Année politique Suisse 1988 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturlage
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Weltwirtschaft
Obwohl nach dem Börsenkrach vom Herbst 1987 ein Konjunktureinbruch oder zumindest eine -verflachung befürchtet worden war, setzte sich die gute Konjunktur auch 1988 fort. Die Wachstumsgeschwindigkeit der Wirtschaft steigerte sich in den OECD-Staaten sogar gegenüber dem Vorjahr; das reale Bruttosozialprodukt (BSP) nahm gemäss ersten Schätzungen um durchschnittlich rund 4% zu (1987: 3,3%). Eine wichtige Ursache für diese Entwicklung bestand in der Lockerung der Geldmengenpolitik durch die Zentralbanken der meisten OECD-Länder. Der daraus resultierende Rückgang der Zinssätze stimulierte die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und belebte die Investitionstätigkeit. Zwischen den einzelnen Industrieländern bestanden keine grossen Wachstumsunterschiede, einzig Japan lag mit einem Anstieg des realen BSP um 5,8% deutlich über dem Mittel. Das hohe Wachstum wirkte sich positiv auf die Beschäftigung aus; allerdings ergab sich daraus nur in den USA und in Grossbritannien eine nennenswerte Reduktion der Arbeitslosenquote. Die in der ersten Jahreshälfte gelockerte Geldmengenpolitik und das gesteigerte Wirtschaftswachstum führten freilich auch zu einer Verstärkung der Teuerung. Die durchschnittliche Inflationsrate stieg in den OECD-Staaten auf 3,8% (1987: 3,2%).
Die wirtschaftliche Entwicklung in den Nichtindustriestaaten verlief uneinheitlich. Die kräftige Nachfrage der Industriestaaten und die höheren Rohstoffpreise wirkten sich für die nicht-erdölexportierende Staaten Lateinamerikas und vor allem für die sogenannten Schwellenländer Südostasiens sehr positiv aus. In den erdölexportierenden Ländern Lateinamerikas und Afrikas verschärften sich demgegenüber infolge der sinkenden Erdölpreise die Probleme [5].
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Schweiz
In der Schweiz verstärkte sich das Wirtschaftswachstum ebenfalls wieder. Das reale Bruttoinlandprodukt nahm mit einer geschätzten Wachstumsrate von 3,0% jedoch etwas weniger stark zu als in den meisten andern Industrieländern. Der Aufschwung war breiter abgestützt als im Vorjahr, indem nun nicht mehr ausschliesslich die Binnennachfrage den Wachstumsmotor bildete, sondern auch die Exporte deutlich anzogen. Die Investitionen stellten mit einer Zunahme um 5,8% weiterhin die am relativ schnellsten wachsende Komponente der Gesamtnachfrage dar. Die Wachstumsbeiträge des Konsums der privaten Haushalte sowie der laufenden Käufe des Staates und der Sozialversicherungen blieben demgegenüber mit Steigerungsraten von 2,3% resp. 3,2% relativ gering. Der lebhaften Nachfrage des Auslands nach schweizerischen Gütern stand eine noch grössere Zunahme der Importe gegenüber, so dass sich das Defizit der Handelsbilanz massiv ausweitete. Da sich zudem der Überschuss aus dem Dienstleistungsverkehr verminderte, reduzierte sich gemäss ersten Schätzungen der Saldo der Ertragsbilanz um 1,7 Mrd auf 9,1 Mrd Fr. [6].
Die Beschäftigung nahm 1988 im Jahresmittel um 1,2% zu. Neben dem Dienstleistungssektor trug auch das Baugewerbe spürbar zum Wachstum bei; im industriellen Bereich stagnierte hingegen die Beschäftigtenzahl. Dass die Zuwachsrate bei den Frauen mit 2,0% erneut höher ausfiel als bei den Männern (0,8%), deutet auf den ausgetrockneten Arbeitsmarkt hin. Per Saldo rekrutierten sich die zusätzlich Beschäftigten wiederum aus ausländischen Erwerbstätigen. Die Zahl der ganz oder teilweise Arbeitslosen reduzierte sich im Jahresmittel auf 22 249, womit sich die Arbeitslosenquote von 0,8 auf 0,7% verringerte [7].
