Année politique Suisse 2012 : Eléments du système politique / Elections
Wahlen in kantonale Parlamente
Für die detaillierten Resultate der kantonalen und kommunalen Wahlen vergleiche die Tabellen im Anhang (
Anhang_2012.pdf).
Im Jahr nach den eidgenössischen Wahlen standen in acht Kantonen Gesamterneuerungswahlen an: in Aargau, Basel-Stadt, Schaffhausen, Schwyz, St. Gallen, Thurgau, Uri und Waadt. Im Zentrum des Interesses stand unter anderem die Frage, ob sich die Resultate der nationalen Wahlen – Gewinne für die neue Mitte aus BDP und GLP, Verluste von FDP, CVP und GP, Stagnation der SVP und Erholung der SP – auch auf kantonaler Ebene zeigten. Nimmt man alle acht Wahlen zusammen, so lässt sich der nationale Trend zumindest teilweise wiederfinden: die neue Mitte legte in der Tat deutlich zu. Die GLP gewann insgesamt 18 zusätzliche Mandate, davon sieben alleine im Kanton Waadt. Auch die BDP konnte zulegen und total neun zusätzliche Sitze gewinnen. Allerdings schaffte sie es nur in zwei Kantonen (SG und TG), in denen sie neu angetreten war, auch zu Mandaten. In den Kantonen Basel-Stadt, Schwyz und Waadt ging sie hingegen leer aus. Den nationalen Trend widerspiegeln auch die Verluste der CVP und der GP. In den acht Kantonen verlor die CVP per Saldo sieben Sitze, vier davon im Kanton St. Gallen. Im Kanton Uri konnte sie ihre Vormachtstellung allerdings mit lediglich einem Sitzverlust halten. Die Grünen mussten wohl auch aufgrund der Erfolge der GLP Federn lassen. Per Saldo verlor die Partei zehn Sitze. Trösten konnte sie sich einzig mit dem Gewinn jeweils eines Sitzes in den Kantonen St. Gallen und Schwyz. Nicht ganz in das Bild der nationalen Wahlen vom Vorjahr passen die hohen Gewinne der SP, die Trendumkehr bei der FDP und die teilweise sehr hohen Verluste der SVP. Die Sozialdemokraten legten per Saldo um elf Sitze zu. In keinem Kanton kam es für die SP zu Sitzverlusten. Einzig in den Kantonen Aargau und Schaffhausen konnten die Genossen nicht zulegen. Die FDP konnte sich 2012 per Saldo über einen Sitzgewinn freuen. Ein verlustreiches Jahr hatte die SVP zu verzeichnen. Nicht weniger als 22 Mandate musste sie in den Kantonen im Berichtsjahr per Saldo abgeben. Im Kanton Thurgau gab es einen Verlust von zehn Sitzen und in den Kantonen Schwyz und St. Gallen musste die erfolgsverwöhnte Partei jeweils sechs Mandate abgeben. Freilich bleibt die Volkspartei in fünf der acht Kantone (AG, SH, SZ, SG, TG) mit teilweise grossem Abstand stärkste Partei. Ihre Verluste kommen also durchaus auch einer gewissen Normalisierung gleich. Ihre einzigen verbleibenden kantonalen Sitze verloren die Schweizer Demokraten im Kanton Aargau. Die SD, die Ende der 1980er Jahre über 50 Sitze in den kantonalen Parlamenten belegten, waren zum Schluss des Berichtsjahres in keiner einzigen kantonalen Legislative mehr vertreten.
Freilich verdecken die per Saldo-Gesamtresultate die Tatsache, dass kantonale Wahlen in ihrem jeweiligen
Kontext grosse Unterschiede hinsichtlich der Entwicklungen in den Parteienlandschaften zeitigen können, die im Berichtjahr nicht zuletzt auch dem Umstand geschuldet sind, dass in drei der acht Kantone (AG, BS, TG) die Wahlen nach Reformen der Wahlregime durchgeführt wurden. Dies führte etwa im Kanton Aargau zu einer eigentlichen Flurbereinigung: waren vor den Wahlen elf Parteien im Grossen Rat, hatten nach den Wahlen nur noch neun Parteien Mandate. Interessant ist auch das kantonsspezifische Abschneiden der FDP, die in vier Kantonen neun Sitze gewann (AG, BS, SZ, UR), wobei das gute Abschneiden auch dem frischen Wind durch den neuen Parteipräsidenten Philipp Müller zugeschrieben wurde. Die grössten Sitzverluste der Freisinnigen fanden just in jenen Kantonen statt (SH, VD), in denen die SVP zulegen konnte, wobei im Kanton Waadt mit der nach den Wahlen stattfindenden Fusion zwischen FDP und LP ebenfalls eine spezielle Ausgangslage herrschte. Die hohen Verluste der Volkspartei konzentrierten sich auf jene drei Kantone, in denen sie in den letzten Jahren sehr stark zugelegt hatte (TG, SG, SZ). Ähnlich wie bei den nationalen Wahlen gingen die verlorenen Sitze der SVP allerdings nur zu einem Teil an die BDP, welche ihrerseits eher der CVP das Leben schwer zu machen schien. Die GLP hingegen machte vor allem den Grünen die Wählerschaft abspenstig. Überall dort wo die GLP zulegen konnte, verlor die GP (AG, TG, VD), wo die GLP hingegen stagnierte oder nicht antrat (BS, SH, SZ, UR), musste die GP keine (BS) oder nur leichte Verluste (SH, UR) hinnehmen bzw. konnte sogar zulegen (SZ); einzige Ausnahme bildete der Kanton St. Gallen, wo sowohl die GP als auch die GLP Sitze gewannen. Die kleinen Parteien schnitten unterschiedlich ab. Die EVP konnte ausser im Kanton Basel-Stadt, wo sie aufgrund der neuen Quoren gleich drei ihrer vier Sitze abgeben musste, ihre Mandate halten (AG, SH, SG). Die EDU konnte im Kanton Thurgau von den hohen Verlusten der SVP profitieren und um drei Sitze zulegen und ihre Mandate im Kanton Aargau halten. Kein Erfolg war der EDU in den Kantonen St. Gallen und Basel-Stadt beschieden. In Schaffhausen resultierte ein Sitzgewinn während im Kanton Waadt der einzige Sitz verlustig ging. Eine Erstarkung von links- und rechtsextremen Gruppierungen konnte in den Kantonen Schaffhausen und Basel-Stadt beobachtet werden. In Schaffhausen scheint sich die Alternative Liste zu einer ernst zu nehmenden Kraft zu entwickeln, gewann sie doch zwei Sitze und verfügte neu über Fraktionsstärke. Im Kanton Basel-Stadt sorgte mit Eric Weber ein alter Bekannter der rechtsextremen Szene für eine Überraschung: mit seiner Volksaktion erzielte er auf Anhieb zwei Sitze im Grossen Rat
[1].
