Année politique Suisse 2007 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
Allgemeine Umweltpolitik
Im Frühjahr wurde ein dreiteiliger
Bericht des Weltklimarates (IPCC) veröffentlicht. Der erste Teil behandelt den Klimawandel an sich, der zweite seine Folgen und im dritten geht es um mögliche Massnahmen. Als Bergland ist die Schweiz vom Klimawandel überdurchschnittlich betroffen. Es ist mit heisseren Sommern und milderen Wintern zu rechnen, was zu einem Rückzug der Gletscher führt. Diese Entwicklung wirkt sich vor allem auf den Tourismus und die Wasserwirtschaft nachteilig aus. Gemäss dem Bericht sind weltweit genügend Geld und Technologie vorhanden, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch zu verhindern. Damit die globale Erderwärmung aber nicht über den gefährlichen Wert von 2 Grad steigt, muss sich der Ausstoss von Treibhausgasen bis 2015 stabilisieren. Die gegenwärtig unternommen Anstrengungen genügen jedoch nicht, um dieses Ziel zu erreichen
[1].
Im Berichtsjahr wurden ferner die Ergebnisse mehrerer auf die Schweiz bezogener Untersuchungen zum Klimawandel und zur Klimapolitik publik gemacht.
Im Januar publizierte der Bundesrat den
Evaluationsbericht zur Strategie „Nachhaltige Entwicklung 2002“, die im Vorfeld des Weltgipfels von Johannesburg vom Bundesrat verabschiedet worden war. Die externen Experten gelangten zu einem ernüchternden Fazit über die schweizerische Nachhaltigkeitspolitik. Sie kritisierten insbesondere die fehlende Verbindlichkeit der Strategie sowie die Dominanz einer Nachhaltigkeitsdimension – meistens die Wirtschaft – über die anderen Dimensionen
[2].
Im März legte das beratende
Organ des Bundes für Fragen der Klimaänderung (OcCC) ein
Klimaszenario vor. Die darin aufgestellten Prognosen zeigen, dass sich in der Schweiz bereits bis ins Jahr 2050 vieles klimabedingt verändern wird. Beispielsweise wird die Fläche der Gletscher bis dahin um Dreiviertel abnehmen und die mittlere Schneefallgrenze von 830 auf 1200 Meter über Meer ansteigen. Das OcCC geht von der Erhöhung der Durchschnittstemperatur von rund 2 Grad im Herbst, Winter und Frühling aus. Gar 3 Grad wärmer dürfte es im Sommer werden. Bei den Niederschlägen prognostizieren die Forscher eine Zunahme im Winter und eine Abnahme im Sommer. Insgesamt müsse vermehrt mit extremen Niederschlägen gerechnet werden
[3].
Ebenfalls im Frühjahr 2007 präsentierte die
OECD die Ergebnisse ihres zweiten
Umweltprüfungsberichtes zur Schweiz. Gelobt wurde insbesondere die internationale Spitzenposition der Schweiz bei der Reduktion von Luftschadstoffen. Beachtliche Fortschritte wurden ihr auch in einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung und beim Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente attestiert. Die Experten der OECD empfahlen der Schweiz verstärkte Anstrengungen zur Verminderung von Ozon und Feinpartikel und zur Renaturierung von Fliessgewässern zu unternehmen sowie eine nationale Biodiversitätsstrategie zu verabschieden
[4].
Einen Gesamtüberblick über den Umweltzustand der Schweiz vermittelt ferner der ebenfalls 2007 veröffentlichte Bericht
„Umwelt Schweiz 2007“. Die Verfasser bewerteten insbesondere die Fortschritte bei der Wasserqualität, der Abfallentsorgung und bei einzelnen Luftschadstoffen als positiv. Sie bemängelten dagegen, dass sich der Gesamtzustand seit dem letzten Bericht im Jahr 2002 kaum verbessert habe. Zwar konnte der Verbrauch von Naturgütern und die Belastung der Umwelt mittels Technik vermindert werden, gleichzeitig stieg der Verzehr von Naturkapital durch die Zunahme der Bevölkerung sowie des Konsums pro Kopf aber an
[5].
Im Frühjahr wurden gleich zwei
klimapolitische Volksinitiativen lanciert: Zum einen die
Initiative für „menschenfreundlichere Fahrzeuge“, die den Bund verpflichten möchte, Vorschriften zur Reduktion der negativen Auswirkungen von Motorfahrzeugen zu erlassen, insbesondere der Unfallfolgen und Umweltbelastung durch Personenwagen. Sie nimmt in erster Linie Offroader ins Visier, von denen 70% verboten würden. Aber auch andere Fahrzeugtypen wären betroffen. 24% der Sportwagen, 19% der hubraumstarken Limousinen und 4% der Mittelklassewagen würden die Emissionsgrenzwerte ebenfalls überschreiten
[6].
