Année politique Suisse 2009 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
Bürgerrecht und Stimmrecht
Die Staatspolitischen Kommissionen des Parlaments nahmen einen neuen Anlauf, die 2004 in der Volksabstimmung knapp gescheiterte erleichterte Einbürgerung von
Ausländern der dritten Generation zu ermöglichen. Beide unterstützten eine parlamentarischen Initiative Marra (sp, VD), welche zwar keinen Automatismus, aber eine Einbürgerung auf eigenes Verlangen oder Antrag der Eltern einführen will. Die SPK des Nationalrats arbeitete einen Entwurf für eine entsprechende Gesetzesrevision aus und gab diesen im November in die Vernehmlassung. Der Bundesrat befasste sich auch mit dem Thema und gab gegen Jahresende eine
umfassendere Reform der Einbürgerungsbestimmungen in die Vernehmlassung. Er schlug darin insbesondere vor, die für die ordentliche Einbürgerung geforderte minimale Dauer des Aufenthalts in der Schweiz von zwölf auf acht Jahre zu verkürzen; als Ergänzung dazu sollen auch die von den Kantonen und Gemeinden verlangten Fristen für die Ortsansässigkeit aneinander angeglichen und verkürzt werden. Im Gegensatz zu heute sollen aber nur noch Personen mit einer Niederlassungsbewilligung eingebürgert werden dürfen
[18].
Der Nationalrat gab einer parlamentarischen Initiative der SVP, die verlangte, dass eine „gute mündliche und schriftliche“
Kenntnis der Amtssprache
der Wohngemeinde Voraussetzung für eine Einbürgerung sein müsse, keine Folge. Gerade für ein viersprachiges Land wie die Schweiz sei die Reduktion auf die Sprache der Wohngemeinde zu eng. Zudem würden auch viele gebürtige Schweizer und Schweizerinnen die Anforderung nach guten schriftlichen Kenntnissen nicht erfüllen. Da die Beherrschung einer Landessprache für die Integration wichtig sei, überwies der Nationalrat eine von seiner SPK eingereichte, ursprünglich vom Christlichdemokraten Schmidt (VS) verfasste Motion, die fordert, dass die Einbürgerung explizit von der Beherrschung einer Landessprache und einer erfolgreichen Integration abhängig gemacht wird. Dieser Verweis auf eine Landessprache wandte sich auch gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, welches entschieden hatte, dass die Beherrschung der englischen Sprache bei einer sonst gut integrierten Person für eine Einbürgerung ausreichend sei. Der Ständerat stellte sich ebenfalls hinter diese Motion
[19].
Erneut hatte sich der Nationalrat mit einer parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion für die
Aberkennung des schweizerischen Bürgerrechts für Eingebürgerte mit doppelter Nationalität zu befassen. Diesmal präzisierte die SVP in einem Katalog die Straftatbestände, die innert zehn Jahren nach der Einbürgerung oder dem Erreichen der Volljährigkeit automatisch zu einer Ausbürgerung führen sollen. Neben schweren Straftaten befanden sich auf dieser Liste auch Drogenhandel und Einbruch sowie missbräuchlicher Bezug von Leistungen der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe. Auf Antrag seiner SPK lehnte der Rat den Vorstoss mit 105 zu 68 Stimmen ab; neben der geschlossenen SVP hatten auch je sieben Abgeordnete aus der FDP und der CVP zugestimmt
[20].
Um
durch Scheinehen missbräuchlich erfolgte erleichterte Einbürgerungen besser wieder annullieren zu können, hatte die SPK des Nationalrats eine parlamentarische Initiative Lustenberger (cvp, LU) aus dem Jahre 2006 konkretisiert. Sie beantragte, dass solche Verbindungen nicht wie bisher innerhalb von fünf, sondern von acht Jahren rückgängig gemacht werden können. Gegen den Widerstand der SP und der GP stimmte das Parlament dieser Revision des Bürgerrechtsgesetzes zu
[21].