Die Betrachtung aller 26 kantonalen Parlamente Ende 2012 vermag die Verschiebungen im Berichtjahr ein wenig zu relativieren. Rund 80% aller 2559 kantonalen Parlamentssitze (exklusive AI) befanden sich in der Hand der vier grossen Parteien: Angeführt von der SVP (544 Sitze, 21,3% aller kantonalen Parlamentssitze), gefolgt von der FDP (524 Sitze, 20,5%) und der CVP (469 Sitze, 18,3%) verfügten dabei die bürgerlichen Parteien gesamthaft über eine deutliche Mehrheit. Die SP (460 Sitze; 18,0%) und die GP (191 Sitze, 7,4%) waren hingegen in allen Kantonen auf Unterstützung angewiesen. Nimmt man alle Kantone zusammen, so war die BDP Ende 2012 in den kantonalen Legislativen ein wenig stärker verankert (86 Sitze, 3,4%) als die GLP (71 Sitze, 2,7%). Allerdings konzentrierte sich die Stärke der BDP vor allem auf die drei Gründerkantone (GL: 10 Sitze; BE: 25 Sitze; GR: 26 Sitze).
Zu den Verliererinnen gehörten im Berichtjahr die Frauen. Im Vergleich zu den Vorwahlen wurden per Saldo 6 Sitze weniger von Frauen besetzt. In fünf Kantonen (BS, SZ, SG, TG, UR) wurden weniger Frauen gewählt als bei den Wahlen zuvor, in den Kantonen Basel-Stadt und Schwyz verloren die Frauen sogar je sechs Sitze. Nur in den Kantonen Aargau (+8 Sitze), Schaffhausen und Waadt (je +1 Sitz) nahm der Frauenanteil zu. In allen acht Kantonen waren weniger als ein Drittel der Mandate von Frauen besetzt. Dies war – werden alle 26 Kantone betrachtet – Ende 2012 lediglich in Zürich (60 von 180 Sitzen) und in Basel-Landschaft (32 von 90 Sitzen) der Fall. Insgesamt lag die Frauenquote in allen kantonalen Parlamenten zusammen bei 25,1% und war damit im Vergleich zum Vorjahr (25,3%) erneut leicht zurückgegangen.
In sechs der acht Kantone hatte die Wahlbeteiligung im Vergleich zu den letzten Gesamterneuerungswahlen zugenommen. Einzig in den Kantonen Waadt und Thurgau war die Partizipation rückläufig. In den Kantonen Aargau und Thurgau nahm dabei nicht einmal ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger ihr Wahlrecht wahr. Im Schnitt beteiligten sich im Berichtjahr 41,4% an den Parlamentswahlen, wobei die Partizipationsrate von 31,9% (AG) bis 54,0% (SH) variierte.
Eine neue Rekordzahl von 1100 Kandidierenden (361 Frauen und 739 Männer) bewarben sich auf 13 verschiedenen Listen für die 140 Sitze im Aargauer Grossrat. Sogar vor der Verkleinerung des Rates von 200 auf 140 Sitze im Jahr 2005 hatte es nie so viele Bewerbungen gegeben. Zum ersten Mal fanden die Gesamterneuerungswahlen für Parlament und Regierung gleichzeitig statt. Dies hatte eine Verkürzung der Legislaturperiode zur Folge: Das bestehende Parlament blieb nach den Wahlen im Oktober noch bis Ende März 2013 im Amt. Die neue Legislaturperiode dauerte entsprechend von Anfang April bis Ende 2016. Neu trat zudem das in einer Volksabstimmung im November 2011 angenommene revidierte Wahlgesetz in Kraft, das ein Quorum von 5% in mindestens einem Wahlbezirk oder von 3% im gesamten Kanton setzte. Bereits zum zweiten Mal fand der so genannte doppelte Pukelsheim Anwendung: die Sitze werden zuerst aufgrund der gesamtkantonalen und erst dann aufgrund der bezirksweisen Parteistärke verteilt, was unter anderem Listenverbindungen obsolet macht. Neben den im Parlament vertretenen 10 Parteien – SVP (45 Sitze nach den Wahlen 2009), SP (22 Sitze), CVP (21 Sitze), FDP (20 Sitze), GP (13 Sitze), EVP (6 Sitze), GLP (5 Sitze), BDP (4 Sitze), EDU und SD (je 2 Sitze) – traten neu die Piratenpartei und die „IG Grundeinkommen“ an. Letztere bestand lediglich aus einem Kandidaten, Pius Lischer, der auch zu den Regierungswahlen antrat (siehe unten). Die Sozial-Liberale Bewegung (SLB), die sich erst während der Legislatur aus je einem übergelaufenen EDU- und einem SVP-Mandatsträger gebildet hatte, trat ebenfalls an. Während der Legislatur war es zu einigen weiteren Wechseln gekommen: zwei Vertreter der SP waren zu den Grünliberalen übergelaufen und ein EVP-Grossrat hatte zur FDP gewechselt. Laut eigenen Angaben hatten die Kantonalparteien unterschiedlich grosse Budgets für die Grossratswahlen. Die SVP und die SP gaben beide rund 140 000 CHF aus, gefolgt von der FDP (90 000 CHF), der EVP und der GP (je 70 000 CHF) sowie der CVP und der SLB (je 50 000 CHF). Ein Wahlkampfbudget von lediglich 8 000 CHF gab die Piratenpartei zu Protokoll. Im Total der Wahlbudgets von rund 1 Mio. CHF waren allerdings weder Spenden, noch Kandidierendenbeiträge noch Ausgaben der Bezirksparteien mit einberechnet. Verschiedene vor den Wahlen durchgeführte Umfragen liessen Verluste für die SVP und die CVP und leichte Gewinne für die SP, sowie die nach den nationalen Wahlen 2011 so benannte neue Mitte (BDP, GLP) vermuten. Für Diskussionsstoff sorgte das neu eingeführte Quorum, das für kleine Parteien eine nicht zu unterschätzende Hürde darstellte. Bei den Wahlen 2008 waren die kleinen Parteien noch die Nutzniesserinnen des doppelten Pukelsheim gewesen. Mit dem neu eingeführten Quorum sollte einer Zersplitterung der Parteienlandschaft ein Riegel geschoben werden.
