Année politique Suisse 1987 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
Grüne und links-grüne Gruppierungen
Die .politischen Gruppierungen, welche die Ökologie zu ihrem wesentlichen Aktionsfeld gemacht haben, weisen einen relativ geringen Grad an organisatorischer, struktureller und personeller Konstanz auf und sind auch in ihrem Verhältnis untereinander wenig fixiert. Auf der gesamtschweizerischen Ebene traten 1987 neben den Progressiven Organisationen (POCH) und der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), die sich der grünen Bewegung öffneten, die Grüne Partei (GPS), das Grüne Bündnis (GBS) und, die Grün-Alternativen Gruppierungen (GRAS) auf, letztere allerdings nur noch in der ersten Jahreshälfte. Bei allen handelt es sich um relativ heterogene Zusammenschlüsse verschiedener Kantonalparteien, deren Ausrichtung im traditionellen links – rechts-Schema sich ebenfalls in Bewegung befindet, was in diesem Jahr die von allen Seiten unternommenen Anstrengungen zur Koalitionenbildung erschwerte und teilweise verunmöglichte
[29].
Die grösste dieser Gruppierungen ist die Grüne Partei der Schweiz, die bei kantonalen Wahlen in Zürich und im Tessin und bei städtischen Wahlen in Genf zum Teil sensationelle Sitzgewinne machte. Die Nationalratswahlen brachten ihr gegenüber 1983 fast eine Verdoppelung des Wähleranteils auf 5% und 9 Sitze ein. Die GPS verzichtete vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst darauf, ein spezielles Wahlprogramm auszuarbeiten und überliess auch die Entscheidung zur Bildung von Listenverbindungen den kantonalen Sektionen. Diese entschieden sich in Bern, Basel-Stadt und im Thurgau für ein Zusammengehen mit dem LdU, in Zürich für eine Listenverbindung mit der SP, während sie in der Waadt, im Wallis, in Genf und im Tessin allein kandidierten. Die notwendig gewordene Neuwahl eines Parteipräsidenten und die Frage einer Fraktionsgemeinschaft mit links-grünen Parteien im Nationalrat machten jedoch auch für die GPS einen Positionsbezug notwendig. Die Wahl des Thurgauers P. Schmid und die Weigerung, mit der POCH oder der PdA eine Fraktionsgemeinschaft einzugehen, liess vermuten, dass sich die – vor allem in der Westschweiz dominierenden – bürgerlich gesinnten Grünen in der Partei durchsetzen konnten
[30].
Das Grüne Bündnis der Schweiz (GBS), teilweise aus einer Offnung kantonaler Sektionen der Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH) hervorgegangen, trat als Zusammenschluss links-alternativer, parteiloser und der äusseren Linken (SAP, PdA) nahestehender Leute auf, wobei die Verbindungen zu der sich in Auflösung begriffenen POCH am engsten waren. Wegen des recht breiten politischen Spektrums konnten sich die unter verschiedenen Namen auftretenden Sektionen aber nur auf ein minimales gemeinsames Wahlprogramm einigen. Dieses beinhaltete neben den Forderungen zum Umweltschutz feministische Anliegen und verlangte ein solidarisches Verhalten gegenüber Ausländern und der Dritten Welt. Die POCH suchten vor den Wahlen eine Offnung zu grünen Kräften, jedoch ohne die eigene Identität aufzugeben, indem sie sich für die Bildung einer grossen grünen Fraktion im Nationalrat aussprachen. Darüber hinaus regten sie auch an, eine parteiübergreifende Arbeitsgemeinschaft zu bilden, welche die dringendsten ökologischen Anliegen in der Energie-, Verkehrs- und Bodenpolitik hätte vorantreiben sollen. Ein am POCH-Kongress vorgelegtes programmatisches Manifest wurde hingegen weder diskutiert noch verabschiedet, sondern lediglich zur Kenntnis genommen, da die Parteimitglieder mit der Frage einer möglichen Umwandlung der POCH-Sektionen in links-grüne Parteien beschäftigt waren.
