Année politique Suisse 1981 : Wirtschaft
Allgemeine Wirtschaftspolitik
Propositions visant à tenir compte des indicateurs sociaux lors de l'élaboration des comptes nationaux — Malgré un ralentissement observé au terme de l'année, la croissance économique se maintient — Augmentation réduite de l'indice de l'emploi et de la production — La restructuration dans l'horlogerie se poursuit — La dévalorisation du franc et la bonne conjoncture accentuent le renchérissement qui devient le problème principal de la politique économique — En accord avec le Conseil fédéral, la Banque nationale décide de lutter contre l'inflation au moyen d'une restriction de la masse monétaire; ceci malgré les nombreuses propositions en faveur d'une réintroduction de la surveillance des prix — La méthode de calcul de l'indice des prix à la consommation est vivement critiquée — Le Conseil fédéral propose un contre-projet à l'initiative populaire pour une surveillance permanente des prix dans les branches fortement cartellisées; celui-ci ne prévoit une surveillance que dans des conditions exceptionnelles — Un avant-projet de loi sur la constitution de réserves bénéficiant d'allégements fiscaux par l'économie privée est soumis à la procédure de consultation — Le parlement accepte, non sans quelques réserves, la poursuite du contrôle par l'Etat de la qualité dans l'horlogerie — Le gouvernement présente un projet pour une nouvelle loi sur les cartels — Les avis exprimés par les organisations économiques sur l'avant-projet pour la révision de la loi sur la concurrence déloyale divergent — Le parlement se prononce en faveur d'une plus forte imposition des grandes coopératives de consommateurs — Un article constitutionnel sur la protection des consommateurs est adopté— La commission du Conseil national examine le projet de la loi sur les petits crédits et propose quelques modifications.
Die schweizerische Volkswirtschaft gedieh 1981 beinahe ebenso erfreulich wie im Vorjahr. Das reale Wirtschaftswachstum hielt in abgeschwächtem Mass an, und die Arbeitslosigkeit blieb unbedeutend. Zu Beunruhigung.gab hingegen die Teuerung Anlass, erhöhte sich doch die Inflationsrate auf einen Stand, der zwar im internationalen Vergleich noch als tief gilt, in der Schweiz aber als auf die Dauer unakzeptabel beurteilt wird. Nicht zu verkennen war, dass sich gegen Jahresende die weltweite Rezession auch im Inland spürbar machte und die Konjunktur sich deutlich verflachte. Zu konjunkturpolitischen Eingriffen, welche über die Geldmengensteuerung hinausgingen, sahen sich die Behörden aber nicht veranlasst
[1].
Bei dem gesamthaft guten Wirtschaftsverlauf und dem Ausbleiben grösserer Beschäftigungseinbrüche konzentrierte sich die politische Diskussion weiterhin auf die Struktur- und Wettbewerbspolitik. Neben der Revision des ordnungspolitisch wichtigen Wettbewerbsrechts und der Verbesserung des Konsumentenschutzes steht hier wieder vermehrt auch der von vielen als negativ empfundene Strukturwandel im Detailhandel im Vordergrund.
Wirtschaftsordnung
Das weitgehend erschütterungsfreie Geschehen brachte allerdings die
prinzipiellen Kritiken am bestehenden Wirtschaftssystem nicht zum Verstummen. Der im Vorjahr präsentierte Entwurf für ein neues sozialdemokratisches Parteiprogramm, worin insbesondere die Errichtung einer auf selbstverwalteten Betrieben aufbauenden Ordnung postuliert wird, stiess im parteiinternen Vemehmlassungsverfahren sowohl bei der Führung als auch bei der Basis auf grosse Skepsis. Der Parteitag beauftragte eine Arbeitsgruppe mit der Überarbeitung des Entwurfs
[2]. Die von den Vertretern des Umweltschutzes an der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung geübte Kritik bezieht sich weniger auf die Besitz- und Verfügungsrechte als vielmehr auf die wirtschaftlichen Ziele der Unternehmungen. Das quantitative Wachstum, welches seinen typischen Ausdruck in der Massgrösse des Sozialprodukts findet, muss nach Ansicht der Ökologen durch ein qualitatives Wachstum ersetzt werden. Bei dessen Berechnung soll die Rücksichtnahme auf Sozialindikatoren wie z.B. die natürliche Umwelt und die menschliche Gesundheit mindestens ebenso hoch bewertet werden wie die mengenmässige Produktion
[3].