Tatsächlich gelang es den SD (0,7%) aufgrund des Quorums nicht, ihre beiden Sitze zu verteidigen. Damit hatten die Schweizer Demokraten ihre letzten Vertreter in einem kantonalen Parlament verloren. Auch die anderen neuen Kleinparteien (Piraten, IG) schafften den Sprung ins Parlament nicht, bzw. verloren ihre während der Legislatur gebildeten Mandate (SLB). Eine
überraschende Siegerin der Wahlen war die FDP, die im Vergleich zu 2009 zwei zusätzliche Sitze eroberte (neu: 22 Sitze) und neu zur zweitstärksten Partei (15,4%) im Grossrat aufstieg. In der Presse wurde dieser Erfolg auf einen „Müller-Effekt“ zurückgeführt: der aus dem Kanton Aargau stammende neue FDP-Präsident Philipp Müller habe als wichtiges Zugpferd gedient. Zwei Sitzverluste musste hingegen die CVP verkraften. Mit 1,7 Prozentpunkten musste die Partei nicht nur den grössten Wählerverlust hinnehmen, sondern sie war neu auch nur noch viertstärkste Partei im Rat (neu: 19 Sitze; 13,3%). Zulegen konnte wie erwartet die neue Mitte. Die GLP (neu 8 Sitze; 5.5%) konnte ihre von der SP während der Legislatur geraubten Sitze nicht nur halten, sondern sogar um einen weiteren Sitz zulegen. Die BDP (neu 6 Sitze; 4,4%) eroberte zwei neue Sitze. Im rechten Spektrum blieb – abgesehen von den Verlusten der SD – alles beim Alten. Die SVP konnte ihre 45 Sitze verteidigen und blieb mit einem leichten Wählerzuwachs um 0,1 Prozentpunkte (neu 32,0%) auch mit Abstand stärkste Partei im Kanton Aargau. Auch die EDU konnte ihre beiden Sitze halten (1,7%). Sie hatte das Quorum allerdings nur knapp mit 5,2% im Bezirk Kulm übersprungen. Im linken Lager musste die SP Wählerverluste (-0,5 Prozentpunkte, neu 15,2%) hinnehmen, konnte aber wenigstens die beiden während der Legislatur an die GLP verlorenen Sitze wieder erobern. Dies ging allerdings auch auf Kosten der GP, die 1,5 Prozentpunkte an Wählerstärke einbüsste (7,4%) und damit drei Sitze abgeben musste. Die Grünen, die bei den letzten Gesamterneuerungswahlen von sieben auf dreizehn Sitze zugelegt hatten, machten vor allem die tiefe Stimmbeteiligung von 31,9% (2009: 31,7%) aber auch die Konkurrenz durch die GLP für ihre Verluste verantwortlich. Der Frauenanteil erhöhte sich auf 32,1% und erholte sich damit nach dem starken Rückgang bei den Wahlen von 2009 wieder ein wenig. Vor drei Jahren war der Anteil an durch Parlamentarierinnen besetzte Sitze von 36,4% auf 26,4% gesunken
[2].
Die Grossratswahlen 2012 fanden auf der Basis eines neuen Wahlregimes statt. Das Baselstädter Parlament hatte 2011 beschlossen, die Sitzverteilung nicht mehr nach dem Hagenbach-Bischoff-Verfahren sondern nach dem Sainte-Laguë-Prinzip vorzunehmen. Damit verbunden waren die Abschaffung der Möglichkeit von Listenverbindungen sowie die Einführung einer neuen Wahlhürdenregelung. Galt bisher das Überschreiten von fünf Prozent in wenigstens einem der fünf Wahlkreisen als Bedingung für die Berücksichtigung bei der Sitzverteilung in allen Wahlkreisen, so erhielt eine Partei ab den Gesamterneuerungswahlen 2102 nur noch in jenen Wahlkreisen Sitze, in denen sie vier Prozent überspringt (ohne Erfordernis der Überschreitung von fünf Prozent in mindestens einem Wahlkreis). Noch während der Legislatur vor den Wahlen 2012 war es zwischen den neun im Grossen Rat vertretenen Parteien zu einigen Verschiebungen gekommen. Die SVP (nach den Wahlen 2008: 14 Mandate) hatte 2009 Zuwachs gekriegt, weil der EVP-Präsident und Grossrat Heinrich Ueberwasser in die Volkspartei übergetreten war, verlor aber kurz vor den Wahlen im April 2012 wieder ein Mandat durch einen Übertritt von Grossrat Felix Meier in die CVP. Die SVP hatte vor den Wahlen also 14 Grossratsmandate inne. Die EVP (2008: 4 Mandate) hatte entsprechend drei Sitze zu verteidigen und die CVP neun Mandate (2008: 8 Sitze). Auch zwischen der FDP (2008: 11 Sitze) und der GLP (2008: 5 Sitze) war es zu Verschiebungen gekommen. 2010 wechselte Emmanuel Ullmann von der FDP zur GLP (vor den Wahlen 6 Sitze). Der Verlust der FDP wurde allerdings noch kurz vor den Wahlen durch einen Übertritt von Peter Bochsler wieder kompensiert. Bochsler trat von der 2009 aufgelösten Demokratisch-Sozialen-Partei (DSP), einer 1986 gegründeten rechten Abspaltung der SP, in die FDP über, die vor den Wahlen damit also 11 Mandate innehatte. Ebenfalls noch vor den Wahlen von der Auflösung der DSP profitieren konnte die Liberal-Demokratische Partei (LP, 2008: 9 Sitze), die im Kanton Basel-Stadt weiterhin nicht mit der FDP fusionieren will: Felix Eymann trat von der DSP in die LP über, die damit vor den Wahlen 2012 zehn Grossratssitze besetzte. Keine Wechsel gab es in der SP (32 Sitze) und in der GP (bzw. Grünes Bündnis; 13 Sitze). Ebenfalls im Grossrat vertreten war die 2002 gegründete Vereinigung „Aktives Bettingen“. Neben diesen neun amtierenden Parteien traten die EDU, die BDP (im Kanton Basel-Stadt erst 2011 gegründet), die Piratenpartei und die „Volksaktion gegen zu viele Ausländer und Asylanten in unserer Heimat (VA)“ an, eine Gruppierung um den ehemaligen NA-Grossrat Eric Weber. Weitere kleinere Gruppierungen, wie „freistaat unteres kleinbasel (fuk)“, „Für Basel“ oder „Deine Wahl“ versuchten ebenfalls, Sitze im Grossen Rat zu erobern. Im Einerwahlkreis Bettingen kämpfte der Bisherige Vertreter von „Aktives Bettingen“ gegen einen Herausforderer von „Neues Bettingen“ um den einzigen Sitz. Im Wahlkampf machten die Bürgerlichen mobil gegen die rot-grüne Regierung. Mindestziel war es, die knappe bürgerliche Mehrheit im Parlament zu halten. Die SP hingegen wollte mit bekannten Persönlichkeiten und einem im Gegensatz zu den Bürgerlichen hohen Frauenanteil die Schlappe bei den Nationalratswahlen vom Vorjahr wettmachen, als die Partei mehr als 6 Prozentpunkte ihrer Wählerschaft einbüsste. Auch die 2011 abgewählte Nationalrätin der GP, Anita Lachenmeier, trat für die Wahlen in den Grossen Rat an, in welchem sie die Baselstädter Bevölkerung bereits von 1997 bis 2007 vertreten hatte. Die GP traten auf einer gemeinsamen Liste Grünes Bündnis mit BastA! und dem Jungen Grünen Bündnis an. Laut offiziellen Angaben wendeten die Parteien rund 900 000 Franken für den Parlamentswahlkampf auf. Die SP wollte 240 000 Franken für Wahlwerbung ausgeben, gefolgt von der CVP (140 000 CHF), der FDP (100 000 CHF) der LP und den Grünen (je 80 000 CHF) sowie der GLP (55 000 CHF). Freilich waren die Aufwendungen wohl um einiges höher, wendeten doch vor allem die bürgerlichen Kandidaten viele Eigenmittel für ihren persönlichen Wahlkampf auf. Wichtiges Wahlkampfthemen waren die Sicherheit und die Übernahme der BaZ durch Christoph Blocher (vgl. Teil I, 8c, Medien). Für Wirbel sorgte zudem ein Plakat der Juso, das einen Neonazi mit einem SVP-Emblem auf dem Oberarm seiner Bomberjacke zeigte. Die SVP und die Juso warfen sich in der Folge gegenseitig Niveaulosigkeit vor. Insgesamt stand der Wahlkampf um den Grossrat aber etwas im Schatten der Regierungswahlen (siehe unten).
