Année politique Suisse 2006 : Eléments du système politique / Elections
 
Kommunale Wahlen
print
Lausanne
Eine Besonderheit der Kommunalwahlen im März und April war die erstmalige Teilnahme ausländischer Bürger, die seit 10 Jahren in der Schweiz und seit 3 Jahren im Kanton Waadt wohnen [24]. Die Lausanner CVP stellte mit ihrer Präsidentin Adozinda Da Silva eine Kandidatin mit portugiesischem Pass für die Exekutive auf. Zum bürgerlichen Wahlbündnis gehörten neben der CVP auch die FDP und die LP. Auf der gemeinsamen Liste befanden sich auch die drei Bisherigen: die Freisinnigen Doris Cohen-Dumani und Olivier Français sowie die Liberale Eliane Rey. Unter der Bezeichnung „LausannEnsemble“ traten sie gegen die linksgrüne Mehrheit in der Stadtregierung an. Die SP präsentierte sich mit ihren zwei Bisherigen Silvia Zamora und Oscar Tosato sowie Jean-Christophe Bourquin, der den Sitz des scheidenden Jean-Jacques Schilt verteidigen sollte. Für die Grünen kandidierte auf dieser gemeinsamen Liste neben dem Stadtpräsidenten Daniel Brélaz der Grossrat Jean-Yves Pidoux. Die extreme Linke schloss sich unter dem Titel „A Gauche toute“ zu einer Liste aus PdA, SolidaritéS und „Gauche en mouvement“ zusammen. Als Vertreter der PdA sollte Marc Vuilleumier den 2001 verlorenen Sitz zurückerobern. Die SVP versuchte mit einem eigenen Kandidaten den Alleingang. Von den insgesamt 18 Kandidaten erreichte nur Daniel Brélaz im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen. Für den 2. Wahlgang fanden sich die 3 SP-Anwärter mit Pidoux (gp) und Vuilleumier von der PdA zu einer 5er-Liste zusammen und erzielten damit einen unerwartet umfassenden Erfolg. Bei einer Beteiligung von 31,2% wurden alle fünf Kandidierenden dieser linken Liste gewählt. Oscar Tosato (ps) erreichte die höchste Zahl von 15 857 Stimmen vor dem Kandidaten der Grünen, Jean-Yves Pidoux (15 274), Silvia Zamora (ps, 15 185) und Jean-Christophe Bourquin (ps, 14 705). Auch Marc Vuilleumier (pda) blieb mit 13 899 Stimmen weit vor dem einzig verbleibenden bürgerlichen Regierungsmitglied Olivier Français (fdp, 10 520). Die FDP verlor damit einen ihrer beiden Sitze, während die Liberalen ganz ausschieden. Neu setzt sich die Exekutive der fünftgrössten Schweizer Stadt aus 3 SP, 2 Grünen, 1 PdA und 1 FDP zusammen. Mit Silvia Zamora (ps) blieb lediglich eine Frau in der Stadtregierung [25].
In Abwesenheit von Gegenkandidaten wurde Daniel Brélaz in stiller Wahl als Stadtpräsident (Syndic) von Lausanne bestätigt.
Aus den Wahlen zum 100-köpfigen Stadtparlament gingen vor allem die Grünen als Sieger hervor. Sie konnten ihren Wähleranteil auf 21,7% (+6,3%) steigern und 22 Sitze ergattern (+ 6). Hinter der SP (30 Sitze), die nach Verlusten bei den letzten Wahlen diesmal einen Sitz zulegen konnte, stellen die Grünen damit die zweitstärkste Fraktion. Zusammen mit den 12 Sitzen (+2) der gemeinsamen Liste der äusseren Linken (PdA, SolidaritéS und „Gauche en mouvement“) vermochte die Linke mit 64 von 100 Sitzen ihre klare Mehrheit gegenüber den bürgerlichen Parteien sogar noch weiter auszubauen. Trotz ihres Wahlbündnisses verloren FDP, Liberale und CVP drastisch und konnten nur noch 28 Sitze belegen. Die SVP (8) war hingegen erfolgreich, indem sie nicht nur 4 zusätzliche Sitze gewann, sondern mit einem Stimmenanteil von 7,9% die LP überholte und hinter der FDP zur zweitstärksten bürgerlichen Partei wurde. Die Wahlbeteiligung lag bei 30,2%. Der Frauenanteil stieg von 36,0% auf 38,0% an [26].