Konjunkturlage
Die Konjunkturlage war 1981
gesamthaft recht gut; im zweiten Halbjahr musste allerdings eine deutliche Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit in Kauf genommen werden. Die Zunahme des realen Bruttosozialproduktes fiel mit 1,4% (gemäss ersten offiziellen Schätzungen) zwar deutlich niedriger aus als im Vorjahr (+ 4,0%), übertraf aber die vergleichbaren Werte der wichtigsten Handelspartner. Trotz der weltweiten Stagnationserscheinungen konnte die schweizerische Exportindustrie ihre Verkäufe um real 3,2 % steigern. Begünstigt wurde sie dabei, wenigstens in der ersten Jahreshälfte, durch den relativ niedrigen Frankenkurs. Umgekehrt wurde für den Erwerb von Gütern und Dienstleistungen aus dem Ausland 2 % weniger ausgegeben. Wohl zum Teil infolge der sinkenden Reallöhne nahm der private Konsum nur noch um 1,0% zu, und auch die laufenden Käufe des Staates und der Sozialversicherungen wuchsen mit + 0,5% bloss unterdurchschnittlich. Die Wachstumsrate bei den Bau- und Ausrüstungsinvestitionen bildete sich gegenüber den beiden vorangegangenen Jahren stark zurück; sie blieb aber noch im positiven Bereich. Verantwortlich für die Abschwächung der Investitionsbereitschaft waren neben den getrübten Konjunkturaussichten auch die steigenden Zinssätze
[4].
Die
Gesamtbeschäftigung nahm im Jahresdurchschnitt um 0,9% zu, wobei das Wachstum im Dienstleistungsbereich mit 1,4% grösser ausfiel als im zweiten Sektor. Den relativ bedeutendsten Beschäftigungszuwachs meldeten die Banken mit + 5,7%. In der Industrie erzielte die Uhrenbranche mit + 2,0% ein überdurchschnittliches Resultat; eine Betrachtung der Quartalsziffern zeigt allerdings, dass sich dieser überraschende Beschäftigungsaufschwung nur über die ersten neun Monate erstreckte und dann wieder zum Erliegen kam. In der Textil-, Bekleidungs- und Nahrungsmittelindustrie war die Beschäftigung erneut rückläufig. Die Zahl der Betriebseinstellungen im industriellen Bereich blieb mit 152 auf dem relativ niedrigen Niveau des Vorjahres; gut die Hälfte davon entfiel auf die Branchen Uhren, Textil und Bekleidung
[5].
Die industrielle
Produktion wuchs nur noch um 1% (1980: 5%). Die stärkste Expansion fand im Graphischen Gewerbe (+ 8%) und in der Chemie (+4%) statt. In der Maschinen- und Apparateindustrie konnte der Ausstoss um 2% gesteigert werden. Demgegenüber sank die mengenmässige Produktion in der Bekleidungs- und Textilindustrie um 2% und in der Uhrenindustrie gar um 11 %. Im letzten Quartal des Jahres 1981 nahm die Uhrenproduktion gegenüber dem Vorjahreswert sogar um 26% ab, was seinen Ausdruck auch darin fand, dass am Jahresende rund ein Fünftel der in dieser Branche Beschäftigten kurzarbeiteten. Dass die Uhrenindustrie ihre Exporte trotzdem wertmässig um ca. 10% steigern konnte, deutet darauf hin, dass der Umstrukturierungsprozess von der Herstellung von Billigwaren auf Qualitätserzeugnisse seinen Fortgang nahm. Im Baugewerbe kam es zu einer leichten realen Schrumpfung der Produktion, und überdies führten die stark steigenden Baukosten und -zinsen zu einem Auftragsrückgang. Im Tourismus wurde hingegen das gute Ergebnis des Vorjahres nochmals übertroffen und das beste je erreichte Resultat erzielt. Der günstige Frankenkurs und die im internationalen Vergleich bescheidene Inflation trugen nicht unwesentlich dazu bei, dass die Anzahl Hotelübernachtungen von Ausländern um weitere 6% anstieg
[6].