Die zweite Initiative will eine
„wirksame Klimapolitik“ und fordert, die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2020 im Vergleich zum Stand von 1990 um 30% zu reduzieren. Der Initiativtext geht damit über das von der EU ebenfalls im März angekündigte Ziel, die Klimagase bis 2020 um 20% zu reduzieren, hinaus. Konkrete Mittel, um diese Reduktion zu erreichen, sind nicht vorgegeben. Es wird lediglich festgehalten, die Ausführungsgesetzgebung solle den Schwerpunkt auf Energieeffizienz und erneuerbaren Energien legen
[7].
Die
Klima- und Energiepolitik beschäftigte im Berichtsjahr auch den
Nationalrat, im Rahmen einer fünfstündigen Sondersitzung, am 21. März behandelte er 77 Vorstösse
[8].
Mit 90 zu 86 Stimmen hiess die grosse Kammer die Motion Studer (evp, AG) gut, welche dem Bundesrat den Auftrag erteilt, eine Vorlage zur ökologischen Steuerreform auszuarbeiten. Alle nicht erneuerbaren Energien sollen vom Bund mit einer Lenkungsabgabe belastet werden. Ebenfalls Zustimmung fand das Postulat Leutenegger Oberholzer (sp, BL) zur Erarbeitung eines Strategieberichts für eine ökologische Steuerreform
[9].
Weiter gab der Rat der Motion Recordon (gp, VD) statt, welche die Autosteuern umfassend ökologisch ausrichten will, und verabschiedete eine Motion von Donzé (evp, BE), welche vom Bund Massnahmen fordert, um die Kantone zur Erhebung verbrauchsabhängiger Motorfahrzeugsteuern zu motivieren. Ebenfalls angenommen wurden die Postulate von Heim (sp, SO) zur Förderung verbrauchsarmer Motorfahrzeuge sowie von Nordmann (sp, VD) für strengere Normen bei Zweitaktmotoren
[10].
Ferner überwies der Rat eine Motion Wyss (sp, BE), mit der der Bundesrat aufgefordert werden soll, dem Parlament ein Konzept für die Klimapolitik nach dem Kyoto-Stichdatum 2012 vorzulegen sowie die Postulate der Grünen Fraktion für einen nationalen Klimabericht und von Riklin (cvp, ZH) zu einer kohärenten Klimapolitik im Rahmen eines nationalen Klimaprogramms
[11].
Er lehnte dagegen zwei Vorstösse zum Klimarappen ab: Die Motion Lustenberger (cvp, LU), mit welcher gefordert wurde, den Klimarappen nicht zu exportieren und die Motion der sozialdemokratischen Fraktion zur Legalisierung des Klimarappens
[12].
Ebenfalls verworfen wurden zwei Motioen der grünen Fraktion für eine Klimaschutzstrategie 2050 und für eine Klimaverträglichkeitsprüfung, eine Motion Teuscher (gp, BE) für eine Lenkungsabgabe auf dem Energieverbrauch, eine Motion Allemann (sp, BE) zur klima- und gesundheitsschädigenden Wirkung fossiler Treibstoffe, eine Motion Recordon (gp, VD) zur Installation von Treibstoffverbrauchsmessgeräten in allen Fahrzeugen sowie eine Motion Donzé (evp, BE) für eine Sensibilisierungskampagne zur Verringerung des Benzinverbrauchs
[13].
In der Sommersession hiess die grosse Kammer ein Postulat von Graf (gp, BL) zur Anpassung der schweizerischen
Anforderungen an Chemikalien an diejenigen der neuen EU-Chemikalienverordnung gut
[14].
Im Nationalrat folgte die
Umweltpolitik in der letzten Legislaturperiode weitgehend den
parteipolitischen Linien. Dies ergab die Auswertung von 22 Abstimmungen zu den Themen Klima, Naturräume, Atom- und Gentechnologie sowie Verkehr. Fast durchgehend für Umweltschutzanliegen stimmten die Grünen (94%) und die SP (92%), während die SVP in den meisten Fällen eine entgegengesetzte Position vertrat. Ein deutlicher Unterschied zeigte sich bei den beiden Mitteparteien. Die CVP hat Umweltanliegen zu 51% und die FDP zu 22% gutgeheissen
[15].
Obwohl mittlerweile bei den meisten Verantwortungsträgern unbestritten ist, dass Massnahmen gegen den Klimawandel notwendig sind, besteht noch wenig Einigkeit darüber, wie weit die Schweiz selber spürbare Anstrengungen zur Klimagasreduktion leisten oder eher verstärkt mit der Unterstützung von Klimaprojekten im Ausland ihre Pflicht erfüllen soll. Moritz Leuenberger präsentierte im Sommer seine Pläne zur langfristigen Energiepolitik. Ab 2012 – nach Ablauf des Kyoto-Protokolls – möchte er die Klimagase mittels einer
umfassenden Lenkungs- und Förderabgabe jährlich um 1,5% vermindern. Die Vorschläge von Leuenberger stiessen auf breite Kritik: Die Umweltorganisationen bemängelten, die Reduktionsziele genügten nicht, um den Klimawandel ausreichend zu bremsen. Wirtschaftsorganisationen und Automobilverbände forderten dagegen, dass die Schweiz ihre Klimagase mittels Kauf von Emissionszertifikaten mehrheitlich im Ausland reduzieren soll
[16].