Sowohl die SP als auch die SVP konnten bei den Wahlen um je einen Sitz zulegen. Die SP (neu: 30.7%, 33 Sitze) konnte 2,5 Prozentpunkte gutmachen. Die SVP gewann 1,1 Prozentpunkte Wähleranteil hinzu (neu: 15,0%; 15 Sitze). Auch die FDP konnte einen Sitzgewinn bejubeln. Die LP konnte ihren kurz vor den Wahlen erhaltenen zehnten Sitz verteidigen und im Vergleich zu den Wahlen 2008 also ebenfalls um einen Sitz zulegen. In Basel-Stadt scheinen sich die beiden liberalen Parteien offensichtlich nicht direkt zu konkurrenzieren. Sowohl die FDP (neu 11,1%, 12 Sitze) als auch die LP (neu 9,6%, 10 Sitze) konnten ihren Wähleranteil um einen bzw. um 0,6 Prozentpunkte steigern. In der Mitte gab es gegenüber den Wahlen von 2008 keine Veränderungen: die CVP büsste zwar ganze zwei Prozentpunkte an Wählerschaft ein, konnte aber ihre acht Sitze halten (neu 7,3%, 8 Sitze), verlor damit aber ihren während der Legislatur 2008 bis 2102 geerbten Sitz wieder. Tatsächlich wurde der übergelaufene Felix Meier nicht wiedergewählt. Die GLP blieb ebenfalls auf ihren bei den Vorwahlen gewonnen 5 Sitzen, und konnte damit ihren während der Legislatur von der FDP geerbten Sitz ebenfalls nicht verteidigen (5,0%, 5 Sitze). Der übergetretene Ullmann wurde wiedergewählt, über die Klippe springen musste dafür der kantonale GLP-Parteipräsident David Wüst-Rudin. Für die GLP schien, im Gegensatz zu den nationalen Gegebenheiten, die Konkurrenz in der Mitte vor allem durch die auf nationaler Ebene mit der FDP fusionierte LP relativ stark gewesen zu sein. Auch das Grüne Bündnis blieb auf seinen 13 Sitzen und musste eine Einbusse der Wählerschaft um 1,2 Prozentpunkte verkraften (neu: 11,8%). Anita Lachenmeier schaffte das Comeback. In Bettingen machte der Bisherige Vertreter der Gruppierung Aktives Bettingen das Rennen (1 Sitz). Opfer der neuen Wahlhürdenregelung war die EVP, die nur noch in einem Wahlkreis die Vierprozenthürde überspringen konnte und damit gleich drei Sitze einbüsste. Neu hält die EVP nur noch einen Sitz im Baselstädtischen Grossrat (4,2%). Für die grösste Überraschung sorgte jedoch Eric Weber, der mit seiner
Volksaktion nur in Kleinbasel angetreten war, dort aber nicht nur die Wahlhürde übersprang, sondern gleich zwei Sitze eroberte (1,2%). Der rechtsradikale Weber sass am Wahlsonntag aufgrund eines Verdachts auf wiederholte Wahlfälschung in Untersuchungshaft. Ausser den Piraten (1,3%) erhielt keine der kleinen Parteien und Gruppierungen mehr als ein Prozent Wähleranteil. Trotz den leichten bürgerlichen Erfolgen, wird es auch in Basel weiterhin aufgrund der Mitte-Parteien CVP und GLP je nach Thema zu wechselnden Mehrheiten kommen. Die Wahlbeteiligung war mit 41,6% leicht höher als noch vor vier Jahren (39,0%). Der Frauenanteil brach von 37% (2008) auf 31% ein. Die FDP und die SVP hatten gar keine Mandatsträgerinnen mehr und der Frauenanteil der SP war erstmals seit den Wahlen 2000 wieder knapp unter 50% gerutscht (48,5%)
[3].
Vier Wochen nach den Regierungsratswahlen, bei denen die fünf Bisherigen einem Angriff der SP standgehalten hatten (vgl. unten), wurden die Vertreterinnen und Vertreter in den 60köpfigen Kantonsrat gewählt. Vor allem die Sozialdemokraten zeigten sich vor den Parlamentswahlen aber trotz der Niederlage bei den Exekutivwahlen zuversichtlich. Konkurrenz erwuchs der SP, für die erstmals auch die JUSO antrat, von Parteien und Gruppierungen auf zehn weiteren Listen. Die SVP (bisher total 19 Sitze) kandidierte mit 180 Personen auf drei unterschiedlichen Generationenlisten: SVP (bisher 16 Sitze), Junge SVP (bisher 3 Sitze) und neu die SVP Senioren. Für Aufmerksamkeit in den Medien sorgte dabei die Kandidatur von Gerhard Blocher, Bruder des Zürcher National- und alt-Bundesrates Christoph Blocher, auf der Seniorenliste. Die FDP (bisher 12 Sitze), für die in fünf Wahlkreisen auch die Jungfreisinnigen (bisher 2 Sitze) antraten, stellte in allen Wahlkreisen Listen, ebenso die im linken Spektrum angesiedelte Alternative Liste (bisher 3 Sitze). Die im Kanton Schaffhausen eher schwache CVP (bisher 3 Sitze), die Ökoliberale Bewegung (ÖBS, bisher 5 Sitze), eine der GLP ähnliche, aber schon seit der Gründung (Zusammenschluss Jungliberaler und Umweltgruppierungen 1990) etwas weiter links politisierende, der nationalen GPS angeschlossene Partei, sowie die EDU (bisher 1 Sitz) traten jeweils in einem Wahlkreis nicht an, die EVP (bisher ebenfalls 1 Sitz) in deren zwei. Total kandidierten 517 Personen (davon 134 Frauen) auf zwölf Listen in den sechs Wahlkreisen für die 60 Sitze. 55 Bisherige traten erneut an. Die Wahlen wurden zum zweiten Mal nach 2008 mit dem doppelten Pukelsheim durchgeführt. Es lohnte sich also vor allem für die kleinen Parteien, möglichst in allen Wahlkreisen anzutreten.
