Année politique Suisse 1990 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
Verwaltung
Der Bundesrat legte dem Parlament seinen Beschluss, auf den 1. Januar 1990 das Bundesamt für Organisation aufzulösen und ein neues
Bundesamt für Informatik im EFD zu bilden, nachträglich zur Genehmigung vor. Beide Kammern stimmten oppositionslos zu
[15].
Die wachsenden Probleme in der Asylpolitik führten zur Bildung eines neuen
Bundesamtes für Flüchtlinge im EJPD; zu dessen Leiter wurde der bisherige Delegierte für das Flüchtlingswesen, Peter Arbenz, gewählt
[16].
Da eine
Reorganisation der Bundesanwaltschaft bereits im Vorjahr mit der Überweisung der Anträge der Puk durch das Parlament eingeleitet worden war, hatten im Nationalrat die in dieser Sache noch hängigen persönlichen Vorstösse von seiten der Linken und der Grünen keine Erfolgsaussichten. Die Motionen wurden in Postulate umgewandelt oder, falls ihre Urheber damit nicht einverstanden waren, abgelehnt
[17]. Die Fichenaffäre zeitigte hingegen weitere personelle Konsequenzen. Der Chef der Bundespolizei und gleichzeitig auch Leiter der militärischen Abwehr, Peter Huber, wurde nach der Entdeckung von Karteien im EMD bis auf weiteres beurlaubt
[18]. Für den 1989 beurlaubten Bundesanwalt Gerber konnte nach langer Suche ein Nachfolger gefunden werden. Mit Amtsantritt auf den 1. August übernahm im Sinne einer Übergangslösung der 63jährige Willy Padrutt, bisher Staatsanwalt des Kantons Graubünden, das Amt
[19].
Die Zusammenarbeit des Bundes mit der 1986 für die Realisierung
departementsübergreifender Rationalisierungsmassnahmen beigezogenen externen Beraterfirma McKinsey wurde sistiert. Den Beratern wurde vorgeworfen, dass sie in ihren Untersuchungen die Spezifität der politischen Verwaltung nicht genügend berücksichtigt hätten, und dass sich ihre Vorschläge zum Teil als nicht realisierbar erwiesen hätten. In der Presse wurde allerdings festgehalten, dass nicht wenige der in den letzten Jahren vorgenommenen Reorganisationsmassnahmen in der Bundesverwaltung (z.B. die Zusammenlegung von Ämtern) auf Vorschläge der externen Berater zurückzuführen sein dürften. Bundeskanzler Buser gab bekannt, dass von den insgesamt vierzig Teilprogrammen zur Effizienzsteigerung deren 22 in Umsetzung begriffen sind oder kurz davor stehen. Von den restlichen sollen noch fünf weiterverfolgt werden, während die übrigen, darunter sämtliche Privatisierungsvorhaben, gestrichen worden sind
[20].
Mit der unter dem Titel der Dezentralisierung der Bundesverwaltung laufenden
Auslagerung von drei Bundesämtern nach Neuenburg, Biel und Grenchen (SO) harzte es weiterhin. Die im Januar für 1990 angekündigte Botschaft des Bundesrates wurde noch nicht verabschiedet. Auf lokaler Ebene gingen die Vorarbeiten aber weiter: in Neuenburg, wohin das Bundesamt für Statistik mit seinen rund 300 Angestellten dislozieren soll, stellten die Behörden ein konkretes Bauprojekt vor
[21].
Obwohl die Besoldungen des Bundespersonals 1989 real um 2% erhöht worden waren, hatte sich die schlechte Konkurrenzsituation der Bundesverwaltung und -betriebe auf dem Arbeitsmarkt nicht grundlegend verbessert. Der Bundesrat schlug deshalb für den 1. Juli 1991 eine erneute
Reallohnerhöhung um 3% und Verbesserungen der Zulagen vor; zudem wünschte er die Ermächtigung, die Besoldungen um höchstens weitere 5% an die zukünftige Reallohnentwicklung der Privatwirtschaft anzupassen. Dabei beantragte der Bundesrat, bei der Gewährung der Reallohnerhöhung die individuelle Leistung zu berücksichtigen. Er machte zu diesem Zweck von seiner mit der Revision des Beamtengesetzes von 1988 erhaltenen Kompetenz Gebrauch, und setzte den Artikel 45.2 in Kraft, welcher leistungsmässig differenzierte Erhöhungen vorsieht. Konkret sollen Beschäftigte mit nachweisbar ungenügenden Leistungen die für 1991 vorgesehene Reallohnerhöhung nicht erhalten
[22]
.
