Année politique Suisse 2006 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires
 
Verwaltung
Das Ende 2004 verabschiedete Gesetz über die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung wurde nach einigen Verzögerungen auf den 1. Juli in Kraft gesetzt. Gemäss dem Bundesrat hatten namentlich Bedenken und Einwände von Datenschutzfachleuten eine raschere Vorgehensweise verhindert. Die von den Datenschützern, welche bei Streitfällen als Schlichtungsinstanz fungieren, erhobene Forderung nach zusätzlichen Stellen lehnte die Regierung ab [14].
Zur Korruptionsbekämpfung (Schutz für so genannte Whistleblower) siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
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Organisation
Der Nationalrat überwies die Motion von Ständerat Stähelin (cvp, TG) für eine Reform und Straffung der Bundesverwaltung ebenfalls. Beide Kammern hiessen auch eine weitere Motion Stähelins gut, welche verlangt, in einem Sammelerlass obsolet gewordene Einzelbestimmungen aus Gesetzen zu eliminieren [15].
Das Parlament bekräftigte seinen Willen, sämtliche mit Bildung, Forschung und Innovation befassten Bundesämter in einem einzigen Departement zu vereinigen. Der Ständerat hatte bereits im Vorjahr eine entsprechende Motion Bürgi (svp, TG) überwiesen. Der Nationalrat hiess im Berichtsjahr diese und noch weitere vier Motionen aus den eigenen Reihen mit der gleichen Zielsetzung gut. Die vier neuen Motionen stammten von Pfister (svp, SG), Widmer (sp, LU), Randegger (fdp, BS) und Riklin (cvp, ZH) und waren im Juni 2005 in einer konzertierten Aktion der vier Regierungsparteien alle am gleichen Tag eingereicht worden. Sie fanden allesamt auch im Ständerat einhellige Zustimmung. Bundesrat Couchepin ging mit den Motionären von der Sache her einig, gab aber zu bedenken, dass der von ihm gewünschte Transfer der Berufsbildung und der Fachhochschulen vom EVD in das Departement des Inneren nicht einfach zu realisieren sei. Am ehesten sei gemäss Couchpin wohl eine grössere Reorganisation zu bewerkstelligen, welche auch einen Teil der im EDI angesiedelten Sozialversicherungen (AHV, 2. Säule) einbeziehen müsste. Diese beiden Sozialwerke seien über ihre Finanzierung eng mit dem Arbeitsmarkt verknüpft und könnten deshalb gut ins EVD integriert werden. Couchepin hatte im Mai, nach der Volksabstimmung über den Bildungsartikel, seine Regierungskollegen mit einem Antrag auf die Überführung der Berufsbildung und der Fachhochschulen vom EVD in sein Departement überrascht. Als Reaktion darauf beauftragte die Regierung Bundespräsident Leuenberger mit der Ausarbeitung von Lösungsmöglichkeiten [16].
Der Nationalrat lehnte eine parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion im Vorprüfungsverfahren ab. Sie verlangte eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zur Überprüfung der Organisation und Strukturen des UVEK. Angepeilt waren insbesondere das BAZL, Bereiche der NEAT, die Regulierung des Mobilfunks und der Schutz vor nichtionisierender Strahlung, weil mit dem BAKOM und dem BAFU sowohl Bewilligungs- als auch Kontrollinstanz im UVEK angesiedelt sind. Die Mehrheit des Rates vertrat die Ansicht, dass das Departement für die von der SVP angeführten Probleme nur bedingt verantwortlich sei, da ein grosser Teil der Kompetenzen bei Stellen ausserhalb der Verwaltung lägen, beispielsweise bei der NEAT AG, den SBB oder der Skyguide. Zudem reichten zu allfälligen Abklärungen die Informationsrechte der Geschäftsprüfungskommission aus, deren Kerngeschäft es sei, Organisation und Struktur eines Departements zu überprüfen [17].
Die Realisierung des E-Government kommt nach Ansicht der Nationalrats zu zögerlich voran. Er überwies deshalb eine Motion Vollmer (sp, BE), welche von der Regierung so rasch als möglich einen Bericht über die Umsetzungsstrategie verlangt. Die Ständekammer verweigerte dem Vorstoss aber die Unterstützung; sie war der Auffassung, es brauche jetzt eine Umsetzung der bereits vorhandenen Strategien und nicht zusätzliche Berichte. Der Bund unterbreitete den Kantonen eine Vereinbarung für die Zusammenarbeit im Projekt des Internet-Portals www.ch.ch. Die Unterzeichner verpflichten sich dabei, dieses Portal als primären Internet-Zugang der Bevölkerung zu den Behörden zu fördern und die dabei entstehenden Harmonisierungsanforderungen zu berücksichtigen. Damit die Vereinbarung in Kraft treten kann, muss sie von mindestens 18 Kantonen mit dem Bund abgeschlossen werden. Der Kanton Zürich, welcher sich zeitweilig aus der Projektentwicklung verabschiedet hatte, nahm seine Mitarbeit wieder auf [18].