top
 
print
Winterthur
Die Wahlen im Februar haben die bürgerlichen Parteien im 7-köpfigen Stadtrat (Exekutive) weiter geschwächt. Die FDP musste einen ihrer zwei Sitze an die Grünen abgeben. Ihr Kandidat für die Nachfolge von Reinhard Stahel, Dieter Klay, lag mit 8944 Stimmen deutlich hinter dem Grünen Matthias Gfeller (10 869), der von der SP unterstützt wurde. Noch weiter abgeschlagen blieb der SVP-Kandidat. Alle 6 Bisherigen wurden bestätigt. Das beste Ergebnis erzielte Ernst Wohlwend (sp, 14 115). Er wurde zugleich mit 12 026 Stimmen als Stadtpräsident bestätigt, unbedrängt von seinem einzigen Gegenkandidaten Emil Manser (svp, 3210). Auf Wohlwend folgten die Bisherigen Michael Künzle (cvp, 13 913), Walter Bossert (sp, 13 779), Maja Ingold (evp, 12 271), Verena Glick (fdp, 12 154) und Pearl Pedergnana (sp, 11 006). Damit hat auch die Stadt Winterthur eine eindeutige linke Regierungsmehrheit (3 SP, 1 GP, 1 EVP, 1 CVP und 1 FDP). Der Frauenanteil blieb mit 3 Frauen und 4 Männern unverändert. Die Wahlbeteiligung lag mit 38,7% deutlich niedriger als vor vier Jahren (54,5%) [27].
Der Erfolg von Matthias Gfeller in der Exekutivwahl hatte seine Entsprechung im Zuwachs der Grünen im Parlament (Grosser Gemeinderat). Bei einer Wahlbeteiligung von 36,3% konnten sich die Grünen im Vergleich zu den Wahlen 2002 um einen auf 5 Sitze steigern. Die von der GP abgespaltenen Grünliberalen kamen mit einem Stimmenanteil von 2,9% auf Anhieb auf 2 Sitze. Ebenfalls erfolgreich verliefen die Wahlen für CVP (6) und EVP (5), die zwei resp. einen Sitz hinzugewannen. Die drei grössten Fraktionen mussten hingegen Mandatsverluste hinnehmen. Die SP (19) blieb trotz der zwei verlorenen Sitze die stärkste Fraktion (Stimmenanteil 30,7%), gefolgt von der SVP mit 11 Sitzen (-3) und 19,0% der Stimmen. Damit büsste die SVP fast alle Gewinne der vorangegangenen Wahlen wieder ein. Die Freisinnigen (9) setzten ihre Folge von Wahlniederlagen in Winterthur fort: Sie mussten wie 2002 einen Sitz abgeben und erreichten noch 15,3% der Stimmen. Insgesamt schwächten die Wahlen also die grösseren und stärkten die kleineren Parteien in der Mitte und auf der Linken. Die kleinen Rechtsparteien EDU und SD blieben auf ihrem einen Sitz. Das Verhältnis zwischen links und rechts änderte sich mit 25 zu 28 Sitzen kaum. Die in der Mitte stehenden EVP und Grünliberalen spielen mit ihren 7 Sitzen weiterhin das Zünglein an der Waage. Der Frauenanteil ging relativ deutlich von 41,7% auf 35,0% zurück [28].
top
 
print
Zürich
Noch stärker als 2002 ging es der Zürcher Exekutive (Stadtrat) unter Stadtpräsident Elmar Ledergerber (sp) in den Wahlen vom Februar um eine Bestätigung des Status quo und der von der Linken „Koalition der Vernunft“ genannten Regierungszusammensetzung aus linken Parteien und der FDP. Von den 9 Bisherigen (4 SP, 3 FDP, 1 GP, 1 Parteilos) traten alle ausser der parteilosen Monika Weber zur Wiederwahl an. Trotz nur eines frei werdenden Sitzes gab es 15 weitere Kandidaturen, die zum Teil aus rein wahltaktischen Gründen hinsichtlich der parallel stattfindenden Parlamentswahlen von den Parteien ins Rennen geschickt wurden. So stellte die Alternative Liste, mit nur 3 Sitzen im Gemeinderat vertreten, gleich 4 Bewerber für die Exekutive auf. Die 8 Bisherigen und ihre Parteien waren sich einig in ihrer Unterstützung der Kandidatur von Gerold Lauber (cvp) als Ersatz für Monika Weber und führten auch ansonsten einen Wahlkampf, der die Einigkeit unter den Bisherigen demonstrieren sollte. Die einzige Spannung erzeugte der SVP-Kandidat Roger Liebi, der sich anschickte, die bestehende Konkordanz zu stören. Liebi war auch Elmar Ledergerbers einziger ernsthafter Konkurrent um das Amt des Stadtpräsidenten. Die SVP konnte sich mit ihrem Anwärter jedoch erneut nicht durchsetzen und bleibt auch nach 16 Jahren Opposition vom mehrheitlich rot-grünen Stadtrat ausgeschlossen. Liebi belegte den zehnten Platz mit grossem Abstand auf den Bisherigen Andres Türler (fdp), der gut doppelt so viele Stimmen vorzuweisen hatte (36 535). Gerold Lauber zog mit 36 760 Stimmen an achter Stelle in den Stadtrat ein, wo die CVP somit wieder vertreten ist. Alle Bisherigen wurden in ihrem Amt bestätigt: Neben Andres Türler waren das Robert Neukomm (sp) mit den meisten Stimmen (43 361) vor Monika Stocker (gp), Elmar Ledergerber (sp), Martin Waser (sp), Esther Maurer (sp), Kathrin Martelli (fdp) und Martin Vollenwyder (fdp).
