Année politique Suisse 2006 : Economie / Politique économique générale
 
Wettbewerb
Der Versuch der SVP, die Preisüberwachung in wettbewerbsschwachen Märkten abzuschaffen, scheiterte im Nationalrat deutlich. Neben der fast geschlossenen SVP-Fraktion stimmten bloss eine Minderheit der FDP und einige wenige CVP-Abgeordnete dafür. In ihrer Argumentation hatte die SVP klargemacht, dass es ihr weniger um das Anliegen der Preisüberwachung an sich als vielmehr um die Funktion des Preisüberwachers (zur Zeit ausgeübt vom ehemaligen SP-Nationalrat Rudolf Strahm) ging. Eine derartige Personifizierung einer Verwaltungsfunktion lehne sie ab. Nicht besser erging es einer Motion der FDP-Fraktion, welche die Aufgaben des Preisüberwachers vor allem auf die kritische Begutachtung der administrierten (d.h. vom Staat festgelegten oder kontrollierten) Preise ausrichten wollte [17].
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Importe
Die Einführung des so genannten Cassis-de-Dijon-Prinzips (d.h. die volle Anerkennung der Zulassungsprüfungen und Deklarationsvorschriften anderer Länder, auch wenn deren Bestimmungen von den landeseigenen abweichen) im Warenverkehr mit der EU wurde weiterhin gefordert. Angesichts der Widerstände in der EU, ein entsprechendes gegenseitiges Abkommen mit der Schweiz abzuschliessen, machte sich namentlich die FDP stark für eine einseitige Einführung durch die Schweiz. Der Nationalrat überwies wie im Vorjahr der Ständerat die Motion Hess (fdp, OW) für die einseitige Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips für Importe aus der EU, falls mit der EU keine Einigung zustande kommt. Auch die Wettbewerbskommission stellte sich hinter diese Forderung. Ein Teil der Wirtschaft und einige Politiker befürchten allerdings Nachteile für die einheimischen Produzenten, wenn sich diese weiterhin an die schweizerischen Vorschriften aus den Bereichen des Umweltschutzes oder der Konsumenteninformation halten müssen, die Importgüter aber davon befreit sind. So müssen etwa in der Schweiz obligatorische Warnhinweise auf Konsumgütern in den drei Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch angebracht sein, gemäss dem Cassis-de-Dijon-Prinzip könnten aber auch Güter mit bloss einsprachiger Warnbeschriftung importiert werden. In einer verwaltungsinternen Vernehmlassung verlangten Bundesstellen zuerst etwa 130 und in einer zweiten Runde dann noch gut 100 Ausnahmen. Der Nationalrat überwies ein Postulat Baumann (svp, TG), welches vom Bundesrat eine Liste mit allen von der schweizerischen Norm abweichenden EU-Regeln für den Verkauf von Konsumgütern fordert. Im Herbst gab Bundesrätin Leuthard bekannt, dass sie eine Revision des Gesetzes über technische Handelshemmnisse eingeleitet habe, und gegen Jahresende wurde ein Vorentwurf dazu in die Vernehmlassung gegeben. Dieser sieht einerseits als Schutzmassnahmen bei der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips vor, dass sich inländische Hersteller, die auch für den Export in einen EU-Staat produzieren, in Zukunft für den Verkauf in der Schweiz an den Vorschriften dieses Landes orientieren dürfen. Andererseits sollen einige wenige umwelt- oder gesundheitspolitisch begründete Ausnahmen vom Cassis-de-Dijon-Prinzips gelten [18].
