Année politique Suisse 2013 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Presse
Ausgehend von zwei im Vorjahr erschienenen Publikationen zur Geschichte der „Basler Zeitung“ trafen sich Ende April unter regem Beisein eines interessierten Publikums die wichtigsten Vertreter der breit gefächerten Medienlandschaft im Raum Basel zur Podiumsdiskussion mit dem Titel „Die Basler Medienlandschaft – Quo vadis?“. Die ganze Veranstaltung hindurch dominierte die Diskussion um die Situation der Pressetitel, insbesondere um diejenige der „Basler Zeitung“ (BaZ) seit Bekanntgabe des finanziellen Engagements von alt-Bundesrat Christoph Blocher und die Frage, ob und inwiefern Medien eine politische Ausrichtung haben dürfen. Neben zahlreichen Gegnern von politischen Medien fanden sich auch ausserhalb der BaZ Befürworter einer politisch fragmentierten Medienlandschaft im Sinne der Vielfalt und unter Berücksichtigung von Kriterien der Transparenz. Neue Erkenntnisse oder gar ein endgültiges Fazit brachte das Podium laut Angaben der „Basellandschaftlichen Zeitung“ und der BaZ aber weder zu diesem Punkt noch zu anderen Angelegenheiten, so beispielsweise zu Möglichkeiten der nachhaltigen Finanzierung von Qualitätsjournalismus, hervor [3].
Nachdem der alt-Bundesrat im vorangehenden Jahr 2012 bereits Immobilien der „Basler Zeitung“ erworben hatte, erstand Christoph Blochers Firma Robinvest Mitte Jahr 20% des Aktienkapitals der BaZ Holding AG. Weiter erhielt der ehemalige Bundesrat Einsitz in den Verwaltungsrat der Gesellschaft und Robinvest übernahm ein Darlehen an die „Basler Zeitung“ (BaZ) in der Höhe von CHF 40 Mio., was gut der Hälfte der bei Besitzübernahme an Tito Tettamanti gewährten Anleihe entspricht. Mit der Einbindung von Blocher versprach sich Tettamanti die erfolgreiche Aufrechterhaltung der BaZ als bedeutende, eigenständige und liberale Zeitung. Trotzdem wurde die Zusammenarbeit der BaZ mit der Mediengruppe Tamedia im Berichtsjahr verstärkt. Neu druckt Tamedia die BaZ, dafür verbreitet diese neben dem „Magazin“ erstmals auch die „Sonntags-Zeitung“ des Verlagsriesen (siehe unten) [4].
Die AG für Werbeforschung (Wemf) präsentierte im Oktober die aktuellen Zahlen zur Mediennutzung in der Schweiz und dies zum ersten Mal unter Anwendung einer neuen Messmethode. Zu den grössten Änderungen gehörte zum einen, dass das Unternehmen neu auch Interviews mit Personen ohne eingetragenen Festnetzanschluss durchführte, wobei Wemf sowohl auf Mobiltelefonnummern als auch auf nicht-eingetragene Festnetzanschlüsse zurückgriff. Zum anderen holte die Forschungsinstitution Auskünfte von 40% der insgesamt ca. 19 000 interviewten Personen mittels Online-Befragung ein. Während die erste Neuerung zum Zwecke einer besseren Repräsentation der jungen, erwerbstätigen Bevölkerung erfolgte, soll der Beizug einer etwas anonymisierteren Form der Befragung dazu beitragen, dass die Umfrageteilnehmer ihren Medienkonsum weniger stark überschätzen. Die erwähnten Umstellungen in der Erhebungsmethode lassen keine qualifizierten Vergleiche zum Vorjahr zu. Feststellen lässt sich jedoch, dass insbesondere Boulevard- und Pendlerblätter aktuell besser abschneiden als zuvor, während die Magazine an Bedeutung verloren haben. Ferner wies Wemf die verkauften Auflagen ebenfalls erstmals separat für E-Paper aus. Hier zeigte sich, dass insbesondere die NZZ und die „NZZ am Sonntag“ ihren Kunden erfolgreich ein papierloses Zeitungsabonnement verkaufen konnten [5].