Trotz der Konjunkturverflachung bildet die Arbeitslosigkeit in der Schweiz im Gegensatz zu den meisten übrigen Industriestaaten nach wie vor kein Problem. Nur gerade im Dezember übertraf die Zahl der Ganzarbeitslosen diejenige der offenen Stellen. Zu grösserer Besorgnis gab hingegen die
Preisentwicklung Anlass. Die Verteuerung der Importe infolge des Rückgangs des Frankenkurses und die recht gute Inlandkonjunktur liessen den Konsumentenpreisindex im Jahresmittel um 6,5% (1980: 4,0%) ansteigen. Der Höhepunkt wurde im September mit 7,5 % Jahresteuerung erreicht; bis zum Jahresende bildete sich die Inflationsrate wieder auf 6,6% zurück. Auf Grosshandelsstufe erhöhten sich die Preise mit + 5,5% ebenfalls stärker als im Vorjahr; aber auch hier verhinderte die Verteuerung des Schweizer Frankens in den letzten Monaten einen noch grösseren Anstieg
[7].
Konjunkturpolitik
Die sich in den ersten Monaten laufend akzentuierende Teuerungswelle war es, welche den Ruf nach einer Revision des in den vergangenen Jahren befolgten Konzeptes der Konjunkturpolitik ertönen liess. In den Augen der Kritiker genügte die von der Nationalbank in Übereinstimmung mit dem Bundesrat betriebene Geldmengensteuerung nicht mehr, um der Inflation Einhalt zu gebieten. CVP, SP, der Landesring und die extreme Linke forderten die sofortige Wiedereinführung der Preisüberwachung, wie sie von 1973 bis 1978 bestanden hatte. Die Landesregierung räumte zwar dem Kampf gegen die Teuerung erste Priorität ein, sie lehnte aber die geforderte interventionistische Massnahme ab. Neben ordnungspolitischen Überlegungen führte der Bundesrat auch an, dass es sich diesmal, im Gegensatz zu den siebziger Jahren, weniger um eine Nachfrage- als vielmehr um eine Kosteninflation handle. Da der Frankenkurs und die Zinssätze als Hauptverursacher dieser Kostensteigerung weitgehend auf internationalen Märkten bestimmt werden, könne eine Preisüberwachung wenig zur Inflationsbekämpfung beitragen. Obwohl der Politik der Nationalbank und des Bundesrates noch vor Jahresende einige Erfolge beschieden waren, zeigte sich, dass dabei kurzfristig unerwünschte Nebenwirkungen auftreten können. So gelang es zwar, durch eine Verknappung des Geldes den Franken attraktiver und teurer zu machen und als Konsequenz davon die Importgüter zu verbilligen. Die damit verbundenen Zinserhöhungen erfassten aber auch die Hypothekarzinsen, was zu einer Steigerung des Mietpreisindex führte. Ebenso reserviert wie auf die Forderung nach der Preisüberwachung reagierte der Bundesrat anderseits auf das Postulat von Ständerat Letsch (fdp, AG), der im Teuerungsausgleich auf den Löhnen eine der wichtigsten Inflationsursachen zu erkennen glaubt und deshalb von der Landesregierung eine entsprechende Intervention bei den Sozialpartnern verlangte
[8].
Zu heftigen Diskussionen gab auch die
Berechnungsmethode für den Konsumentenpreisindex Anlass. Die angewandte Methode, welche von den relativen Veränderungen gegenüber der letzten Erhebungsperiode ausgeht, führt bei Produkten mit saisonal stark schwankenden Preisen, wie etwa Gemüse und Früchte, zu einer Verzerrung nach oben. Da dieser Produktgruppe aber insgesamt kein bestimmendes Gewicht zukommt, wurde die Verwendung des Index als Massstab der Teuerung von den Sozialpartnern nicht ernsthaft in Frage gestellt; immerhin sicherten die Behörden eine rasche Überprüfung und eine allfällige Veränderung der Berechnungsweise zu
[9].
