Année politique Suisse 2005 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
 
Strafrecht
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Ermittlungsmethoden
Zu dem im Berichtsjahr vom Volk gutgeheissenen Vertrag mit der EU über den Beitritt der Schweiz zum Schengen-Abkommen, welches insbesondere eine bessere Zusammenarbeit der Polizei und den Zugang der Schweiz zur europäischen Fahndungsdatenbank SIS enthält, siehe unten, Teil I, 2 (Europe: UE).
Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Genehmigung der Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der Schweiz und dem Europäischen Polizeiamt (Europol). Dieses Abkommen war zwar bereits seit zwei Jahren unterschriftsbereit, die EU hatte die Ratifizierung aber vom Abschluss der Abkommen mit der Schweiz über die Zinsbesteuerung und die Betrugsbekämpfung im Rahmen der Bilateralen II abhängig gemacht. Europol ist eine in den 90er Jahren von der EU geschaffene Institution zur internationalen Zusammenarbeit in der Verbrechensbekämpfung. Diese hat sich bisher auf die Sammlung und den Austausch von Daten beschränkt und verfügt über keine eigene Ermittlungskompetenz. Mit dem Abkommen zwischen der Schweiz und Europol wird der gegenseitige Datenaustausch über organisiertes Verbrechen und Terrorismus möglich. Dieser geschieht allerdings nicht über den Direktzugriff auf die Datenbanken, sondern über so genannte Verbindungsbeamte, welche vor Ort stationiert sind. Das Abkommen geht damit materiell wesentlich weniger weit, als die zwischen der Schweiz und einzelnen EU-Staaten abgeschlossenen bilateralen Zusammenarbeitsabkommen; es deckt aber räumlich den ganzen EU-Raum ab [36]. Der Ständerat hiess die Vorlage einstimmig gut, im Nationalrat gab es in der Schlussabstimmung eine Gegenstimme (Schwander, svp, SZ) [37].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament im Weiteren, die nach den Terroranschlägen in den USA im September 2001 vorgenommenen Veränderungen im Europäischen Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus zu genehmigen. Die in einem Protokoll festgehaltenen Revisionen gegenüber der Version von 1977 betreffen vor allem eine Ausweitung der Definition der als Terrorismus bezeichneten strafbaren Handlungen. Darunter sollen grundsätzlich auch solche fallen, die von ihren Autoren politisch begründet werden. Der ursprünglich von der Schweiz gemachte Vorbehalt, Auslieferungen unter Umständen abzulehnen, wenn die terroristische Straftat politisch motiviert war, widerspricht dieser neuen Definition und soll deshalb fallen gelassen werden. Als Grund für die neue Begriffsbestimmung gab der Bundesrat die besondere Verwerflichkeit terroristischer Akte an, welche sich meist absichtlich gegen unbeteiligte Zivilisten richten. Eine Auslieferung in ein Land, in dem das Risiko von Folter oder Todesstrafe besteht, ist aber auch im neuen Übereinkommen nicht vorgeschrieben, da dies dem rechtlich höher stehenden Menschenrecht widerspricht. In diesem Fall müsste aber die Schweiz selbst eine Strafverfolgung durchführen. Die neuen Regelungen verlangen keine Anpassung der schweizerischen Gesetzgebung. Der Nationalrat stimmte dem Übereinkommen als Erstrat gegen den Widerstand der Grünen zu. Diese protestierten mit ihrem Nichteintretensantrag dagegen, dass gemäss der neuen Definition terroristische Akte grundsätzlich nicht als politische – und damit unter Umständen legitime – Kampfmittel anerkannt werden. In der Detailberatung wurde ein auch von der Mehrheit der SP unterstützter Antrag abgelehnt, den bisherigen schweizerischen Vorbehalt bezüglich Nichtauslieferung politisch motivierter Terroristen explizit beizubehalten. In der Gesamtabstimmung, die mit 116 zu 17 Stimmen deutlich ausfiel, lehnten die geschlossenen Grünen und die extreme Linke das Übereinkommen ab, während sich eine starke Minderheit der SP der Stimme enthielt [38].