Die Bundeskanzlei gab im Dezember einen Vorentwurf für eine Neugestaltung der Regeln über die Einsetzung, Wahl und Arbeit der ausserparlamentarischen Kommissionen (so genannte Expertenkommissionen) in die Vernehmlassung. Im Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz soll die Pflicht verankert werden, diese Kommissionen periodisch auf ihre Notwendigkeit, Aufgaben und Zusammensetzung hin zu überprüfen. Oberstes Ziel der Reform ist eine Straffung des Kommissionswesens und eine verbesserte Transparenz. Der Nationalrat lehnte eine Motion Mörgeli (svp, ZH) ab, welche eine jährliche Überprüfung dieser Kommissionen verlangt hatte. Bereits im Frühjahr hatte der Bundesrat bekannt gegeben, dass aufgrund einer ersten Sichtung auf rund jede Dritte der insgesamt 230 Expertenkommissionen verzichtet werden könnte.
Vier Jahre nach der sehr negativ ausgefallenen Vernehmlassung über ein Projekt zur Zentralisierung der mit Fragen der technischen Sicherheit von Apparaten und Anlagen befassten Verwaltungsstellen legte der Bundesrat eine stark abgespeckte Version vor. Das neue Sicherheitskontrollgesetz regelt vor allem die Verfahren der Sicherheitsprüfung; die jeweiligen materiellen Sicherheitsanforderungen verbleiben aber in den Spezialgesetzen. Den Hauptvorteil des neuen Gesetzes sieht der Bundesrat darin, dass damit die zumeist an Dritte übertragene Prüfung und Kontrolle in Zukunft vereinheitlicht wird. Wie er es bereits nach der Vernehmlassung angekündigt hatte, verzichtet der Bundesrat auf die Schaffung einer nationalen Sicherheitsagentur [20].
Nach 18 Jahren Amtstätigkeit trat Ende Juli der Direktor des Bundesamtes für Justiz, Heinrich Koller, in den Ruhestand. Seine Nachfolge übernahm Michael Leupold [21].
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Pensionskasse
Beide Parlamentskammern stimmten im Berichtsjahr der Totalrevision des Gesetzes über die Pensionskasse des Bundespersonals (PUBLICA-Gesetz) zu. Als Erstrat befasste sich der Nationalrat mit dem Geschäft. Kommissionssprecher Kaufmann (svp, ZH) resümierte, dass es im Wesentlichen um drei Dinge gehe: den vom Parlament verlangten Wechsel vom bisherigen Leistungs- zum Beitragsprimat, die Senkung des technischen Zinssatzes und die Erhöhung des ordentlichen Pensionsalters von 62 auf 65 für alle, also auch für diejenigen, welche bereits vierzig Jahre beim Bund gearbeitet haben. Ein von SP und GP unterstützter Rückweisungsantrag unterlag mit 99 zu 60 Stimmen. Als wichtigste Veränderung gegenüber der Regierungsvorlage verlangte eine knappe Kommissionsmehrheit den Verzicht auf die Schaffung einer besonderen, vom Bund getragenen Rentnerkasse für die rund 44 000 bereits Pensionierten. Statt einer solchen mit Bundesgarantie ausgestatteten Kasse solle der Bund alle bisherigen Rentner in der Publica belassen und ihre Renten mit einer Einmaleinlage von rund einer Mia Fr. absichern. Die Linke und eine starke Minderheit der FDP stellten sich hinter den Bundesrat, die CVP, die SVP und die Liberalen sprachen sich gegen die spezielle Kasse für bereits Pensionierte aus. Sie befürchteten insbesondere, dass dies zu einem Präzedenzfall für Betriebe mit Bundesbeteiligung wie die SBB oder die PTT und ihre Nachfolgeorganisationen werden könnte. Nachdem Bundesrat Merz nochmals darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es nicht korrekt sei, von den heutigen Bundesangestellten Solidarität einzufordern, da sich unter den Pensionierten eben nicht nur ehemalige Angestellte der engeren Bundesverwaltung befinden, sondern auch solche aus heute ausgegliederten ehemaligen Bundesbetrieben (vor allem die heutige Ruag), setzte sich die Lösung mit einer eigenen, vom Bund garantierten Rentnerkasse mit 82 zu 73 Stimmen durch. Die vom Bundesrat beantragte Senkung des technischen Zinssatzes (das ist die der zukünftigen Rentenberechnung zugrunde gelegte Renditeerwartung) von 4 auf 3,5% fand gegen die Opposition der SP und der Grünen Zustimmung. Am Ende der Beratungen scheiterte die Vorlage an einer unheiligen Allianz. Die Linke lehnte die Vorlage ab, weil sie für die Versicherten zu viele Nachteile bringe, die SVP war dagegen, weil sie mit der Schaffung einer separaten Rentnerkasse nicht einverstanden war. Der Rat stimmte in der Gesamtabstimmung mit 93 zu 66 gegen die Reform [22].