Über die von der aktuellen wirtschaftlichen Situation geprägte Diskussion hinaus musste sich der Bundesrat auch mit der Forderung nach einer dauerhaften Institutionalisierung der Preisüberwachung auseinandersetzen. Mit einer 1979 eingereichten Volksinitiative verlangte das Konsumentinnenforum, dass wenigstens in denjenigen Bereichen eine Preiskontrolle eingerichtet werde, in welchen Kartelle und marktmächtige Unternehmungen das normale Funktionieren des Preisbildungsmechanismus behindern. Dieses ebenfalls von der Expertenkommission für die Kartellgesetzrevision vorgebrachte Anliegen war bereits auf heftigen Widerstand seitens der Wirtschaftsverbände gestossen. Der Bundesrat empfahl deshalb — und auch mit der Begründung, dass der Marktmechanismus in den für die privaten Haushalte wichtigsten Bereichen voll funktioniert — das Volksbegehren zur Ablehnung, nachdem er bereits vorher den strittigen Artikel aus dem Kartellgesetzentwurf gestrichen hatte. Die Initiative für die im Volk sehr beliebte Preisüberwachung will er mit einem Gegenvorschlag bekämpfen. Dieser sieht eine Ergänzung des Konjunkturartikels in der Bundesverfassung durch einen Zusatz vor, der die Einführung der allgemeinen Preisüberwachung in Zeiten starker Teuerung und beim Scheitern der üblichen konjunkturpolitischen Instrumente ermöglicht
[10].
Als taugliches Instrument zur Milderung von konjunkturell bedingten Beschäftigungseinbrüchen hatten sich nach Ansicht der Behörden in der letzten Rezession die von der Privatwirtschaft in guten Zeiten gebildeten
Arbeitsbeschaffungsreserven erwiesen. Diese Reservenbildung stützte sich aufeinen Erlass aus dem Jahre 1951, welcher nun, auf der Basis des neuen Konjunkturartikels, an die heutigen Erfordernisse angepasst werden soll. Der vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebene Gesetzesentwurfbeinhaltet eine steuerliche Begünstigung von freiwillig gebildeten Reserven. Diese Rücklagen sind beim Bund anzulegen, welcher sie verzinst und bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten wieder freigibt. Aus vorwiegend administrativen Gründen sollen nur Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten von diesen Bestimmungen profitieren können. Für den Fall, dass die Reservebildung ungenügend ausfällt, könnte das Parlament ein Obligatorium einführen. Die bedeutendsten Veränderungen gegenüber der bisherigen Regelung bestehen in einer attraktiveren Form der Steuerbegünstigung und in der Möglichkeit, die Reserven auch präventiv gegen drohende konjunkturelle oder strukturelle Schwierigkeiten einzusetzen
[11].
Strukturpolitik
Die bundesstaatliche Strukturpolitik, deren wichtigste Ziele die Verbesserung der Infrastruktur in den
Berggebieten und die Förderung der Diversifizierung und Innovation in industriell einseitig geprägten Räumen sind, nahm ihren gewohnten Fortgang. Längerfristig wird mit diesen Massnahmen die wirtschaftliche Erstarkung der Randgebiete und die Verringerung der Einkommensunterschiede zwischen den einzelnen Regionen angestrebt. Diese heute zum Teil noch beträchtlichen Differenzen liegen nach neuesten Untersuchungen weniger in der unterschiedlichen Höhe der Arbeitnehmerlöhne als vielmehr in der Wirtschaftsstruktur begründet. So wirkt sich insbesondere ein hoher Anteil der Selbständigerwerbenden (Gewerbetreibende, Landwirte) sowie eine relativ geringe Anzahl Kapitalgesellschaften negativ auf das Niveau des Volkseinkommens aus. Ein anderer wichtiger Bestimmungsgrund für den materiellen Entwicklungsstand stellt die Quote der im Erwerbsleben Stehenden dar
[12].
Weitern Zuwachs erhielten diejenigen Kantone, welche ihre Wirtschaft gezielt fördem. Mit Steuerermässigungen, Bereitstellung von billigem Bauland und zusätzlichen Erleichterungen will man die Ansiedlung neuer Betriebe begünstigen. Im Berichtsjahr gab sich Appenzell Innerrhoden ein derartiges Instrumentarium
[13].
Eher ungewöhnlich ist hingegen, dass sich der Bund in die Belange einer einzelnen Industriebranche einmischt. Trotz ordnungspolitischer Bedenken stimmte das Parlament auf ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Industrie einer Verlängerung der staatlichen Garantie der
Uhrenqualitätskontrolle um weitere zehn Jahre zu
[14]. Zugunsten dieser seit längerer Zeit krisengeschüttelten Branche leistete übrigens auch ein Konsortium von Privat- und Kantonalbanken namhafte Strukturhilfe; konnte doch mit dem Einsatz von rund 300 Mio Fr. der Fortbestand des zweitgrössten Uhrenkonzerns einstweilen gesichert werden
[15].