Die wenigen Vakanzen, der von der Presse als flau bezeichnete Wahlkampf, aber auch die anstehenden Aufgaben – Gesundung der Kantonsfinanzen, ein neues Spital, ein neues Sicherheitszentrum und Ausgaben in der Bildung (vgl. Teil II) – waren laut Presse die Gründe für die
lediglich marginalen Verschiebungen zwischen den Lagern im Schaffhauser Kantonsrat. Zwar konnte die AL, die sich von einer Protestpartei für junge Wählerinnen und Wähler langsam zu einer etablierten linken Partei mit Fraktionsstärke mauserte, um zwei Sitze zulegen (neu: 5 Sitze) und mit 7,5% gar mit der ÖBS als viertstärkste Kraft gleichziehen. Die Gewinne der AL gingen wohl aber vor allem auf Kosten des linken Lagers. Die SP musste nämlich nicht nur einen Sitz abgeben (neu 13 Sitze), sondern verlor auch fast zwei Prozentpunkte an Wählerstimmen (21,1%). Allerdings konnten sich die Sozialdemokraten mit dem Sitzgewinn der Juso (neu: 1 Sitz, 1,5%) trösten. Ebenfalls einen Sitz abgeben musste die ÖBS (neu: 4 Sitze, 7,5%). Auch innerhalb des bürgerlichen Lagers kam es zu Verschiebungen. Am meisten leiden musste dabei die FDP, die sich bei den Regierungswahlen noch überraschend stark geschlagen hatte (siehe unten): die Freisinnigen mussten gleich drei Sitze abgeben (neu 9 Sitze) und verloren die vor vier Jahren gewonnenen 5 Prozentpunkte an Wählerstimmen fast gänzlich wieder (neu 15,0%). Wenigstens die Jungfreisinnigen konnten ihre beiden Sitze und ihren Wähleranteil halten (neu 3,3%). Die Strategie der SVP, mit drei Generationenlisten anzutreten, zahlte sich aus. Die Mutterpartei (16 Sitze, 26,7%) und die Junge SVP (3 Sitze, 4,4%) konnten ihre jeweiligen Mandate verteidigen. Die Seniorenliste gewann neu einen Sitz im Kantonsrat (2,5%). Insgesamt besetzte die Volkspartei also einen Drittel des Parlaments. Ihre Wählerschaft schien sich von den negativen Schlagzeilen der nationalen Mutterpartei (siehe Teil IIIa) nicht beeinflussen zu lassen. Zu den Siegerinnen gehörte auch die EDU, die einen Sitz erobern konnte (neu 2 Sitze, 3,5%). Die CVP (3 Sitze, 4,9%) und die EVP (1 Sitz, 2.2%) mussten zwar leichte Wählereinbussen in Kauf nehmen, konnten ihren Besitzstand aber wahren. Die Wahlbeteiligung lag mit 54,0% ganz leicht über dem Wert der letzten Wahlen (53,8%). Der Frauenanteil stieg zwar im Vergleich zu den letzten Wahlen mit 16,7% wieder leicht an (2008: 15,0%), erreichte aber den bisher höchsten Wert aus dem Jahr 2000 (22,5%) nicht
[4].
Für die 100 Sitze im Schwyzer Kantonsrat bewarben sich 310 Personen (davon 77 Frauen), marginal weniger als vier Jahre zuvor (314). Am meisten Kandidierende stellte die CVP (84 Personen), gefolgt von der SVP (83 Personen), der FDP (78 Personen) und der SP (61 Personen). Insgesamt traten 78 Bisherige wieder an. Im Kanton Schwyz bilden die Gemeinden die Wahlkreise. 13 der 30 Gemeinden sind Einerwahlkreise und in zwölf dieser Gemeinden fanden stille Wahlen statt, da jeweils lediglich eine Kandidatur eingereicht wurde. Mit der neuen, 2012 an einer Urnenabstimmung beschlossenen Kantonsverfassung soll das Wahlsystem für die Wahlen 2016 in ein reines Proporzverfahren geändert werden. Nach wie vor sollen jedoch die einzelnen Gemeinden die Wahlkreise bilden, was zu einigen Diskussionen bei der Gewährleistung der Verfassung durch das eidgenössische Parlament führte, weil die Kombination von Proporzverfahren mit ungleich grossen und/oder sehr kleinen Wahlkreisen möglicherweise gegen die Bundesverfassung verstösst (vgl. Teil I, 1d).
Bei den Wahlen musste die erfolgsverwöhnte
SVP zum ersten Mal seit über 30 Jahren eine Niederlage einstecken. Zwischen 1992 und 2008 hatte die Volkspartei ihre Sitzzahl von 5 auf 41 verachtfacht. Bei den Wahlen 2012 musste sie aber sechs Sitze abgeben (neu 35 Sitze). Dass die Partei ihren Zenit überschritten hat, wurde bereits bei den Nationalratswahlen deutlich, als die Partei fast sieben Prozentpunkte an Wählerstimmen verloren hatte. Allerdings scheint die Schwyzer SVP staatstragender zu werden. Dies zeigt nicht nur der Umstand, dass sie bei den Ständeratswahlen vom Herbst 2011 neu gleich beide Mandate besetzten konnte, sondern auch, dass sie bei den Regierungsratswahlen einen dritten Sitz gewann (vgl. unten). Trotz der Sitzverluste blieb die SVP denn auch stärkste Partei im Kantonsrat, weil die CVP – lange Zeit führende Partei im Kanton Schwyz – nicht von den Verlusten profitieren konnte: sie blieb auf 29 Sitzen, obwohl sie vor den Wahlen zu einem eigentlichen Grossangriff geblasen hatte. Von ihrem langjährigen negativen Trend erholen konnte sich die FDP, die zwischen 1992 und 2008 von 34 auf 21 Sitze abgerutscht war. Sie gewann zwei Mandate hinzu (neu 23 Sitze). Die SP, die bei den Regierungsratswahlen zur grossen Verliererin gehörte, konnte sich mit dem Gewinn eines Sitzes in der Legislative trösten (neu 10 Sitze). Zwei der restlichen drei Sitze gingen an Parteilose, wovon einer unter dem Label „sachorientiert und konstruktiv“ angetreten war; ein Sitz ging zudem an die Grüne Brigitta Michel Thenen, die auf einer SP-Liste kandidiert hatte. Zu den Verliererinnen gehörten die Frauen, die lediglich noch 17 der 100 Sitze besetzen konnten, ganze sechs weniger als in der letzten Legislaturperiode. Unter den SVP-Parlamentariern waren lediglich noch zwei Frauen; vor vier Jahren waren noch sieben SVP-Vertreterinnen ins Kantonsparlament gewählt worden. Die Wahlbeteiligung betrug 44,3% und war damit rund drei Prozentpunkte höher als vor vier Jahren
[5].