Auch 2014 wird die Post der förderberechtigten Regional- und Lokalpresse eine Preisermässigung für die Postzustellung von 22 Rappen pro Exemplar gewähren, wie Ende Jahr vom BAKOM bekannt gegeben wurde. Von der Förderung profitieren neu insgesamt 142 regionale und lokale Publikationen, womit sich die Zahl der geförderten Tages- und Wochenzeitungen im Vergleich zum Berichtsjahr kaum verändert. Um 42 Titel auf eine Anzahl von 1 124 zunehmen wird im Folgejahr die Liste der förderberechtigten Zeitungen und Zeitschriften von nicht-gewinnorientierten Unternehmen, womit die Auflage der zu ermässigenden Exemplare um 14,3 Mio. steigt. Diese Pressegattung profitiert 2014 mit 14 Rappen pro Exemplar von einer leicht geringeren Zustellermässigung im Vergleich zum aktuellen Jahr [6].
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Pressekonzentration
Im März fusionierte der „Sonntag“ der AZ-Medien mit der „Südostschweiz am Sonntag“ zum neuen Sonntagsblatt mit dem Titel „Schweiz am Sonntag“. Im gleichen Monat stellte die „Basler Zeitung“ die eigene Sonntagsausgabe ein und bot ihren Lesern ab diesem Zeitpunkt – wie dies der „Bund“ bereits seit 2012 handhabte – die „Sonntags-Zeitung“ der Tamedia-Gruppe an. Mit Lancierung einer siebten Ausgabe versuchte das „St. Galler Tagblatt“ der NZZ-Mediengruppe, der Pressekonzentration am Ruhetag Gegensteuer zu geben [7].
Weitere Verschiebungen auf dem Zeitungsmarkt wurden Mitte Jahr bekannt und gingen alle zu Lasten der „Südostschweiz“. Mit dem „Werdenberger und Obertoggenburger“, der „Rheintalischen Volkszeitung“ und dem „Liechtensteiner Vaterland“, die bis anhin der Südostschweizer Mediengruppe angehörten, schliessen sich ab 2014 drei Regionalzeitungen dem von der NZZ-Gruppe dominierten „St. Galler Tagblatt“ an. Weiter kooperiert der „Bote der Urschweiz“ per 2014 mit der NZZ-Tochter „Neue Luzerner Zeitung“, um sich mit der „Neuen Schwyzer Zeitung“ zusammen zu schliessen. Durch diese Wechsel bedingt sinkt die Auflage der „Südostschweiz“ von 121 000 auf rund 82 000 Exemplare [8].
Mit Verkauf des eigenen Aktienanteils von 70,5% des „Landboten“ an Tamedia verabschiedete sich mit der Ziegler Druck- und Verlags-AG ein weiteres kleines Verlagshaus vom Pressemarkt. Somit hält Tamedia insgesamt 90,5% der Aktien der Winterthurer Tageszeitung; ein knapper Zehntel verbleibt bei einem Einzelaktionär [9].
Am Jahrestreffen des Schweizer Medienkongresses äusserte sich Bundesrat Maurer (svp) äusserst kritisch zur aktuellen Medienlandschaft. Es herrsche überwiegend ein „mediales Meinungskartell“, das die Staatstätigkeit selten hinterfrage und Themen, die das Volk beschäftigten, kaum aufgreifen würde. Die „selbstverfügte Gleichschaltung“ der Medien, die nach bestimmten Glaubenssätzen – wie beispielsweise, dass der Mensch den Klimawandel verschulde oder dass Alternativenergien der Atomenergie vorzuziehen seien – operiere, könne nicht durch eine Erhöhung der Anzahl an Presseerzeugnissen verhindert werden. Was nach wie vor fehle sei Meinungsvielfalt. Als Reaktion auf seine Rede erhielt Maurer Pfiffe und Buhrufe, was laut Angaben der „Schweiz am Sonntag“ einem Regierungsmitglied zuletzt 1995 widerfuhr, nämlich der damaligen Bundesrätin Ruth Dreifuss (sp), die am Eidgenössischen Schwingfest für den EU-Beitritt geworben hatte [10].