Wettbewerb
Die brisantesten wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen werden gegenwärtig in der Frage einer Neuordnung der Wettbewerbspolitik ausgetragen. Um dem für die Marktwirtschaft konstituierenden Element der Konkurrenz zwischen Anbietern von Waren, Dienstleistungen und Kapital grössere Geltung zu verschaffen,
hat die Landesregierung nun eine Revision des Kartellgesetzes vorgelegt. Der Zusammenschluss zu Kartellen soll gemäss dem Entwurf zwar erlaubt bleiben, der Missbrauch der Kartellmacht könnte aber strenger geahndet werden. Auf die Einführung einer Preisüberwachung, wie sie die Expertenkommission vorgeschlagen hatte, will der Bundesrat allerdings verzichten. Kampfmassnahmen der Kartelle gegenüber Aussenseitern sollen nur noch dann zulässig sein, wenn diese Behinderungen des freien Wettbewerbs das volkswirtschaftliche Gesamtinteresse nicht verletzen. Zur Ermittlung dieses Gesamtinteresses dient eine Aufaddierung positiver und negativer Auswirkungen (Saldomethode), wobei — dies ist gegenüber dem bestehenden Recht eine Verschärfung — die Tatsache der Wettbewerbsbeschränkung an sich bereits als Negativposten in die Rechnung eingeht. Der Widerstand der Wirtschaft gegen ein griffigeres Kartellrecht bewog den Bundesrat, auf die Integration der Uberwachung in die Verwaltung zu verzichten. Wie bisher soll damit eine nebenamtliche Expertenkommission beauftragt werden, welcher nur ein Empfehlungs-, nicht aber ein Verfügungsrecht zusteht. In seinem Gesetzesentwurf berücksichtigte der Bundesrat somit die meisten Vorbehalte, die der Vorort gegenüber der ursprünglichen Fassung angemeldet hatte. Für den Gewerbeverband geht hingegen die Aufwertung des Wettbewerbsgedankens auch in dieser gemilderten Form noch zu weit
[16].
Der kleingewerbliche Detailhandel sieht seit Jahren seine Existenz durch die Verkaufs- und Preispolitik der Grossverteiler bedroht. In der Vernehmlassung erntete der Vorentwurf für ein revidiertes Bundesgesetz über den
unlauteren Wettbewerb (UWG), der unter anderem rechtliche Handhaben gegen die im Gewerbe Anstoss erregenden «Lockvogelpreise» (Verkaufspreise, die aus werbepolitischen Gründen sehr tief angesetzt sind) enthält, bei den grösseren politischen Parteien weitgehend Zustimmung. Ausserst kontrovers fiel hingegen die Reaktion der Wirtschaftsverbände aus. Während der Gewerbeverband, die selbständigen Detaillisten und die Konsumentenverbände den Vorschlag begrüssten, erhob der Vorort prinzipielle Einwände. Seine Opposition richtet sich sowohl gegen die erwähnte Intervention in die Preispolitik als auch gegen die ebenfalls angestrebte Regelung der Nachfragemacht, welche seiner Ansicht nach ins Kartellgesetz gehört. Angesichts dieser Uneinigkeit im bürgerlichen Lager erteilte der Bundesrat dem EVD den Auftrag, innerhalb eines Jahres Antrag zu stellen, ob — und wenn ja in welcher Form — das Revisionsprojekt weiter verfolgt werden soll
[17].
Nachdem sich die Republikaner mit ihrer
Volksinitiative «gegen das Ladensterben» der Anliegen der Kleinhändler erfolgreich angenommen hatten, wurden nun auch andere bürgerliche Parteien aktiver. Die FDP erarbeitete ein Konzept, welches das Heil der Detaillisten allerdings nicht in staatlicher Intervention, sondern in Selbsthilfe und Kooperation erblickt
[18]. Eine Verbesserung seiner Lage verspricht sich der gewerbliche Detailhandel von einer stärkeren Besteuerung der als Genossenschaften organisierten Grossverteiler. Der Nationalrat lehnte zwar die vom Gewerbevertreter Schärli (cvp, LU) eingebrachte Forderung nach einer Minimalsteuer für Grossgenossenschaften ab. In beiden Räten stimmte aber die bürgerliche Mehrheit einer von der zuständigen Nationalratskommission ausgearbeiteten Motion zu, worin die Revision der Berechnungsgrundlagen für den steuerbaren Reinertrag der Genossenschaften gefordert wird. Insbesondere sollten Zuwendungen der beiden Grossverteiler Migros und Coop an Institutionen im Bereich von Kultur und Freizeitgestaltung vollständig dem steuerbaren Ertrag zugeschlagen werden. Mit einem Postulat wird zudem angeregt, diese Subventionen auch noch durch die Begünstigten versteuern zu lassen. Das von Vertretern der SP und des Landesring vorgebrachte Gegenargument, dass die den Genossenschaften steuerlich gleichgestellten Kapitalgesellschaften derartige Leistungen als Werbeaufwand und ähnliches deklarieren und ebenfalls nicht voll versteuern, vermochte in den Räten ebensowenig zu überzeugen wie die Tatsache, dass die besonders erfolgreiche Migros-Genossenschaft bereits heute, gemessen am Umsatz, höhere Abgaben entrichtet als die Mehrzahl der andern Detailhandelsgesellschaften
[19].