Der Andrang auf die 120 Sitze – der Rat war vor den letzten Wahlen 2008 von 180 auf 120 Sitze verkleinert worden – im St. Galler Kantonsparlament war 2012 nicht mehr so gross wie vier Jahre zuvor. Die 797 Kandidierenden – 235 Frauen und 562 Männer – bedeuteten einen Rückgang von rund zwei Prozent im Vergleich zu den Wahlen 2008 (813 Kandidierende). Der Frauenanteil unter den Kandidierenden ging dabei stark, von 33,7% auf 29,5% zurück. 182 Kandidierende waren unter 30 Jahre alt. Damit war der Anteil an jungen Kandidierenden von 19% auf 23% gestiegen. Tatsächlich frei wurden jedoch nur 16 Sitze, weil 104 Bisherige wieder antraten. Insgesamt wurden in den acht Wahlkreisen zusammen 68 Listen eingereicht. Neben der SVP (2008: 41 Sitze), der CVP (33 Sitze), der FDP (23 Sitze) und der SP (16 Sitze), die in allen Distrikten antraten, kandidierten die GP (4 Sitze), die GLP (1 Sitz) und die EVP (2 Sitze) nur in einzelnen Wahlkreisen. Die neu antretende BDP und die Piratenpartei, aber auch die wie vor vier Jahren antretende, damals jedoch erfolglose EDU konnten ebenfalls nicht alle Wahlkreise bedienen. Die wiederum antretenden SD, die regional verankerte UGS Linth sowie eine Einzelkandidatur auf der Liste „ReAbility“ traten nur in einem Wahlkreis an. Im Wahlkreis Sarganserland verbanden sich die SP und die GP sowie die GLP und die BDP in zwei Listenverbindungen. Ebenfalls gemeinsam traten die CVP und die EVP im Wahlkreis Wil an. Erwartet wurde, dass sich der Trend der nationalen Wahlen in St. Gallen wiederholt, dass also die neue Mitte mit BDP und GLP auf Kosten der arrivierten Parteien Sitze gewinnen können. Für die SVP stellten die Grossratswahlen den ersten Formtest nach dem Krebsgang bei den nationalen Wahlen dar. Insbesondere für den aus dem Kanton St. Gallen stammende Parteipräsidenten Toni Brunner, der in den Ständeratswahlen im Herbst 2011 unterlegen war, waren die St. Galler Parlamentswahlen eine wichtige Angelegenheit, für die er sich persönlich ins Zeug legte. Die SVP war in den letzten Jahren lediglich im Kanton Schwyz noch stärker gewachsen als im Kanton St. Gallen. Vor vier Jahren wurde sie stärkste Partei im Ostschweizer Kanton. Der Wahlkampf wurde trotz der interessanten Ausgangslage als flau und langweilig bezeichnet.
Bei den Wahlen zeigte sich tatsächlich eine Ähnlichkeit mit den wenige Monate vorher stattfindenden Nationalratswahlen: die
neue Mitte konnte zulegen – die BDP schaffte auf Anhieb zwei Sitze (2,8% Wähleranteil) und die GLP konnte vier neue Sitze erobern (neu: 5 Sitze, 5,3%), während CVP und FDP an Sitzen und Wählerstimmen einbüssten. Während die FDP ihren Sitzverlust und den leichten Wählerverlust gelassen nahm (neu: 22 Sitze, 17,8%), zeigte sich die CVP über die vier Sitzverluste (neu: 29 Sitze, 19,4%) und die starken Wählerverluste von über fünf Prozentpunkten enttäuscht. Zwar war bereits während der Legislatur ein Sitz an die SVP verloren gegangen, trotzdem waren die Mandatsverluste die Bestätigung eines bereits Jahrzehnte andauernden Negativtrends der einst stärksten St. Galler Partei. Zur eigentlichen grossen Verliererin zählte aber die SVP, die im Vergleich zu 2008 sechs Sitze, den durch einen Parteiwechsel während der Legislatur von der CVP geerbten Sitz nicht hinzugerechnet, einbüsste. Mit neu 35 Sitzen und einem Wähleranteil von 24,1% blieb die SVP trotzdem deutlich stärkste Partei im Kantonsparlament. Zulegen konnte Links-Grün. Die SP gewann vier zusätzliche Mandate und die GP konnte sich über einen zusätzlichen Sitz freuen. Die Sozialdemokraten (neu: 20 Sitze, 16,5%) waren vor vier Jahren mit der Verkleinerung des Parlaments massiv eingebrochen, konnten im Berichtsjahr aber anscheinend von einem „Rechsteiner-Effekt“ profitieren – Paul Rechsteiner (sp) hatte sich im zweiten Wahlgang der Ständeratswahlen nur wenige Monate vor der Kantonsratswahl gegen Toni Brunner durchgesetzt. Die Grünen waren, anders als auf nationaler Ebene, nicht die Leidtragenden des Erfolgs der GLP, nahmen neu 5 Sitze ein und konnten ihren Wähleranteil auf 6,5% steigern. Ihre Sitze halten konnte die EVP (2 Sitze, 1,8%). Das vor vier Jahren stark nach rechts ausschwingende Pendel schlug also im Berichtjahr ein wenig nach links zurück. Zwar konnte von einem eigentlichen Linksrutsch nicht die Rede sein, die SVP werde aber im Vergleich zur letzten Legislatur ein wenig mehr Kompromissbereitschaft zeigen müssen und die neue Mitte könne stärker als bisher das Zünglein an der Waage spielen, so die Pressekommentare. Die mit 37,6% leicht höhere Stimmbeteiligung im Vergleich zu 2008 (35,3%) wurde auf die hohe Zahl jugendlicher Kandidierender zurückgeführt, die wohl auch die jüngere Wählerschaft stärker mobilisiert habe. Ein nach 2008 erneuter Rückgang wurde hinsichtlich des Frauenanteils verzeichnet. Lediglich noch 27 Sitze des 120-köpfigen Kantonsrates waren von Frauen besetzt (22,5%). Nach den Wahlen von 2008 waren es noch 29 (24,2%). Im 180-köpfigen Rat nach 2004 hatte der Frauenanteil noch 25% betragen
[6].
Im Kanton Thurgau hatte eine Bezirksreorganisation zu einer Verringerung der Anzahl an Wahldistrikten geführt. Statt in acht wurden nur noch in fünf Bezirken die total 130 Sitze vergeben, für die sich im Berichtjahr 917 Personen (30,5% Frauen) für elf unterschiedliche Parteien und Gruppierungen bewarben. Das war rund ein Achtel mehr als 2008. Von den Bisherigen traten 108 Personen erneut an. Die Linke trat in allen Wahlkreisen geeint auf: SP (bisher: 17 Sitze) und GP (11 Sitze) gingen überall Listenverbindungen ein. Die EDU (3 Sitze) und die EVP (6 Sitze) verbanden sich ebenfalls überall ausser im Bezirk Frauenfeld. Obwohl die FDP (18 Sitze) und die SVP (51 Sitze) einen bürgerlichen Schulterschluss propagierten, präsentierten sie nur in drei Bezirken eine gemeinsame Liste. Auch die neue Mitte – die erstmals antretende BDP und die noch kleine GLP (2 Sitze) – trat in allen Bezirken gemeinsam auf, zweimal zusammen mit der CVP (22 Sitze). In Frauenfeld verband sich die CVP zudem mit der EVP. Neben den arrivierten Parteien traten auch die Junge CVP und die JUSO in einzelnen Bezirken an.
