Année politique Suisse 1987 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
Strassenverkehr
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Umweltpolitische Verkehrsmassnahmen
Zur Reduktion der Luftbelastung durch den Strassenverkehr traten auf den 1. Oktober verschärfte Abgasvorschriften für neu immatrikulierte Personenwagen (US-83-Normen) sowie für schwere Motorfahrzeuge und Motorräder in Kraft. Um den Schadstoffausstoss der letzten beiden Kategorien weiter zu reduzieren, werden die Abgasnormen in den kommenden Jahren entsprechend angepasst. Ferner wurde auf den 1. April die neu vorgeschriebene obligatorische Abgaskontrolle und -wartung für leichte Motorwagen wirksam [18]. Als erste Schweizer Stadt erhob Baden ab dem 1. März eine Busse bei Laufenlassen des Motors vor einem Rotlicht. Im Kampf gegen die Luftverschmutzung durch Autoabgase versuchte sie damit, den entsprechenden Strassenverkehrsregeln konsequent Nachachtung zu verschaffen [19].
In der vom Thema Umweltschutz geprägten politischen Diskussion vor den eidgenössischen Wahlen bemühten sich die Automobilverbände und die neugegründete Autopartei, den Beitrag des Motorfahrzeugverkehrs zur Luftreinhaltung (strengere Abgasvorschriften und Katalysatortechnik) herauszustreichen. Sie protestierten gegen die "Anfeindungen des Autos" und wehrten sich mit verschiedenen Studien dagegen, dass der Strassenverkehr als Hauptverursacher der Luftverschmutzung hingestellt werde. Dabei geriet die Frage der Schadstoffemissionen des privaten Strassenverkehrs zuweilen fast zu einem Glaubenskrieg [20].
Im Zusammenhang mit dem Luftreinhalte-Konzept des Bundesrates diskutierte das Parlament auch Massnahmen im Bereich Verkehr. Neben der weiteren Reduktion der Schadstoffemissionen wurden dabei Massnahmen zur Einschränkung des motorisierten Privatverkehrs verlangt. Beide Räte überwiesen denjenigen Teil einer Motion Schüle (fdp, SH), der Massnahmen zur Ausmerzung der schadstoffintensiven Altfahrzeuge verlangte. Weitergehende Vorstösse, welche namentlich die Prüfung einer Treibstoffrationierung, die Einführung von autofreien Tagen oder einen Öko-Bonus forderten, wurden jedoch abgelehnt [21]. Immerhin wurde der Bundesrat mit einem Postulat der vorberatenden Nationalratskommission sowie mit einer als Postulat überwiesenen Motion Jaeger (ldu, SG) beauftragt, Möglichkeiten einer Umlegung der Haftpflichtprämien und der kantonalen Motorfahrzeugsteuern auf den Benzinpreis zu prüfen. In dieselbe Richtung zielt auch eine vom Kanton Zürich eingereichte Standesinitiative [22].
Die Frage der Höchstgeschwindigkeiten auf National- und Hauptstrassen beschäftigte Parlament und Öffentlichkeit weiter. Unter Namensaufruf lehnte es der Nationalrat mit 90:77 Stimmen ab, zur Erreichung der lufthygienischen Ziele Tempo 100 auf Autobahnen einzuführen. Er hiess jedoch mit 101:51 Stimmen einen Eventualantrag betreffend Prüfung differenzierter Tempolimiten für Autos mit und ohne Katalysatoren gut und überwies auch ein Postulat Baggi (cvp, TI), das die Wiedereinführung von Tempo 130 auf Autobahnen für Katalysatorfahrzeuge verlangte [23].
Als erste Kammer empfahl der Ständerat die Volksinitiative "Pro Tempo 130/100" mit 30:3 Stimmen ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Damit folgte er dem Bundesrat, der die Höchstgeschwindigkeiten aus rechtlichen und sachlichen Gründen nicht in der Bundesverfassung verankert wissen will. In Anbetracht der schadstoffund lärmvermindernden Wirkung von Tempolimiten möchte die Regierung insbesondere die Möglichkeit, tiefere Limiten aus Umweltschutzgründen zu erlassen, nicht ausschliessen. Demgegenüber wären der Initiative zufolge Abweichungen von Tempo 130/100 nur aus Verkehrssicherheitsgründen möglich. Kein Gehör fand im Ständerat auch die Forderung des Waadtländer Liberalen Reymond, die Festsetzung der Höchstgeschwindigkeiten vom Bundesrat auf das Parlament zu übertragen. Die überwiegende Mehrheit der Standesvertreter wollte diese Kompetenz weiterhin dem Bundesrat überlassen, damit er im Bedarfsfall rasch und flexibel reagieren könne, und sie lehnte diesen indirekten Gegenvorschlag mit 27:10 Stimmen ab [24].
