Sozialstaats“).
[1] Presse vom 8.3.05. Siehe
SPJ 2003, S. 196.
[5]
Lit. Ecoplan; Presse vom 6.2.04.
[6]
Lit. Hennenberger / Sousa-Posa und Marti / Osterwald; Presse vom 6.2.04;
NZZ, 11.2.04.
[7]
BBl, 2002, S.3605 ff.;
AB NR, 2004, S. 1184 ff. und 1201 ff. Eine Mehrheit der GP- und der SVP-Fraktion lehnte das Gesetz in der Gesamtabstimmung ab. In der vorberatenden Kommission waren einzelne Massnahmen derart umstritten gewesen, dass die Vorlage aus dem Programm der Frühjahrssession gestrichen und einer zweiten Lesung unterzogen wurde (
NZZ, 18.2.04;
TA, 19.2.04). Diskussionslos wurde ein Postulat der Kommission für eine landesweite Informations- und Aufklärungskampagne über die Folgen der Schwarzarbeit angenommen (
AB NR, 2004, S. 1219).
[8]
AB SR, 2004, S. 917 ff. und 922 ff.
[9] Presse vom 18.5.05;
Die Volkswirtschaft, 2005, Nr. 7/8, S. 93.
[13]
Die Volkswirtschaft, 2005, Nr. 7/8, S. 94-96. Vgl.
SPJ 2003, S. 199. Für die Jugendarbeitslosigkeit siehe die Ergebnisse einer Studie in 10 Deutschschweizer Kantonen (Presse vom 22.9.04).
[15] Presse vom 29.4.04. Für die im Rahmen der 42 wichtigsten GAV für 2004 vereinbarten Lohnerhöhungen siehe Presse von 14.8.04. Vgl.
SPJ 2003, S. 200. Für die Querelen um die Einführung eines neuen Lohnausweises vgl. oben, Teil I, 5 (Direkte Steuern).
[16] Presse vom 5.8., 12.8. und 30.10.04;
SHZ, 17.11.04;
Bund, 18.11.04;
NZZ, 22.12. und 24.12.04. Siehe
SPJ 2003, S. 201.
[17] Presse vom 15.6.04. Für die nach wie vor tieferen Löhne der Frauen siehe unten, Teil I, 7d (Frauen).
[18]
BBl, 2004, S.
4471 ff.; Presse vom 24.6.04. Für die Lohnentwicklung in den bundesnahen Betrieben siehe oben, Teil I, 6b (Chemins de fer resp. Poste).
[19] Presse vom 15.4.05. Siehe
SPJ 2003, S. 201 (die dort genannten Zahlen bezogen sich auf 2002 und nicht, wie fälschlicherweise geschrieben, auf 2003).
[21] Presse vom 21.12.04. Für die vom NR in den Vorjahren wiederholt abgelehnte Forderung nach einem landesweiten Normalarbeitsvertrag in der Landwirtschaft siehe
SPJ 2002, S. 190 und
2003, S. 202. Vgl. dazu auch oben, Teil I, 4c (Politique des revenus).
[22]
NZZ, 10.1., 13.1.,18.6. und 20.8.04; Presse vom 14.1.04;
TA, 16.9., 29.9. und 11.10.04;
WoZ, 24.6.04. Zu keiner Einigung kam es hingegen beim GAV für die schriftliche Presse (
TA, 17.9.04 sowie unten, Teil I, 8c, Presse).
[23]
NZZ, 23.2., 22.4., 28.5., 29.5. und 14.7.04; Presse vom 23.4. und 27.4.04;
TA, 13.5., 21.5. und 29.5.04.
[24] Presse vom 18.11.-26.11.04.
[25] Presse vom 1.12.-28.12.04.
[26] Presse vom 18.5. und 1.6.04. Siehe
SPJ 1999, S. 238 ff. Zur Umsetzung der flankierenden Massnahmen setzte Bundespräsident Deiss Ende Oktober eine Task-Force ein (
NZZ, 29.10.04). Zu den ersten Ergebnissen des Observatorium-Berichts von Seco, BFM und BFS, der keine bedeutenden Auswirkungen auf Arbeitslosigkeit und Lohnniveau feststellte, vgl. Presse vom 29.6.05. Das sahen die Gewerkschaften und Teile der Arbeitgeberschaft allerdings anders. Die meisten Probleme scheinen sich dort zu stellen, wo ausländische Temporärfirmen Personal (insbesondere im Baugewerbe) in die Schweiz vermitteln (
TA, 20.9., 27.10. und 10.12.04;
SGT, 28.9.04; Presse vom 22.10.04. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR zu Fragen im NR (
AB NR, 2004, S. 1402, 1405, 1543 f. und 2195) sowie drei überwiesene Kommissionspostulate des NR, die eine gezieltere Überwachung der Entwicklungen anregten (
AB NR, 2004, S. 2033).
[27]
BBl, 2004, S.
6565 ff.
[28]
AB SR, 2004, S. 731 ff., 744 ff. und 749 ff.
[29]
AB NR, 2004, S. 1974 ff., 2004 ff., 2033 und 2192 f.;
AB SR, 2004, S. 886. Siehe dazu auch oben, Teil I, 2 (Europe: UE).
[30]
BBl, 2004, S.
6773 ff.; Presse vom 14.2. und 18.11.04. Zu den Sonntagsverkäufen siehe oben, Teil I, 4a (Wettbewerb).
[31]
AB NR, 2004, S. 1357 ff. BR Metzler hatte 2003 eine Änderung des OR in dem Sinn vorbereiten lassen, wonach Betriebe ab einer gewissen Grösse bei Massenentlassungen zwingend einen Sozialplan vorlegen müssen. Der BR in neuer Zusammensetzung strich dieses Vorhaben aus der Legislaturplanung 2003-2007 (
TA, 4.3.04). Abgelehnt wurde auch eine Motion Rechsteiner (sp. SG), die eine Verstärkung des Kündigungsschutzes für Arbeitnehmervertreter in den Stiftungsräten der Pensionskassen verlangte (
AB NR, 2004, S. 282 ff.).
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