Im Berichtsjahr wurden
44 948 Personen eingebürgert; das waren etwas weniger als im
Vorjahr (45 287). Am stärksten vertreten waren weiterhin Einwanderer aus dem Kosovo (früher Serbien); ihre Zahl ging allerdings um 18% zurück. Erneut stark zugenommen (um 40% auf 4272) hat hingegen die Zahl der eingebürgerten Deutschen. Dies hat allerdings nichts mit der aktuellen starken Einwanderung aus dem nördlichen Nachbarland zu tun, sondern mit dem Entscheid der dortigen Behörden aus dem Jahr 2007, ihren Staatsangehörigen bei der Einbürgerung in einem EU-Staat oder der Schweiz nicht mehr das deutsche Bürgerrecht zu entziehen. Ebenfall stark angestiegen ist die Zahl der eingebürgerten Portugiesen (um 35% auf 2010)
[22].
Die Befürworter des
Stimmrechtalters 16 erlitten durchwegs Niederlagen; ihr Anliegen ist weiterhin einzig im Kanton Glarus verwirklicht. In drei Kantonen sprach sich das Volk im Berichtsjahr mit klarem Mehr dagegen aus. Das zentrale Argument der Gegner war überall, dass es nicht angehe, das politische Mündigkeitsalter tiefer anzusetzen als das zivilrechtliche. Im Kanton
Basel-Stadt lehnten die Stimmberechtigten die Senkung des Stimmrechtalters auf 16 Jahre mit einem Neinstimmenanteil von 72% ab. Von den Parteien hatten sich lediglich die SP und die GP dafür ausgesprochen. Die
Urner lehnten eine entsprechende, von der CVP, der SP und der GP unterstützte Volksinitiative noch stärker (80%) ab. Zuvor hatte der Urner Landrat mit Stichentscheid der Präsidentin die Volksinitiative zur Annahme empfohlen. Im Kanton
Bern stimmte im Sommer das Parlament ebenfalls knapp zu, das Volk verwarf die Senkung des Stimmrechtalters auf 16 Jahre aber mit 75% Neinstimmen. Dafür ausgesprochen hatten sich die SP, die GP, die Grünliberalen und die EVP. Im Kanton
Schwyz war im Entwurf für eine neue Kantonsverfassung ebenfalls das Stimmrechtalter 16 enthalten. In der Anfangs 2009 abgeschlossenen Vernehmlassung lehnten die CVP, die SVP und die FDP die Neuerung jedoch ab
[23].
Im Kanton
Bern sprach sich die Regierung für die Annahme der im Vorjahr eingereichten Volksinitiative für die Einführung des fakultativen kommunalen Stimmrechts für Ausländer aus. Eine analoge Volksinitiative wurde auch im Kanton
Luzern eingereicht. In
Basel-Stadt reichte ein vor allem aus der Linken formiertes Komitee eine Volksinitiative für das aktive Stimm- und Wahlrecht für niedergelassene Ausländer ein, welche seit mindestens fünf Jahren im Kanton wohnen. In der
Waadt, welche das obligatorische kommunale Ausländerstimmrecht bereits kennt, lancierte die Linke eine Volksinitiative für die Ausweitung auf die Kantonsebene
[24].
[18] Dritte Generation: Pa.Iv. 08.432;
NZZ, 17.1. und 7.11.09. Siehe
SPJ 2004, S. 21 ff. Umfassende Reform: Presse vom 18.12.09.
[19]
AB NR, 2009, S. 919 ff.;
AB SR, 2009, S. 964 f. Zum Bundesgerichtsurteil siehe
Bund, 29.5.09.
[20]
AB NR, 2009, S. 298 ff. Siehe
SPJ 2008, S. 23.
[21]
AB NR, 2009, S. 912 ff. und 1824;
AB SR, 2009, S. 942 ff. und 1000;
BBl, 2009, S. 6659 f. Siehe
SPJ 2007, S. 21.
[22] Bundesamt für Migration,
Migrationsbericht 2009, Bern 2010, S. 21.
[23] BS:
BaZ, 20.1. und 9.2.09. UR:
NLZ, 12.2., 15.5. und 18.5.09 . BE:
Bund, 31.3. und 30.11.09. SZ:
NLZ, 12.2.09. Siehe auch
BaZ, 4.6.09 sowie
SPJ 2008, S. 24.
[24] BE:
Bund, 21.8.09. Siehe
SPJ 2008, S. 24. LU:
NLZ, 19.6.09. BS:
NZZ, 9.3.09. VD:
24h, 19.5.09.
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