Année politique Suisse 2008 : Politique sociale / Groupes sociaux
 
Flüchtlingspolitik
Im Jahr 2008 wurden in der Schweiz 16 606 Asylgesuche eingereicht. Das waren 5762 mehr als im Jahr 2007. Der Gesamtbestand der Personen im Asylprozess betrug zum Jahresende 40 794 Personen und hat sich damit gegenüber dem Vorjahr um 0,7% verringert. Am zahlreichsten vertreten unter den neuen Asylsuchenden waren wie bereits im Vorjahr Personen aus Eritrea (2849; 2007: 1188), gefolgt von Somalia (2014; 2007: 464). Auf den nächsten Rängen kamen Irak und Sri Lanka.
Im Berichtsjahr wurden 11 062 Asylgesuche erstinstanzlich erledigt, d.h. 992 mehr als im Jahr 2007. In 3073 Fällen wurde ein Nichteintretensentscheid gefällt (2007: 2671), 2261 Personen erhielten Asyl (2007: 1537) und 4483 Gesuche wurden abgelehnt (2007: 3800). Weitere 1245 Gesuche wurden zurückgezogen oder abgeschrieben. Die Anerkennungsquote (Asylgewährung) stieg 2008 auf 23% an [14].
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Gesetzgebung
Bei der Fortsetzung der Differenzbereinigung beim Zwangsanwendungsgesetz hielt der Nationalrat in der Frühjahrssession mit 92 zu 85 Stimmen am Einsatz des Tasers fest, obgleich Bundesrätin Widmer-Schlumpf davor warnte, durch diesen Entscheid zu einem in diesem Zusammenhang eigentlich unwichtigen Punkt könnte das gesamte dringend notwendige Gesetz gefährdet werden. Da damit eine Pattsituation entstanden war, musste sich die Einigungskonferenz für die eine oder andere Variante aussprechen. Mit 19 zu 17 Stimmen folgte sie dem Nationalrat; ein Antrag, die Verwendung des Tasers zumindest stark einzuschränken, unterlag mit 14 zu 11 Stimmen. Gegen den Widerstand der SP-Vertreter, die für eine Ablehnung des Gesetzes plädierten, gab der Ständerat nach und votierte mit 26 zu 13 Stimmen für den Beschluss der Einigungskonferenz. Bundesrätin Widmer-Schlumpf versuchte die Gegner des Entwurfs dadurch zu besänftigen, dass sie versprach, der Bundesrat werde in der entsprechenden Verordnung die Verwendung des Tasers nur sehr zurückhaltend gestatten. Im Nationalrat machten beide Seiten noch einmal ihre Argumente geltend; das links-grüne Lager beantragte erfolglos die Ablehnung der Vorlage. Im Ständerat passierte das Gesetz in der Schlussabstimmung mit 26 zu 9 Stimmen bei 7 Enthaltungen, im Nationalrat mit 123 zu 61 bei 10 Enthaltungen. Vorher hatte Leuenberger (gp, GE) noch einmal aufgerufen, dem durch die Einfügung des Tasers pervertierten Gesetz die Gefolgschaft zu verweigern; Meyer-Kälin (cvp, FR), eine entschiedene Gegnerin des Tasers, appellierte im Gegensatz dazu, trotzdem dem Gesetz zuzustimmen, da es eine längst überfällige Regelung der bei Zwangsausschaffungen zulässigen Mittel bringe [15].
Ständerat Marty (fdp, TI), der sich vehement gegen die Aufnahme des auswirkungsmässig noch kaum evaluierten Tasers in dieses Gesetz gewehrt hatte, reichte daraufhin ein Postulat ein, das den Bundesrat ersucht, einen diesbezüglichen Bericht zu erstellen. Nachdem Bundesrätin Widmer-Schlumpf zugesichert hatte, dass diese Überprüfung im Verordnungsentwurf bereits vorgesehen sei, wurde das Postulat diskussionslos verabschiedet [16].
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Vollzug
Bei der Behandlung der Personenfreizügigkeit in der Legislaturplanung 2007–2011 regte die Kommission des Nationalrats eine Ergänzung an, wonach bei der Ausweitung auf Rumänien und Bulgarien die Rückübernahmeabkommen mit diesen Ländern zu verbessern seien. Dieser Antrag wurde mit 126 zu 37 klar angenommen. Ein revidiertes Abkommen konnte Bundesrätin Widmer-Schlumpf in den folgenden Monaten mit beiden Staaten unterzeichnen. Bei einem Arbeitsbesuch in Bosnien-Herzegowina vereinbarte sie auch mit diesem Staat ein entsprechendes Abkommen [17].
Seit 2002 besteht zwischen Bund und Kantonen eine Zusammenarbeit zum Thema „Controlling der Integration von Flüchtlingen“. Im April wurde der Schlussbericht veröffentlicht. Die gesammelten Daten, die einerseits auf der Befragung der Flüchtlinge und andererseits auf Aussagen der Sozialbehörden beruhen, beschlugen die Schwerpunktthemen berufliche Integration und Ausbildung, soziale Integration, Gesundheit und Spracherwerb. In der Studie wurde die Flüchtlingsbevölkerung zu drei verschiedenen Zeitpunkten beobachtet: Bei der Eröffnung des positiven Asylentscheids, ein Jahr später sowie fünf Jahre nach der Einreise in die Schweiz. Dank dieser Differenzierung nach Zeitpunkten konnte aufgezeigt werden, dass die Aufenthaltsdauer in der Schweiz beträchtliche Auswirkungen auf die Integration der Flüchtlinge hat. Rund zwei Drittel von ihnen unterhalten regelmässigen Kontakt zur schweizerischen Wohnbevölkerung. Die Bereitschaft zum Spracherwerb und zum Besuch von Ausbildungsveranstaltungen nimmt insbesondere nach einem positiven Asylentscheid zu, wobei die Sprachkompetenz der Männer im Allgemeinen höher liegt als jene der Frauen. Die finanzielle Abhängigkeit der Flüchtlinge von der Sozialhilfe nimmt im Lauf der Zeit bei einigen deutlich zu, bei anderen nimmt sie ab [18].
 
[14] Bundesamt für Migration, Asylstatistik 2008, Bern-Wabern 2009.
[15] AB NR, 2008, S. 119 ff., 366 ff. und 482 f.; AB SR, 2008, S. 174 ff. und 207; BBl, 2008, S. 2311 ff. Siehe SPJ 2007, S. 248 f.
[16] AB SR, 2008, S. 367 f. Zur Verordnung, welche einen restriktiven Einsatz des Tasers sowie einen Evaluationsbericht vorsieht, siehe Presse vom 13.11.08.
[17] AB NR, 2008, S. 889 ff.; Presse vom 14.6., 4.11. und 22.11.08.
[18] Presse vom 22.4.08.