Der Bundesrat verlängerte die als Sofortmassnahme gegen das Waldsterben 1985 befristet eingeführten Tempolimiten 80/120 bis Ende 1989. Angesichts der hängigen Volksinitiative für die Rückkehr zu den früheren Tempolimiten erachtete er es als wenig sinnvoll, eine erneute Änderung der Geschwindigkeitsbeschränkungen anzuordnen [25].
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Verkehrssicherheit
Nachdem die Zahl der Verkehrsunfälle seit 1976 kontinuierlich angestiegen war, konnte 1987 ein Rückgang von 1,4% verzeichnet werden. Auch die Zahl der Verkehrstoten und -verletzten nahm deutlich ab (952 Tote, 29 150 Verletzte). Auffällig war jedoch, dass der Anteil der Fussgänger an den Verkehrstoten markant anstieg und insgesamt 22,7% betrug. Laut einer näheren Untersuchung der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) war diese Zunahme vor allem auf Unfälle innerorts zurückzuführen [26]. Da auch die Zahl der getöteten jugendlichen Motorfahrzeuglenker weiter anstieg, wurde die Einführung von provisorischen Führerausweisen gefordert. Laut dem Direktor des Bundesamtes für Polizeiwesen, P. Hess, wird ein teilweises Fahrschulobligatorium neu erwogen. Zumindest die Theorieausbildung für künftige Autofahrer soll obligatorisch werden [27].
Im Mai schränkte das EJPD aus Sicherheitsgründen die Beförderung gefährlicher Güter durch bestimmte Strassentunnels stark ein. Für gefährliche Transporte durch. den Gotthard-Strassentunnel wurde für die Sommermonate ein absolutes Verbot erlassen, weil mit zunehmender Verkehrsdichte auf der Gotthard-Autobahn (N 2) das Unfallrisiko im Tunnel zu gross geworden war. Im Urner Oberland wehrte man sich darauf mit einer Petition gegen die Umleitung durch die Dörfer an der Gotthard-Passstrasse. Ab dem 1. Januar 1988 dürfen nun bewilligungsfreie gefährliche Güter, die nach Art und Menge kein ausserordentliches Transportrisiko darstellen, wieder während des ganzen Jahres durch den Strassentunnel befördert werden [28].
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Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes
Noch vor der parlamentarischen Beratung der Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) formierte sich die Opposition gegen die Absicht des Bundesrates, die allgemein zulässige Höchstbreite der Fahrzeuge von 2,3 m auf die international übliche Norm von 2,5 m heraufzusetzen. Auf Initiative des VCS bildeten fünf Nationalräte verschiedener Parteien ein "Komitee gegen breitere Lastwagen und Autocars". In einem knappen Entscheid unterstützte die vorberatende Kommission des Nationalrates den Antrag des Bundesrates und bejahte damit auch eine Angleichung an die Normen der EG. Demgegenüber befürchtete die Kommissionsminderheit den Bau von noch breiteren Strassen, eine Erhöhung der Unfallgefahr und der Umweltschäden sowie neue Forderungen des Transportgewerbes. Bereits im März 1985 drohten der VCS und die IG Velo Schweiz mit dem Referendum, sollte die Erhöhung der Fahrzeugbreite vom Parlament bewilligt werden. Die SPS würde ein allfälliges Referendum unterstützen [29].
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Velo
Der VCS und die IG Velo Schweiz formulierten ihre bisherige Politik in bezug auf die Radwege neu. Statt die Verkehrsfläche mittels Radwegen generell zu vergrössern, soll die bestehende Verkehrsfläche umverteilt werden. Das Motto des traditionellen Schweizerischen Velotages war denn auch "Mehr Platz für Velos auf Hauptstrassen" [30].
Um das umweltfreundliche Verkehrsmittel Velo zu fördern, war von verschiedener Seite immer wieder die Abschaffung der Fahrradkennzeichen und die Abschliessung einer kollektiven Velo-Haftpflichtversicherung durch den Bund gefordert worden. Das EJPD führte ein Vernehmlassungsverfahren über Ersatzlösungen für die Veloschilder aus Aluminium sowie das Haftpflichtobligatorium durch. Die vom EJPD favorisierte Lösung einer selbstklebenden Vignette, die auf Verordnungsstufe eingeführt werden könnte, würde den bürokratischen Aufwand vermindern. Jedoch möchte der Bund an der obligatorischen Fahrrad-Haftpflichtversicherung festhalten, womit die oft kritisierten regionalen Unterschiede der Prämien bestehen blieben [31].
 
[18] Zu den in Kraft getretenen und vorgesehenen Abgasnormen siehe unten, Teil I, 6d (Luftreinhaltung); vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1442 f., 1445 und 1463 f. Abgaskontrolle und -wartung: TW, 12.1. und 20.1.87; Ww, 15.1.87; LNN, 29.1.87; BZ, 26.3.87; vgl. Amtl. Bull. NR, 1987, S. 275 f., 1035 und 1979 f. Siehe fernerSPJ, 1985, S. 108 f. und 128 sowie 1986, S. 120 f. und 143.