In den Wahlen um das Stadtpräsidium erzielte Elmar Ledergerber (sp) mit 37 502 Stimmen das dreifache seines Herausforderers Liebi (12 292) [29].
Der Zürcher Gemeinderat (Parlament) mit seinen 125 Sitzen wurde zum ersten Mal nach einem neu eingeführten Wahlverfahren gewählt. Dieses berechnet die Sitzverteilung aufgrund der Parteienstärke im ganzen Stadtgebiet und nicht mehr in den einzelnen, in Zürich zum Teil sehr kleinen Wahlkreisen. Die Zuteilung der Sitze auf die Personen erfolgt dann aber weiterhin in den traditionellen Wahlkreisen; um im Parlament vertreten zu sein, muss eine Partei zudem in mindestens einem Wahlkreis auf einen Stimmenanteil von 5% kommen. Durch diesen verbesserten Proporz wird die Bevorteilung der grossen Parteien beendet. Das Ergebnis zeigte denn auch deutliche Sitzverschiebungen zugunsten der kleineren Parteien bei fast gleich bleibenden Wähleranteilen. Zu den Gewinnern gehörten vor allem die Grünen (neu 14 Sitze), die allerdings auch 2,2% mehr Wählerstimmen erhielten, und die EVP (6 Sitze, +1,5%) mit je 4 Sitzgewinnen. Bei der CVP (10 Sitze) entsprachen 1% mehr Stimmen einem Sitzgewinn. An beiden Rändern des politischen Spektrums schafften es kleine Parteien mit nur geringem Zuwachs an Wählern, die 5%-Hürde in einem Kreis zu überspringen und vom neuen System zu profitieren: Die linke AL stellt jetzt 5 (+2), die rechte SD 3 (+3) Gemeinderäte. Unter den grösseren Parteien büsste die SVP aufgrund des neuen Verfahrens zwar am meisten Sitze ein (-7), konnte jedoch ihren Wähleranteil (18,4%) halten, wohingegen für die SP (44 Sitze) der Verlust von 5 Sitzen auch mit einem schwachen Rückgang ihres Wähleranteils um 1,1% verbunden war. Sie blieb aber mit 33,7% klar die stärkste Partei. Die Freisinnigen kamen auf 19 Sitze (-1). Sie erhielten 15,0% (-1,0%) der Stimmen und platzierten sich damit weiterhin hinter der SVP. Ihren einzigen Sitz verloren hat die eng mit der SVP liierte Seniorenpartei. Insgesamt verfügen die linken Parteien über eine hauchdünne Mehrheit von 63 der 125 Mandate. Doch ist durch die Gewinne von CVP und EVP auch die politische Mitte gestärkt worden. Die Wahlbeteiligung lag mit 34,8% wesentlich niedriger als vor 4 Jahren. Der Frauenanteil im neuen Parlament ging leicht von 36,8% auf 36,0% zurück [30].
 
[24] Der Kanton Waadt hatte das aktive und passive kommunale Ausländerstimmrecht 2002 mit der neuen Kantonsverfassung eingeführt (SPJ 2002, S. 26).
[25] 1. Wahlgang vom 12.3.06: 24h und LT, 13.3.06. 2. Wahlgang vom 2.4.06: 24h, 3.4.06. Wahlkampf: 24h, 16.2.–3.3.06; NZZ, 6.2., 11.3. und 15.3.06. Nachanalyse: BZ, 4.4.06.
[26] Wahlen vom 12.3.06: LT, 13.3.06; NZZ, 14.3.06; 24h, 3.4.06. Wahlkampf: Lib., 20.2.06; NZZ, 11.3.06.
[27] Wahlen vom 12.02.06: Presse vom 13.2.06. Wahlkampf: NZZ, 12.1. und 2.2.06; TA, 14.1.–30.1.06.
[28] Wahlen vom 12.02.06: Presse vom 13.2.06.
[29] Wahlen vom 12.2.06: Presse vom 13.02.06. Wahlkampf: NZZ und TA, 7.1.–9.2.06.
[30] Wahlen vom 12.2.06: Presse vom 13.2.06. Wahlkampf: NZZ und TA, 7.1.–9.2.06. Zum neuen Wahlverfahren in Zürich siehe u.a. Bund, 14.2.06. Nachanalyse: NZZ und TA, 23.3.06.