Im Ende September erschienenen Jahrbuch „Qualität der Medien“ des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) meldeten die Autoren aufgrund zunehmender Kommerzialisierung und Konzentration der Medienlandschaft ihre Bedenken zur Medienvielfalt an. Während sich zwischen 2001 und 2012 zwölf Medienhäuser vom Verlag herkömmlicher, deutschsprachiger Pressetitel zurückgezogen hatten, waren die Marktanteile der drei grössten Schweizer Verleger beträchtlich gestiegen. Die Tamedia AG konnte seit dem Millennium ihren Anteil in der deutschsprachigen Schweiz praktisch verdoppeln und kontrollierte im Jahr 2012 mehr als einen Drittel (36%) des dortigen Pressemarkts. Hauptsächlich infolge der kürzlich erfolgten Übernahme von Edipresse betrug der Marktanteil von Tamedia in der Westschweiz im Vorjahr gar 68%. Die NZZ-Mediengruppe erhöhte ihre Marktbeteiligung an deutschsprachigen Pressetiteln im untersuchten Zeitraum von 7% auf 19% und der Ringier-Verlag steigerte seine ursprünglich 21-prozentige Quote bis zum Vorjahr um weitere sechs Prozentpunkte. Als weitere bedenkliche Tendenzen identifizierten die Autoren des Jahrbuchs die abnehmende Reichweite von Qualitätszeitungen im Gegensatz zur zunehmenden Etablierung von Boulevardblättern und Gratiszeitungen, die Verlagerung der Werbeausgaben hin zur Gratispresse, die besonders eingeschränkte Vielfalt auf dem Online-Markt sowie die abnehmende Einbindung von Hintergrundwissen und Wirkungszusammenhängen in die journalistische Berichterstattung. Der Schweizer Verlegerverband reagierte postwendend mit Vorwürfen an die Verfasser der Studie. Der Verband kritisierte insbesondere die Erhebungsmethode, welche sich auf Stichproben und die Untersuchung von Frontseiten und Aufmachern gestützt habe. Die französischsprachige Presse kritisierte zudem die Auswahl der regionalen Pressetitel in der Westschweiz. Weiter wurde bezweifelt, dass die Qualität von Medien und ihren Inhalten überhaupt qualitativ erfasst werden kann. Oswald Sigg, Mitglied des Stiftungsrates „Öffentlichkeit und Gesellschaft“, reagierte selbstkritisch auf die Vorwürfe aus der Medienbranche. In der Tat vermöge die verwendete Erhebungsmethode die Qualität der regionalen Presseerzeugnisse der Romandie nicht im Detail zu erfassen. Sigg stellte eine Spezialstudie zur Situation der französischsprachigen Regionalmedien für das Folgejahr in Aussicht [11].
Im Oktober gaben die Medienhäuser Ringier und Tamedia bekannt, ihre Anteile von je 46,2% an der überregionalen, französischsprachigen Tageszeitung „Le Temps“ verkaufen zu wollen. Interesse zeigten in erster Reaktion unter anderem die Wirtschaftszeitung „L’Agefi“, Jean-Claude Biver, Präsident der Uhrenmarke Hublot, sowie Christoph Blocher und Tito Tettamanti als Inhaber der „Basler Zeitung“. Die NZZ verzichtete explizit auf die Einreichung eines Angebots und liess verlauten, man erachte eine Ausdehnung des Engagements auf den französischsprachigen Zeitungsmarkt als nicht opportun, sei jedoch auch nach Eigentümerwechsel an der Weiterführung oder gar einem Ausbau der Zusammenarbeit mit der Qualitätszeitung interessiert. Für den Fall, dass kein passender Käufer gefunden werden könne, würden die aktuellen Besitzer von „Le Temps“ den Verkauf des eigenen Anteils an den anderen Teilinhaber prüfen, informierten die beiden Medienhäuser. Die Zukunft des Traditionsblattes blieb bis zum Ende des Berichtsjahres ungewiss [12].