Der Nationalrat behandelte in der Wintersession eine Revision des Patentrechts. Primär geht es dabei um die für die Forschung wichtige Einführung eines Patentschutzes für biotechnologische Erfindungen. Vorgeschlagen hatte der Bundesrat aber auch, ein Verbot des Parallelimports patentrechtlich geschützter Waren ins Patentgesetz aufzunehmen. Dieses Verbot stützt sich zur Zeit allein auf ein Bundesgerichtsurteil (so genannter Kodak-Entscheid) und nicht auf einen expliziten Gesetzesparagraphen ab. Die vorberatende Kommission des Nationalrats sprach sich dagegen aus. Sie regte an, diesen Teil aus dem Patentgesetz auszuklammern und in einer separaten Vorlage zu präsentieren. Damit soll verhindert werden, dass die bereits wegen ihrem biotechnologischen Aspekt nicht unbestrittene Vorlage in einem allfälligen Referendumskampf zusätzliche Angriffsfläche bietet. Der Bundesrat erklärte sich mit diesem Vorgehen einverstanden und auch der Nationalrat stimmte zu. Grundsätzlich engagierten sich von den politischen Akteuren die FDP, die SVP, Economiesuisse sowie die Pharma-Industrie für eine gesetzliche Verankerung des Verbots der Parallelimporte patentrechtlich geschützter Waren, während SP, CVP, Detailhandel, Gewerbeverband, Bauernverband, Konsumentenorganisation und auch die Weko dagegen waren. Im Sommer war der Bundesrat, der bisher das Verbot unterstützt hatte, etwas von seiner Haltung abgewichen. Er gab bekannt, dass er sich im Rahmen eines Abkommens mit der EU über den Agrarfreihandel für diesen Bereich eine Zulassung von Parallelimporten patengeschützter Güter (z.B. Dünger oder Pflanzenschutzmittel) aus der EU vorstellen könnte. Hintergrund dieser Erklärung war, den Landwirten die angestrebte Marktöffnung für Landwirtschaftserzeugnisse mit der Möglichkeit des Imports von billigeren Produktionsmitteln etwas erträglicher zu machen [19].
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Detailhandel
Der Wunsch des Europäischen Fussballverbandes (UEFA), die Marketingrechte der Sponsoren seiner Veranstaltungen besonders zu schützen (insbesondere bei der 2008 in der Schweiz und Österreich stattfindenden Fussball-Europameisterschaft), kam nicht gut an. Der Bundesrat schlug in einer Vernehmlassung vor, Anbietern von Gütern jegliche Anspielung auf einen von anderen Firmen gesponserten Anlass zu untersagen (gemäss bestehendem Recht ist bloss die Verwendung des Logos des Sportanlasses verboten). Diese Ergänzung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb lehnten die politischen Parteien und die Kantonsregierungen einhellig ab. Der Bundesrat verzichtete in der Folge auf das Vorhaben [20].
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Konsumentenschutz
Im Frühjahr gab der Bundesrat ein neues Gesetz über die Produktsicherheit in die Vernehmlassung. Der Schutz soll mit den neuen Bestimmungen durchwegs auf das Niveau der entsprechenden EU-Richtlinie erhöht werden. Neu geschaffen würde unter anderem die Kompetenz für die Bundesbehörden, fehlerhafte und gefährliche Geräte und Apparate vom Markt zurück zu rufen [21].
Der Nationalrat und nach ihm auch die kleine Kammer überwiesen eine Motion Berberat (sp, NE), welche Reisebüros verpflichten will, die Kunden über die Namen der an einer angebotenen Reise beteiligten Fluggesellschaften zu informieren. Der Bundesrat unterstützte die Forderung, wies aber darauf hin, dass die Schweiz wegen des Luftfahrtabkommens mit der EU diesen Bereich nicht autonom regeln kann, sondern auf die Inkraftsetzung einer entsprechenden EU-Verordnung angewiesen ist [22].
 
[17] AB NR, 2006, S. 697 f. (SVP) und 956 ff. (FDP).
[18] AB NR, 2006, S. 265 ff. (Hess) und 1117 (Baumann); NZZ, 5.4.06 (Weko); TA, 10.6.06 und SGT, 9.8.06 (Ausnahmen); TA, 30.11.06 (Vernehmlassung). Vgl. auch die Antwort des BR auf Interpellationen der FDP-Fraktion resp. von SR Hess (fdp, OW) in AB NR, 2006, IV, Beilagen, S. 417 f.; AB SR, 2006, S. 706 f. und IV, Beilagen, S. 124 f. Siehe SPJ 2005, S. 92.
[19] SHZ, 5.4.06; TA, 13.5. und 14.10.06 (politische Akteure); TA, 30.6. und 5.7.06 (Agrarhandel); QJ, 23.11.06 und TA, 29.11.06 (Kommissionsentscheid). Zu den parlamentarischen Beratungen der Patentrechtsrevision siehe unten, Teil I, 8a (Forschung). Vgl. SPJ 2005, S. 88 f.
[20] SGT, 19.8.06; TA, 23.11.06.
[21] NLZ, 2.3.06.
[22] AB NR, 2006, S. 489 und I, Beilagen, S. 375 f.; AB SR, 2006, S. 463.