Année politique Suisse 2008 : Chronique générale / Finances publiques
Indirekte Steuern
Der Bundesrat hatte im Januar 2008 nach Kenntnisnahme der Ergebnisse der Vernehmlassung in einem Grundsatzentscheid beschlossen, dem Parlament eine Botschaft zur Reform der Mehrwertsteuer
mit
zwei voneinander unabhängigen Teilen zu unterbreiten. Die Ende Juni 2008 verabschiedete Sammelbotschaft ist so aufgebaut, dass beide Teile nacheinander behandelt werden können. Es ist aber auch möglich, direkt Teil B zu behandeln, welcher die Reformmassnahmen von Teil A ebenfalls umfasst. Der Gesetzesentwurf wurde nach dem Grundsatzentscheid noch einmal deutlich überarbeitet, um die Anliegen der betroffenen Kreise noch besser zu berücksichtigen.
Das Fundament der Reform bildet der erste Teil der Botschaft mit einem vollständig überarbeiteten MWSt-Gesetz. Die technischen Anpassungen betreffen hauptsächlich die steuerpflichtigen Unternehmen und die Verwaltung. Die mit der Abrechnung der MWSt verbundenen administrativen Kosten der Unternehmen werden um durchschnittlich über 10% abnehmen. Das überarbeitete Gesetz zeichnet sich durch eine
einfachere Systematik und inhaltliche Revisionen in über 50 Punkten aus. Es wird damit wesentlich zum Abbau des oft gerügten Formalismus der Steuerbehörden beitragen. Die heute gültigen Steuersätze und Ausnahmen bleiben in diesem Teil der Botschaft bestehen. Im zweiten Teil der Botschaft schlägt der Bundesrat zusätzlich zu den Massnahmen des Teils A vor, einen
Einheitssatz von 6,1% einzuführen und möglichst viele Ausnahmen abzuschaffen. Beide Teile der Botschaft führen in der MWSt zu wesentlichen Vereinfachungen, mehr Rechtssicherheit und Transparenz. Nach Ansicht des Bundesrats wird die Anwendung der MWSt mit dem Einheitssatz und der
Aufhebung von Ausnahmen am einfachsten. Der Bundesrat strebt deshalb die Umsetzung sowohl der in Teil A als auch der in Teil B enthaltenen Reformen an
[21].
Im Vorjahr hatte der Nationalrat eine Motion Steiner (fdp, SO) angenommen, welche analog der jährlichen Erhebung "Steuerbelastung in der Schweiz" verlangte, parallel dazu sei auch eine Aufstellung "Gebührenbelastung in der Schweiz" vorzunehmen und zu publizieren. Der Bundesrat hatte Ablehnung der Motion beantragt, weil eine einheitliche Basis zur Schätzung der Höhe der
Belastung durch Gebühren und Abgaben nicht möglich sei, da diese je nach Individuum, Kanton und Gemeinde anders seien. Die Entwicklung der Belastung durch Gebühren könne zudem bereits heute aus vorhandenen Statistiken des EFD abgelesen werden. Trotz dieser Gegenargumente nahm der Ständerat die Motion diskussionslos ebenfalls an
[22].
Der Nationalrat befasste sich als Erstrat mit der Ende 2007 vom Bundesrat beantragten Änderung des Tabaksteuergesetzes. Eine Kommissionsminderheit aus der SVP beantragte Rückweisung an den Bundesrat mit der Auflage, keine weitere Steuerbelastung für die Konsumenten vorzusehen; deshalb sollte dem Bundesrat auch die Kompetenz verweigert werden, in Eigenregie Steuererhöhungen für Tabakwaren festzulegen. Das links-grüne Lager sprach sich gegen den Rückweisungsantrag aus, bedauerte aber, dass die Revision nicht konsequent genug erfolge. Insbesondere stünden die fiskalischen Aspekte mehr im Vordergrund als die gesundheitspolitischen; auch sei die Angleichung an die Besteuerung in der EU nicht konsequent vollzogen; Zigarren und Zigarillos würden weiterhin klar weniger hoch besteuert als im EU-Raum, zudem gebe es Ausnahmen, etwa bei den gesundheitlich nicht weniger problematischen Produkten des Schnupf- und Kautabaks. Da kein Antrag auf Nichteintreten gestellt worden war, wurde dieses stillschweigend beschlossen. Der Rückweisungsantrag der SVP wurde mit 106 zu 59 Stimmen klar abgelehnt, wobei sich die FDP allerdings gespalten zeigte.
In der Detailberatung beantragte Meier-Schatz (cvp, SG) mit Unterstützung des links-grünen Lagers, den Kau- und Schnupftabak bei der Besteuerung dem Feinschnitttabak gleichzustellen. Sie argumentierte, wenn man es mit der Prävention und dem Jugendschutz ernst meine, dürfe man keine Differenzierung nach Produkten akzeptieren. Bundesrat und Kommissionsmehrheit machten demgegenüber geltend, Kau- und Schnupftabak seien Nischenprodukte und würden beispielsweise im Nachbarland Deutschland gar nicht besteuert, weshalb es einfach wäre, sich diese Produkte im Ausland zu besorgen. Der Antrag wurde mit 85 zu 72 Stimmen abgelehnt.