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Arbeitsbeziehungen
Zu Beginn des Berichtsjahres wurde aufgrund des in jüngster Zeit dramatischen Auslastungs- und Umsatzrückgangs die Schliessung der Druckerei der „Basler Zeitung“ bekannt gegeben. Von den 96 Druckerei-Mitarbeitern erhielten drei Viertel die Kündigung. Von den verbleibenden 24 Angestellten wurden 11 Personen die frühzeitige Pensionierung angeboten. 10 Mitarbeiter sowie die drei Lehrlinge der BaZ-Druckerei wurden neu in der Tamedia-Druckzentrale in Zürich tätig, wo die „Basler Zeitung“ seit April des Berichtsjahres nun produziert wird. Die Mediengewerkschaft Syndicom forderte für jeden von der Druckereischliessung betroffenen Mitarbeitenden eine Abgangsentschädigung in der Höhe von CHF 1000 pro Dienstjahr. Diesbezügliche Uneinigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern führte am 11. Februar zu einem siebenstündigen, unangekündigten Warnstreik der Belegschaft, was für den betreffenden Tag Verzögerungen oder gar Ausfälle bei der Zeitungszustellung an die Abonnenten zur Folge hatte. Nach Beendigung des Streiks einigten sich die beiden Parteien auf eine Entschädigung von CHF 400 pro Angestellter und Dienstjahr [13].
Ende März bestätigte die Tamedia AG ihre Pläne, zur Kompensation rückläufiger Werbeeinnahmen in den nächsten drei Jahren insgesamt CHF 34 Mio. einsparen zu wollen, um die angestrebte Gewinnmarge von 15% erreichen zu können. In der Westschweiz, die von den geplanten Einsparungen überproportional betroffen ist (CHF 18 Mio.), organisierten sich sogleich nach Bekanntwerden der Sparpläne spontane Protestbekundungen. Die anwesende Redaktion der „Tribune de Genève“, die neben „24heures“ und „Le Matin“ mit besonders grossen Kürzungen zu rechnen hatte, legte am späten Vormittag kurzzeitig ihre Arbeit nieder. Nach einem zweiten Treffen mit Tamedia im April informierten die zuständigen kantonalen Regierungsräte aus den Kantonen Waadt und Genf, das Medienhaus habe garantiert, sich weiterhin für den Erhalt der Medienvielfalt einzusetzen. Momentan bestünde nicht die Absicht zur Fusion oder gar zur Absetzung eines Medientitels. Darüber hinaus sei die anvisierte Gewinnmarge nicht in Stein gemeisselt [14].
 
[3] BaZ und BLZ, 30.4.13; SGT, 2.5.13; vgl. SPJ 2012, S. 353 f.
[4] NZZ, 3.7.13; vgl. SPJ 2012, S. 353 f.
[5] NZZ, 17.9. und 2.10.13.
[6] Medienmitteilung BAKOM vom 6.12.13; vgl. SPJ 2012, S. 354.
[7] NZZ, 31.1.13; SO, 24.3.13; SoS, 25.3.13.
[8] LZ, 26.6.13; NZZ, 27.6.13.
[9] NZZ, 28.8.13; vgl. SPJ 2010, S. 299.
[10] Medienmitteilung VBS vom 13.9.13; NZZ, 14.9.13; SO, 15.9.13.
[11] AZ, NZZ, und TA, 26.9.13; TG, 30.9.13; vgl. Lit. Fög.
[12] TA und Lib., 9.10.13; BaZ, 14.11.13; NZZ, 30.11.13.
[13] NZZ, 9.1., 12.2. und 14.2.13.
[14] NZZ, 27.-29.3.13; TG, 28.3.13; LT, 30.3.13; Lib., 18.4.13.