Im Kanton Luzern hatte diese Öffnung bei den Wahlen im Frühjahr zu beachtlichen Gewinnen geführt, so dass das GB hier sogar die SP überflügelte und seither die drittstärkste Fraktion im Parlament bildet. Das GBS und die POCH traten in Basel-Stadt, Basel-Land und in Zürich mit gemeinsamen Listen zu den Nationalratswahlen an und verteidigten beziehungsweise gewannen (BL) in diesen Kantonen je einen Sitz. Einen weiteren errang das GBS im Kanton Aargau, wo die ihm angeschlossene Grüne Liste eine Listenverbindung mit der SP eingegangen war. Im Kanton Bern verlor dagegen die POCH, die sich hier ebenfalls zu einem Grünen Bündnis geöffnet hatte, ihren Nationalratssitz. Die Weigerung des Aargauers H. Thür, mit dem Genfer PdA-Vertreter in einer Fraktion zu sitzen, der Anschluss W. Carobbios (psa, TI) an die SP-Fraktion und die oben erwähnte Absage der GPS verhinderten schliesslich auch die Bildung einer links-grünen Fraktion beziehungsweise den Anschluss der GBS-Abordnung an die Grüne Fraktion. Während das Grüne Bündnis nicht nur in Luzern, sondern auch in den Kantonen Aargau, St. Gallen und Graubünden mangels Konkurrenz durch die GPS eine recht starke Stellung erhielt, wurde die Zukunft der POCH auch innerhalb der Partei selbst pessimistisch eingeschätzt; die seit 1971 existierende Parteizeitung musste Ende des Jahres aufgegeben werden
[31].
Für die Bildung einer einheitlichen links-grünen Bewegung plädierte die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), wandte sich jedoch gegen eine Verbindung mit der GPS, da diese soziale Fragen und antiimperialistische Anliegen aus ihrem Programm ausklammere. Stattdessen beteiligte sie sich zum Teil als Sozialistisch-grüne Alternative (SGA) im Grünen Bündnis. Im Kanton Zug gelang es ihr so, knapp 8% der Wählerstimmen zu erhalten, was in diesem kleinen Kanton für ein Mandat jedoch bei weitem nicht reicht
[32].
Der XIII. Kongress der Partei der Arbeit (PdA) führte zu einer Verjüngung der Parteispitze. Der abtretende Generalsektretär und Nationalrat A. Magnin (GE) verabschiedete sich nicht ohne selbstkritische Rückschau, indem er die zunehmende Bedeutungslosigkeit seiner Partei als Folge ihrer mangelhaften Präsenz in Fragen des Umweltschutzes oder der Lebensqualität darstellte. In der Folge forderte nun auch die PdA neben der Arbeitszeitverkürzung und dem Kündigungsschutz ein Moratorium für den Bau neuer Kernkraftwerke. Dem neuen Generalsekretär Spielmann (GE) gelang es, den einzigen der PdA verbliebenen Nationalratssitz zu halten
[33].
[29] Die GRAS traten in der ersten Jahreshälfte mit Abstimmungsempfehlungen (NZZ, 16.3.87) und mit der Ankündigung eigener Listen für die Nationalratswahlen (NZZ, 27.5.87) in Erscheinung. Die einzelnen Sektionen integrierten sich dann aber in andere grüne Gruppierungen.
[30] Verzicht auf Programm, Listenverbindungen: Presse vom 23.3. und 23.6.87; Fraktionsgemeinschaft: Presse vom 2.11. und 16.11.87; TA und BZ, 3.11.87; BaZ, 17.11.87; NZZ, 20.11.87. Siehe auch Ww, 5.3.87 und oben, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen: Listenverbindungen; Resultate für den NR sowie Kantonale und kommunale Wahlen). Vgl. auch Lit. Rebeaud.
[31] GBS: Presse vom 15.9.87 und PZ, 17.9.87 (Kandidaturen und Programm). POCH: BaZ, 22.5.87; Presse vom 25.5.87; PZ, 28.5.87 (grüne Fraktion, Kongress). Zur Fraktionsbildung vgl. vorhergehende Anmerkung. Zukunft der POCH: PZ, 11.6., 30.7., 22.10. und 29.10.87; TA, 4.11.87. Poch-Zeitung: PZ, 29.10.87; Presse vom 30.10.87; WoZ, 30.10.87. Siehe auch oben, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen: Listenverbindungen; Resultate für den NR sowie Kantonale und kommunale Wahlen) und 8c (Presse). Vgl. auch Lit. "Aus-Wahlbuch".
[32] TA, 8.5.87; Presse vom 11.5.87; WoZ, 6.2.87; VO, 16.4.87; Bresche, 12.1. und 9.2.87.
[33] PdA-Kongress: Presse vom 28.2. und 2.3.87; VO, 15.1., 29.1. und 12.3.87; Vorwärts, 5.3.87; Bresche, 9.3.87.
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