Wie wir bereits in unserem letzten Bericht erwähnt haben, wird die Migros nicht nur von aussen kritisiert. Die im Verein «
Migros-Frühling» zusammengeschlossenen oppositionellen Genossenschafter gaben ihren Kampf für eine radikale Veränderung der Konzernpolitik nicht auf und lancierten zwei Genossenschaftsinitiativen. Die eine wollte durch die Einführung des Proportionalwahlrechts in den regionalen Gremien die Einflussmöglichkeiten alternativer Gruppen, welche bei den letzten Wahlen rund einen Fünftel der Stimmen auf sich vereinigt hatten, verbessern. Das andere Begehren strebte den stufenweisen Verzicht auf den Verkauf von Fleisch und Eiern aus industrieller Tierhaltung an
[20].
Mit der
Annahme eines neuen Verfassungsartikels 31sexies BV in der Volksabstimmung konnte der Konsumentenschutz nach langem Ringen einen wichtigen Erfolg erzielen. Die neuen Bestimmungen, welche auf einen Gegenvorschlag des Nationalrats zu einem entsprechenden Volksbegehren zurückgehen, verpflichten den Bund mit einer Generalklausel «unter Wahrung der allgemeinen Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft und der Handels- und Gewerbefreiheit Massnahmen zum Schutze der Konsumenten» zu treffen. Im Vorfeld der Volksabstimmung wurde der Artikel von der SP, dem LdU, der extremen Linken, den Gewerkschaften und — mit Ausnahme einiger Kantonalsektionen — auch von der CVP und der SVP unterstützt. Dagegen wandten sich der Vorort, die Liberalen, die Republikaner sowie etwas überraschend und gegen den Antrag der Parteiführung die FDP
[21]. Das Volksverdikt fiel mit 858 008 Ja: 450 998 Nein deutlich aus; einzig die Bergkantone Al, OW, SZ und VS lehnten die Neuerung ab
[22].
Der bundesrätliche Entwurf für ein neues
Konsum- und Kleinkreditgesetz ist vom Parlament auch im dritten Jahr nach seiner Veröffentlichung noch nicht beraten worden ; die Volkskammer verschob aus terminlichen Gründen das Geschäft sowohl im Sommer als auch im Herbst auf die jeweils folgende Session. Mit den vor allem von Sozialarbeitern geforderten neuen Bestimmungen will man Konsumenten vor dem Eingehen schwer tragbarer finanzieller Verpflichtungen schützen. Die vorberatende Nationalratskommission pflichtete im grossen und ganzen den Vorschlägen der Exekutive bei, sie beantragt aber doch einige Anderungen. So wird die Kettenverschuldung (d.h. Aufnahme eines Kredits, um einer vorher eingegangenen Verpflichtung nachkommen zu können) nicht gänzlich abgelehnt; der gleiche Kreditnehmer soll gleichzeitig höchstens zwei Darlehen beanspruchen können. Andererseits wird gemäss dem Willen der Kommission die Lohnpfändung bei Rückzahlungsschwierigkeiten nicht mehr gestattet sein
[23].
[1] Vgl. dazu auch oben, Teil I, 2 (Balance des revenus) sowie unten, Teil I, 4b (Geldmenge, Währung) und 7a (Marché du travail).
