Année politique Suisse 1975 : Allgemeine Chronik / Schweizerische Aussenpolitik
Wirtschaftspolitische Massnahmen
Seitens der Exportindustrie wurde mit Nachdruck geltend gemacht, die anscheinend noch befriedigenden Ausfuhrergebnisse seien mit spürbaren Ertragsschmälerungen verbunden, da in manchen Fällen zu nicht kostendeckenden Preisen geliefert werden müsse, nur um die mühsam erworbenen Marktstellungen zu behaupten. Der Aufwertungsdruck habe den Frankenkurs auf eine unrealistische Höhe klettern lassen, und verzögerte Zahlungseingänge brächten verschiedene Unternehmen in arge Liquiditätsschwierigkeiten
[87]. Vor allem die Vertreter der Konsumgüterexporteure, kleinerer Firmen und der um ihre Arbeitsplätze bangenden Belegschaften forderten denn auch eine aktivere staatliche Unterstützung der Exportindustrie. Wirksame Eingriffe ins Währungsgeschehen, gezielte Subventionen, die Errichtung einer Exportkreditbank und diplomatische Unterstützung auf ausländischen Märkten sollten die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Produkte sichern und Arbeitsplätze erhalten helfen. Namentlich von seiten der Uhrenindustrie wurden auch unkonventionelle Massnahmen vorgeschlagen wie die Spaltung des Devisenmarktes zwecks Verbilligung des Exportfrankens, die Einführung einer « Stempelsteuer » auf allen Zuflüssen liquider Auslandsmittel oder eine Erhebung von Importzuschlägen zur Exportsubventionierung
[88]. Solch protektionistische Vorschläge stiessen jedoch auf die entschiedene Ablehnung wirtschaftsliberaler Kreise, die gegen weitreichende Staatsinterventionen ordnungspolitische Bedenken äusserten und auf die Gefahr ausländischer Retorsionsmassnahmen hinwiesen, welche dem Exportland Schweiz noch grössere Schwierigkeiten bereiten müssten. Insbesondere Interessenvertreter grosser multinationaler Unternehmungen, der Investitionsgüterbranche und des Bankgewerbes betonten, dass der notwendige Strukturbereinigungsprozess nicht behindert werden dürfte, da nach Jahren eines wilden Wachstums im Zeichen der Hochkonjunktur und vorteilhafter Wechselkurse nur eine innovative Anpassung, verbunden mit Redimensionierungen gewisser Exportbranchen, die Konkurrenzfähigkeit der Schweiz auf den schrumpfenden Weltmärkten erhalten könne. Der Staat müsse sich darauf beschränken, mit systemkonformen Mitteln die Rahmenbedingungen zu verbessern ; im übrigen solle man auf die Selbstheilungskräfte der Marktwirtschaft vertrauen
[89].
Währungsbehörden, Regierung und Parlament steuerten einen mittleren Kurs, der sich im wesentlichen auf einen Ausbau der system- und zielkonformen Instrumente konzentrierte. Sie zeigten sich indes bestrebt, den Redimensionierungsprozess in vernünftigen Grenzen zu halten und soziale Härten möglichst zu mildern. Wie an anderer Stelle bereits dargelegt, wurde mit währungs- und kreditpolitischen Massnahmen versucht, Aufwertung und Kursausschläge auf ein erträgliches Mass einzuschränken sowie einen flüssigen Kapitalmarkt zu gewährleisten, ohne jedoch den gerade auch für die Exportindustrie bedeutenden Vorteil einer relativ geringen Inflationsrate dadurch wieder zu gefährden. Die Banken erklärten sich bereit, günstigere Exportkredite zu gewähren und insbesondere Exportwechsel für die Uhren-, Textil- und Schuhindustrie zu einem Vorzugszins zu diskontieren, da ihnen die Nationalbank erhebliche Rediskontzusagen machte
[90]. Auch der Ausbau der Exportrisikogarantie kam besonders den Bedürfnissen der Konsumgüterbranchen entgegen, indem die Möglichkeit geschaffen wurde, das Wechselkursrisiko auch für Geschäfte mit kürzeren Zahlungsfristen, wie sie bei Gebrauchsgütern üblich sind, zu versichern ; ein dringlicher Bundesbeschluss erhöhte zudem den Maximalsatz der Exportrisikogarantie von 85 auf 95 Prozent des Lieferwertes
[91].