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Strafprozessordnung
Ende Dezember veröffentlichte der Bundesrat eine Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts. Mit der Zustimmung zur Justizreform im Jahr 2000 hatten Volk und Stände ihre grundsätzliche Zustimmung zu einer Ersetzung der bisherigen 29 Strafprozessordnungen (26 kantonale und drei des Bundes) gegeben. Die Vorschläge des Bundesrates unterschieden sich in den Hauptpunkten nicht von der Vernehmlassungsvorlage des Jahres 2003. Insbesondere bestätigte die Regierung ihren Entscheid für das Staatsanwaltsmodell, bei dem nicht ein Untersuchungsrichter als quasi neutrale Instanz eine Untersuchung leitet, sondern der Staatsanwalt, der dann auch vor dem Richter die Anklage vertritt. Als Gegengewicht zu diesem Machtgewinn für die Anklage sollen bestimmte Verteidigungsrechte ausgebaut werden (so etwa das Recht auf sofortigen Beizug eines Anwalts). Neu in die Strafprozessordnung aufgenommen werden sollen auch Mechanismen, welche dem Staatsanwalt oder dem Opfer die Möglichkeit einer aussergerichtlichen Einigung eröffnen (so genanntes bargaining). Aus rechtsstaatlichen Gründen soll hingegen auf einen Strafverzicht oder -erlass für Täter, welche sich als Kronzeugen zur Verfügung stellen, verzichtet werden. Formal werden die Neuerungen in zwei Gesetzen formuliert: einer Strafprozessordnung (für Erwachsene) und einer Jugendstrafprozessordnung. In letzterer sind die Unterschiede zur normalen Strafprozessordnung festgehalten. Dazu gehört etwa der Entscheid für das Jugendrichtermodell, bei dem die Untersuchungsleitung und die Beurteilung in einer einzigen Instanz zusammengefasst sein können [39].
Die im Vorjahr von der grossen Kammer überwiesene Motion für den Schutz von Opfern und Zeuginnen fand auch im Ständerat Zustimmung [40].
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Strafmass und Vollzug
Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Genehmigung eines UNO-Abkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität sowie von Zusatzprotokollen zur Verhinderung und Bestrafung des Menschenhandels und der Schlepperei. Der Hauptwert des Abkommens liegt in der Angleichung der internationalen Rechtsstandards und der Verpflichtung der Signaturstaaten zur Schaffung entsprechender Gesetze (z.B. gegen die Geldwäscherei). Die aktuell gültigen schweizerischen Rechtsgrundlagen genügen den Anforderungen des Abkommens [41].
Bei der Ende 2002 vom Parlament verabschiedeten, aber vom Bundesrat noch nicht in Kraft gesetzten umfassenden Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs waren im Nachhinein, d.h. bei der Anpassung der kantonalen Rechtsordnungen, Zweifel am Sinn von bestimmten Beschlüssen aufgetaucht. Namentlich bei der Umsetzung der Grundsatzidee, kurze Freiheitsstrafen durch Geldbussen zu ersetzen, ergaben sich Widersprüche zum bestehenden Ordnungsbussensystem. Konkret konnte dies bedeuten, dass im Strassenverkehr für eine Person mit niedrigem Einkommen eine Ordnungsbusse für eine kleine Übertretung höher ausfiel als die – nach Einkommensverhältnissen abgestufte – Busse für ein wesentlich schwereres Vergehen. Der Bundesrat beantragte deshalb, einige Regelungen zu revidieren. Gleichzeitig schlug er auch vor, die in der Strafrechtsreform geschaffenen Bestimmungen über die ordentliche Verwahrung in zwei Punkten zu verschärfen. Erstens soll eine Verwahrung auch für rückfallgefährdete Täter bestimmter Delikte (z.B. sexuelle Handlungen mit Kindern resp. Abhängigen) angeordnet werden können, die zu einer Strafe von mindestens fünf Jahren (statt zehn, wie im revidierten Gesetz vorgesehen) verurteilt worden sind. Zweitens soll es möglich sein, eine ordentliche Verwahrung – nicht aber eine lebenslängliche Verwahrung – nachträglich auch gegen bereits verurteilte Täter auszusprechen. Diese Bestimmung soll zudem rückwirkend angewendet werden, d.h. auch auf Täter, die vor Inkraftsetzung des Gesetzes verurteilt worden sind; gemäss Botschaft allerdings nicht auf psychisch nicht gestörte Ersttäter. Der praktische Hintergrund dieses Vorschlags war, dass ohne diese neuen Bestimmungen mehrere verwahrte rückfallgefährdete Sexualstraftäter und Gewaltverbrecher mit dem Inkrafttreten des revidierten Gesetzes unverzüglich hätten frei gelassen werden müssen [42]. Auf Antrag seiner Rechtskommission hiess der Ständerat die Vorschläge in der Dezembersession weitgehend in der Fassung des Bundesrates gut. Umstritten war die Möglichkeit der nachträglichen, also nach der Verkündung eines Gerichtsurteils verhängten Verwahrung. Nachdem Bundesrat Blocher versichert hatte, es gehe hier nur um diejenigen seltenen Fälle, bei denen bei einem Gewaltverbrecher erst während des Strafvollzugs eine schwere Anomalie entdeckt werde, die ihn zu einem Wiederholungstäter machen könnte, stimmte der Rat mit 21 zu 11 Stimmen auch diesem Passus zu [43].
