Année politique Suisse 2004 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
Grundschulen
Diskussionslos überwies der Nationalrat ein Postulat Riklin (cvp, ZH), das den Bundesrat auffordert, den Regierungen der an der deutschen
Rechtschreibereform beteiligten Länder das Interesse der Schweiz an einem Konsens mitzuteilen. Eine Untersuchung aus Österreich zeigte, dass Schülerinnen und Schüler nach einer Umgewöhnungsphase mit der neuen Orthographie durchschnittlich 13% weniger Fehler machen als mit der alten und bei der Zeichensetzung sogar nur noch halb so viele
[10].
Im Rahmen des „Programme for International Student Assessment“ (
PISA) testet die OECD alle drei Jahre eine repräsentative Stichprobe von 15-Jährigen. 2003 beteiligten sich 41 Staaten an der Studie. Die Schweizer Schülerinnen und Schüler schnitten in allen Bereichen besser ab als vor drei Jahren: Im Schwerpunktbereich Mathematik erreichten sie Rang 9, im Lesen Rang 13, in den Naturwissenschaften Rang 12 und im Problemlösen Rang 11. Die besten Resultate erzielten die Jugendlichen aus Hongkong-China, Finnland und Korea. Eine detailliertere Auswertung der Daten bestätigte den grossen Einfluss von sozialen, kulturellen und ökonomischen Faktoren auf die schulischen Leistungen. Schülerinnen und Schüler aus einfachen Verhältnissen und mit im Ausland geborenen Eltern schnitten erneut schlecht ab. EDK-Präsident Hans Ulrich Stöckling machte dafür auch die Schweizer Einwanderungspolitik verantwortlich. Bis Anfang der neunziger Jahre seien meist unterdurchschnittlich Qualifizierte in die Schweiz eingewandert, welche das Bildungsniveau gesenkt hätten; andere Einwanderungsländer hätten hingegen mit einer restriktiveren Einwanderungspolitik ihre Platzierungen steigern können
[11].
Eine Studie des Nationalfonds kam zum Ergebnis, dass mit der
Wiederholung eines Schuljahres in der Primarschule das pädagogische Ziel meist nicht erreicht werde (fast jedes fünfte Kind wiederholt während der Schulpflicht eine Klasse). Die Repetition sei zu teuer; der Entscheid für die „Ehrenrunde“ falle zufällig, abhängig von der Lehrkraft. Die Ergebnisse basieren auf Befragungen von über 4000 Kindern aus 234 Klassen in 24 Kantonen (ohne TI und NE) des zweiten Schuljahres sowie deren Lehrpersonen
[12].
Die Fachhochschulen Aargau, Solothurn und beider Basel beschlossen, künftig im Bereich der
Bildungsforschung und -entwicklung zusammenzuarbeiten
[13].
Um zu verhindern, dass
pädophile Lehrer in anderen Kantonen eine Stelle antreten, führt die EDK eine schwarze Liste. Die Datenschutzbeauftragten wiesen die EDK darauf hin, dass ihr für diese Art der Datensammlung die nötige gesetzliche Grundlage gemäss kantonalen Datenschutzgesetzen fehle. Zudem stellten sie die Verhältnismässigkeit der Massnahme und die vorgesehene Datenbearbeitung in Frage. Die Erziehungsdirektoren beschlossen, die Liste trotzdem weiterzuführen
[14].
Im Rahmen des im Nachgang zu PISA 2000 beschlossenen Projektes
Harmonisierung der obligatorischen Schule (
HarmoS) lief die Entwicklung der Bildungsstandards an, welche zu einer Vereinheitlichung der Lehrpläne und zu überprüfbaren Leistungszielen in den wichtigsten Fächern führen soll. Basierend auf diesen Standards sollen die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler am Ende des 2., 6. und 9. Schuljahres in den Fächern Muttersprache, Fremdsprache, Mathematik und Naturwissenschaften künftig landesweit gemessen und verglichen werden. Neben einer verbesserten Schulbildung erhofft sich die EDK mehr Transparenz und eine bessere Orientierung und längerfristig eine indirekte Harmonisierung der Strukturen im Volksschulbereich sowie eine Angleichung bei den Lehrplänen und Lehrmitteln; HarmoS bildet auch die Voraussetzung für die Herabsetzung des Schuleintrittalters. 2007 will die EDK ein neues Konkordat der obligatorischen Schule verabschieden. Die FDP beschloss die Ausarbeitung einer Volksinitiative, welche landesweit einheitliche Vorgaben für die Volksschule vorsieht (gleiches Alter für den Schuleintritt und den Übertritt in weiterführende Stufen, Vereinheitlichung beim Schulstoff, insbesondere beim Fremdsprachenunterricht). Die EDK hielt dieses Vorhaben mit Hinweis auf das Projekt HarmoS für überflüssig
[15].
