Année politique Suisse 1989 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
 
Parlament
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PUK
Der Rücktritt von Bundesrätin Kopp führte zur Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) durch die Bundesversammlung. Es war nach der Untersuchung der Kostenüberschreitungen bei der Mirage-Beschaffung 1964 und der Abklärung von Vorwürfen gegen ein Nationalratsmitglied während des ersten Weltkriegs erst das dritte Mal, dass das Parlament eine spezielle Ermittlungskommission bildete. Gestützt auf die gesetzlichen Grundlagen, die das Parlament im Nachgang an die Untersuchung der Mirage-Affäre geschaffen hatte (Geschäftsverkehrsgesetz Art. 53 ff.), ist eine PUK mit bedeutend mehr Kompetenzen ausgestattet als die ständigen Geschäftsprüfungskommissionen. Insbesondere kann sie Beamte und übrige Auskunftspersonen als Zeugen vernehmen und Einsicht in alle Akten der Bundesverwaltung nehmen.
Die vier Regierungsparteien machten sich die ursprünglich von der SP und der GPS vorgebrachte Forderung nach einer Sonderabklärung zu eigen und beantragten dem Parlament die Einsetzung einer PUK. Diese sollte nicht nur die Umstände der Demission von E. Kopp, sondern auch ihre Amtsführung und Vorwürfe gegen das EJPD im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Drogenhandels und der Geldwäscherei unter die Lupe nehmen. Die beiden Kammern stimmten im Rahmen einer Sondersession am 31. Januar der Einsetzung einer aus je sieben National- und Ständeräten gebildeten PUK zu. Der Vorsitz über die nationalrätliche Unterkommission, und damit auch über die gesamte PUK, wurde – nach einigem parteipolitischem Gerangel – dem Sozialdemokraten Moritz Leuenberger (ZH) übertragen [27].
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Instrumente
Im Rahmen der Teilrevision des Geschäftsverkehrsgesetzes setzte sich das Seilziehen zwischen den beiden Parlamentskammern über die Zulässigkeit der sogenannten unechten Motionen fort. Der Nationalrat hielt an seinem Entscheid fest, wonach Motionen auch in den an den Bundesrat delegierten Rechtssetzungsbereichen erlaubt sein sollen. Der Ständerat bekräftigte zum dritten Mal seine Absicht, derartige Motionen durch das Geschäftsverkehrsgesetz ausdrücklich zu untersagen. Da er diesen Beschluss als endgültig erklärte, wird eine Einigungskonferenz beider Kammern nach einer Lösung zu suchen haben [28].
Der Bundesrat veröffentlichte seinen Bericht zu den Vorschlägen einer Nationalratskommission zum Ablauf der Beratungen der Regierungsrichtlinien. Er äusserte sich darin skeptisch zum neuen Instrument der Erklärungen, welche die Fraktionen zu den Richtlinien abgeben sollen (sogenannte Planungserklärungen). Da er glaubt, dass das damit verbundene Verfahren zu zeitaufwendig wäre, empfiehlt er die Beibehaltung der bisherigen Richtlinienmotionen [29].
Insbesondere nachdem in der Sommersession traktandierte Geschäfte nicht hatten behandelt werden können wurde die altbekannte Kritik an der Überlastung und der geringen Leistungsfähigkeit des Nationalrats sowohl von Parlamentariern als auch von Beobachtern verstärkt artikuliert. Während sich die Fraktionschefin der SP, Ursula Mauch (AG), für eine Verlängerung der Sessionsdauer aussprach, plädierten bürgerliche Politiker für eine Straffung des Ratsbetriebs. Vorschläge in dieser Richtung machte eine Nationalratskommission, die sich mit der Konkretisierung einer 1987 überwiesenen parlamentarischen Initiative Ott (sp, BL) befasste. Die Kommissionsmehrheit beantragte eine weitgehende Revision des Geschäftsreglements des Nationalrats. Insbesondere will sie die maximal erlaubten Redezeiten generell verkürzen und zudem entsprechend der Bedeutung der Geschäfte abstufen. Bei politisch unbedeutenderen Geschäften soll für Abgeordnete, die nicht einen Antrag stellen wollen, sogar das Recht auf Wortmeldung eingeschränkt werden. Für die Behandlung der parlamentarischen Vorstösse möchte sie in jeder Session eine feste Zeit einräumen [30].
Eine Nebenwirkung des Rücktritts von Bundesrätin Kopp bestand darin, dass die enge Interessenverflechtung zahlreicher Parlamentarier mit der Wirtschaft namentlich von den Sozialdemokraten stärker in Frage gestellt wurde. Die Parlamentarier müssen zwar seit 1984 ihre Interessenbindungen deklarieren. Mit einer parlamentarischen Initiative verlangte nun Nationalrätin Jeanprêtre (sp, VD), dass auch die Höhe der Einkünfte, die aus Verwaltungsratsmandaten und Beratertätigkeiten bezogen werden, publik gemacht werden muss. Die Mehrheit der vorberatenden Nationalratskommission sprach sich gegen dieses Begehren aus. Sie sah darin einen unberechtigten Korruptionsverdacht und erklärte, dass sie das Bestehen von Verbindungen zwischen dem Parlament und der Wirtschaft als durchaus positiv bewerte [31]. Die Nationalräte Braunschweig (sp, ZH) und Zbinden (sp, AG) reichten in der Folge zwei sich ergänzende parlamentarische Initiativen ein. Die erste regt ein Verbot für die Übernahme gewisser Verwaltungsratsmandate und Beratertätigkeiten an, und die zweite verlangt als Ersatz dafür eine Erhöhung der Entschädigung der Parlamentarier [32].
 
[27] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 2 ff.; Amtl. Bull. SIR, 1989, S. 1 ff.; BBl, 1989, 1, S. 541 f.; Presse vom 24.1., 26.1. und 1.2.89. Zu den Ergebnissen der PUK siehe oben, Regierung sowie Teil I, lb (Rechtsordnung). Zu M. Leuenberger vgl. auch Bilanz, 1989, Nr. 11, S. 14 ff.
[28] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 123 ff.; Amtl. Bull. StR, 1989, S. 226 ff. Vgl. auch SPJ 1988, S. 34.
[29] BBl, 1989, II, S. 351 ff.; NZZ, 16.5.89. Siehe auch SPJ 1988, S. 31.
[30] Kritik am Ratsbetrieb: SGT, 9.6.89; Presse vom 24.6.89; BaZ, 6.7.89. Kommissionsvorschläge: BBl, 1989, III, S. 1397 ff.; NZZ, 31.8.89; BaZ, 26.11.89. Vgl. auch SPJ 1986, S. 23 f. und 1987, S. 30.
[31] Verhandl. B.vers., 1989, V, S. 27; TA, 13.9.89; NZZ, 15.9. (NR-Kommission) und 30.11.89.
[32] Verhandl. B.vers., 1989, V, S. 29 f.; TA, 21.9.89. Zur vorgeschlagenen Erhöhung der Fraktionsbeiträge siehe unten, Teil IIIa (Parteiensystem).