Dem Wunsch der Exportindustrie entsprechend, zeigten sich die Behörden dazu bereit, auch ihre bilaterale Handelspolitik im Sinne eines offensiveren Vorgehens aufzuwerten. Ausser bei Verhandlungen mit den USA über angedrohte Ausgleichszölle auf Schweizer Käse und über Kompensationsgeschäfte für den « Tiger »-Kauf trat diese Tendenz besonders im Verhältnis zu den OPEC-Staaten und den Staatshandelsländern in Erscheinung, wo die Regierungen das Wirtschaftsgeschehen weitgehend kontrollieren und wo deshalb unserer privaten Exportindustrie durch eine staatliche Vertragspolitik der Weg geebnet werden muss. Das auf Anfang 1976 in Kraft gesetzte Handelsabkommen mit der Deutschen Demokratischen Republik, dessen Abschluss zunächst wegen zäher Verhandlungen über Schweizer Vermögensansprüche gegenüber der DDR verzögert worden war, die « Goodwill »-Missionen hoher Funktionäre in China, Saudi-Arabien, Iran und Irak, die Bildung gemischter Kommissionen und der gezielte Ausbau des diplomatischen und konsularischen Vertretungsnetzes dienten dem Zweck, die Wirtschaftsbeziehungen mit diesen Regionen zu intensivieren, deren hart umkämpfte Märkte sich als noch ausbaufähig erwiesen haben
[92].
Im Zusammenhang mit der direkten Exportförderung kommt auch der Neukonzeption der schweizerischen Präsenz im Ausland, auf die wir an anderer Stelle näher eingegangen sind, besondere Bedeutung zu. Angesichts verschärfter Konkurrenz und durch den Wechselkurs verschlechterter Bedingungen seien, so wurde argumentiert, Image-Pflege unseres Landes und Werbung für Schweizer Produkte ein Gebot der Stunde
[93]. In diesem Sinne setzte das Parlament den jährlich zu gewährenden Bundesbeitrag an die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung (SZH) auf 3,9 Mio Fr. fest und beschloss in Erweiterung des bundesrätlichen Antrags, dass der Betrag bis auf 4,9 Mio Fr. erhöht werden kann, sofern die wirtschaftliche Lage dies erfordert. Die SZH, deren gezielte Aktionen gerade auch den kleineren Exporteuren ohne eigene Verkaufsorganisation zugute kommen sollen, intensivierte ihre Kontakte vor allem zu den Staatshandelsländern und den OPEC-Staaten ; da sie die schweizerischen Unternehmer vor Risiken im Portugal-Geschäft zu warnen sich veranlasst sah, warfen ihr linke Kritiker neutralitätswidrige Beeinflussung in eindeutig politischer Absicht vor
[94].
[87] Vgl. wf, Dok., 4, 27.1.75 ; 10, 10.3.75 ; 18, 5.5.75 ; 19-20, 12.5.75 ; NZZ, 71, 26.3.75 ; 162, 16.7.75 ; Vat., 75, 2.4.75. Vgl. auch F. Aschinger, « Die Oberwertung des Schweizerfrankens », in Wirtschaftspolitische Mitteilngen, 31/1975, Heft 6 ; F. Rühl, « Das Problem der Schweizerischen Währung aus der Sicht der Exportwirtschaft », in E. Tuchtfeldt (Hrsg.), Schweizerische Wirtschaftspolitik zwischen gestern und morgen, Bern 1976, S. 297 ff.
[88] Vgl. Amtl. Bull. NR, 1975, S. 424 (Interpellation Nauer, sp, ZH), 426 ff. (Interpellation der SP-Fraktion), 428 ff. (Interpellation der LdU-Fraktion), 432 (Einfache Anfrage Rothen, sp, SO), 1293 ff. (Postulat Baumann, svp, AG), 1295 ff. (Postulat Rothen, sp, SO), 1477 ff. (Interpellation Oehler, cvp, SG) ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 192 ff. (Interpellation Grosjean, fdp, NE) ; Verhandl. B.vers., 1975, V, S. 20 (Motion der SP-Fraktion im NR), 27 (Postulat NR Jelmini, cvp, TI), 40 (Postulat StR Bächtold, fdp, SH) ; E. Nef, « Schweizer Aussenhandelsstützpunkte im Ausland ? », in SAZ, 70/1975, S. 667 ff..; Ldb, 42, 21.1.75 ; Bund, 52, 4.3.75 ; 24 Heures, 52, 4.3.75 ; JdG, 54, 6.3.75 ; 152, 3.7.75 ; wf, Dok., 36, 8.9.75 ; 51-52, 22.12.75.