Gegen Jahresende gab der Bundesrat seine Vorschläge für die Umsetzung der 2004 angenommenen Volksinitiative „für eine lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter“ bekannt. Nachdem die 2004 durchgeführte Vernehmlassung starke Kritik hervorgerufen hatte, hatte das EJPD angekündigt, Alternativen auszuarbeiten. Der Bundesrat hielt dann trotzdem weitgehend am Vernehmlassungsentwurf fest, er trennte allerdings die Umsetzung der Volksinitiative von den Ausbesserungsarbeiten an den Allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (siehe dazu oben). Da der Wortlaut des von der Volksinitiative geschaffenen Verfassungsartikels unter juristischen Aspekten sehr unklar ist, muss auf Gesetzesebene vorerst einmal bestimmt werden, was unter „extrem gefährlichen Sexual- oder Gewaltstraftätern“ zu verstehen ist. Gemäss der Botschaft sind darunter Täter folgender Verbrechen zu verstehen: Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Freiheitsberaubung oder Entführung, Geiselnahme, Menschenhandel oder Völkermord, bei denen der Täter die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person beeinträchtig hat. Vorgesehen ist, dass für die Anordnung einer lebenslangen Verwahrung ein Gericht sich auf zwei unabhängige Gutachten stützen muss. Bei der Überprüfung der Weiterführung einer angeordneten Verwahrung glaubt der Bundesrat ein mit Art. 5 der EMRK vereinbares Verfahren gefunden zu haben. Dieses sieht ein mehrstufiges Vorgehen vor: Ein lebenslänglich Verwahrter soll ein Gesuch um eine neue Begutachtung stellen dürfen; ein solches kann, in Abweichung vom Vernehmlassungsentwurf, aber auch von der Vollzugsbehörde eingereicht werden. Danach würde eine Fachkommission abklären, ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Therapierbarkeit vorliegen oder ob bekannte Therapien aufgrund persönlicher Veränderungen des Täters erfolgreich sein könnten. Falls dem so ist und die Therapie zu einer erheblichen Reduktion der Gefährlichkeit des Täters führt, könnte ein Gericht die lebenslange Verwahrung in eine befristete umwandeln. Das Gericht könnte eine lebenslange Verwahrung zudem bedingt aufheben, wenn der Täter infolge seines hohen Alters oder einer schweren Krankheit keine Gefahr für die Öffentlichkeit mehr darstellt. Während sich der Bundesratsentwurf bei der Möglichkeit einer Überprüfung der Fortsetzung der Verwahrung von den Forderungen der Initiantinnen und ihrem Verfassungstext entfernen musste, um den Widerspruch zur EMRK möglichst klein zu halten, blieb er beim Verbot von Urlauben während der Strafverbüssung und der Verwahrung auf einer kompromisslosen Linie [44]. Die Initiantinnen protestierten umgehend gegen den Entwurf des Bundesrates, da dieser nicht dem Initiativtext entspreche. Sie drohten mit dem Referendum, falls das Parlament keine Verschärfungen beschliessen würde [45].