[19] NZZ und TA, 26.2.87. Siehe auch das Postulat Günter (ldu, BE): Verhandl. B.vers., 1987, I, S. 72; Bund, 10.6.87.
[20] TA, 1 1.3.87 (Streitgespräch zwischen ACS-Direktor A. Arnaud und WWF-Pressesprecher S. Frey); vgl. auch Blick, 21.1.87 und TA, 11.5.87 (TCS). Die Kritik richtete sich hauptsächlich gegen die Studie des BUS, Schadstoffemissionen des privaten Strassenverkehrs 1950-2000, Bern 1986 (vgl. Presse vom 14.1.87). Gegenstudie der Auto-Importeure: Ww, 5.3.87; BZ, 18.9.87; TA, 14.10.87; vgl. unten, Teil I, 6d (Luftreinhaltung). Zur Kritik des Strassenverkehrsverbandes (FRS) am Sanasilva-Waldschadenbericht siehe oben, Teil I, 4c (Forstwirtschaft).
[21] Debatte über das Luftreinhalte-Konzept: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 261 ff. und 300 ff.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 269 ff.; siehe auch unten, Teil I, 6d (Luftreinhaltung). Motion Schüle: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 272 f. und 332; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 289 f.
[22] Postulat der NR-Kommission bzw. Motion Jaeger: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 262 und 326 f. bzw. 510. Standesinitiative ZH: Verhandl. B.vers., 1987, IV, S. 15; NZZ und TA, 15.1. und 15.9.87. Siehe auch TA, 11.7.87.
[23] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 264, 331 und 1002. Zu den Vollzugsproblemen bei einer Einführung differenzierter Tempolimiten vgl. Bund, 18.3.87. Siehe auch SPJ, 1984, S. 109 f., 1985, S. 109 und 1986, S. 121.
[24] BBl, 1987, II, S. 1417 ff.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 678 ff.; NZZ, 2.7. und 21.7.87; Presse vom 11.8. und 18.12.87; vgl. BaZ, 15.12.87 und Ww, 24.12.87 (über den Initiator B. Böhi und sein Verhältnis zu den Automobilverbänden). Zur Initiative siehe SPJ, 1984, S. 110 (Lancierung), 1985, S. 109, Anm. 11 (Zustandekommen).
[25] AS, 1987, S. 1392; Suisse, 26.9.87; NZZ, 22.10.87; vgl. Amtl. Bull. SIR, 1987, S. 109 f. Zu den Auswirkungen von Tempo 80/120 auf die Umwelt und die Verkehrssicherheit siehe BZ, 31.1.87 und BBl, 1987, I, S. 1427 ff.
[26] Presse vom 26.2.88; BA für Statistik, Strassenverkehrsunfälle in der Schweiz 1987, Bern 1988; vgl. SPJ, 1986, S. 121. Siehe ferner Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1050, 1077 ff. und 1204; BZ, 31.1.87; Ww, 18.6. und 5.11.87; NZZ, 27.6.87; TA, 24.10. und 10.11.87. Zu Tempo 30 in Wohnquartieren als Massnahme zugunsten der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes siehe oben (Agglomerationsverkehr) sowie Lit.
[27] Provisorische Führerausweise: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1860; SGT, 28.8.87; siehe auch die Motion Zwygart (evp, BE) für eine Heraufsetzung des Mindestalters für Motorfahrzeugführer (Verhandl. B.vers., 1987, IV, S. 106). Fahrschulobligatorium: Bund, 9.9.87; NZZ, 10.9.87.
[28] NZZ, 8.5., 15.5. und 14.7.87; Vat., 8.5. und 12.5.87, 15.1.88; vgl. auch BZ, 8.5.87.
[29] SZ, 20.1.87; Presse vom 23.1.87 (Komitee) und 20.11.87 (NR-Kommission); Bund, 19.8.87; NZZ und 24 Heures 24.8.87 (SPS); VCS-Zeitung, Nr. 2, S. 11; vgl. SPJ, 1985, S. 110 und 1986, S. 121 f.
[30] NZZ, 13.6. und 15.6.87. Siehe auch NZZ, 23.6.87; Verkehr und Umwelt, 1987, Nr. 2, S. 34 ff.; SPJ, 1986, S. 121.
[31] NZZ, 5.3.87; Ww, 19.3.87; SN, 26.3.87; TA, 30.5. und 17.11.87; Presse vom 30.6.87. Siehe auch Amtl. Bull. NR, 1987, S. 564 und 1006 sowie BaZ, 4.2.87; NZZ, 10.11.87.