Année politique Suisse 2010 : Eléments du système politique / Structures fédéralistes
 
Beziehungen zwischen Bund und Kantonen
Der Ständerat lehnte eine 2009 vom Nationalrat noch gutgeheissene parlamentarische Initiative der SVP ab. Die SVP hatte die Streichung von Artikel 48a der Bundesverfassung beantragt, der Anfang 2008 in Kraft getreten war. Der Artikel erlaubt es, Konkordate zwischen Kantonen unter bestimmten Bedingungen und in definierten Bereichen als allgemeinverbindlich zu erklären. Die SVP – unterstützt von der staatspolitischen Kommission des Nationalrats – hatte bei der Debatte 2009 geltend gemacht, dass dieser Artikel dem Prinzip des Föderalismus widerspreche. In der kleinen Kammer hatte dieses Argument keine Chance. Nach dem Willen des Ständerats sollen zuerst Erfahrungen mit dem neuen Instrument gesammelt werden, bevor wieder über dessen Aufhebung nachgedacht werde. Zudem eigne sich Artikel 48a BV, um Trittbrettfahrerkantone einzubinden, die ohne eigene Verpflichtungen einzugehen von einem Konkordat anderer Stände profitieren [1].
Im Berichtsjahr setzte sich der Trend zur immer häufigeren Nutzung der Standesinitiativen fort. In der bisherigen Legislatur wurden total 116 Standesinitiativen eingereicht. Im Vergleich zur vorangehenden Legislatur entspricht dies fast einer Verdreifachung (2004-2007: 44). Noch nie seit 1994 als die Standesinitiative der parlamentarischen Initiative gleich gestellt worden war, wurden derart viele Kantonsbegehren eingereicht wie im Berichtsjahr (40) [2].
Da sich der Kanton Tessin in verschiedenen Fragen (Bahn 2030, Gotthardsanierung) stiefmütterlich behandelt fühlt, hat sich der Regierungsrat des Südkantons entschieden, einen Gesandten nach Bern zu schicken, der direkt dem Regierungspräsidenten unterstellt sein und dort die Interessen des Tessins einbringen soll [3].
Im Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG) ist unter anderem geregelt, dass der Bundesrat periodisch Bericht über die Wirksamkeit des (Neuen) Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen (NFA) zu erstatten hat. Auf der Basis dieses Berichts wird die Neudotierung der Ausgleichsgefässe für die anstehende Beitragsperiode vorgenommen. Im Juli schickte der Bundesrat den ersten Wirksamkeitsbericht für den Zeitraum 2008–2011 zusammen mit Massnahmenvorschlägen für die Periode 2012–2015 in die Vernehmlassung. Die Konferenz der Kantonsregierungen und die meisten Kantone, Parteien und Verbände äusserten sich grundsätzlich positiv zum NFA, auch wenn dessen Wirksamkeit noch nicht richtig abgeschätzt werden könne. Die SVP schlug vor, die Einführung einer Obergrenze für Geberkantone zu diskutieren. Die SP kritisierte, dass die versprochene Nivellierung der Steuerunterschiede zwischen den Kantonen bisher nicht eingetreten sei und verwies auf ihre Steuergerechtigkeitsinitiative. Die CVP und die FDP mahnten an, dass es zu früh sei, um Änderungen vorzunehmen. Noch im November legte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des FiLaG und zur Festlegung des Ressourcen- und Lastenausgleichs zwischen Bund und Kantonen für 2012–2015 vor. Er stellte darin drei verschiedene Vorlagen zur Diskussion. Vorlage A soll eine Gesetzeslücke schliessen und die Voraussetzungen für eine rückwirkende Berichtigung fehlerhafter Ausgleichszahlungen schaffen. Vorlage B umfasst die Vorschläge für die neuen Grundbeiträge des horizontalen und vertikalen Ressourcenausgleichs. In Vorlage C sind die Anträge des Bundesrats zu den geplanten Grundbeiträgen des geografisch-topografischen und des soziodemografischen Lastenausgleichs zusammengefasst. Die Beratung der Räte stand im Berichtjahr noch aus [4].
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Städte, Regionen, Gemeinden
Auch im Berichtsjahr lagen Gemeindefusionen und Eingemeindungen im urbanen Raum im Trend. Ende 2010 gab es laut Bundesamt für Statistik 2 551 Gemeinden. Ende 2009 waren es noch 2 596 gewesen. Ende 2008 führte die Statistik des Städteverbandes 151 Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern auf (2007: 140). Die meisten Fusionen fanden 2010 im Kanton Tessin statt. Hervorzuheben ist zudem der Kanton Glarus, der ab 1. Januar 2011 nur noch aus drei Gemeinden bestehen wird. Die Stadt Luzern fusionierte mit der Gemeinde Littau und beherbergt neu 76 000 Einwohner. Im Gegensatz zu anderen Gemeindezusammenschlüssen im Kanton Luzern wurde jener von Luzern und Littau vom Kanton nicht mitfinanziert. Allerdings wurden im Berichtsjahr auch zahlreiche Fusionsprojekte an der Urne verhindert. So scheiterten etwa der Zusammenschluss von Baden und Neuenhof im Kanton Aargau oder der geplante Zusammenschluss von acht waadtländischen Gemeinden rund um Coppet zu einer neuen Grossgemeinde mit über 13 000 Einwohnern am lokalen Widerstand und mussten aufgeschoben werden [5].
Nationalrat Hans-Jürg Fehr (sp, SH) reichte eine parlamentarische Initiative ein, die vorsieht, dass Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern den Status eines Halbkantons erhalten. Fehr begründete seinen Vorstoss mit der veränderten Demografie: Mitte des 19. Jahrhunderts seien die Bevölkerungsanteile der städtischen und ländlichen Schweiz noch ausgeglichen gewesen. Heute sei die städtische Bevölkerung wesentlich grösser, ohne dass ihr dabei das angemessene politische Gewicht eingeräumt werde. Die staatspolitische Kommission lehnte die Initiative mit 17 zu 9 Stimmen mit der Begründung ab, dass damit neue Ungleichheiten geschaffen würden. So stünden etwa dem Kanton Zürich mit einem solchen Systemwechsel gleich vier Ständeratssitze zu. Im Nationalrat verfing diese Argumentation und der Initiative wurde mit 113 zu 41 Stimmen keine Folge gegeben [6].
 
[1] AB SR, 2010, S. 15 ff.; NZZ, 2.3.10; siehe SPJ 2009, S. 45.
[2] NZZ, 19.3.10.
[3] CdT, 20.5.10; SGT, 23.6.10.
[4] BBl, 2010, S. 2405 f. und 8615 ff.; Bundesrat: Wirksamkeitsbericht des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen 2008–2011 (31.3.10) Eidgenössische Finanzverwaltung: Vernehmlassungsergebnis zum Wirksamkeitsbericht des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen 2008-2011 (20.7.10).
[5] BAZ, 2.1.10; NZZ, 7.4.10; Presse vom 20.12.10.
[6]
AB NR, 2010, S. 2083 f.; SN, 6.3.10.