Die mehreren Kantonen vom Bundesrat erlaubte versuchsweise Durchführung des elektronisch überwachten Haftvollzugs ausserhalb von Vollzugsanstalten scheint sich zu bewähren. Es fehlte aber auch nicht an Kritik, welche diese Form des Strafvollzugs als zu milde bezeichnet. Der Versuch wurde um weitere drei Jahre (oder bis zur Inkraftsetzung des revidierten Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs) verlängert. Bis dann will die Regierung entscheiden, ob diese Art der Strafverbüssung mit einer Änderung des Strafgesetzbuchs definitiv und in allen Kantonen eingeführt werden soll [46].
Der Ständerat befasste sich als erster mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Verschärfung des Kampfs gegen die Korruption und stimmte den beantragten gesetzlichen Änderungen oppositionslos zu. Die neuen Regeln, welche insbesondere auch die passive Bestechung im privaten Bereich (also die Annahme von Bestechungszahlungen durch einen Angestellten eines privaten Unternehmens) unter Strafe stellen, fanden auch im Nationalrat Unterstützung. Das Parlament hiess auch die Ratifizierung eines entsprechenden Europarats-Übereinkommens gut [47]. Der Nationalrat überwies zudem eine Motion Gysin (sp, BS), welche gesetzliche Massnahmen zum Schutz von firmeninternen Informanten über Bestechungsfälle (so genannte whistle-blowers) vor Entlassung und anderen Diskriminationen verlangt [48].
Zu Jahresbeginn gab der Bundesrat den Vorentwurf für eine Verschärfung des Geldwäschereigesetzes in die Vernehmlassung. Es geht bei der Revision vor allem darum, die von einer internationalen Arbeitsgruppe (FATF) erlassenen Empfehlungen umzusetzen. Vorgesehen ist insbesondere die Erweiterung des Geldwäschereibegriffs auf Geschäfte mit Erlösen von Produktpiraterie, Menschenschmuggel sowie aus Insidergeschäften an der Börse. Weitere Berufe ausserhalb des Finanzsektors (z.B. Kunst- und Edelmetalhändler) sollen zudem dem Geldwäschereigesetz und seinen Kontrollmechanismen (Identifikation der Kunden etc.) unterstellt werden. Die Reaktionen fielen bei den bürgerlichen Parteien und der Bankiervereinigung, die vor einer Überregulierung warnten, sehr negativ aus. Bundesrat Merz gab daraufhin bekannt, dass das Projekt einstweilen auf Eis gelegt und später gründlich überarbeitet werde [49].
Nachdem in den letzten Jahren die strafrechtlichen Voraussetzungen zur Bekämpfung von Gewalt in der Familie und in eheähnlichen Partnerschaften ausgebaut worden sind, beantragte die Rechtskommission des Nationalrats nun auch noch zivilrechtliche Massnahmen zum Schutz von unter Gewalt leidenden, bedrohten oder verfolgten Personen. Sie tat dies in Umsetzung einer 2001 von der grossen Kammer angenommenen parlamentarischen Initiative Vermot (sp, BE). Konkret geht es darum, dass ein Gericht einem Täter verbieten kann, eine gemeinsame Wohnung zu betreten, sich dieser oder dem Opfer zu nähern, oder sich an bestimmten Orten, an denen das Opfer verkehrt, aufzuhalten. Strafbar wird neu auch das so genannte Stalking (Verfolgen oder Belästigen eines Opfers durch physische Präsenz oder Telefonate). Damit die Opfer nicht auf die Durchführung eines Gerichtsverfahrens warten müssen, sollen die Kantone eine Stelle bezeichnen, welche eine Wohnungsausweisung sofort anordnen kann. In einigen Kantonen (u.a. St. Gallen) sind derartige Bestimmungen bereits eingeführt worden. Der Nationalrat stimmte den Anträgen zu; dagegen sprach sich in der Gesamtabstimmung nur eine Mehrheit der SVP-Fraktion aus. Die Forderung der Linken, ausländischen Opfern, deren Aufenthaltsstatus von demjenigen des Täters (z.B. des Ehepartners) abhängt, während der ganzen Verfahrensdauer eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, fand hingegen keine Mehrheit [50]. Der Nationalrat überwies den Teil eines Postulats Stump (sp, AG), der einen Bericht über die Ursachen von Gewalt gegen Frauen und Kindern in Familien verlangte; die Entwicklung und Umsetzung eines Aktionsplans zur Bekämpfung dieser Gewalttaten lehnte er hingegen mit finanziellen Argumenten ab [51].