[2] F. Mattmüller, «Selbstverwirklichung durch Selbstverwaltung» und H. Schmid, «Selbstverwaltung als wirtschafts- und gesellschaftspolitische Strategie», in Rote Revue, 60/1981, Nr. 7, S. 16 ff., bzw. Nr. 9, S. 5 ff.; NZZ, 229, 3.10.81; Vr, 195, 8.10.81; Presse vom 19.10.81; vgl. ebenfalls unten, Teil III a (Sozialdemokratische Partei). Allgemein zur geltenden Wirtschaftsordnung siehe F. Gygi, Wirtschaftsverfassungsrecht, Bern 1981.
[3] H. Ch. Binswanger, Wirtschaft und Umwelt—Möglichkeiten einer ökologieverträglichen Wirtschaftspolitik, Stuttgart 1981, sowie vom selben Autor «Vom quantitativen zum qualitativen Wachstum — ein neues Szenario der Wirtschaftspolitik», in Wirtschaft und Recht, 33/1981, Nr. 3/4, S. 179 ff. Der NR überwies zwei Postulate zu diesem Themenkreis: mit dem einen wird der Ausbau der nationalen Buchhaltung zu einer Art gesamtwirtschaftlichen Sozialbilanz angeregt, mit dem andern die Ausarbeitung einer Strategie für den Übergang vom quantitativen zum qualitativen Wachstum vorgeschlagen (Amtl. Bull. NR, 1981, S. 426 und 895). Zu den Sozialindikatoren vgl. auch unten, Teil I, 7 b (Introduction).
[4] Mitteilungen der Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 273, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 55/1982 ; SNB, Geschäftsbericht, 74/1981, S. 16 ff. ; Gesch. ber., 1981, S. 236. Für die revidierten Sozialproduktstatistiken der Jahre 1978-80 siehe Die Volkswirtschaft 54/1981, S. 583 ff. Die Abkühlung des Konjunkturklimas gegen Jahresende hin äusserte sich auch im rückläufigen Bestellungseingang und in den wachsenden Fertiglagern im 4. Quartal (Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 172 ff.).
[5] Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 7 ff. und 119; Mitteilungen der Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 274, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 14.
[6] Mitteilungen der Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 274, S. 12 f.; Die Volkswirtschaft, 55/1982, Heft 1, S. 11*. Zur Entwicklung der einzelnen Branchen vgl. ebenfalls Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 172 ff.; Bulletin/SKA, 87/1981, Nr.12 und 88/1982, Nr.1/2, 3 und 4; SBG, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1981; «Tourismus in der Schweiz in Hotel- und Kurbetrieben », in Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 252 ff. Vgl. im weitem Bundesamt für Konjunkturfragen, Zur Entwicklung der Arbeitsproduktivität in der Schweiz seit 1960, Bern 1981.
[7] Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 3 f.; SNB, Geschäftsbericht, 74/1981, S. 20 ff. Vgl. auch unten, Teil I, 4b (Geldmenge) und SPJ, 1980, S. 57. Längerfristig kann der Inflationsschub auch als späte Auswirkung der währungspolitisch begründeten Geldmengenexpansion durch die SNB im Jahre 1978 interpretiert werden (SNB, Geschäftsbericht, 74/1981, S. 6).
[8] Preisüberwachung: BaZ, 137, 16.6.81; TA, 242, 19.10.81; TW, 256, 2.11.81; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1261 ff.; Ww, 40, 30.9.81. Teuerungsausgleich: Amtl. Bull. StR, 1981, S. 403 ff.; TA, 237, 13.10.81. Siehe ebenfalls K. Wild, «Preisüberwachungsillusionen», in Schweizer Monatshefte, 61/1981, S. 401 ff. Zur Preisüberwachung in den siebziger Jahren vgl. SPJ, 1973, S. 55 f. und 1978, S. 56.
[9] NZZ, 239, 15.10.81; 241, 17.10.81;249, 27.10.81; 257, 5.11.81; Ww, 46, 11.11.81; Gesch. ber., 1981, S. 237.
[10] SPJ, 1979, S. 67; BBl, 1981, III, S. 342 ff. ; Presse vom 22.10.81.
[11] BBl, 1981, II, S. 1269; BaZ, 157, 9.7.81; NZZ, 175, 31.7.81; Gewerkschaftliche Rundschau, 73/1981, S. 353 ff. Zum Effekt der Arbeitsbeschaffungsreserven während der letzten Rezession vgl. Mitteilungsblatt für Konjunkturfragen, 37/1981, S. 2 ff.
[12] Gesch. ber., 1981, S. 254 f. ; G. Fischer, Die Entwicklung der kantonalen Volkswirtschaften seit 1965, Bern 1981. Siehe auch G. Gaudard, Les cantons romands dans l'économie suisse, Fribourg 1981.