Weit stärker als Moritz Leuenberger wollte auch Doris Leuthard einen internationalen Ansatz ins Zentrum der Klimapolitik stellen. Ihrer Ansicht nach könnten die CO2-Emissionen mittels
Zertifikatehandel und
Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern effizienter gesenkt werden als mit Massnahmen im Inland
[17].
Im Dezember läutete die
Uno-Klimakonferenz in Bali die Verhandlungen über ein neues weltweites Klimaabkommen ein. Es soll 2013 in Kraft treten und das Kyoto-Protokoll von 1997 ersetzen, das 2012 ausläuft. Das Verhandlungsmandat der Schweiz lehnte sich stark an die Position der EU an, der Bundesrat hatte sich aber formell noch nicht definitiv auf ein Reduktionsziel festgelegt und auch nicht auf den Anteil der Massnahmen im Inland und Ausland. Die EU hatte angekündigt, sie wolle ihre Emissionen bis 2020 gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 20% verringern oder gar um 30% falls andere Länder dabei mitziehen
[18].
Die Staaten konnten sich an der Klimakonferenz nicht darauf einigen, konkrete Reduktionsziele für Treibhausgase im Verhandlungsmandat festzuschreiben. Sie legten aber
einen verbindlichen Zeitplan fest, der bis 2009 zu einem neuen globalen Klimaabkommen führen soll. Als besonderer Erfolg galt die Integration der Länder USA, China und Brasilien, die bei Kyoto nicht dabei gewesen sind
[19].
Der
Friedensnobelpreis von 2007 wurde an den Klimamahner Al Gore und an den Weltklimarat (IPCC), eine Unterorganisation der Uno verliehen. Damit wurde der drohende Klimawandel mit dem Weltfrieden in Verbindung gebracht. Denn durch das Ansteigen des Meeresspiegels und die Verknappung des Wassers drohen neue kriegerische Auseinandersetzungen
[20].
Das Parlament genehmigte im Berichtsjahr einen Beitrag von gut 109 Mio Fr. zur
Beteiligung der Schweiz am globalen Umweltfonds, am multilateralen Ozonfonds sowie an verschiedenen Fonds der Klimakonvention. Dieser neue Rahmenkredit für vier Jahre wurde gegenüber früheren Beiträgen um gut 10% gekürzt. Eine weitere Kürzung, wie sie die SVP beantragte, wurde im Nationalrat abgelehnt
[21].
[1]
BZ, 3.2. und 7.4.07;
NZZ, 24.2.07;
BaZ, 3.4. und 5.5.07.
[2]
BaZ,
LT und
NZZ, 18.1.07. Vgl.
SPJ 2002, S. 172 f.
[3]
AZ, NZZ und
SGT, 15.3.07.
[4]
AZ,
Bund und
TG, 12.5.07.
[5] Presse vom 2.6.07. Vgl.
SPJ 2002, S. 171 f.
[6]
Bund,
LT und
NZZ, 13.2.07;
BBl, 2007, S. 1541 ff.
[7]
NZZ,
SGT und
TG, 13.3.07;
BBl, 2007, S. 3667 ff.
[8]
AB NR, 2007, S. 463 ff. Vgl. auch unter Luftreinhaltung in diesem Kapitel sowie oben, Teil I, 6a.
[9]
AB NR, 2007, S. 500 (Motion Studer) und 497 (Postulat Leutenegger Oberholzer).
[10]
AB NR, 2007, S. 495 (Motion Recordon), 500 (Motion Donzé), 498 (Postulat Heim) und 496 (Postulat Nordmann).
[11]
AB NR, 2007, S. 501 (Motion Wyss), 502 (Postulat Grüne Fraktion) und 503 (Postulat Riklin).
[12]
AB NR, 2007, S. 493 (Motion Lustenberger) und 494 (Motion SP).
[13]
AB NR, 2007, S. 502 und 504 (Motionen Grüne Fraktion), 502 (Motion Teuscher), 500 (Motion Allemann), 498 (Motion Recordon) und 500 (Motion Donzé).
[14]
AB NR, 2007, S. 1144.
[15]
AZ, BaZ und
Lib., 27.6.07.
[16]
Lib., 17.8.07;
AZ und
TG, 18.8.07.
[17]
NZZ, 8.9.07;
BZ und
SGT, 20.9.07.
[18]
Bund und
NZZ, 22.11.07;
AZ, 29.11.07.
[19]
BaZ,
Bund und
TG, 17.12.07.
[20]
BZ, 13.10.07;
BaZ und
24h, 17.10.07.
[21]
AB NR, 2007, S. 522 ff.;
AB
SR, 2007, S. 612 ff.;
BBl, 2007, S. 4957.
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