Im Sommer legte der Bundesrat seine Vorschläge für die Schaffung von zusätzlichen gesetzlichen Grundlagen für die Bekämpfung von Gewalt bei und im Umfeld von Sportveranstaltungen vor. Diese sollen insbesondere auch der Verstärkung des Sicherheitsdispositivs zu einer problemlosen Durchführung der Fussball-Europameisterschaft in der Schweiz im Jahre 2008 dienen. Eingefügt werden sie in das Bundesgesetz von 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit. Neben einer Datenbank für notorisch gewaltbereite Besucher von Sportanlässen (so genannte Hooligans) sind darin auch Massnahmen enthalten, welche die Behörden gegen derartige Personen ergreifen können, um sie von Sportanlässen fernzuhalten. Diese gehen von Rayonverboten über die Meldepflicht (z.B. am eigenen Wohnort zur Zeit eines auswärts stattfindenden Sportanlasses) bis zur präventiven Haft („vorsorglicher Gewahrsam“). Da auch Auseinandersetzungen zwischen politischen Gegnern der links- und rechtsextremen Szene immer häufiger gewaltsam ausgetragen werden, beantragt der Bundesrat zudem die Schaffung von rechtlichen Grundlagen für die Beschlagnahmung von Propagandamaterial, das zu physischer Gewalt aufruft [52].
Der Nationalrat behandelte das Geschäft in der Wintersession. Die Linke bekämpfte die Vorlage mit einem von der GP und einer starken Minderheit der SP unterstützten Nichteintretens- und, als Alternative dazu, einem von GP und SP geschlossen unterstützten Rückweisungsantrag. Sie bemängelte wie bereits in der Vernehmlassung, dass die Vorlage überflüssig sei, weil Repressionsmittel wie Rayonverbote oder die Meldepflicht im Rahmen der kantonalen Polizeigesetze geschaffen werden können [53], und dass grundsätzlich viel mehr Gewicht auf präventive Massnahmen wie Fanbetreuung gelegt werden müsste. Beide Anträge scheiterten deutlich. In der Detailberatung konnte sich die Linke auch nicht mit ihren Anliegen durchsetzen, dass Massnahmen wie die Aufnahme einer Person in eine Hooligan-Datenbank, Rayonverbote oder Polizeigewahrsam (während eines Spiels) nur gegen Personen verhängt werden dürfen, welche von einem Gericht zuvor rechtskräftig wegen Gewaltanwendung verurteilt worden sind. Die bürgerliche Ratsmehrheit hielt dem entgegen, dass längstens nicht alle Teilnehmer an Gewalttätigkeiten im Umfeld von Sportveranstaltungen angezeigt würden, und dass zudem von einer Tat bis zu einer rechtsgültigen Verurteilung unter Umständen Jahre vergehen können. In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalratrat das Gesetz mit 107 zu 50 Stimmen gut. Die GP hatte geschlossen, die SP bei neun Enthaltungen dagegen gestimmt [54].
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Waffenrecht
Der Bundesrat gab bekannt, dass er nach der Annahme des Schengen-Abkommens in der Volksabstimmung zwei Vorlagen zur Revision des Waffenrechts vorlegen werde. Davon soll sich die eine mit dem infolge des Schengen-Vertrags Notwendigen (Registrierung der Schusswaffen), die andere mit übrigen Anliegen (z.B. Regeln für den Erwerb von Soft-air-guns und Imitationen) befassen. Der ursprünglich für das Berichtsjahr geplante Entscheid des Bundesrates über die beiden Vorlagen verzögerte sich [55].
Die SVP, welche bisher Verschärfungen des Waffenrechts stets abgelehnt hatte, versuchte einen neuen Weg, um die zunehmende Verwendung von Waffen bei der Begehung von Straftaten zu bekämpfen. Mit einer Motion schlug sie im Nationalrat vor, das Strafrecht in dem Sinne zu ändern, dass alle Straftäter, die zur Durchführung eines Delikts eine Waffe bei sich tragen, mit mindestens fünf Jahren Zuchthaus bestraft werden. Ob sie dabei die Waffe einsetzen oder nicht, soll keine Rolle spielen. Ausländische Straftäter, die eine Waffe auf sich tragen, wären zusätzlich mit einer Landesverweisung zu bestrafen. Der Nationalrat lehnte diese auch vom Bundesrat bekämpfte Motion ab [56].