Wie bereits in der Eintretensdebatte angekündigt, wollte die SVP die Kompetenz des Bundesrates zur Vornahme von Steuererhöhungen beschneiden, indem für alle Tabakprodukte die Belastung nur bis 80% der 2003 geltenden Sätze zugelassen werden sollte. Bundesrätin Widmer-Schlumpf machte darauf aufmerksam, dass dieses Begehren gar nicht umsetzbar wäre, da mit dieser Revision mit Ausnahme der Zigaretten die gesamte Steuerstruktur verändert werde. Schelbert (gp, LU) wollte hingegen, dass bei den Zigaretten die Erhöhungskompetenz um 80% des Bundesrates nicht mit Stichdatum 2003 erfolgt, sondern neu ausgehend von den Steuersätzen, die bei Inkraftsetzung des Gesetzes gelten. Damit würde der Bundesrat die Kompetenz erhalten, den Preis der Zigarettenpäckchen in den nächsten Jahren nicht nur um 0.60 Fr. zu erhöhen, wie dies aufgrund der seit 2003 erst zu 50% ausgeschöpften Kompetenz möglich ist, sondern um 2.30 Fr. Beide Anträge wurden recht deutlich abgelehnt.
Mit einem Einzelantrag wollte Donzé (evp, BE) dem Bundesrat die Kompetenz erteilen, einen Mindestpreis für Zigaretten festzulegen, um so genannte Lockvogel-Angebote der Hersteller zu verunmöglichen, die sich insbesondere an Jugendliche richten. Bundesrätin Widmer-Schlumpf plädierte dafür, den Antrag abzulehnen, da es zu einer unstatthaften Einmischung in den freien Markt führen würde, worauf dieser mit 123 zu 40 Stimmen abgeschmettert wurde. Einzig die GP votierte geschlossen dafür, die CVP mehrheitlich.
Um eine Grundsatzfrage ging es beim Antrag aus dem links-grünen Lager, den Anteil an der Tabaksteuer, der heute der
Subventionierung des inländischen Tabakanbaus dient, in den Tabakpräventionsfonds umzuleiten. Der Sprecher der Minderheit bezeichnete die heutige Regelung als pervers: Je rund 18 Mio Fr. jährlich flössen heute einerseits in den Präventionsfonds sowie andererseits in die Unterstützung des Anbaus; das sei, als würde man die Brandstifter und danach die Feuerwehr gleichzeitig finanzieren. Zudem hätten die Tabakanbauer (rund 330 Betriebe in der Schweiz) eine Abnahmegarantie sowie eine Zusicherung, dass man für ihre Produkte den dreifachen Welthandelspreis bezahle. In den Übergangsbestimmungen des Gesetzes wollte die Minderheit den Tabakanbauern während zweier Jahre die bisherigen Subventionen für eine Umstellung des Betriebs zur Verfügung stellen. Der Antrag stiess auf wenig Zustimmung. Selbst die sonst gesundheitspolitisch aktive CVP betonte, hier gehe es nicht um ein Präventions-, sondern um ein Steuergesetz; zudem seien die Interessen der Tabakanbauer zu berücksichtigen. Auch SVP und FDP machten sich für die inländische Tabakproduktion stark. Weil auch der Bundesrat sehr deutlich für Ablehnung plädierte, da dies das Ende des einheimischen Tabakanbaus bedeuten würde, wurde der Antrag mit 101 zu 62 zu Stimmen klar verworfen. Der Entwurf wurde in der Gesamtabstimmung schliesslich mit 99 zu 69 Stimmen angenommen. Die SP- und die SVP-Fraktion zeigten sich allerdings unzufrieden über das Gesetz
[23].
Im Ständerat wurde das Eintreten nicht bestritten. Obgleich sie keine entsprechenden Anträge stellten, nahmen doch drei Votantinnen die Argumente der Minderheit des Nationalrats wieder auf. Forster (fdp, SG) und Diener (glp, ZH) bedauerten, dass sich der Bundesrat und die Mehrheit der grossen Kammer gegen Mindestpreise für Zigaretten gewehrt hätten, da in den letzten Jahren der Markt von Billigzigaretten und der Abgabe von etablierten Marken zu Dumpingpreisen richtiggehend überschwemmt worden sei, was eindeutig Jugendliche mit beschränkten finanziellen Mitteln anlocke; die Branche versuche so, den Rückgang des Tabakkonsums auszugleichen. Fetz (sp, BS) geisselte erneut die „Doppelmoral“, welche Tabakbauern und Tabakprävention im gleichen Umfang subventioniere. Beim Kompetenzrahmen für die Steuererhöhungen wollte die Kommission den im Nationalrat unterlegenen Antrag Schelbert (gp, LU) wieder aufnehmen (+80% auf dem bei Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Preis), unterlag aber mit 19 zu 18 Stimmen ganz knapp einem Antrag Hess (fdp, OW), seines Zeichens Präsident der Vereinigung des Schweizerischen Tabakwarenhandels, der dafür plädierte dem Nationalrat zu folgen. In der Gesamtabstimmung passierte der Entwurf mit 21 zu 1 Stimmen bei 5 Enthaltungen, worauf das Gesetz noch vor Ende Jahr definitiv verabschiedet werden konnte.
[21]
BBl, 2008, S. 6885 ff.;
Bund,
NZZ und
TA, 18.1.08;
SGT und
BüZ, 27.6.08. Siehe
SPJ 2007, S. 144.
[22]
AB SR, 2008, S. 48 f.
[23]
AB NR, 2008, S. 1472 ff. und 1489 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 142 f.
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