Bei den Wahlen wurde der
jahrzehntelange Aufstieg der SVP gestoppt. Die Partei hatte seit 1992 ihren Wähleranteil von 21.7% auf 36.4% und die Sitzzahl von 32 auf 51 Sitze gesteigert. Die Wahlen 2012 bedeuteten jedoch für die Volkspartei eine eigentliche Zäsur, verlor sie doch nicht weniger als zehn Sitze (neu 41 Sitze) und fast 6 Prozentpunkte an Parteistärke (neu: 30,5%). Die Verantwortlichen suchten die Gründe für das schlechte Abschneiden im aggressiven Stil der nationalen Partei, der nicht zur kantonalen SVP passe, im Rücktritt zahlreicher Zugpferde, in der Wahlkreisreform und im erstmaligen Antritt der neuen Mitte. Tatsächlich hatte die BDP auf Anhieb fünf Mandate gewonnen (4,8%) und die GLP konnte ihre Sitzzahl auf sechs verdreifachen (5,9%). Auch die EDU, die drei Mandate hinzugewinnen konnte (neu: 6 Sitze, 4,6%) dürfte der SVP Wählerinnen und Wähler abgegraben haben. Die beiden Sitzverluste der GP (neu: 9 Sitze, 7,7%) dürften hingegen auch auf die Gewinne der GLP zurückzuführen sein. Allerdings blieb das linke Lager dank dem doppelten Sitzgewinn der SP (neu: 19 Sitze, 13,4%) gleich gross wie vor den Wahlen. Während die FDP bei leichten Wählerverlusten ihre 18 Sitze halten konnte (neu: 14,2%), musste die CVP einen Sitz abgeben (neu: 21 Sitze, 14,2%). Ebenfalls einen Sitzverlust hatte die EVP zu beklagen (neu: 5 Sitze, 4,7%). Da neu alle neun Parteien im Grossen Rat Fraktionsstärke hatten, wurden längere Ratssitzungen befürchtet. Zudem wurde die noch wenig klare Positionierung der BDP debattiert. Prognostiziert wurden lebhaftere und längere Diskussionen, aber auch breiter abgestützte Entscheide. Zum zweiten Mal in Folge ging der Frauenanteil im Thurgauer Parlament zurück. Nach den Wahlen 2012 sassen noch 35 Frauen (26,9%) im Grossen Rat (2008: 27,7%). Das Parlament wurde hingegen leicht verjüngt. Mit 30,8% Wahlbeteiligung wurde ein neuer Negativrekord verzeichnet (2008: 33,9%). Die geringe Partizipationsrate wurde mit der Häufung von Wahlen – sechs Monate vorher fanden die Nationalrats- und fünf Wochen vorher die Regierungsratswahlen statt – aber auch mit dem ungünstigen Termin in den Frühlingsferien zu erklären versucht
[7].
Im Kanton Uri werden die Landratssitze in den zwanzig Gemeinden, die jeweils die Wahlkreise bilden, vergeben. In den zwölf kleineren Gemeinden erfolgen die Wahlen im Majorzprinzip und in den acht grösseren Gemeinden mit mehr als drei Sitzen nach dem Proporzverfahren. Um die 64 Sitze im Urner Parlament kämpften total 134 Personen, unter ihnen 33 Bisherige. Für die 50 Mandate in den acht Proporzgemeinden kandidierten 90 Männer und 31 Frauen, wovon 37 für die CVP, 32 für die SVP und je 26 für die FDP bzw. das rot-grüne Lager – die SP, die GP, die Juso und der Gewerkschaftsbund Uri traten als Wahlallianz an – Sitze erobern wollten. In der Gemeinde Silenen traten lediglich die vier Bisherigen wieder an und wurden still gewählt. In zwei der zwölf Majorzgemeinden (Bauen und Isenthal) wurden zwei Vertreter bereits im Herbst 2011 gewählt. Während es in zwei Majorzgemeinden (Gurtnellen und Andermatt mit je zwei Sitzen) zu Kampfwahlen kam, hatten verschiedene kleine Gemeinden, in denen die Bisherigen zurücktreten wollten, Mühe bei der Suche nach Kandidierenden.
Hatte die SVP bei den letzten Landratswahlen 2008 auf Kosten der CVP und der FDP noch einen Erdrutschsieg und eine Verdoppelung der Mandate von 9 auf 18 Sitze feiern können, schwang das Pendel 2012 wieder ein wenig zurück. Die Volkspartei musste einen Verlust von drei Sitzen hinnehmen (neu: 15 Sitze). Davon profitieren konnte die
FDP mit drei Sitzgewinnen. Die Freisinnigen schlossen mit ebenfalls 15 Sitzen (inkl. 1 Parteilose, die sich der FDP-Fraktion anschloss) zur SVP auf. Während die CVP einen Sitz verlor (neu 23 Sitze), damit aber stärkste Partei blieb, konnte das rot-grüne Wahlbündnis einen Sitz gewinnen. Zusammen mit einem Parteilosen, der sich der SP/GP-Fraktion anschloss, hatte das Bündnis neu elf Sitze inne (SP: 8 Sitze; GP: 2 Sitze; Parteilos 1 Sitz). Die CVP war mit dem Resultat zufrieden und interpretierte es als Auftrag, ihre bürgerliche Politik weiter zu verfolgen. FDP-Kantonalpräsident Toni Epp machte die gute Mobilisierung der Mitte-Wähler als Grund für den Erfolg seiner Partei aus. Gusti Planzer, der Kantonalpräsident der SVP zeigte sich hingegen enttäuscht. Man habe 20 Sitze angestrebt, aber die anderen Parteien hätten die SVP diesmal ernst genommen und sich mehr ins Zeug gelegt als noch vor vier Jahren. Die SP schliesslich zeigte sich erfreut über den Sitzgewinn, der laut Wahlkampfleiter Toni Moser nach dem Rücktritt einiger profilierter Landräte nicht zu erwarten gewesen sei. Die Stimmbeteiligung betrug 49,2% und war damit fast zehn Prozentpunkte höher als noch vor vier Jahren. Der Frauenanteil sank wie bereits vor vier Jahren erneut leicht von 20,3% auf 18,8%: Zwölf der 64 Sitze sind in Frauenhand
[8].