[14] Amtl. Bull. NR, 1981, S. 272 ff. und 722; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 245 f.; BBl,1981, II, S. 601 ff. ; AS, 1981, S. 1883 ff.; NZZ, 263, 12.11.81; SPJ, 1980, S. 58.
[15] TA, 106, 9.5.81; 24 Heures, 117, 21.5.81; 138, 17.6.81; NZZ, 116, 21.5.81; 249, 27.10.81; BaZ, 132, 10.6.81. Beim erwähnten Konzern handelt es sich um die SSIH.
[16] BBl, 1981, II, S. 1293 ff.; SPJ, 1979, S. 68 f. ; Schweiz. Handels- und Industrie-Verein (Vorort), Jahresbericht, 1980/81, S. 108 ; SGZ, 40, 1.10.81. Siehe ebenfalls die sehr kartellfreundliche Abhandlung von M. Usteri, Das Verhältnis von Staat und Recht in der schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 1981 sowie die wirtschaftsliberale Kritik daran in Schweizer Monatshefte, 61/1981, S. 930. Vgl. im weitern E. Homburger / J. Drolshammer, Schweizerisches Kartell- und Monopolrecht, Bern 1981.
[17] SPJ, 1980, S. 59; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1061; Schweiz. Handels- und Industrie-Verein (Vorort), Jahresbericht, 1980/81, S. 109 f.; TA, 77, 2.4.81. Das Bundesgericht entschied, dass aufgrund der bestehenden Rechtslage gegen sogenannte Lockvogelpreise nicht vorgegangen werden kann (NZZ, 109, 13.5.81; 240, 16.10.81). Zur UWG-Revision siehe auch M. Kummer, «Lauterkeitsschutz und Marktwirtschaft», in Schweizer Monatshefte, 61/1981, S. 609 ff. 1981 setzte der Detailhandel real 1,6% weniger um als im Vorjahr (Schweiz. Detaillistenzeitung, 2, 22.2.82).
[18] Initiative: SPJ, 1980, S. 59. FDP: Politische Rundschau, 60/1981, Nr. 2; NZZ, 178, 5.8.81. Der NR überwies ein Postulat, worin ein Bericht über den Strukturwandel im Detailhandel und dessen Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung sowie eventuell zu ergreifende Massnahmen angeregt werden (Amtl. Bull. NR, 1981, S. 456 ff.) In AG verlangt das Kantonsparlament mit einer Motion die Einführung der Bewilligungspflicht für die Errichtung von Einkaufszentren (AT, 246, 21.10.81).
[19] Amtl. Bull. NR, 1981, S. 456 ff.; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 543 ff. Vgl. auch SGT, 61, 14.3.81; W. Biel, Dichtung und Wahrheit — Migros und Steuern, Zürich 1981; SPJ, 1980, S. 59. Ahnliche Interventionen zulasten der Grossgenossenschaften regt auch die SVP mit einem vom NR überwiesenen Postulat an (BaZ, 37, 12.2.81; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 870).
[20] NZZ, 63, 17.3.81. Vgl. ebenfalls Bund, 59, 12.3.81 und SPJ, 1980, S. 59 f. sowie unten, Teil I, 4c (Tierische Produktion). Infolge ungenügender Unterschriftenzahl kam keine der beiden Initiativen zustande (NZZ, 6, 9.1.82; 16, 21.1.82).
[21] AS, 1981, S. 1244. Parolen: JdG, 101, 2.5.81; SGT, 117, 21.5.81; NZZ, 132, 11.6.81. Abweichende Kantonalsektionen wiesen auf: CVP (AG, OW, SZ, TG, ZG), SVP (AG, TG, VD, ZH) und FDP (BS, GE, NW, Tl, VS). Vgl. auch SPJ, 1980, S. 60 und Ch. A. Junod, «Liberté économique et protection des consommateurs», in Recht und Prozess als Gefüge, Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag, Bem 1981, S. 385 ff.
[22] BBl, 1981, II, S. 1266 8.; Presse vom 15.6.81. Über die Motive der Stimmenden orientiert Vox, Analyse eidgenössischer Abstimmungen, 14.6.81.
[23] TA, 102, 5.5.81; 228, 2.10.81. Vgl. auch NZZ, 15, 20.1.81 und SPJ, 1978, S. 59.
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