Der Ständerat behandelte die Vorlage in der Herbstsession. Er lehnte auf Antrag seiner Kommission mit klarem Mehr (31:8) die Schaffung einer besonderen geschlossenen Rentnerkasse ab. Um den zusätzlichen Bedarf an Deckungskapital der Pensionskasse zu garantieren, bewilligte er eine einmalige Einlage aus der Bundeskasse [23].
Der Nationalrat hatte danach nochmals über Eintreten zu beschliessen. Dies geschah ohne Gegenantrag. In der Detailberatung lehnte der Rat die Schaffung einer geschlossenen Rentnerkasse nun ebenfalls ab. Die FDP, welche in der ersten Lesung noch mehrheitlich dafür optiert hatte, gesellte sich nun zu den Gegnern. Dies geschah nicht zuletzt auch deshalb, weil angesichts der klaren Stimmenverhältnisse im Ständerat von diesem kein Einlenken zu erwarten war. Wie bereits in der ersten Runde fanden Anträge der Linken zur Besserstellung des Personals keine Mehrheiten. In der Gesamtabstimmung votierten nur noch die SP und die Grünen dagegen und die Vorlage wurde diesmal angenommen. Die wenigen verbleibenden Differenzen bereinigten die Räte in der Wintersession. In der Schlussabstimmung verabschiedete der Nationalrat die Reform der Pensionskasse des Bundespersonals mit 120 zu 69 Stimmen; geschlossen dagegen gestimmt hatten SP und GP; SVP, FDP und CVP waren ebenso einstimmig dafür. Im Ständerat lautete das Stimmenverhältnis 26 zu 7 [24].
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Sprachgruppen
Die Motionen von Ständerat Studer (sp, NE) und von Nationalrat Berberat (sp, NE) wurden auch von der jeweiligen anderen Kammer diskussionslos gutgeheissen. Sie verlangen eine Erhöhung der Zahl der französisch- und italienischsprachigen Personen in den Führungspositionen der Bundesverwaltung [25].
Eine Motion von Nationalrätin Simoneschi (cvp, TI), welche verlangte, dass Stellenausschreibungen des Bundes Italienischsprachige nicht diskriminieren dürfen (z.B. durch das Erfordernis der deutschen oder französischen Muttersprache), fand auch in der Ständekammer ungeteilte Zustimmung [26].
 
[14] AB SR, 2006, S. 295 f. (Antwort auf eine Interpellation Wicki, cvp, LU); BZ, 27.3.06; Bund, 30.3. und 30.6.06; TA, 9.8.06.
[15] AB NR, 2006, S. 575 f. und 1983; AB SR, 2006, S. 296 f. Siehe SPJ 2005, S. 32 f.
[16] AB NR, 2006, S. 211 ff.; AB SR, 2006, S. 678 ff.; TA, 15.3. und 15.11.06; SGT, 26.5.06; BaZ, 16.11.06. Vgl. SPJ 2005, S. 219 f. sowie unten, Teil I, 8a (Einleitung). Siehe dazu auch BR Couchepin in LT, 14.11.06.
[17] AB NR, 2006, S. 654 ff.
[18] AB NR, 2006, S. 609; AB SR, 2006, S. 885 f. (Motion); BBl, 2006, S. 9723 ff. (Vereinbarung); NZZ und TA, 20.1.06. Vgl. SPJ 2005, S. 33. Vgl. zu diesem Thema auch die Interpellation Graf (sp, TG) in AB NR, 2006, I, Beilagen, S. 373 f. Die von einem Privaten erworbenen Domain-Namen schweiz.ch, suisse.ch sowie svizzera.ch werden gegen Entschädigung an den Bund abgetreten (NZZ, 30.5.06; BZ, 6.9.06).
[20] BBl, 2006, S. 5925 ff. Siehe SPJ 2002, S. 37.
[21] NLZ, 23.6.06; BaZ, 26.6.06. Siehe auch Schindler, Benjamin e.a. (Hg.), Aus der Werkstatt des Rechts: Festschrift zum 65. Geburtstag von Heinrich Koller, Basel 2006.
[22] AB NR, 2006, S. 802 f.; TA, 9.6. und 10.6.06. Vgl. SPJ 2005, S. 33 f.
[23] AB SR, 2006, S. 742 ff.
[24] AB NR, 2006, S. 1716 ff., 1865 ff. und 2045 ff.; AB SR, 2006, S. 1103 ff., 1160 und 1265; BBl, 2007, S. 21 ff. und 39.
[25] AB NR, 2006, S. 85 f.; AB SR, 2005, S. 808 f.; TA, 8.3.06. Vgl. auch die Diskussion im NR im Zusammenhang mit einer Interpellation Simoneschi, cvp, TI (AB NR, 2006, S. 581 ff. ). Siehe SPJ 2005, S. 34.
[26] AB SR, 2006, S. 14. Siehe SPJ 2005, S. 34.