Année politique Suisse 1987 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Bürgerrecht und Stimmrecht
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Stimmrecht
Die Ausländerorganisationen in der Schweiz bekräftigten im Vorfeld der Wahlen ihre Forderung nach der Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Ausländer, ohne damit aber ein vernehmbares Echo auszulösen. Immerhin führten Petitionen für politische Rechte der Ausländer auf Gemeindeebene in verschiedenen Zürcher Orten dazu, dass in der kantonalen SP Diskussionen über die Lancierung einer Volksinitiative stattfanden [4].
Die Integration der Jugendlichen in den politischen Prozess durch die Senkung des Stimmrechtalters auf 18 Jahre hat auf Kantonsebene deutlich schlechtere Chancen als auf Gemeindeebene. Im Berichtsjahr waren es die Thurgauer Stimmberechtigten, welche gegen Regierung und Parlament eine entsprechende Anderung des kantonalen Stimmrechts ablehnten. Demgegenüber machten in Luzern, wo 1986 das Volk mit knappem Mehr die fakultative gemeindeweise Einführung gutgeheissen hatte, innerhalb eines halben Jahres 92 von 107 Gemeinden von diesem Recht Gebrauch [5].
In Appenzell Ausserrhoden führten die Frauen ihren Kampf um die politische Gleichberechtigung unverdrossen weiter. Im Sinne einer Demonstration hielten sie parallel zur offiziellen Männerveranstaltung in Hundwil eine eigene Landsgemeinde in Trogen ab. Im Anschluss an die eidgenössischen Wahlen reichten 54 Frauen und die Kantonalsektion des Landesrings beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde dagegen ein, dass Ständerat Schoch (fdp) unter Ausschluss der Frauen gewählt worden war. Die Kantonsregierung setzte ihrerseits eine Kommission ein, welche — voraussichtlich zuhanden der Landsgemeinde von 1989 — Vorschläge für die Beseitigung der bestehenden Diskriminierungen ausarbeiten soll [6].
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Bürgerrecht
Der Bundesrat legte, nach weitgehend positiven Reaktionen in der Vernehmlassung, seinen Vorschlag für die zweite Etappe der Revision des Bürgerrechtsgesetzes vor. Im wesentlichen geht es dabei um die geschlechtsneutrale Regelung des Erwerbs des Schweizer Bürgerrechts, wobei insbesondere die automatische Einbürgerung von Frauen durch Heirat abgeschafft werden soll. Gemäss dem neuen Gesetz sollen in Zukunft Frauen und Männer individuell Einbürgerungsanträge stellen können. Für Ehepaare mit gemischter Staatsbürgerschaft ist für den ausländischen Teil ein erleichtertes Verfahren vorgesehen, welches nach fünf Jahren Wohnsitz und drei Jahren Ehe eingeleitet werden kann. Komplementär zu dieser Revision beantragte die Regierung eine Anpassung des Bundesgesetzes über den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländern. Diese hat zum Ziel, ausländischen Personen mit schweizerischen Ehegatten eine Aufenthaltsbewilligung zu garantieren [7].
 
[4] BaZ, 30.9.87; TA, 31.8. und 26.11.87; Vr, 23.11.87.
[5] Thurgau: NZZ, 23.2.87. Luzern: Vat., 13.2. und 6.4.87. Siehe auch unten, Teil II, 1b und SPJ, 1986, S. 15.
[6] Frauenlandsgemeinde: TA, 25.4. und 27.4.87. Beschwerde: TA, 25.1 1.87. Kommission: SGT, 6.5., 17.6. und 9.12.87. Siehe auch SPJ, 1986, S. 15.
[7] BBl, 1987, III, S. 293 ff. Siehe auch SPJ, 1986, S. 16.