Zum zweiten Mal nach 2007 wurden die Wahlen für den Grand Conseil im Kanton Waadt nach dem revidierten System durchgeführt. Mit der neuen Kantonsverfassung waren die Sitzzahl (150) und die Anzahl Bezirke (10) verkleinert worden. Das neue System erlaubte, dass der Wohnort eines Bewerbers nicht im Bezirk liegen mussten, für welchen er kandidierte. Diese „parachutage“ genannte und durchaus auch wahltaktisches Potential bergende Regel machten sich 33 Kandidierende zu Nutze, darunter auch Nationalrat Jacques Neirynck (cvp) und Claude Béglé (cvp). Insgesamt stritten sich 979 Personen um die 150 Mandate, wovon rund ein Fünftel (32 Sitze) nicht von Bisherigen verteidigt wurde. Die Zahl der Kandidierenden und der Listen variierte dabei entsprechend der unterschiedlichen Sitzzahl zwischen den Wahlkreisen. Während die Bürgerlichen bei den Regierungswahlen zu keiner Allianz fanden – die FDP, die LP und die SVP kämpften gegen die Mitte-Liste aus CVP, BDP, EDU und GLP (siehe unten) – gab es Bezirke, in denen sich alle bürgerlichen Parteien auf einer gemeinsamen Liste präsentierten. In den meisten Bezirken trat die „Aliance du Centre“ allerdings ohne SVP und FDP mit einer gemeinsamen Liste aus BDP-, GLP-, CVP-, EVP- und/oder EDU-Kandidierenden an. In einzelnen Bezirken verbanden sich die GP und die SP und auch die FDP und die SVP gingen einzelne Listenverbindungen ein. Die FDP, die zum Zeitpunkt der Wahlen im Kanton Waadt noch nicht mit der LP fusioniert hatte (siehe dazu Teil IIIa), trat in zehn der dreizehn Bezirken bereits als PLR.Les Libéraux-Radicaux, also gemeinsam mit der LP, auf. In den Bezirken mit einer grossen Sitzzahl traten neben den arrivierten Parteien auch La Gauche als Zusammenschluss extremer linker Parteien (PdA, Alternative, Point de départ, SolidaritéS), die Piratenpartei, der im Kanton Waadt weniger erfolgreiche Mouvement Citoyens (MCVD), Vaud libre, die Wikicratie oder die „Parti de rien“ an. Da Links-Grün geeinter auftrat und vor allem die SP bei den nationalen Wahlen im Herbst 2011 zulegen konnte, wurde für das linke Lager ein Erfolg prognostiziert. Allerdings vermuteten die Auguren einen ähnlichen Ausgang wie bei den nationalen Wahlen – sprich: Veränderungen vor allem innerhalb der Blöcke.
Entgegen den Prognosen konnte die
Mitte auf Kosten des links-grünen Lagers zulegen. Die „Alliance du Centre“ kam neu auf elf Sitze. Vier Sitze wurden von CVP-Vertretern und sieben Sitze durch die GLP besetzt. Damit war die GLP eigentliche Wahlsiegerin, hatte sie doch vor den Wahlen vier Sitze von ursprünglich als FDP-Vertreter gewählten Abgeordneten inne. Leer gingen die EVP, die BDP und die EDU aus. Letztere verlor somit ihren bisherigen Sitz. Die zahlreichen verschiedenen Listenverbindungen lassen eine Aussage über die Wählerprozente nur bedingt zu. Werden die Parteistärken der fünf Alliance-Parteien addiert, ergibt sich ein Wert von 9,5%. Auch die SP konnte sich im Vergleich zu den Wahlen 2007 über den Gewinn von zwei zusätzlichen Mandaten freuen (neu: 41 Sitze; inkl. der Mischliste in Aigle mit der PdA: 26,0%); da die Grünen aber gleichzeitig fünf Sitze (neu 19 Sitze, 12,6%) und La Gauche einen Sitz (neu 4 Sitze; exkl. Mischliste in Aigle mit der SP: 2,8%) einbüssten, musste Links-Grün insgesamt Federn lassen. Zu lediglich marginalen Verschiebungen kam es im rechtsbürgerlichen Block. Die SVP (neu 27 Sitze, 17,1%) konnte um einen Sitz zulegen, während die FDP zusammen mit der LP im Vergleich zu vor den Wahlen einen Sitz einbüsste (neu: 47 Sitze, 30,1%). Während der Legislatur war es freilich bereits zur Abspaltung von vier Abgeordneten der FDP zur GLP gekommen. Vaud Libre konnte ihren 2007 unter dem Label „Riviera Libre“ gewonnen Sitz halten (1,1%). Die 41,7% der Wahlberechtigten, die an die Urne gingen, wählten eine Frau mehr in den Rat als vor fünf Jahren (2007: 29,3% Frauenanteil; 2012: 30%)
[9].
[1] Über die Diskussionen zu den kantonalen Wahlverfahren berichten wir im Teil I, 1c (Institutionen und Volksrechte) sowie Teil I, 1d (Beziehungen zwischen Bund und Kantonen).
[2] Wahlen vom 21.10.12:
AZ, 22.10. und 23.10.12; Wahlkampf:
AZ, 31.7.12;
BaZ, 6.8.12;
AZ, 1.9., 20.9. und 15.10.12.
[3] Wahlen vom 28.10.12:
BaZ, 29.10. und 30.10.12;
TA, 30.10.12; Wahlkampf:
BaZ, 7.3., 9.3., 16.3., 24.5., 17.8., 23.8., 24.8., 25.8., 8.10. und 16.10.12; zu den Nationalratswahlen 2011 vgl.
SPJ 2011, S. 91 f.
[4] Wahlen vom 23.9.12:
SN und
TA, 24.9.12;
TA, 25.9.12; www.sh.ch; Wahlkampf:
SN, 12.4. und 9.8.12;
TA, 11.8.12;
SN, 17.8., 27.8. und 1.9.12;
NZZ, 13.9.12;
SN, 20.9.12.
[5] Wahlen vom 11.3.12; Presse vom 12.3.12, www.sz.ch; zu den nationalen Wahlen vgl.
SPJ 2011, S. 87 f. und S. 105.
[6] Wahlen vom 11.3.12:
SGT, 13.3.12; Wahlkampf:
SGT, 10.1., 11.1., 16.1., 27.1., 9.2., 15.2., 24.2. und 3.3.12;
TA, 5.3.12.
[7] Wahlen vom 15.4.12:
SGT, 17.4. und 27.6.12; www.tg.ch; Wahlkampf:
SGT, 3.3.12.
[8] Wahlen vom 11.3.12:
NZZ, 12.3.12;
NLZ, 12.3.12; www.ur.ch; Wahlkampf:
NLZ, 24.1., 3.2. und 3.3.12.
[9] Wahlen vom 11.3.12: Presse vom 12.3.12;
24h, 13.3. und 14.3.12; www.vd.ch; Wahlkampf:
NZZ, 7.2.12;
24h, 11.2.; 14.2, 17.2., 21.2., 22.2, 23.2., 24.2. und 5.3.12.
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