Der Index der industriellen Produktion erhöhte sich massiv um 6%. Als einziger Wirtschaftszweig musste die Bekleidungsbranche einen Einbruch in Kauf nehmen (-8%). Das grösste Wachstum wies die Chemie mit 13% auf; die Maschinenindustrie konnte die Stagnation des Vorjahres überwinden und steigerte die Produktion um 8%. Die Investitionsbereitschaft blieb mit einer Zunahme der realen Anlageinvestitionen um 5,8% weiterhin hoch, wenn auch die Zuwachsraten der beiden vorangegangenen Jahre nicht ganz erreicht werden konnten. Die Bautätigkeit nahm weiterhin zu und beim Auftragsbestand ergab sich gar eine zweistellige Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr (16%) [8].
Der Fremdenverkehr profitierte relativ wenig von der guten Wirtschaftslage. Die Anzahl der Logiernächte bildete sich um 1,4% zurück und die Totaleinnahmen aus dem Tourismus wuchsen mit 1,8% weniger stark an als die Teuerung. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war der starke Rückgang der Reisenden aus nichteuropäischen Ländern, was mit dem Wertverlust des Dollars nach dem Börsenkrach vom Herbst 1987 in Verbindung gebracht wurde [9].
Die Teuerung beschleunigte sich im Berichtsjahr leicht, konnte aber, gemessen an der grossen wirtschaftlichen Nachfrage, noch recht gut unter Kontrolle gehalten werden. Der Index der Konsumentenpreise stieg im Jahresdurchschnitt um 1,9%. Diese Teuerung war wiederum weitgehend auf die Entwicklung bei den inländischen Gütern zurückzuführen (+2,6%); das Preisniveau der ausländischen Güter blieb demgegenüber unverändert. Zum erstenmal seit 1985 stiegen die Grosshandelspreise wieder an (2,3%). Dieser Preisauftrieb verstärkte sich in der zweiten Jahreshälfte und erfasste sowohl die inländischen Güter als auch die Importe [10].
 
[5] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 5 f. und 12 ff.; Die schweizerische. Konjunktur im Jahre 1988 und Vorschau auf 1989. 316. Mitteilung der Kommission für Konjunkturfragen, Bern 1988, S. 3 ff. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, 59. Jahresbericht. 1. April 1988 - 31. März 1989, Basel 1989, S. 9 ff.
[6] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 21 ff.; Die schweizerische Konjunktur im Jahre 1988 und Vorschau auf 1989. 316. Mitteilung der Kommission für Konjunkturfragen, Bern 1988, S. 8 ff. Für die Wirtschaftsdaten siehe insbes. die Seiten *1 ff. in der amtlichen Zeitschrift Die Volkswirtschaft, 62/1989, Nr. 1 ff. Zur Aussenwirtschaft siehe oben, Teil I, 2.
[7] Die Volkswirtschaft, 62/1989, Nr. 6, S. *8 ff. Zum Arbeitsmarkt siehe unten, Teil I, 7a (Marché du travail).
[8] Die Volkswirtschaft, 62/1988, Nr. 6, S. *4 (Investitionen), S. *19 (Produktion) und S. *38 (Baugewerbe). Zur Entwicklung der einzelnen Branchen vgl. auch Schweizerische Bankgesellschaft, Branchenspiegel der Schweizer Wirtschaft 1988/89, Zürich 1989.
[9] Die Volkswirtschaft, 62/1988, Nr. 6, S. *42. Siehe auch Die Volkswirtschaft, 62/1988, Nr. 7, S. 35 ff. und unten, Strukturpolitik.
[10] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 26; Die Volkswirtschaft, 62/1988, Nr. 6, S. *15 ff.