Der
Nationalrat behandelte diese Vorschläge in der Wintersession. Dabei unterlag der von der SVP, den Liberalen und der Mehrheit der FDP unterstützte Antrag, anstelle der linearen Reallohnerhöhung, individuelle, an Leistung und Arbeitsmarktsituation orientierte Lohnerhöhungen zu gewähren. Das Prinzip der
nach Leistung abgestuften Entlöhnung fand aber doch noch Eingang in diese Revision des Beamtengesetzes. Mit Zustimmung von Bundesrat Stich beschloss der Rat, dass ein Teil der für zukünftige Reallohnerhöhungen vorgesehenen Beträge für individuelle, leistungsorientierte Verbesserungen verwendet werden soll. Im Bereich der Sozialzulagen setzte die Volkskammer die Erhöhung der Kinderzulage von 10% auf 20% herauf und folgte einem Antrag Haller (sp, BE) für eine zivilstandsunabhängige Formulierung des Anspruchrechts für Lohnzulagen
[23]
.
Im Anschluss an die Beratung der Besoldungsrevision überwies die Volkskammer eine Motion für eine Totalrevision des Beamtengesetzes. Mit dieser Reform soll der Bund insbesondere eine grössere Flexibilität bei der Gestaltung der Anstellungs- und Entlöhnungsverhältnisse seines Personals erhalten
[24]. Zuvor hatte der Nationalrat bereits ein Postulat Maître (cvp, GE) überwiesen, welches eine bessere Differenzierung der Ortszulagen fordert, um vor allem den PTT die Personalrekrutierung in Orten mit sehr hohen Lebenskosten zu erleichtern
[25]
.
Zwar muss die angestrebte Flexibilisierung der Anstellungsbedingungen des Bundespersonals wohl primär im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktstruktur gesehen werden. Die Bundesräte Cotti und Koller machten aber auch führungspolitische Gründe geltend, als sie wünschten, dass die Exekutivmitglieder die
Spitzenposten der Verwaltung mit selbst gewählten Vertrauensleuten besetzen können und nicht mehr alle Beamten von ihren Vorgängern übernehmen müssen. Der Bundesrat hatte bereits früher die Verwaltung mit der detaillierten Abklärung der Frage der Flexibilisierung der Anstellungsbedingungen von Amtsdirektoren und anderen leitenden Mitarbeitern beauftragt. In seinen Vorschlägen zur Entlastung des Bundesrates (siehe oben) hatte er eine Flexibilisierung der Anstellungsbedingungen für die Generalsekretäre und Informationschefs in Aussicht gestellt
[26]
.
[15] BBl, 1990, I, S. 1101 ff.; Amtl. Bull. StR, 1990, S. 268 ff. und 543; Amtl. Bull. NR, 1990, S. 891 ff. und 1318; BBI, 1990, II, S. 1260 f.; AS, 1990, S. 1535 f. und 1537 ff. Zum Beschluss des BR siehe SPJ 1989, S. 31 f.
[16] BBI, 1990, Il, S. 1262 f.; AS, 1990, S. 1591 ff. Siehe dazu unten, Teil I, 7d (Flüchtlinge).
[17] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 194 ff. Vgl. dazu auch oben, Teil 1, lb (Staatsschutz) und SPJ 1989, S. 23 f.
[20] BZ, 23.5.90; Bund 26.5.90; Ww, 31.5.90; BZ und NZZ, 6.6.90 (BR). McKinsey behauptete, dass die Zusammenarbeit von ihr aus gekündigt worden sei (BZ, 25.5.90). Vgl. SPJ 1986, S. 22.
[21] NZZ, 5.1.90; Express, 31.1.90.
[22] BBI, 1990, 11, S. 1425 ff.; AS, 1990, S. 926; BZ, 3.5.90.
[23] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2013 ff.
[24] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2040 f.
[25] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 713. Siehe dazu auch unten, Teil 1, 6b (PTT).
[26] BaZ, 12.5.90 (Cotti); Sonntags-Blick, 25.3.90 (Koller); SZ, 4.8.90. Generalsekretäre: BBI, 1990, III, S. 655.
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