 
[36] BBl, 2005, S. 983 ff.; BaZ, 27.1.05. Zur polizeilichen Zusammenarbeit mit den Nachbarländern siehe auch BaZ, 25.1.05.
[37] AB SR, 2005, S. 637 und 879; AB NR, 2005, S. 1471 ff. und 1521; BBl, 2005, S. 5971 f.; Lib., 27.1.05.
[38] BBl, 2005, S. 1555 ff.; AB NR, 2005, S. 1474 ff.
[39] BBl, 2006, S. 1085 ff.; NZZ, 22.12.05. Vgl. SPJ 2003, S. 26.
[40] AB SR, 2005, S. 147. Vgl. SPJ 2004, S. 23.
[41] BBl, 2005, S. 6693 ff.
[42] BBl, 2005, S. 4689 ff.; SoZ, 6.3.05; Presse vom 30.6.05. Zugunsten einer nachträglichen Verwahrung siehe auch TA, 31.8.05. Siehe SPJ 2004, S. 24 f. sowie Lit. Cimichella.
[43] AB SR, 2005, S. 1142 ff.; TA, 15.12.05.
[44] BBl, 2006, S. 889 ff.; NZZ, 9.2.05 (Alternativvorschläge); Presse vom 24.11.05. Vgl. SPJ 2004, S. 24. Zur Diskussion unter Strafrechtsexperten über die Möglichkeit einer menschenrechtskonformen Umsetzung der Initiative siehe auch NZZ, 2.2. (Günter Stratenwerth) und 23.3.05 (Hans Mathys).
[45] Blick, SGT und TA, 24.11.05.
[46] BBl, 2005, S. 5795 f.; Bund, 14.5.05; SGT, 1.9.05; BaZ, 29.10.05. Vgl. SPJ 1999, S. 30.
[47] AB SR, 2005, S. 146 f. und 878; AB NR, 2005, S. 1464 ff. und 1529; BBl, 2005, S. 5967 ff. Vgl. SPJ 2004, S. 25. Zu einem vorwiegend positiven Bericht der OECD über die Korruptionsbekämpfung in der Schweiz siehe NZZ, 2.2.05 sowie Ivo Kaufmann, „Länderexamen Korruption – die Schweiz im internationalen Vergleich“, in Die Volkswirtschaft, 2005, Nr. 1/2, S. 67-70.
[48] AB NR, 2005, S. 785 f. Vgl. dazu auch Lit. Ledergerber.
[49] TA, 13.1.05; SGT, 16.4.05; NZZ, 11.3., 12.4. und 8.6.05. Zum grundsätzlich positiven, aber auch einige Kritik enthaltenden Bericht der FATF über das schweizerische Dispositiv zur Bekämpfung der Geldwäscherei siehe NZZ, 14.10. und 15.10.05 sowie „Die FATF-Empfehlungen zur Bekämpfung der Geldwäscherei und die schweizerische Gesetzgebung“, in Die Volkswirtschaft, 2005, Nr. 11, S. 23-25.
[50] BBl, 2005, S. 6871 ff. und 6897 ff. (BR); AB NR, 2005, S. 1958 ff. Vgl. SPJ 2001, S. 211. Zur Revision des Opferhilfegesetzes siehe unten, Teil I, 7b (Sozialhilfe).
[51] AB NR, 2005, S. 1975.
[52] BBl, 2005, S. 5613 ff.; Presse vom 18.8.05. Zur Vernehmlassung siehe NZZ, 27.6.05. Vgl. SPJ 2004, S. 25 f. Zum Verbot von bestimmten politischen Symbolen siehe oben, Menschenrechte.
[53] Auch der BR gestand ein, dass gemäss Verfassung eigentlich die Kantone dafür zuständig wären. Dies war ein wichtiger Grund für die von ihm beantragte Befristung der Beschlüsse bis Ende 2008, welche der NR auf Antrag seiner Kommission aufhob. Siehe dazu insbesondere das Votum von BR Blocher in AB NR, 2005, S. 1936 ff.
[54] AB NR, 2005, S. 1927 ff.; TA, 16.12.05.
[55] LT, 12.3. und 28.12.05.
[56] AB NR, 2005, S. 778 f.