Im Berichtsjahr gaben die Bildungsdirektoren der Romandie und des Tessins (BE, FR, GE, JU, NE, TI, VD, VS) ein Konzept zur Harmonisierung der Lernziele (plan d’études-cadres romand d’harmonisation des objectifs d’apprentissage, PECARO) in die Vernehmlassung.
PECARO definiert nicht nur die Lernschwerpunkte für die drei Altersstufen (1.-2., 3.-6. und 7.-9. Schuljahr), sondern legt auch fest, wie viel Zeit die Lehrkräfte für die Vermittlung des entsprechenden Lernstoffes aufzuwenden haben. Einige Waadtländer Parlamentarier und Elternvereinigungen drohten mit dem Referendum, weil sie befürchteten, die Kontrolle über die obligatorische Schule zu verlieren
[16].
Im Zusammenhang mit HarmoS verabschiedete die EDK einen Strategiebeschluss zur Koordination des Sprachenunterrichts. Höchste Priorität habe als Erstsprache die lokale Landessprache. An der Primarschule würden zwei
Fremdsprachen unterrichtet, darunter eine Landessprache; die andere sei in der Regel Englisch. Der Fremdsprachenunterricht beginne im 3. und 5. Schuljahr. Die Wahl der Einstiegssprache sei den Kantonen freigestellt, werde aber regional koordiniert. Am Ende der obligatorischen Schulzeit (9. Schuljahr) müssten alle Schülerinnen und Schüler die gleichen Lernziele erreicht haben. Dem EDK-Beschluss stimmten 24 Kantone zu, nur Luzern und Appenzell-Innerrhoden enthielten sich der Stimme; in Luzern ist das Frühfranzösisch umstritten, während Appenzell-Innerrhoden das Französisch vor zwei Jahren zu Gunsten des Englischen an die Oberstufe delegierte. In mehreren Kantonen regte sich Widerstand gegen die Einführung von zwei Fremdsprachen auf Primarstufe; in Zürich, Thurgau und Graubünden sind entsprechende Volksinitiativen hängig. Die Ost- und die Zentralschweizer Bildungsdirektoren sprachen sich für Englisch als erste Fremdsprache aus, während jene der sechs Kantone entlang der Sprachgrenze (BE, BL, BS, FR, SO, VS) für Französisch optierten
[17].
Die Versuche mit der sogenannten
Basis- oder Grundstufe (dem flexiblen Schuleintritt und der Zusammenfassung von Kindergarten und Unterstufe) in Ostschweizer Schulen stiessen auf Anklang. Neu starteten auch Nidwalden und Zürich einen Versuch. Insgesamt begannen nach Angaben der EDK-Ost rund 60 Versuchsklassen das Schuljahr 2004 in der Basisstufe. Im Schuljahr 2005/06 sollen auch Klassen im Kanton Bern und in der Zentralschweiz dazukommen
[18].
Mehrere Kantone verfügten als letzte Massnahme gegen
renitente Schülerinnen und Schüler den Ausschluss vom Unterricht bis zu mehreren Wochen. Viele Gemeinden stellten Schulsozialarbeiter an, damit sich die Lehrkräfte vermehrt wieder ihrer eigentlichen Aufgabe, der Vermittlung des Schulstoffes, widmen können
[19].
[10]
AB NR, 2004, S. 2175 und Beilagen V, S. 235 f.;
BZ, 3.8. und 9.8.04;
24h, 10.8.04;
NZZ, 28.9.04 (Studie).
[11] Presse vom 6.-8.12.04. Reaktionen auf Stöcklings Aussage:
BZ, 21.12.04;
Bund, 22.12.04. Zu PISA 2000 vgl.
SPJ 2001, S. 218.
[12] Presse vom 16.12.04.
[13] Presse vom 24.11.04.
[14] Presse vom 7.2. und 20.2.04;
NZZ, 23.2.04.
[15] Presse vom 2.7., 25.10. (FDP) und 30.10.04; EDK,
Jahresbericht 2004 (Bern, März 2005), S. 5 und 7 ff.; vgl.
SPJ 2002, S. 254 und
2003, S. 262. Zur FDP siehe auch unten, Teil IIIa (Parteien).
[16] Presse vom 23.1. und 30.9.04;
NF, 30.1.04;
LT, 23.8.04.
[17] Presse vom 1.4., 3.6. und 9.9.04;
LT, 1.9.04; EDK,
Jahresbericht 2004 (Bern, März 2005), S. 3.
[18]
NZZ und
SN, 27.8.04; vgl.
SPJ 2003, S. 261.
[19]
SGT, 30.6.04;
NZZ, 28.8.04;
LT, 26.11.04; vgl.
SPJ 2000, S. 255 f. Siehe dazu unten, Teil II, 6a.
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