[89] Vgl. L. von Planta, Eine Standortbestimmung der chemischen Industrie im Rahmen der schweizerischen Wirtschaft, Solothurn 1975 ; ders., Die schweizerische Wirtschaft in der Bewährungsprobe, Zürich 1975 (Schriftenreihe des Vororts, 2) ; A. Schaefer, Die freie Wirtschaft wird überleben, SBG Zürich 1976 ; wf, Dok., 3, 20.1.75 ; 12-13, 24.3.75 ; 18, 5.5.75 ; 34, 25.8.75 ; 38, 22.9.75 ; 46, 17.11.75 ; NZZ, 212, 13.9.75 ; Bund, 214, 14.9.75. Zur entgegengesetzten Haltung in der Frage der Zollregelung für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse vgl. wf, Dok., 14, 7.4.75 ; 43, 27.10.75 ; 47, 24.11.75 ; vgl. auch unten, Teil I, 4c (Commerce agricole extérieur) und SPJ, 1974, S. 72.
[90] Vgl. BR Brugger in Amtl. Bull. NR, 1975, S. 433 ff., 539 ff., 1267 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 205 ff. ; Documenta, 1975, Nr. 3, S. 2 ff. ; Nr. 4, S. 18 ff. Vgl. auch Gesch.ber., 1975, S. 230 f. ; F. Leutwiler, Währungspolitik im Umbruch, Solothurn 1975 ; SNB, Geschäftsbericht, 68/1975, S. 14 und 60 ff. ; wf, Dok., 21, 26.5.75 ; 39, 29.9.75 ; 41, 13.10.75 ; H. Escher, « Unternehmung und Exportfinanzierung », in SKA, Bulletin, 81/1975, August-September, S. 10 ff. Vgl. ferner unten, Teil I, 4a und 4b.
[91] Vgl. BBI, 1975, I, Nr. 21, S. 1834 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1975, S. 726 und 990 ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 341 und 447. Vgl. auch Gesch.ber., 1975, S. 243 ; NZZ, 55, 7.3.75 ; wf, Dok., 19-20, 12.5.75.
[92] Vgl. BBI, 1975, II, Nr. 32, S. 694 f. ; LNN, 186, 13.8.75. USA : Gesch.ber., 1975, S. 242 ; BBl, 1975, II, Nr. 32, S. 690 ff. ; 1976, I, Nr. 9, S. 789 f. ; JdG, 41, 19.2.75 ; 24 Heures, 41, 19.2.75 ; BN, 64, 17.3.75 ; 140, 19.6.75 ; Bund, 63, 17.3.75 ; BZ, 64, 17.3.75 ; 140, 19.6.75 ; TA, 151, 3.7.75 ; Ostschw., 171, 25.7.75 ; vgl. auch oben (Bilaterale Beziehungen) und unten, Teil I, 3 (Avion de combat). Staatshandelsländer und OPEC-Staaten : BBI, 1975, II, Nr. 32, S. 672 ff.; 1976, I, Nr. 9, S. 776 ff. ; NZZ, 185, 13.8.75 ; vgl. auch R. Probst, « Aussenwirtschaftsbeziehungen und Aussenwirtschaftspolitik gegenüber den Staatshandelsländern », in Handbuch..., S. 739 ff.
[93] Vgl. oben (Diplomatischer Apparat) ; vgl. auch Vat., 55, 7.3.75 ; NZZ, 58, 11.3.75.
[94] Bundesbeitrag : BBI, 1975, I, Nr. 12, S. 1023 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 320 ff. Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1287 ff. Tätigkeit der SZH : BBI, 1975, II, Nr. 32, S. 695 f. ; 1976, I, Nr. 9, S. 792 f. ; JdG, 59, 12.3.75. Kritik an der SZH : Focus, 66, September 1975 : AZ, 211, 10.9.75 ; Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1289 f. (Baechtold, sp, VD).
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